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3.2 Die ASE in Nordamerika

3.2.3 Das Ende der ASE in Nordamerika

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigte sich die ASE in Nordamerika zu wenig an die Konkurrenzsituation angepasst und auch durch die Abh¨angigkeit von Entscheidungen aus London zu unflexibel, um weiter bestehen zu k¨onnen. Das Festhalten an der Ex-klusivit¨at als Gewerkschaft der Facharbeiter f¨uhrte in einer sich wandelnden Gewerk-schaftslandschaft mit dem Ansatz, alle Arbeiter in Handwerkszweigen zu organisieren, zu den gr¨oßten Reibungspunkten. Eine neue Richtung der Arbeitermobilit¨at nach Groß-britannien f¨uhrte endlich zu einer L¨osung des Problems f¨ur die Mitglieder der ASE in Nordamerika.

Die Mitgliederentwicklung der ASE fiel in verschiedenen Gegenden der Welt unter-schiedlich aus. W¨ahrend in den USA vor allem zu Beginn der Ausbreitung der Ge-werkschaft die Mitgliederzahlen in die H¨ohe gingen, entwickelten sich die Zahlen in Australien und Neuseeland zwar stetig, aber erst nach 1900 mit einer gewissen aufstre-benden Dynamik. Zu diesem Zeitpunkt waren die Mitgliederzahlen in den USA weniger dynamisch und in vielen Jahren stagnierend beziehungsweise zur¨uckgehend. Viele Gr¨ un-de f¨ur die unterschiedlichen Entwicklungen lagen dabei in der Ausformung sowie dem Konkurrenzdruck innerhalb der Gewerkschaftslandschaft.

213 Forsey, Unions, S. 498 ff.

214 Babcock, Robert H., Gompers in Canada: A Study in American Continentalism before the First World War, Toronto 1974, S. 73 ff.

215 Lipton, Movement, S. 138.

Die Bedeutung des gesetzlichen und organisatorischen Umfelds f¨ur die Entwicklung einer britischen Gewerkschaft in anderen L¨andern wird deutlich bei einer Betrachtung der Mitgliederzahlen in den Jahren 1912 und 1914, in denen die Entwicklung der ASE in Nordamerika schon deutlich wurde. Die Verantwortlichen in Australien hatten mit der Einf¨uhrung der Klasse dertrade protection members eine f¨ur ihre spezifische Situation wichtige Ausweitung der Mitgliedschaft durchsetzen k¨onnen. W¨ahrend in Australien im Dezember 1912 19 Prozent der Mitglieder in dieser niedrigeren Klasse eingestuft waren, hatte sich diese in Kanada mit 1,1 Prozent, den USA mit 0,9 Prozent und Großbritannien und Irland mit 2,5 Prozent nicht durchsetzen k¨onnen.216 In diesen L¨andern war das erlernte Handwerk,skill, immer noch ein Hauptkriterium f¨ur die Aufnahme in die ASE.

W¨ahrend aber in Großbritannien die Konkurrenz durch Gewerkschaften mit ungelernten Arbeitern f¨ur die ASE keine existentielle Bedeutung hatte, war der ASE in Nordamerika mit der IAM eine bedrohliche Konkurrentin erwachsen. Die Exklusivit¨at der Facharbeiter in der ASE war hier zur Gefahr geworden.

Dies zeigt sich auch an den Zahlen der Auszubildenden. In Großbritannien lag die Zahl der Auszubildenden in der ASE 1912 und 1914 bei 10,9 und 12,8 Prozent und spiegelte somit nicht nur eine hohe Ausbildungsrate wider, sondern bedeutete auch prospektive Vollmitglieder einer Gewerkschaft gelernter Handwerker. In Australien lag die allgemeine Zahl der Auszubildenden mit 5,0 und 6,8 Prozent f¨ur 1912 und 1914 zwar niedriger als in Großbritannien, war aber steigend. In Nordamerika jedoch waren so gut wie keine Mitglieder als Auszubildende gemeldet. In den USA ist mit 0,2 und 0,5 Prozent f¨ur 1912 und 1914 kein Anstieg ¨uber eine nennenswerte Marke zu erkennen, w¨ahrend in Kanada immerhin mit einem Anstieg von 0,1 auf 2,1 Prozent eine Tendenz zu erkennen ist. Die ASE blieb in Nordamerika eine Gewerkschaft f¨ur ausgebildete Handwerker, deren Mitgliedschaft sich fast vollst¨andig aus dieser Klientel rekrutierte. In Kanada waren 1912 und 1914 94,4 beziehungsweise 93,8 Prozent der Mitglieder ausgebildete Vollmitglieder, in den USA war dieser Anteil mit 97,3 und 96,3 Prozent sogar noch h¨oher. Da die Gewerkschaft aber auf der anderen Seite so gut wie keine Auszubildenden als Mitglieder hatte, waren die Chancen f¨ur ein Anwachsen der Mitgliederzahl aus den eigenen Reihen sehr gering.

Die IAM, als Konkurrentin der ASE, hatte ihre Aufnahmebedingungen ¨uber die Jahre

216 Die Daten sind f¨ur die Jahre 1912 und 1914 aus den monatlichen Wirtschaftsberichten herausgenommen: Monthly Report. Trade Portion, in:AE Monthly Report, Dezember 1912, S. 40 ff.; dass., in:AE Journal and Report, November 1914, S. 56 ff.

immer wieder an die sich ver¨andernden Verh¨altnisse angepasst und dadurch auch ih-ren Einfluss erweitern k¨onnen. Von 1895 an mussten Arbeiter verschiedene F¨ahigkeiten vorweisen und ein bestimmtes Lohnniveau vorweisen k¨onnen, um in die Gewerkschaft aufgenommen zu werden. Dies bedeutete die Abschaffung der Lehrzeit, beziehungs-weise einer vierj¨ahrigen Arbeitszeit im Handwerk, als Vorbedingung sowie eine Abkehr von der Exklusivit¨at der umfassend ausgebildeten Handwerker und eine Hinwendung zu den Spezialisten. Diese konnten ihre Stellung in der Gewerkschaft in den n¨achsten Jahren festigen und 1911 ¨offnete sich die IAM auch f¨ur ungelernte Arbeiter, diehelpers.

Diese Erweiterung war aus praktischen Gr¨unden getroffen worden, um die Position der IAM in der Industrie zu st¨arken. Die Neuerung wurde, wie auch in der ASE, durch die Einf¨uhrung verschiedener Klassen umgesetzt: journeyman, specialist und helper. Diese Klassen wurden, wenn gen¨ugend Mitglieder vorhanden waren, auch r¨aumlich getrennt in verschiedenen lodges organisiert. Erst 1916 wurde f¨ur die Aufnahme eines ausgebil-deten Handwerkers in die journeyman-Klasse wieder eine Ausbildung beziehungsweise vierj¨ahrige T¨atigkeit im Handwerk vorausgesetzt.217

Die ASE war in den USA in einem Umfeld angesiedelt, welches die hohen Anforde-rungen an die Ausbildung der eigenen Mitglieder nur zu einem sehr geringen Maß mit amerikanischen Arbeitern decken konnte. F¨ur die Mitglieder der ASE bedeutete dies, dass sie durch ihre gute Ausbildung gefragte Mitarbeiter waren, auch wenn durch die verst¨arkte Arbeitsteilung viele Firmen verst¨arkt auf weniger lohnintensive Spezialisten und ungebildete Arbeiter setzten. Doch dem Wachstum der Gewerkschaft setzte diese Exklusivit¨at enge Grenzen. Die Bedingungen im Wettbewerb der Gewerkschaften favo-risierten die Organisation, die gr¨oßere Bereiche des industriellen Sektors beherrschte.

Die IAM konnte durch die Erweiterung ihres Klientels auch besser die Taktik der Arbeit-geber kontern, die verst¨arkt auf weniger gut ausgebildete Arbeiter setzte, die g¨unstiger, aber auch schlechter organisiert waren und im Falle eines Streiks die Pl¨atze der strei-kenden ausgebildeten Arbeiter ¨ubernehmen konnten. Die ASE hingegen verlor durch die Aufrechterhaltung der Exklusivit¨at und der hohen Ausbildungsanforderungen f¨ur eine Mitgliedschaft immer mehr an Einfluss und konnte somit nie eine wirklich anerkannte

217 Perlman, Machinists, S. 144 ff. Anders jedoch: William Buckler merkte zwar 1912 an, dass die Anforderungen der IAM mit einer vierj¨ahrigen Ausbildungszeit denen der ASE ent-sprachen, deren Einf¨uhrung aber erstens f¨ur die ASE zu einem sehr sp¨aten Zeitpunkt geschah und auch nicht einheitlich durchgesetzt wurde. Buckler, William H., The Minimum Wage in the Machinists’ Union, in: Hollander, Jacob H. and George E. Barnett (Hrsg.), Studies in American Trade Unionism, New York 1912, S. 111-151, hier: S. 132 f.

amerikanische Gewerkschaft werden. Die Gewerkschaftsarbeit in den USA war gepr¨agt von einer fortschrittlichen Organisation der Produktion mit Arbeitsteilung und Spezia-lisierung sowie schw¨acheren Gewerkschaften, die auch nicht ganze Firmen exklusiv f¨ur sich beanspruchen konnten. Diese Bedingungen erforderten eine andere Gewerkschafts-politik als dies die konservative, auf die Wahrung der Exklusivit¨at bedachte Haltung der ASE, vor allem in den Jahren vor und w¨ahrend des Ersten Weltkrieges, bieten konnte.218 Die K¨ampfe zwischen der ASE und der IAM waren nicht ohne Kosten an Kraft und Finanzen zu bew¨altigen, was vor allem die britische Gewerkschaft sp¨urte. In den Mo-naten nach den Vorf¨allen in Chicago und Kingston gab es deshalb neben gegenseitigen Vorw¨urfen auch produktive Gespr¨ache zwischen beiden Organisationen, die in eine Ver-einbarung m¨undeten, eine Art Waffenstillstand, die ab dem 1. Juni 1904 gelten sollte.219 Auch der Ruf nach Fusion der beiden Gewerkschaften wurde laut, unter anderem weil die IAM, dem Trend und der Politik der AFL folgend, sich in der Zwischenzeit mit anderen Organisationen vereint und somit in Arbeitsk¨ampfen einen besseren Stand hatte. Die Stimmung zwischen beiden Parteien besserte sich nach kleinen Anlaufschwierigkeiten deutlich,220 neben gemeinsamen lokalen und regionalen Komitees221 entwickelten sich auch wieder soziale Bande; man half sich gegenseitig in Notsituationen aus oder feierte gemeinsame Feste. Das beste Beispiel bildete dabei die IAM in Stratford, Ontario, die f¨ur die notleidende Familie eines in Stratford verungl¨uckten schottischen ASE-Mitglieds achtzig Dollar spendete. Daraufhin ehrten die ASE-Mitglieder in Stratford ihre ,Mitbr¨ u-der‘ aus der IAM und gingen bei der folgendenMay-Day-Parade unter dem Banner der IAM mit.222

Doch die Vorkommnisse um die Grand Trunk Railway 1905, mit dem Ausstieg der ASE aus dem gemeinsam begonnenen Arbeitskampf, wirkten sich negativ auf die

218 Zu den Bedingungen in den USA und Großbritannien: Haydu, Jeffrey, Factory Politics in Britain and the United States: Engineers and Machinists, 1914-1919, in:Comparative Studies in Society and History 27 (1985), S. 57-85.

219 Organiser’s Report, in: ASE Journal, August 1904, S. 90; IAM Journal, Juni 1904, S. 489 f.

220 Im Oktober kommt noch eine Beschwerde aus Winnipeg, dass die IAM immer noch gegen Mitglieder der ASE vorgehe.

”They seem to be a long time in hearing the news.“, in:

Organiser’s Report, in:ASE Journal, November 1904, S. 98.

221Kingston, Ontario:ASE Journal, November 1904, S. 98 f.;IAM Journal, Dezember 1904, S. 1100; Philadelphia: ebd., Januar 1905, S. 44; Stratford, Ontario: ebd., Mai 1905, S. 432;

Toronto:ASE Journal, November 1904, S. 98 f.; IAM Journal, Juni 1905, S. 515 f.

222 IAM Journal, Oktober 1904, S. 921 f. Weitere Beispiele: Montreal: ebd., Juni 1905, S. 525 f.; ebd., Juli 1905, S. 621.

Beziehungen aus. In der zweiten H¨alfte des Jahres 1906 versuchten die beiden Gewerk-schaften, IAM und ASE, ein weiteres Mal, die gemeinsamen Probleme in Nordamerika zu l¨osen. Diesmal wurde Bell Hardy von der IAM extra nach London gesandt, um der Exekutive direkt die Sorgen vorzutragen.223 Zu einer Fusion der beiden Gewerkschaf-ten in Nordamerika sollte es wieder nicht kommen, aber der gemeinsame Kampf gegen die Arbeitgeber wurde in den n¨achsten Jahren von weniger Problemen zwischen den Gewerkschaften gest¨ort, als es in den Jahren davor der Fall war. Ein Zwischenfall hob sich jedoch von den vielen unbedeutenderen, sowohl guten als auch schlechten, Erfah-rungen der beiden Gewerkschaften miteinander ab. Im Dezember 1909 war es der IAM gelungen, sechs Mitglieder der britischen Gewerkschaft aus den Chicago and Altoona Railroad Shops in Bloomington, Illinois, zu dr¨angen. Der Arbeitgeber hatte sich mit der amerikanischen Gewerkschaft auf bessere Bedingungen f¨ur diese geeinigt und ihr dabei Pr¨aferenz zugesichert. Die Arbeiter hatten die Wahl, entweder der IAM beizutreten oder ihren Job zu verlieren. F¨ur die Mitglieder der ASE war dies besonders schmerzlich, da sich unter den Leidtragenden mit John Richardson ein Arbeiter befand, der auf eine sechzigj¨ahrige Mitgliedschaft in der ASE zur¨uckschauen konnte, also der Gewerkschaft beigetreten war, bevor die IAM ¨uberhaupt gegr¨undet worden war. Auch die Filiale der ASE in Bloomington existierte bereits lange vor der Gr¨undung der IAM. Richardsons Chancen, einen neuen Job zu bekommen, waren wegen seines Alters gering, trat er der IAM bei, musste er die ASE mitsamt seiner angesparten Versicherungsleistungen ver-lassen. Der Hass der ASE wandte sich dabei weniger gegen die amerikanische Tradition der Gewerkschaft, wobei die Herkunft aus den S¨udstaaten und die rassistische Politik zu Beginn auch thematisiert wurde, als gegen die irischen Wurzeln vieler ihrer Amts-tr¨ager und derer, die f¨ur die Probleme in Bloomington verantwortlich waren. Irische Einwanderer waren in der IAM stark vertreten und bildeten, vor allem zu Beginn, in den Industriezentren im Nordosten der USA eine einflussreiche Opposition zu den traditio-nellen Mitgliedern der IAM aus den S¨udstaaten.224 Die ASE auf der anderen Seite, so Thomas J. Morgan in der Gewerkschaftszeitschrift, sei daf¨ur verantwortlich, dass die Ideen der Arbeiterbewegung von England ausgehend zu den verschiedenen anderen L¨ an-dern und Rassen gekommen und in deren Organisationen aufgenommen worden waren.

Trotzdem war die ASE w¨ahrend der Auseinandersetzung wieder einmal dem Vorwurf

223 IAM Journal, Oktober 1906, S. 911 f.

224 Perlman, Machinists, S. 7.

ausgesetzt gewesen, es handele sich bei ihr um eine ausl¨andische, britische Organisa-tion. Die ASE-Mitglieder gingen 1910 vor Gericht. Einem Mitglied wurde dabei eine Entsch¨adigung von 1 500 Dollar zugesprochen, vier weitere nahmen ihre Klage zur¨uck und traten der IAM bei.225

Fusionsbestrebungen zwischen den verschiedenen Gewerkschaften in der Metallin-dustrie in den USA waren unter den wichtigen Themen, die zu dieser Zeit innerhalb der IAM diskutiert wurden, dabei waren vorrangig die anderen Gewerkschaften im Metal Trades Department der AFL im Gespr¨ach. Doch einige Mitglieder waren nicht bereit, sich einer anderen Organisation unterzuordnen, aber auch Fragen der Organisationsform waren nicht gekl¨art.226 Neben der ASE konkurrierte die IAM auch mit derInternational Association of Allied Metal Mechanics, deren 1 500 Mitglieder schließlich 1904 nach einer Abstimmung in die IAM aufgenommen wurden. Dabei blieben f¨ur diese Mitglieder bestimmte Unterst¨utzungen erhalten, auf die sie in ihrer alten Gewerkschaft Anrecht gehabt hatten.227

Die Fusionbestrebungen der IAM mit der ASE kamen erst wieder w¨ahrend des Ers-ten Weltkriegs in Schwung. Dies war unter anderem dem Umstand geschuldet, dass sich die Richtung der Arbeiterstr¨ome w¨ahrend des Krieges ¨anderte. Die Kriegsproduktion, verbunden mit einem Arbeitermangel in Großbritannien, hatte die Firmen in Manche-ster, Birmingham und anderen britischen St¨adten dazu gebracht, h¨anderingend nach Arbeitern zu suchen. Auch die Regierung in Großbritannien versuchte dieses Problem zu l¨osen und sandte im Juni 1915 den fr¨uheren Generalsekret¨ar derAmalgamated Socie-ty of Engineers und Mitglied des britischen Unterhauses, George Barnes, nach Kanada, um dort Arbeiter f¨ur britische Fabriken anzuwerben. Bei einem Treffen mit Vertretern der IAM in Kanada lobte das britische ASE-Mitglied die Haltung der amerikanischen Gewerkschaft, die ihre ¨uber den Atlantik reisenden Mitglieder aufgefordert hatte, bei der Ankunft in Großbritannien sich der ASE anzuschließen.228 Die IAM hatte, obwohl sie die Bedingungen in Großbritannien als nicht so positiv bewertete wie der britische

225 Thomas J. Morgan: Fraternity, in:ASE Journal, November 1910, S. 40 ff.; American and Canadian Council, in:ASE Monthly Report, M¨arz 1910, S. 31; IAM Journal, Oktober 1911, S. 988 f. und 1013.

226 Siehe unter anderem: IAM Journal, Juli 1913, S. 693; ebd., August 1913, S. 788; ebd., April 1914, S. 375 ff.; ebd., Mai 1914, S. 480 f.; ebd., November 1914, S. 1035 ff.; ebd., Januar 1915, S. 46; ebd., M¨arz 1915, S. 252.

227 Perlman, Machinists, S. 32 ff.

228 IAM Journal, Juli 1915, S. 621 f.

Regierungsvertreter,229ihre Mitglieder dar¨uber informiert, dass sie in Großbritannien die Regeln der ASE einzuhalten h¨atten und sich mit ihrem Gewerkschaftsbuch bei der ASE einzutragen h¨atten. Dabei erkannte die IAM die Rechtshoheit der ASE in Großbritan-nien an, konnte somit aber auch das gleiche f¨ur sich in Nordamerika fordern.230 Der Transfer der B¨ucher war der IAM in einem offiziellen Brief zugesichert worden. Davor hatte sich die britische ASE bei der IAM ¨uber einige ihrer Mitglieder beschwert, die in Glasgow ihre Gewerkschaftsb¨ucher nicht vorgezeigt hatten.231

Tats¨achlich hatte dasexecutive council in London einem Transfer der B¨ucher zuge-stimmt. Zum Leidwesen desAmerican and Canadian council und vor allem desorganiser I. Cowen, hatte die Delegiertenversammlung der ASE jedoch diese Zusicherung, wie sie auch anderen Gewerkschaften zuteil wurde, abgewiesen. Mit 45 zu vier Stimmen, darun-ter diejenige des amerikanischen Delegierten Higgins, hatten die Teilnehmer beschlos-sen, die IAM-Mitglieder h¨atten ganz zur ASE ¨uberzutreten, da fundamentale Prinzipien und finanzielle Regelungen der beiden Gewerkschaften zu sehr auseinandergingen.232 Die Mitglieder auf dem nordamerikanischen Kontinent f¨uhlten sich ein weiteres Mal von ihrer Organisation und vor allem den britischen Mitgliedern im Stich gelassen. Da-bei muss vor allem geschmerzt haben, dass 1904 die Beschl¨usse der Versammlung der nordamerikanischen ASE-Mitglieder in Cleveland bei dem folgenden Delegiertentreffen mit der Begr¨undung nicht besprochen worden waren, die Forderungen seien zu sp¨at eingereicht worden. Diesmal h¨atte die Anwendung der selben Regel eine Entscheidung

¨

uber den Kartentransfer verhindert.233 Das ASE-Mitglied James R. Mayes verwies in einem Leserbrief in der Gewerkschaftszeitschrift auf die besondere Lage der amerikani-schen Mitglieder, ihre geringe Zahl und verstreute Lage. Dies erschwere es, neben der großen IAM zu bestehen. Die Entscheidung des Delegiertentreffens habe die zarte Ver-besserung der Beziehungen nicht nur zunichte gemacht, sondern noch weitere Probleme geschaffen.234

In der Folge wurden die Berichte ¨uber das negative Verhalten der ASE in Arbeits-k¨ampfen in der Zeitschrift der IAM wieder h¨aufiger,235 aber es wurden auch neue

An-229 IAM Journal, Juni 1915, S. 513 f.

230 Official Circular 68 vom 24. Mai 1915, in: IAM Journal, Juni 1915, S. 615 f.

231 IAM General Executive Board Minutes, Washington D.C., March 29 to April 5, 1915, S. 4.

232 Minutes of the 14th Delegate Meeting and Final Appeal Court, London 1915, S. 170.

233 I. Cowen: Letter from Cleveland, in:AE Journal and Report, Oktober 1915, S. 77 f.

234 James R. Mayes, in:AE Journal and Report, November 1915, S. 91.

235 So zum Beispiel:IAM Journal, Juli 1916, S. 681 f. und 696; ebd., August 1916, S. 830,

strengungen unternommen, das Problem auf dem amerikanischen Kontinent langfristig und zur vollen Zufriedenheit der amerikanischen Gewerkschaft zu l¨osen. Der Kanadi-er James Simpson, dKanadi-er sich als fraternal delegate bei der Versammlung des britischen Trades Union Congress aufhielt, wurde beauftragt, mit den Delegierten der ASE zu sprechen. Er setzte sich f¨ur eine Einigung in der Frage der Jurisdiktion auf Ebene der Dachorganisationen, der AFL und des TLC, ein, um dieses Problem auch f¨ur andere Gewerkschaften zu kl¨aren.236 Bei der Versammlung der IAM in Baltimore im Sommer des gleichen Jahres war demexecutive board nach l¨angerer Debatte die Aufgabe erteilt worden, die Rechte der IAM auf dem Kontinent zu verteidigen und den Pr¨asidenten Johnson dazu nach England zu senden, um mit den Verantwortlichen der ASE zu ver-handeln.237 Wegen des Krieges verz¨ogerte sich die Reise des IAM-Pr¨asidenten, doch 1918 nutzte er einen Aufenthalt als Mitglied der amerikanischenWar Labor Mission f¨ur eine Konferenz mit der Exekutive der ASE.238

In der Zwischenzeit hatte sich im November 1917 die kanadische Vertretung der ASE mit Vertretern der IAM, darunter ihrem Pr¨asidenten, in Toronto sowie mit ihren Gewerk-schaftsbr¨udern des American council getroffen und eine Einigung vorangebracht. Dabei wurde jedoch auch deutlich, dass die Situation in Kanada anders bewertet wurde als die in den USA. Dies lag erstens an der besseren finanziellen und personellen Situation, sowie daran, dass f¨ur Kanada der britische Einfluss verglichen mit dem amerikanischen als st¨arker eingesch¨atzt wurde und dadurch auch der Existenz einer britischen Gewerk-schaft eine h¨ohere Legitimation zugesprochen werden konnte. Diese andere Bewertung des kanadischen Gebietes wurde auch noch drei Jahre sp¨ater von John McKean aus Rhode Island vorgebracht, der es als erniedrigend empfand, dass die ASE mit der IAM dar¨uber verhandeln m¨usse,

”that our society be allowed free scope in its own territory, the I. A. of M. being an alien society in Canada“.239 Am Ende dieser Verhandlungs-runde setzte sich jedoch der realistischere Vorschlag des Vorsitzenden der kanadischen Sektion, J.H. Ballantyne, durch, der sich f¨ur ein Aufgehen der ASE in Kanada und den 898 f. und 922; ebd. September 1916, S. 918; ebd., Dezember 1916, S. 1195 f.

236 IAM Journal, November 1916, S. 1093 f.

237 IAM Proceedings of the 15th Convention, Baltimore, Maryland, S. 52 und 84 f. So auch der Brief an das B¨uro der ASE in New York, siehe: Our Members in America, in:AE Journal and Report, Juni 1916, S. 43; New York Office Report. October 1916, in: ebd., Dezember 1916, S. 39 f.

238 Minutes of the General Executive Board Meeting from July 15 to July 21, 1918, S. 6.

239 John McKean: Amalgamation versus Disintegration, in:AE Journal and Report, Februar 1920, S. 72 ff.

USA in die IAM aussprach. Diese Zuwendung zu einer großen Organisation war f¨ur ihn der logische Schritt, da der Versuch, einen Erfolg der kleineren ASE in Kanada herbei-zuf¨uhren, einen Schritt zur¨uck und eine St¨orung der Gewerkschaftsbewegung bedeutet h¨atte.240 In der Diskussion spiegelten sich die verschiedenen Ans¨atze der britischen und der amerikanischen Gewerkschaften wider. In Großbritannien befand sich die ASE in Fusionsverhandlungen mit verschiedenen Gewerkschaften, um m¨oglichst viele Arbeiter

USA in die IAM aussprach. Diese Zuwendung zu einer großen Organisation war f¨ur ihn der logische Schritt, da der Versuch, einen Erfolg der kleineren ASE in Kanada herbei-zuf¨uhren, einen Schritt zur¨uck und eine St¨orung der Gewerkschaftsbewegung bedeutet h¨atte.240 In der Diskussion spiegelten sich die verschiedenen Ans¨atze der britischen und der amerikanischen Gewerkschaften wider. In Großbritannien befand sich die ASE in Fusionsverhandlungen mit verschiedenen Gewerkschaften, um m¨oglichst viele Arbeiter