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3.2 Empirische Datenerhebung und -auswertung

3.2.2 Datenauswertung

3.2.2.2 Kodierverfahren

Im Zuge der Auswertung wurde das Interviewmaterial in Anlehnung an das Kodierverfah-ren der Grounded Theory nach STRAUSS und CORBIN (1990) offen und axial kodiert.15 Eine selektive Kodierung des Datenmaterials im Sinne der Auswertungsmethode nach STRAUSS und CORBIN wurde nicht vorgenommen. Dies liegt darin begründet, dass die gewonnenen Zusammenhangsmodelle als Kernergebnisse zur Beantwortung der For-schungsfragen betrachtet wurden. Ihre Integration in eine zentrale Kernkategorie im Sinne des selektiven Kodierens hätte zu einem Abstraktionsniveau geführt, das für das vorlie-gende Forschungsproblem als nicht erforderlich betrachtet wird. Die erarbeiteten Zusam-menhangsmodelle stellen damit den zentralen Bestandteil der Datenanalyse dar und wer-den in wer-den Kapiteln 4.1, 4.2 und 4.3 dargestellt.

15 Für die Datenanalyse im Rahmen der ersten Welle der vorliegenden Arbeit wurden zunächst kleinere Modifikationen des Kodierparadigmas vorgenommen, um eine genaue Trennung zwischen Handlun-gen und Interaktionen vorzunehmen, was bei STRAUSS und CORBIN als nicht eindeutig betrachtet wurde. So sprechen STRAUSS und CORBIN in ihrer Arbeit in nicht einheitlicher Weise von Handlungen und Interaktionen oder Handlungs- und Interaktionsstrategien als Komponente des Kodierparadig-mas. Ein Bezug zwischen den beiden Begriffsgruppen konnte nur insofern aus dem Werk von STRAUSS und CORBIN gezogen werden, als dass die Autoren schreiben, dass Handlungen und Inter-aktionen sich in Strategien bzw. Taktiken äußern (STRAUSS und CORBIN 1990, S. 104 ff.). In den Auswertungen der ersten Datenerhebungen wurde im Gegensatz hierzu zunächst versucht analy-tisch zwischen Strategien und Handlungen bzw. Interaktionen zu trennen. In Anlehnung an die Mar-ketingtheorie wurde dabei von einem Strategiebegriff ausgegangen, der mittel- bis langfristig wirken-de Grundsatzentscheidungen bezeichnet und damit als „Orientierungsrahmen für (…) nachgeordnete (…) Entscheidungen“ (NIESCHLAG et al. 2002, S. 176) dient. Als Handlungen sollten die konkreten Mittel bzw. (Marketing-)Instrumente verstanden werden, die im Rahmen der (Marketing-)Strategie eingesetzt werden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Auf diesen konzeptionellen Annahmen aus der Marketingtheorie basierend wurde das Kodierparadigma abgewandelt. Im Zuge der Kodierarbeiten in Welle 2 und Welle 3 wurde diese Trennung wieder aufgehoben, da diese am Material nicht einheit-lich anzuwenden war.

Die Kodierung des Textmaterials erfolgte computergestützt mit Hilfe des Programms A T-LAS.ti (Version 5.2). Die in MS Word erstellten Transkripte wurden hierzu in Rich-Text-Formate konvertiert und dann in ATLAS.ti importiert. ATLAS.ti wurde zur Erarbeitung des Kodesystems genutzt. Dazu wurde vor allem die Funktion Kodieren benutzt. Mithilfe die-ser Funktion wurden Textstellen neue oder bestehende Kodes zugeordnet. Einen Über-blick über alle bestehenden Kodes ist dann im Code Manager des Programmes zu sehen.

Im Zuge des axialen Kodierens wurden die Titel der Kodes so gewählt, dass neben der aus der offenen Kodierung hervorgehenden Benennung eines Kodes ersichtlich war, ob es sich dabei um eine ursächliche, kontextuelle, intervenierende Bedingung oder Hand-lungsstrategie handelte und zu welchem der drei Phänomene ein Kode zählt. Hierzu wur-de durch ein Kürzel aus Großbuchstaben erkennbar gemacht, um welches wur-der drei fokus-sierten Phänomene es sich handelt (SCHW = Schwangerschaft, BEIK= Beikosternährung, JUG = Übergang ins Jugendalter). Durch ein weiteres Kürzel im Kodetitel war erkenntlich, ob es sich im Sinne der axialen Kodierung um eine Ursache, eine kontextuelle oder inter-venierende Bedingung oder eine Handlungsstrategie handelte (vgl. Abbildung 12).

Abbildung 12: Code Manager in ATLAS.ti

Quelle: Eigene Erstellung.

Parallel zum Kodieren der Textstellen wurden die entstehenden Handlungsmodelle in einem PowerPoint-Dokument grafisch veranschaulicht, in dem herausgearbeitete Katego-rien dem Kodierparadigma entsprechend angeordnet wurden. Das Endergebnis eines

solchen Prozesses ist in den Abbildungen der Kapitel 4.1, 4.2 und 4.3 zu sehen (vgl.

Abbildung 14 bis 16). Anstelle des Arbeitens mit Memos, die bei den Kodierprozeduren der Grounded Theory nach STRAUSS und CORBIN eine zentrale Bedeutung haben (STRAUSS und CORBIN 1990, S. 204 ff.), wurden Ergebnisse des Kodierprozesses im Ver-lauf des Forschungsprozesses nach Abschluss jeder Welle festgehalten, indem die die gebildeten Kategorien im Einzelnen im Hinblick auf ihre Positionen im Kodierparadigma beschrieben wurden. So wurden erste Ergebnisse in Form eines kleineren Zwischenbe-richtes nach Abschluss einer ersten Phase der Analyse nach Welle 1 festgehalten. Im Zuge der Auswertungen von Welle 2 und Welle 3 wurden die bestehenden Ergebnisse jeweils überarbeitet. Die Kodierarbeiten und die Darstellung von Ergebnissen bewegten sich damit zwischen dem offenen und axialen Kodieren am Material in dem Programm ATLAS.ti, der grafischen In-Bezug-Setzung der so gebildeten Kategorien in MS Power-Point und der Beschreibung der Kategorien und ihrer Beziehungen zueinander in der Mo-nografie in MS Word (vgl. Abbildung 13).

Abbildung 13: Kodierprozess

Grafisches In-Bezug-Setzen der Kategorien in PowerPoint

Beschreibung der Kategorien in WORD Bilden von Kategorien

in ATLAS.ti

Quelle: Eigene Erstellung.

Davon ausgehend, dass eine Veränderung jede Form des Unterschieds eines betrachte-ten Objektes zu verschiedenen Zeitpunkbetrachte-ten darstellen kann, sollbetrachte-ten Unterschiede des Öko-Konsums in Familien identifiziert und ihre Ursachen erklärt werden. Veränderungen

im Öko-Konsum können sich dabei theoretisch anhand verschiedener Merkmale wie bei-spielsweise der Marke (Markenwechsel) oder der Einkaufsstätte (Einkaufsstättenwechsel) äußern. Bezug nehmend auf die Problemstellung lag das Forschungsinteresse auf Ver-änderungen des Öko-Lebensmittelkonsums im Sinne von VerVer-änderungen der Konsumin-tensität. Als Konsumintensität wurde dabei allgemein das mengenmäßige Verhältnis der gekauften ökologischen und konventionellen Lebensmittel in Relation zur Gesamtheit aller gekauften Lebensmittel verstanden.

Im Zentrum der Kodierung stand die Auswertung des sprachlichen Materials nach Verän-derungen bzw. Wendepunkten im Verlauf der Konsumintensität bei Öko-Produkten. Als sprachliche Indikatoren für eine Erhöhung des Öko-Konsums dienten bei der Datenanaly-se Äußerungen, aus denen explizit ein sich intensivierender Konsumverlauf hervorging.

„Und 2006 war ich ja schwanger. Und dann ging es also ganz rapide hoch“ (I15, 37:37)

„steil angestiegen ist es deswegen mit der Schwangerschaft“ (I28, 135:135)

„Und ich habe es halt jetzt verstärkt angefangen, als ich für die erste Tochter (…) den Brei angefangen habe zu kochen. (…) für die habe ich halt nur Bio-Sachen gekauft“ (I18, 67:67)

„die (Menge, die Verfasserin) hat zugenommen zum einen einmal recht drastisch, als ich mir überlegte, was mein Kind essen soll, also, praktisch in dem Moment, wo ich angefan-gen habe, zuzufüttern, da ging das hoch“ (I27, 37:37)

Als Indikatoren dienten darüber hinaus Äußerungen zum Einkaufsverhalten, aus denen eine Erhöhung des Öko-Konsums geschlussfolgert werden konnte. Hierzu zählt zum Bei-spiel der Wechsel der Haupteinkaufsstätte von einem Laden für konventionelle Lebens-mittel zu einer Einkaufsstätte für ökologische LebensLebens-mittel.

„Ich habe dann nur noch in der Kooperative eingekauft. Also ich habe vorher in ganz nor-malen konventionellen Läden eingekauft.“ (I11, 70:71)

Als Indikatoren für eine Erhöhung des Öko-Konsums wurden darüber hinaus Äußerungen betrachtet, aus denen implizit eine Ausweitung des Kaufs von Öko-Produkten auf Pro-duktsortimente hervorging, die zuvor in konventioneller Qualität gekauft wurden oder zu-vor noch nicht gekauft wurden. Dies war insbesondere der Fall bei der Erhöhung des Öko-Konsums aufgrund der Beikosternährung eines Kindes.

„Ja und dann hat man natürlich, wenn man dann so anfängt für ein Kleinkind zu kochen, dann kauft man halt schon mal die Bio-Möhren, dann nimmt man nicht die normalen Möh-ren, dann nimmt man halt die Bio-Möhren und die Bio-Äpfel.“ (I1, 60:61)

Der Übergang zu einer Beikosternährung kann auch eine Bedingung darstellen, die zu einer Fortsetzung einer bereits durch die Schwangerschaft initiierten Erhöhung des

Öko-Konsums beiträgt. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass der Kauf von Öko-Produkten für ein neu hinzukommendes Familienmitglied bei Beibehaltung der sonstigen Konsum-gewohnheiten in einer Erhöhung des Öko-Konsums bestehen muss, auch wenn es sich dabei nur um geringe Mengen handelt.

Ein Rückgang des Öko-Konsums wurde demgegenüber festgemacht an Äußerungen, aus denen explizit ein rückläufiger Verlauf zu schließen war.

„und dann, würde ich einmal sagen, macht es vielleicht hier so einen leichten Knick nach unten, wo mein Sohn ein bisschen da in seine pubertäre Phase kommt“ (I2, 333:333)

„Reduzierung, weil die Kinder auch Konsumwünsche haben und die selbst sehr stark zum Ausdruck bringen. So nicht so sonderlich gesunde Lebensmittel. Also, auch nicht-ökologische Lebensmittel und man da Kompromisse findet. Also, mit Kindern ernährt man sich, wenn die größer werden, wieder weniger (als, die Verfasserin) 100 Prozent oder dogmatisch ökologisch eben, wie wenn die Kinder noch (klein, die Verfasserin) sind und noch kein eigenes Mitspracherecht haben oder keine eigene Meinung äußern so dazu.“

(I6, 433:433)

Als Indikatoren für einen Rückgang des Öko-Konsums wurden auch Äußerungen betrach-tet, aus denen eine Einschränkung oder das Einstellen des Kaufs bestimmter Öko-Produkte zugunsten des Kaufs konventioneller Lebensmittel oder der vorrangige Bezug konventioneller Produkte hervorging. Bei einem „Rückgang des Öko-Lebensmittelkonsums infolge von Zugeständnissen an die Präferenzen jugendlicher Kin-der für konventionelle Lebensmittel“ wurde eine Ablehnung von Öko-Produkten durch Jugendliche auch in Familien beschrieben, in denen dies explizit mit einem Rückgang des Öko-Konsums verknüpft wurde. Es wurde also über Vorlieben der Kinder für konventionel-le Lebensmittel beim Übergang ins Jugendalter berichtet, ohne dass dies mit der Konse-quenz eines Rückgangs der Konsumintensität in Verbindung gestellt wurde. Es wurde jedoch davon ausgegangen, dass eine Veränderung des Kaufverhaltens in Form eines Mehrkaufs der entsprechenden konventionellen Produkte zu einem anteiligen Rückgang des Öko-Konsums führen muss. Auch diese Fälle wurden deshalb in die Analyse des Phänomens als Beispiele für einen Rückgang des Öko-Konsums miteinbezogen.

„Und sie frühstücken aber morgens immer nur Cornflakes und ich will, dass sie morgens frühstücken, dann kaufe ich natürlich irgendwann Kellogg’s Cornflakes, also, oder wie auch immer sie heißen. Es gibt da noch eine andere Marke. Aber dann eben keine Öko-Cornflakes mehr, wenn sie das nicht essen.“ (I4, 149:149)

„der will manchmal etwas anderes haben, wie z. B. ‚Nutella’ oder so etwas. Dann kriegt er halt sein Glas ‚Nutella’. Oder neulich musste er unbedingt einmal so (ein, die Verfasserin)

Sandwich haben, dieses Pappenbrot, weil das hatte er irgendwo in der Schule gesehen, und dann kriegt er das natürlich.“ (I5, 60:60)

4 Ergebnisse

Ergebnis der Datenanalyse sind die im Folgenden präsentierten Zusammenhangsmodel-le, die zu einer Erklärung von Veränderungen im Öko-Lebensmittelkonsum von Familien beitragen, die durch Kinder bedingt werden. Entsprechend der in Kapitel 3.2.1.1 darge-stellten Einschränkung des Forschungszieles im Zuge des Forschungsprozesses handelt es sich hierbei um drei Modelle zu den Phänomenen: „Erhöhung des Öko-Lebensmittelkonsums infolge eines verstärkten Bewusstseins für Öko-Produkte während der Schwangerschaft“ (vgl. Kapitel 4.1), „Erhöhung des Öko-Lebensmittelkonsums infolge einer verstärkten Aufmerksamkeit für Öko-Produkte während der Beikosternährung“ (vgl.

Kapitel 4.2) und „Rückgang des Öko-Lebensmittelkonsums infolge von Zugeständnissen an die Präferenzen jugendlicher Kinder für konventionelle Lebensmittel“ (vgl. Kapitel 4.3).

Jedes der drei Phänomene wird im Folgenden im Einzelnen dargestellt, indem die im Rahmen der Datenanalyse herausgearbeiteten Kategorien näher beschrieben werden.

Der Orientierung der Auswertung am Kodierparadigma entsprechend ist die Darstellung der Kategorien dabei nach den Elementen des Kodierparadigmas - kausale Bedingungen, kontextuelle Bedingungen, intervenierende Bedingungen, Handlungsstrategien und Kon-sequenzen - gegliedert. In Anlehnung an BÖHM sind die Bezeichnungen der einzelnen Kategorien im Text jeweils in Kursivschrift gesetzt und durch ein in Klammern gesetztes

„(K)“ als Abkürzung für das Wort Kategorie gekennzeichnet (BÖHM 2005, S. 129). Zur gra-fischen Veranschaulichung der Zusammenhangsmodelle befindet sich am Ende der Kapi-tel 4.1 bis 4.3 je eine Abbildung.

4.1 Erhöhung des Öko-Lebensmittelkonsums infolge eines verstärkten