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Als Ergänzung zum bisher dargelegten system-bezogenen Ansatz wird in diesem Abschnitt nä-her darauf eingegangen, wie die verschiedenen Wirtschaftspolitiken innerhalb des gesamten wirtschaftspolitischen Handlungsrahmens durch-geführt werden. Dabei wird jeder wirtschafts-politische Themenbereich (d. h. Geldpolitik, Wechselkurspolitik, Finanzpolitik, Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik, mikroökonomische Politik und Strukturpolitik) gesondert behan-delt; der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Ver-teilung der jeweiligen politischen Zuständigkei-ten und den Gründen für diese Aufgliederung, auf der tatsächlichen Ausgestaltung der jeweili-gen Politikbereiche und gegebenenfalls auf der länderübergreifenden Koordinierung der spezifi-schen Politikfelder. Abschnitt 5 veranschaulicht, wie diese spezifischen Regelungen für die einzel-nen Politikfelder in eieinzel-nen insgesamt kohärenten Handlungsrahmen für die wirtschaftspolitische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten in-tegriert werden, und es werden außerdem die bestehenden politikübergreifenden Koordinierungs-praktiken erörtert.

Geldpolitik

Die Bedeutung der Preisstabilität für das rei-bungslose Funktionieren des Marktmechanis-mus impliziert, dass eine stabilitätsorientierte Geldpolitik innerhalb eines einheitlichen Bin-nenmarkts ein gemeinsames öffentliches Gut ist, das von einer unabhängigen und zentralen Institution in einheitlicher Form vorgegeben werden sollte. Der institutionelle Handlungs-rahmen für die Geldpolitik in der WWU spie-gelt diese Notwendigkeit eindeutig wider. Der EG-Vertrag hat das Eurosystem mit der EZB als Herzstück geschaffen, die mit der not-wendigen Unabhängigkeit von politischen Ein-griffen ausgestattet wurde und der der klare Auftrag erteilt wurde, die Preisstabilität in-nerhalb des Euro-Währungsgebiets zu ge-währleisten. Der institutionelle Handlungsrah-men dient daher dazu sicherzustellen, dass die Geldpolitik so gut wie möglich zur Errei-chung der allgemeinen Ziele der Wirtschafts-politiken der Gemeinschaft beiträgt.

Um das reibungslose Funktionieren der ein-heitlichen Geldpolitik zu unterstützen und der Unabhängigkeit der EZB Nachdruck zu ver-leihen, verbietet der EG-Vertrag auch die mo-netäre Finanzierung öffentlicher Defizite durch die Zentralbank (Artikel 101) und den bevorrechtigten Zugang öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu den Finanzinstituten (Arti-kel 102).

Wechselkurspolitik

Eine einheitliche Währung impliziert notwen-digerweise einen einheitlichen Wechselkurs.

Daher wird die Wechselkurspolitik auch auf Gemeinschaftsebene durchgeführt. Es ist dar-auf hinzuweisen, dass es im Euro-Währungs-gebiet keine „aktive“ Wechselkurspolitik gibt.

Angesichts der Größe der Volkswirtschaft des Euro-Währungsgebiets verfolgt die EZB kein Wechselkursziel. Im EG-Vertrag ist festge-legt, dass die Wechselkurspolitik mit dem vorrangigen Ziel der Geldpolitik der EZB, nämlich der Gewährleistung der Preisstabili-tät, im Einklang stehen sollte. Im Hinblick auf die Durchführung der Wechselkurspolitik sieht der EG-Vertrag eine enge Zusammen-arbeit zwischen dem EU-Rat und der EZB vor. In Fällen, in denen dies für notwendig erachtet wird, ist es dem EU-Rat nach Arti-kel 111 des EG-Vertrags gestattet, und zwar im Anschluss an spezifische und strenge Ver-fahren, förmliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für den Euro gegenüber Drittlandswährungen zu treffen oder allge-meine Orientierungen für die Wechselkurs-politik aufzustellen. Sowohl die Vereinbarun-gen als auch die allgemeinen OrientierunVereinbarun-gen müssen im Einklang mit dem Ziel der EZB stehen, die Preisstabilität zu gewährleisten.

Die Bestimmungen des EG-Vertrags und der Satzung des ESZB und der EZB sowie aktuel-le institutionelaktuel-le Regelungen gewähraktuel-leisten, dass ein regelmäßiger Informations- und Ge-dankenaustausch zwischen dem EU-Rat und der EZB stattfindet. Dies stimmt mit der Tat-sache überein, dass Wechselkursentwicklun-gen im gemeinsamen Interesse beider Institu-tionen liegen. Die EZB besitzt jedoch die

al-leinige Entscheidungsbefugnis darüber, ob und wann sie Devisenmarktinterventionen durch-führt, wobei sie ihre Unabhängigkeit bewahrt, die ihr durch den EG-Vertrag und die Satzung zugewiesenen Aufgaben erfüllt und das vor-rangige Ziel der Gewährleistung von Preissta-bilität verfolgt. Die institutionellen und prak-tischen Regelungen des Euro-Währungsge-biets auf dem Gebiet der Wechselkurspolitik begünstigen damit trotz ihrer Besonderhei-ten (wie beispielsweise der eigenständigen Rolle der Zentralbank und des Fehlens eines

„Finanzministeriums für das Euro-Währungs-gebiet“) die Entwicklung einer konsistenten Wirtschaftspolitik, die die Kommunikation er-leichtert und gegebenenfalls eine effektive Ko-operation mit den wichtigsten internationa-len Handelspartnern des Euro-Währungsge-biets ermöglicht.

Finanzpolitik

Die Finanzpolitik wird auf der Ebene der Mit-gliedstaaten in Übereinstimmung mit den Re-gelungen des EG-Vertrags und des Stabilitäts-und Wachstumspakts durchgeführt, die einen großen Gestaltungsspielraum für die Zusam-mensetzung der Staatsausgaben und -einnah-men entsprechend den nationalen politischen Präferenzen lassen. Die Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Haushaltspolitik wird durch die „no bail out“-Klausel (Artikel 103) des EG-Vertrags nach-drücklich unterstrichen, die festlegt, dass we-der die Gemeinschaft noch die Mitgliedstaa-ten für die VerbindlichkeiMitgliedstaa-ten eines anderen Mitgliedstaats haften. Es gibt eine Reihe von Argumenten für diesen dezentralen finanzpo-litischen Ansatz.

Erstens überwiegen hinsichtlich der Staats-ausgaben und -einnahmen immer noch die nationalen politischen Präferenzen im Euro-Währungsgebiet. Die Größe der Haushalte sowie Steuerpolitik und Ausgabeprioritäten unterscheiden sich bei den verschiedenen Mit-gliedstaaten in einigen Fällen beträchtlich.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass wichtige

„öffentliche Güter“ wie beispielsweise soziale Sicherheit, Erziehung, Gesundheitsleistungen

oder Verteidigung auf nationaler Ebene zur Verfügung gestellt werden. Da die politischen Debatten über diese wichtigen Komponenten der Staatsausgaben immer noch ein länder-spezifisches Anliegen darstellen, müssen die jeweiligen wirtschaftspolitischen Entscheidun-gen – und zwar nicht nur aus Gründen der politischen Legitimität – weiterhin auf natio-naler Ebene getroffen werden.

Zweitens bleiben darüber hinaus trotz der deutlichen Fortschritte auf dem Weg zu ei-ner konjunkturellen Annäherung bei den Mit-gliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gewis-se Unterschiede im Hinblick auf die Konjunk-tur bestehen. Da das Eurosystem seine Geldpolitik für das gesamte Euro-Währungs-gebiet durchführt und daher die besonderen Anforderungen der einzelnen Volkswirtschaf-ten nicht berücksichtigen kann, müssen die Mitgliedstaaten den geldpolitischen Kurs des Euro-Währungsgebiets als von außen vorge-geben akzeptieren. Folglich müssen die natio-nalen Regierungen mit den ihnen zur Verfü-gung stehenden wirtschaftspolitischen Instru-menten – besonders mithilfe der Finanzpolitik – auf die besondere konjunkturelle Lage ihrer heimischen Wirtschaften auf unterschiedliche und flexible Art und Weise reagieren kön-nen. Indem nationale Regierungen das mittel-fristige Ziel eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts verfolgen, sollten sie in der Lage sein, die wirtschaftlichen Effekte konjunktureller Schwankungen durch das Wirken der auto-matischen Stabilisatoren und, falls erforder-lich, durch weitere Maßnahmen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu glät-ten. Außerdem dürften strukturelle Reformen die Anpassungsfähigkeit der Volkswirtschaf-ten an wirtschaftliche Schocks erhöhen und selbststabilisierend wirken.

Wie bereits in Abschnitt 3 erläutert, müssen die dezentralisierten Finanzpolitiken innerhalb der WWU mögliche Ansteckungseffekte be-rücksichtigen, die sich durch politische Ent-scheidungen in einem Mitgliedstaat auf die anderen Staaten auswirken können. Schon vor der WWU hatte die Notwendigkeit, Verzer-rungen des einheitlichen Binnenmarkts zu

ver-meiden, eine Einschränkung des Gestaltungs-spielraums der Mitgliedstaaten im Hinblick auf gewisse Arten der Besteuerung (z. B. Min-destsätze bei der Mehrwertsteuer) zur Folge.

Darüber hinaus ist der aktuelle Handlungs-rahmen für die Durchführung der Finanzpoli-tiken darauf ausgerichtet worden, das Risiko von negativen, aus unangemessenen Finanz-politiken resultierenden Auswirkungen zu ver-ringern. Er schafft auf der Basis der Regelun-gen des EG-Vertrags und der Sekundärge-setzgebung Rahmenbedingungen, die man am besten als „eingeschränkte Flexibilität“ be-schreiben kann. In erster Linie sind „gesunde öffentliche Finanzen“ ein Leitprinzip der Wirt-schaftspolitik in der Gemeinschaft (Artikel 4 Absatz 3, siehe Kasten 1). Außerdem stellt das oben erwähnte Verbot der monetären Finanzierung öffentlicher Defizite und des be-vorrechtigten Zugangs öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu den Finanzinstituten eine weitere wesentliche und verbindliche Ein-schränkung für die Durchführung national-staatlicher Finanzpolitiken dar. Durch die Ver-besserung der disziplinierenden Wirkung des Marktmechanismus auf die Finanzpolitiken wird ein Beitrag zum ordnungsgemäßen Funk-tionieren der WWU geleistet.

Besonders erwähnenswert ist, dass der EG-Vertrag eine Verpflichtung zur Vermeidung

„übermäßiger Defizite“ (Artikel 104) enthält.

Diese Einschränkung ist zusammen mit den Verfahren für eine multilaterale Überprüfung nationaler Finanzpolitiken durch den Stabili-täts- und Wachstumspakt weiter spezifiziert worden. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt schreibt quantifizierbare Defizitregeln vor, die den Haushaltsbehörden der Mitgliedstaaten eine klare wirtschaftspolitische Orientierung geben. (Nähere Informationen sind dem Arti-kel „Die Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts“ im Monatsbericht vom Mai 1999 zu entnehmen.) Gemäß dem Stabili-täts- und Wachstumspakt sind die Mitglied-staaten des Euro-Währungsgebiets dazu ver-pflichtet, jährliche Stabilitätsprogramme vor-zulegen, in denen sie ihre Haushaltspläne erläutern, und zwar in Übereinstimmung mit dem mittelfristigen Ziel eines nahezu ausge-glichenen oder einen Überschuss

aufweisen-den Haushalts. Die beachtlichen Fortschritte, die bei der Reduzierung der Haushaltsdefizite und der Schuldenstände seit Mitte der Neun-zigerjahre gemacht wurden, weisen darauf hin, dass die Rahmenbedingungen insgesamt für die Finanzpolitiken positive Wirkung gezeigt haben.

Das bedeutet jedoch nicht, dass praktische Verbesserungen mit zunehmender Erfahrung nicht mehr möglich sind. Tatsächlich sind bereits sinnvolle Verbesserungen an den be-stehenden Rahmenbedingungen vorgenom-men worden. Beispielsweise haben sich die Finanzminister des Euro-Währungsgebiets darauf geeinigt, vorab Informationen auszu-tauschen und gegebenenfalls geplante wichti-ge Änderunwichti-gen der zukünftiwichti-gen Steuer- und Ausgabenpläne innerhalb der Eurogruppe zu erörtern. (Eine genauere Darstellung der Rol-le und Funktionsweise der Eurogruppe findet sich im Jahresbericht 2000.) Außerdem wur-de vor kurzem mit einer gemeinsamen Analy-se zur Beurteilung der „Qualität“ der öffent-lichen Finanzen, d. h. der Strukturmerkmale der nationalen Haushalte, begonnen. Dies er-möglicht einen wechselseitigen Lernprozess, der dazu beiträgt, längerfristigen Herausfor-derungen für die Finanzpolitik, wie bei-spielsweise den haushaltspolitischen Auswir-kungen einer alternden Bevölkerung, zu be-gegnen. Diese Formen finanzpolitischer Koordination, die über den Stabilitäts- und Wachstumspakt hinausgehen, sind informel-ler Art und ohne verbindlichen Charakter.

Ihre Glaubwürdigkeit und Effektivität werden daher von der Entschlossenheit der Entschei-dungsträger abhängen, die eingegangenen Ver-pflichtungen auch einzulösen.

Im Laufe der Zeit dürften sich die Koordinie-rungspraktiken weiterentwickeln. Eine insge-samt einheitliche Ausrichtung der Finanzpoli-tik auf der Grundlage freiwilliger Vereinba-rungen der Finanzminister des Euro-Wäh-rungsgebiets dürfte sich allmählich herauskris-tallisieren und damit die Durchführung der nationalen Haushaltspolitiken beeinflussen.

Als Teil einer solchen Entwicklung könnte die nationale Finanzpolitik ebenfalls im Hinblick auf die Gesamtauswirkungen auf das

Euro-Währungsgebiet festgelegt werden und damit die Verinnerlichung der spezifischen Bedin-gungen der Währungsunion seitens der nati-onalen Entscheidungsträger fördern.

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik Die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bezieht sich auf Maßnahmen der Regierungen, Arbeitgeber und Gewerkschaften bei der Schaffung eines Handlungsrahmens für funkti-onierende Arbeitsmärkte und bei der Aus-handlung von Tarifvereinbarungen. Um zur Erreichung der wirtschaftlichen Ziele der Ge-meinschaft beizutragen, sollten die Lohnent-wicklungen in hohem Maße beschäftigungs-freundlich und mit der Preisstabilität verein-bar sein. Zu diesem Zweck sollten die Lohnniveaus so weit wie möglich die Nach-frage nach und das Angebot von Arbeit in den verschiedenen Branchen, Sektoren und Regionen widerspiegeln und sich entspre-chend anpassen, und zwar in Anlehnung an Gesamtnachfrage und -angebot sowie an die Unterschiede bei der Arbeitsproduktivität.

Die Tarifrunden werden auf nationaler, sub-nationaler, Branchen- oder betrieblicher Ebe-ne durchgeführt und liegen im AllgemeiEbe-nen in den Händen der Sozialpartner. Die Verant-wortung für die allgemeinen Rahmenparame-ter der nationalen Arbeitsmärkte wird von den Regierungen der Mitgliedstaaten über-nommen. Dieser Grad der Dezentralisierung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspoliti-ken wird weitgehend als erforderlich angese-hen, da es innerhalb des Euro-Währungsge-biets wesentliche Unterschiede bei den In-dustrie- und Arbeitsmarktstrukturen sowie bei den Produktivitätsniveaus der verschiede-nen Branchen, Sektoren und Regioverschiede-nen gibt.

Eine größere Arbeitsmarktflexibilität und gegebenenfalls Reformen hin zu Lohnbildungs-systemen, die die lokale Produktivität und die Arbeitsmarktbedingungen besser widerspie-geln, wären wichtige Schritte zum Abbau der in einigen Mitgliedstaaten immer noch zu ver-zeichnenden hohen strukturellen Arbeitslo-sigkeit. Auf diesen Gebieten sind zwar zwei-fellos Fortschritte erzielt worden, aber die

Einführung der einheitlichen Währung mach-te die Beseitigung von Rigiditämach-ten und fal-schen Anreizen auf den Arbeitsmärkten noch dringender erforderlich, nicht zuletzt weil die Mobilität sowohl zwischen den einzelnen Län-dern als auch innerhalb der Länder weiterhin sehr eingeschränkt ist.

Da jedoch alle Mitgliedstaaten das gemeinsa-me Ziel eines „hohen Beschäftigungsniveaus“

(Artikel 2 des EG-Vertrags, siehe Kasten 1) verfolgen und besorgt über die derzeitig hohe Arbeitslosenzahl sind, ist von ihnen auf Ge-meinschaftsebene ein Abstimmungs- und Ko-ordinierungsprozess in Gang gesetzt worden.

Titel VIII des EG-Vertrags, der sich dem The-ma „Beschäftigung“ widmet und durch den 1997 geschlossenen Vertrag von Amsterdam eingeführt wurde, unterwirft die bisher aus-schließlich nationalstaatliche Beschäftigungs-politik einem formalen Koordinierungsverfah-ren, das allgemein als „Luxemburg-Prozess“

bekannt ist. Das wichtigste Instrument dafür sind die jährlichen beschäftigungspolitischen Leitlinien, deren Billigung durch die Staats-und Regierungschefs ihre politische Bedeu-tung unterstreicht. In den Leitlinien werden Empfehlungen und wichtige Maßnahmenberei-che festgelegt, und zwar insbesondere im Hin-blick auf Ausbildung, Bildung und Arbeits-marktreformen. Nationale Beschäftigungs-aktionspläne setzen diese Leitlinien auf nationaler Ebene in wirtschaftspolitische Vor-schläge um, wobei die speziellen Bedingungen in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.

Wie bereits oben erwähnt, können die Früch-te der Koordinierungs- und Beratungsprozes-se auf GemeinschaftBeratungsprozes-sebene nur dann vollstän-dig geerntet werden, wenn die Leitlinien und Empfehlungen tatsächlich auf nationaler Ebe-ne befolgt werden und die in den nationalen Aktionsplänen enthaltenen detaillierten wirt-schaftspolitischen Maßnahmen ordnungsge-mäß umgesetzt werden.

Mikroökonomische Politik und Strukturpolitik

Die mikroökonomische Politik und die Struk-turpolitik umfassen im Allgemeinen politische

Maßnahmen, die das Funktionieren der Märk-te und damit die Ressourcenallokation beein-flussen. Die jeweiligen wirtschaftspolitischen Zuständigkeiten sind zwischen der Gemein-schaft und den einzelnen Staaten aufgeteilt.

Wie bereits oben erwähnt, stellt ein funktio-nierender einheitlicher Binnenmarkt eine tra-gende Säule des wirtschaftspolitischen Hand-lungsrahmens in der WWU dar. Zur Errei-chung des im EG-Vertrag niedergelegten Ziels der Errichtung eines Binnenmarkts, „der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs-und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaa-ten gekennzeichnet ist“ (Artikel 3.1 (c)), hat die Gemeinschaft ein umfangreiches Geset-zespaket verabschiedet, das das Funktionie-ren der Märkte regelt. Dieses umfassende Re-gelwerk in Form von Rechtsakten der Ge-meinschaft, insbesondere Verordnungen und Richtlinien, deren Verbindlichkeit auf dem Vorhandensein funktionierender Umsetzungs-mechanismen (Wettbewerbspolitik, Urteile der Gerichte der Europäischen Gemeinschaft) beruht, deckt viele Aspekte des Wirtschafts-lebens ab und beeinflusst einen Großteil der von Wirtschaftsakteuren und Entscheidungs-trägern getroffenen Entscheidungen. Fort-schritte hinsichtlich des gemeinsamen Ziels der Schaffung von Wettbewerbsgleichheit im gesamten einheitlichen Binnenmarkt haben im Verlauf der Jahre bereits zu bedeutenden strukturellen Veränderungen in den europäi-schen Volkswirtschaften geführt; durch den zunehmenden Wettbewerbsdruck und da-durch, dass zuvor geschützte und monopo-listische Wirtschaftssektoren für den Wett-bewerb geöffnet wurden, verbesserten sich das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungsentwicklung der Gemein-schaft.

Im Rahmen des einheitlichen Binnenmarkts behalten die nationalen Regierungen jedoch die Verantwortung für eine Reihe wichtiger Strukturpolitiken (beispielsweise für die Re-gelungen der Arbeitsmärkte, der Informati-ons- und Kommunikationssektoren, der For-schung und Entwicklung etc.). Diese Dezen-tralisierung ist nicht nur aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Strukturen

und politischen Prioritäten in den Mitglied-staaten gerechtfertigt. Gemäß dem Subsidia-ritätsprinzip sollten wirtschaftspolitische Maß-nahmen in Bezug auf mikroökonomische und strukturpolitische Fragen (beispielsweise be-züglich der Modalitäten für die Arbeitneh-mermitbestimmung am Arbeitsplatz oder hin-sichtlich des sozialen Netzes und des Sozial-leistungssystems) in der Regel auf nationaler – oder sogar auf subnationaler – Ebene ge-troffen werden. Gemeinsame Regelungen auf Gemeinschaftsebene sind nur dann gerecht-fertigt, wenn sie aufgrund von Skaleneffekten einen zusätzlichen Nutzen bringen oder für das reibungslose Funktionieren des einheitli-chen Binnenmarkts notwendig werden. In die-ser Hinsicht dürften abweichende Rahmenbe-dingungen und ein unterschiedliches ord-nungspolitisches Umfeld gemeinsame Ansätze erforderlich machen, wenn sie das Funktio-nieren des einheitlichen Binnenmarkts er-schweren, beispielsweise auf dem Gebiet der Finanzmärkte oder im Hinblick auf den Zu-gang zu den Informations- und Kommunika-tionsindustrien.

Wettbewerbsfördernde Maßnahmen an den Waren- und Dienstleistungsmärkten und wei-tere Schritte zur Öffnung von zuvor wettbe-werbsgeschützten Wirtschaftssektoren wer-den vor allem wer-den Ländern zugute kommen, die sie umsetzen. Es ist zu erwarten, dass stärkerer Wettbewerb zu Kostensenkungen, niedrigeren Gewinnmargen und Produktivi-tätszuwächsen führt, was wiederum vorüber-gehend einen dämpfenden Effekt auf die Ent-wicklung der Verbraucherpreise haben dürf-te. Niedrigere Preise und eine bessere Qualität werden im Zeitverlauf zu einer er-höhten Nachfrage nach Gütern und Dienst-leistungen führen. Darüber hinaus können durch eine Strukturreform die Wettbewerbs-fähigkeit einer Volkswirtschaft und die Flexi-bilität, mit der sie auf Schocks reagiert, ver-bessert werden; dies ist vor allem für ein Land von Bedeutung, das Teil einer Wäh-rungsunion ist, in der länderspezifische Inte-ressen und Wechselkurse per Definition nicht als Instrumente für wirtschaftspolitische Kor-rekturen zur Verfügung stehen (siehe auch den Beitrag „Gütermarktreformen im

Euro-Währungsgebiet“ im Monatsbericht Au-gust 2001).

Neben den Vorteilen einer Strukturreform für die eigenen Volkswirtschaften haben die Länder des Euroraums auch ein gemeinsames Interesse an den in anderen Mitgliedstaaten der Währungsunion erzielten Fortschritten bei Strukturreformen. Dieses Interesse ist auf den bereits genannten günstigen Einfluss der Strukturreformen auf eine Reihe wichtiger Größen des Euroraums insgesamt zurückzu-führen. Durch Fortschritte bei den Struktur-reformen im gesamten Euroraum und die daraus resultierende größere Wettbewerbs-fähigkeit und Flexibilität können das Wachs-tumspotenzial gesteigert und die Beschäfti-gungsmöglichkeiten im Euro-Währungsgebiet verbessert werden. Dies wiederum kann die Außenwahrnehmung des Euroraums als funk-tionsfähigen und dynamischen Wirtschafts-raum deutlich fördern. Eine Reduzierung struktureller Verkrustungen in den Volkswirt-schaften des Euroraums kann sich auch posi-tiv auf die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik auswirken, da durch größere Fle-xibilität der Preisdruck bei einem bestimmten Wachstum verringert werden kann, was sich wiederum in einem mit Preisstabilität in Ein-klang stehenden Anstieg des potenziellen Pro-duktions- und Beschäftigungswachstums nie-derschlagen kann.

In Anerkennung der euroraumweiten Bedeu-tung struktureller Reformen haben sich die Mitgliedstaaten auf die Institutionalisierung ei-nes System zur verstärkten Kontrolle und ge-genseitigen Bewertung durch Experten der Mitgliedstaaten in einem als „Cardiff-Prozess“

bekannten Verfahren geeinigt. Im Rahmen die-ses Verfahrens erstatten die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission einmal jähr-lich über die Funktionsweise der Güter- und Kapitalmärkte und über den Fortschritt der Wirtschaftsreformen Bericht. Diese Maßnah-me wird durch eine ausführlichere „multilate-rale Überprüfung der Wirtschaftsreformen“

durch den Wirtschaftspolitischen Ausschuss der Europäischen Gemeinschaft ergänzt. Mit-tels einer länderspezifischen Überprüfung der geplanten und bereits durchgeführten

struk-turellen Reformen wird durch die Beurtei-lung erheblicher Druck seitens der anderen Mitgliedstaaten ausgeübt. Die Tatsache, dass die Eurogruppe mittlerweile auch über

struk-turellen Reformen wird durch die Beurtei-lung erheblicher Druck seitens der anderen Mitgliedstaaten ausgeübt. Die Tatsache, dass die Eurogruppe mittlerweile auch über