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Koenigs Herkunft und Ausbildung

2 Die Erfolglosigkeit der frühen erfinderischen Tätigkeit (1774–1806)

2.1 Koenigs Herkunft und Ausbildung

Johann Friedrich Gottlob Koenig wurde am 17. April 1774 in der Lu-therstadt Eisleben (Sachsen-Anhalt) geboren. Sein Vater Johann Chris-toph König (1741–1791) war dort Ackerbürger und Anspänner, das heißt er hielt Zugvieh, während er in amtlichen Dokumenten sowie von Friedrich Koenig selbst als ein in der Landwirtschaft tätiger „Oeconom“

bezeichnet wurde.30 Dessen Vater Christian König, also Friedrichs Groß-vater, lebte bei Hettstedt im Südharz und war ebenfalls Anspänner.31 Friedrich Koenigs Mutter Sophie Christiane, geborene Rohsin, (1735–

1822) war die Tochter des Kantors und Lehrers Christoph Rose in Bräunrode und Eisleben.32 Obwohl der schlüssige Nachweis und eine Erklärung für die geänderte Schreibweise des Namens fehlen, vermutete Goebel, dass ein Johann Friedrich Röse, der 1750 als Setzer in der Dru-ckerei Breitkopf in Leipzig arbeitete, der Bruder von Koenigs Mutter Sophie Christiane Rohsin war, also Friedrich Koenigs Onkel mütterli-cherseits. Demnach erhielt Johann Friedrich Röse auf Empfehlung des Leipziger Druckereibesitzers Gottlob Immanuel Breitkopf die Faktor-stelle einer Buchdruckerei in Rostock und wurde 1759 zum Universitäts-buchdrucker in Greifswald vorgeschlagen.33 Sollte Goebels Annahme richtig sein, dann könnte über diese verwandtschaftliche Beziehung Friedrich Koenig ermuntert worden sein, 1790 seine Druckerlehre bei

30 Goebel, Biographisches Denkmal, S. 16.

31 Ackerbürger, auch Stadtbauern genannt, waren seit dem Mittelalter eine Son-dergruppe innerhalb der städtischen Sozialstruktur. Sie waren Bauern mit Bür-gereigenschaft, die innerhalb der städtischen Feldmark ihre Ländereien selbst bewirtschafteten. (Eugen Haberkern, Joseph Friedrich Wallach: Hilfswörter-buch für Historiker. Mittelalter und Neuzeit, 1. Teil, Tübingen, Basel 2001, S. 23.) Als Anspänner gehörte Johann Christoph König zu den Fuhrhaltern, die für den im Mansfeldischen betriebenen Bergbau tätig waren. Er zog 1763 nach Eisleben, wo Friedrich König geboren wurde. (Sigurd Rabe: Die Erfindung der Druckmaschine durch den Deutschen Friedrich König. In: Wilhelm Ihde (Hrsg.): In Deutschlands Namen. Eine Schriftenreihe. Leipzig, Berlin 1942, S. 5.)

32 Hans Jaeger: Koenig, Friedrich. In: NDB 12 (1980), S. 336–338, hier: S. 336.

33 Goebel, Biographisches Denkmal, S. 15, Anm.* und S. 17, Anm.**.

Breitkopf & Härtel zu beginnen, nachdem er aus finanziellen Gründen das Gymnasium in Eisleben verlassen musste.

Koenig besuchte in Eisleben die Volksschule und es war ein für sein wei-teres Leben glücklicher Zufall, dass ihn die Frau des dortigen Superin-tendenten Dr. Müller kennen und schätzen lernte und ihn deshalb an dem Privatunterricht ihrer beiden Söhne teilnehmen ließ. Damit war es Koenig möglich, im Alter von neun Jahren 1783 in die Quinta des dorti-gen Gymnasiums zu wechseln. Hier erhielt er eine umfassende Bildung, die die Grundlage für seine spätere Lehrausbildung und Erfindertätigkeit werden sollte, und zeigte eine besondere Begabung in Mathematik und Mechanik. Darüber hinaus schloss er dort Freundschaften, die ihn sein gesamtes Leben begleiteten und manches Mal nützlich sein sollten, so-wohl mit dem älteren Sohn Karl von Frau Dr. Müller, der Leibarzt des Herzogs von Württemberg wurde, als auch mit dem späteren Oberberg-rat Eggert in Halle, dem zukünftigen Musikalienverleger Böhme in Hamburg und Friedrich von Hardenberg, dem unter dem Pseudonym Novalis bekannten Dichter der Romantik.34 Diese Einzelheiten mögen auf den ersten Blick vielleicht als interessante, aber letztlich unbedeuten-de biographische Ranunbedeuten-dereignisse erscheinen, können aber auch als aus-schlaggebend für Koenigs weiteren Lebensweg angesehen werden. Seine familiäre Herkunft hinsichtlich Stand, Bildung und finanzieller Verhält-nisse sowie das örtliche Umfeld von Eisleben als einem unbedeutenden Provinzort zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren sicherlich keine güns-tigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Erfinder- und Unternehmer-laufbahn. So betrachtet war die Förderung Koenigs durch Frau Dr. Mül-ler zwar ein Zufall, aber eben ein entscheidender, der seinen Lebensweg maßgeblich beeinflusst hat. Auch das von vielen Biographen immer wie-der erwähnte Selbstbewusstsein, mit dem Koenig im Verständnis einer Gleichwertigkeit bei bekannten und hochgestellten Persönlichkeiten um Unterstützung für seine Unternehmungen nachsuchte – im Alter von 31 Jahren bot er 1805 dem Zaren von Russland schriftlich seine erste Erfin-dung an – , mag hier seinen Ursprung gehabt haben. Kennzeichnend für Koenigs Leben war aber auch, dass erfolgreiche Jahre immer wieder durch schlechte Phasen abgelöst wurden. Er musste wahrscheinlich we-gen der ärmlichen häuslichen Familienverhältnisse 1790 das Gymnasium wieder verlassen, so wie seine Zeit der bahnbrechenden Erfindungen in

34 Bolza, Lebensläufe aus Franken, S. 297 f.

London 1817 in einem Streit und tiefem Zerwürfnis mit seinem Haupt-gesellschafter endete oder der langsame, aber erfolgreiche wirtschaftliche Aufbau seiner Maschinenfabrik bei Würzburg durch die Unruhen der Ju-lirevolution von 1830 zunichte gemacht wurde. Er entschied sich, bei dem Leipziger Buchdrucker und Verleger Breitkopf für viereinhalb Jahre eine Buchdruckerlehre zu beginnen.

Ob die erwähnte mögliche verwandtschaftliche Beziehung, Koenigs ei-gener Entschluss oder anderweitige Empfehlungen für die Wahl seines Lehrbetriebs ausschlaggebend waren, ist letztlich unerheblich, auf jeden Fall gehörte Breitkopf neben Friedrich Arnold Brockhaus und Benedic-tus Gotthelf Teubner in Leipzig sowie Johann Friedrich Cotta in Stutt-gart zu den großen und renommierten Druckereien und Verlagen in die-ser Zeit in Deutschland.35 Breitkopf (1719–1794) erlernte in der väterlichen Druckerei das Druckerhandwerk und widmete sich vor allem der Weiterentwicklung der Typographie. Verbesserungen beim Schmel-zen und Giessen der Lettern und Neuerungen beim Notendruck mach-ten die Druckerei, die im Todesjahr ihres Besitzers 120 Arbeiter beschäf-tigte, führend in Europa.36 Auch Breitkopf war, ebenso wie Koenig, nicht als Neuerer geboren worden, der sein Leben einer fortdauernden Erfindertätigkeit widmete, sondern kam über die gedankliche Auseinan-dersetzung mit der beruflichen Aufgabenstellung zu Verbesserungen, die er in der praktischen Anwendung unternehmerisch umsetzte. Mit der Lossprechung beendete Koenig 1794 seine Lehrzeit bei Breitkopf & Här-tel, in der er die körperlichen Mühen bei der Arbeit an der Handpresse nach dem Gutenbergschen Prinzip ausgiebig kennengelernt hatte und erste Überlegungen zur Verbesserung der Drucktechnik in ihm gereift waren.37

35 Siehe auch: Johann Goldfriedrich: Geschichte des Deutschen Buchhandels.

Vom Beginn der Fremdherrschaft bis zur Reform des Börsenvereins im neuen Deutschen Reiche (1805–1889). Leipzig 1913, S. 198–200.

36 Karl Falkenstein: Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung. Ein Denkmal zur vierten Säcular-Feier der Erfindung der Typogra-phie. Leipzig 1840, S. 184 f; Hermann Barge: Geschichte der Buchdruckerkunst von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Leipzig 1940, S. 283–287.

37 Jürgen Weiß: B. G. Teubner zum 225. Geburtstag. Leipzig 2009, S. 72; Hans Popp: Friedrich Koenig. Sein Leben, seine Erfindung und die Entwicklung der von ihm gegründeten Maschinenfabrik Oberzell. München 1911, S. 8. In dem Lehrlingseinschreibebuch der Firma Breitkopf & Härtel war über Friedrich Koe-nig vermerkt: „Wurde Michaeli 1794 losgesprochen.“ (Rabe, KöKoe-nig, S. 6.)

Abb. 1 Friedrich Koenig

Nach seiner Lehre eignete sich Koenig wie Breitkopf durch Selbststudi-um Kenntnisse der Mathematik und Mechanik an, die die Grundlagen für seine später hervorragenden Ingenieurleistungen werden sollten.

Über diese Zeit gibt es allerdings so gut wie keine Informationen. In der Zeit von 1798 bis 1802 war er Gasthörer an der Universität Leipzig, Nachweise über eine ordentliche Immatrikulation finden sich in den Universitätsunterlagen aber nicht. Er hörte Anthropologie, Philosophie, neuere Sprachen und Geschichte, jedoch keine naturwissenschaftlichen Fächer.38 Da er sich während der Schulzeit besonders für Mathematik und Mechanik interessiert und diese Gebiete auch nach der Lehre ver-tieft hatte, erscheint die Fächerwahl als Gasthörer an der Universität nur dann verständlich, wenn Koenig beabsichtigte, seine technisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse durch eine geisteswissenschaftliche Bildung zu ergänzen.

Friedrich Koenig hatte zwei Schwestern, Marie Rosine und Sophie. Marie Rosine heiratete den Bergmann Helbig, deren gemeinsamer Sohn Fried-rich Helbig später ein Mitarbeiter seines Onkels FriedFried-rich Koenig wurde und unter anderem 1824 bei Cotta in Augsburg für den Druck der Allge-meinen Zeitung eine Schnellpresse aufstellte. Helbig gründete später die Druckmaschinenfabrik Helbig & Müller als Konkurrenzunternehmen in

38 Goebel, Biographisches Denkmal, S. 20; NDB 12 (1980), S. 336.

Wien. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete Marie Rosine in zweiter Ehe den Seilermeister Reichenbach, mit dem sie ihren Sohn Carl August hatte.39 Friedrich Koenig empfahl seinen zweiten Neffen Carl, der zwi-schenzeitlich den Beruf eines Mechanikers erlernt hatte, 1824 Cotta als Maschinenmeister für die neu gelieferte Schnellpresse. Diese Stelle hatte Carl Reichenbach bis 1844 inne, als er zusammen mit seinem Schwager Karl Buz die 1840 von Ludwig Sander gegründete Maschinenfabrik Augsburg übernahm.40 Als C. Reichenbach’sche Maschinenfabrik stellten sie Druckmaschinen, Dampfkessel, Dampfmaschinen und Wasserturbinen für die Augsburger Textilindustrie sowie Anlagen für die Eisenbahn her und beschäftigten 700 Arbeiter im Jahr 1870. Aus dieser Fabrik ging 1898 unter dem Direktor Heinrich von Buz die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg als M.A.N. Augsburg hervor.41

Friedrich Koenig heiratete 1825 Fanny Hoffmann (1808–1882), Tochter des Amtsmanns Jacob Hoffmann, mit der er zwei Söhne und eine Toch-ter hatte. Der Sohn Wilhelm von Koenig (1826–1894) erhielt 1872 den bayerischen Personaladel und führte in den späteren Jahren zusammen mit seinem Bruder Friedrich (1829–1924) gemeinschaftlich die Druck-maschinenfirma Koenig & Bauer. Die Tochter Luise Koenig (1830–1928) heiratete den Amtsrichter und Notar Moritz Bolza (1828–1891), deren Sohn Albrecht Bolza (1862–1943) die Firma nachfolgend leitete und 1901 den Werksneubau und Umzug an den heutigen Firmenstandort in Würzburg am Main durchführte.42 Dessen Sohn wiederum, also Fried-rich Koenigs Urenkel, war Hans Bolza (1889–1986), der später als Dipl.

Ing. Dr. rer. pol. h. c. Dr. phil. bis 1971 Vorsitzender des Vorstands der Schnellpressenfabrik Koenig & Bauer Aktiengesellschaft wurde.43 Friedrich Koenig starb am 17. Januar 1833 in Oberzell bei Würzburg und wurde auf dem Klosterfriedhof zu Oberzell beigesetzt.

39 Goebel, Biographisches Denkmal, S. 15.

40 Ludwig Sander gründete 1840 eine einheimische Augsburger Maschinenfabrik, die er 1844 an Carl August Reichenbach verpachtete. Er leitete die Fabrik, die 56 Beschäftigte hatte, zusammen mit seinem Schwager Carl Buz, einem Zivilin-genieur und Mitbesitzer einer kleinen Augsburger Buchdruckerei. (Wolfgang Zorn: Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648–1870.

Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte des schwäbischen Unternehmer-tums. Augsburg 1961, S. 148, 155.)

41 Polytechnischer Verein, S. 125 f.; Bolza, Lebensläufe aus Franken, S. 319 f.

42 NDB 12 (1980), S. 336, 338.

43 Bolza, Druckmaschine, S. 89.

Nach Bauers Tod 1860 übernahmen Koenigs Söhne Wilhelm und Fried-rich die Leitung der Fabrik. Sie entwickelten und bauten eine sechsfache Maschine für den Zeitungsdruck, eine Doppeltiegel-Druckmaschine für Banknoten und Wertpapiere, eine einzylindrige Zweifarben-Maschine und eine Bogenrotationsmaschine für den Vielfarbendruck. 1900/1901 zog das Unternehmen aus Platzgründen in ein neues Werk gegenüber Oberzell auf der anderen Mainseite um. 1905 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH, 1920 in eine Aktiengesellschaft.44

Barnikel meint, dass König die Schreibweise seines Namens mit dem Be-ginn seines Englandaufenthalts ab 1806 in „Koenig“ umgewandelt und diese Form auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland beibehalten hätte.45 Allerdings signierte König bereits vor seiner Ausreise nach Eng-land manchmal als „Koenig“.46 Umgekehrt verwendete er seine alte Na-mensschreibweise teilweise auch noch nach der Rückkehr aus England und unterschrieb mit „König“, beispielsweise im November 1817 an Cotta, im Februar 1821 an Bauer oder aus Paris an Bauer im August 1828.47 Insgesamt war also die von ihm selbst gebrauchte Schreibweise seines Namens zeitlebens uneinheitlich. Da jedoch die Form „Koenig“

später in die offizielle Bezeichnung seines Unternehmens einging, das heute als Koenig & Bauer Aktiengesellschaft firmiert, wird sie in der vorlie-genden Arbeit durchgängig verwendet.

2.2 Erste Erfindungsversuche und