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'Miners have their canaries to warn of looming dangers, and climate change resear- chers have their arctic i c e " schreibt Richard A. Kerr in der Scierace-Ausgabe vom 3. Dezember 1999 und führ damit die herausragende Rolle der Arktis fiir d a s glo- bale Klima vor Augen. ~bereinstirnmend zeigen verschiedene numerische Modelle.

mit denen die Reaktion des Kliinasysteins auf eine rasche Zunahme at,mospliari- scher Treibhausgase untersucht wird, dass sich globale Kliinaänderunge in hohen Breiten besonders drastisch auswirken. Das Ozea,ii-Atmosphäre-Meereis-Model von Washington & Meehl (1996) beispielsweise liefert bei einer globalen Erwa.rmung durch Verdoppelung der COz-Konzentra,tion innerhalb der nächste 70 Jahre eine Erhöhun der arktischen Wintertemperaturen von mehr als 10°C währen tropische und subtropische Regionen sich 'lediglich' um 2-3OC erwärmen Die arkt,ische Meer- eisdecke verschwindet iin 2 X CO2-Experiment am Ende des Sommers bis auf einen kleinen Rest nördlic der Laptew-See vollständig Im Winter ist in diesem Szenario das zentrale Nordpolarmeer statt von der heutigen 4 m ~nächt~ige Eisschicht von einer kaum 1 m dünne Meereisauflage bedeckt.

Die heutige arktische Meereisbedeckung beliiuft sich auf rund 15 . 106 km2 wä.hren des Wintermaxiinums (Parkinson & Cavalieri 1989). Die Eisschicht bildet sich im Verlauf des Sommers zurück so dass sich die eisbedeckte Flache in1 Herbst auf die Hälft reduziert. Die scheinbare Beständigkei und Unerschütterlichkei der arktischen Meereislandschaft verleiht ihr einen nahezu kontinentalen Status. Satel- litendaten aus den letzten 20 Jahren weisen jedoch auf eine schrumpfende Eisdecke hin. Johannessen et a.1. (1999) berichten von einer Reduktion der Eisausdehnung von 3% pro Jahrzehnt, wobei fü dickes, mehrjährige Eis ein besonders starker Rückgan zu verzeichnen ist. Zudem zeigen Daten der Eisdicke, die im Rahmen von U-Boot-Fahrten gewonnen wurden, eine Abnahme der mittleren spätsommerliche Eismachtigkeit von rund 40% währen der vergangenen vier Jahrzehnte (Rothrock et al. 1999; s.a. Wadha,ms & Davis 2000). Richa,rd A. Kerr kommentiert die Befunde mit einem Apercu: "The canary is in deep trouble and could expire in a matter of decades" .

Es gibt zahlreiche andere Datenaufzeichnungen aus den letzten Jahrzehnten, die drastische klimatische Veränderunge in der Arktis belegen. Lufttemperaturda- ten aus Bodenbeobachtungen deuten auf eine bemerkenswerte Erwärmun w5hrend der zweiten Hälft des 20. Jahrhunderts hin. Trends von bis zu 0.7OC pro Jahr- zehnt in der Jahresmitteltemperatur sind in Teilen Nordamerikas und Sibiriens zu verzeichnen (Chapman & Walsh 1993; AMAP 1998). Eine E r ~ ~ r i n u n g scheint aber auch unmittelbar übe dem zentralen N ~ r d p o l ~ r m e e r stattgefunden zu haben. Auf- zeichnungen von russischen Nordpol-Drift-Stationen aus dem Zeitraum 1961-1990

wurden von Martin et a.1. (1997) analysiert. Dabei zeigt sich eine Zunahme der 2-m-Temperaturen von 0.89OC bzw. 0.43OC pro Dekade fü die Monate Mai und Juni, aber auch eine signifikante Erwärmun übe den gesamten Sommer. Der Tem- peraturanstieg übe den kontinentalen Regionen der Arktis führt offenbar zu ei- ner Erwärmun des Permafrost-Bodens (Serreze et al. 2000). Indigene Bewohner Nordalaskas berichten sogar von einem Auftauen frühe gefrorenen Grundes, was zur Freisetzung der Treibhausgase COz und CH4 führe kann (AMAP 1998). Man bemerkt aber auch Änderunge in den Populationen bestimmter Tierxten und im Pflanzenbewuchs. Zudem wurde eine Verlagerung der Baumgrenze nach Norden fest- gestellt (Serreze et al. 2000). Aufzeichnungen der Schneebedeckung in der nordame- rikanischen Tundra (Foster 1989) sowie der Eisbedeckung in Seen und Flüsse in hohen Breiten (Magnuson et al. 2000) lassen auf einen Trend zu kürzere Wintern schliefien. So zeigt beispielsweise die Analyse der von 1876-1978 laufenden Zeitreihe fü den Mackenzie, dass das winterliche Zufrieren des Flusses immer späte geschieht.

Dabei liegt der Trend bei 6.1 Tagen in 100 Jahren. Ferner haben Niederschläg währen des letzten Jahrhunderts in hohen Breiten um bis zu 15% zugenommen (AMAP 1998). Der stärkst Anstieg ist dabei in den Winterdaten der letzten 40 Jahre zu verzeichnen.

Die hier zusammengefassten Befunde machen deutlich, dass die arktische Um- welt Veränderunge erlebt. Würd man alle Trends schlicht in die Zukunft extrapo- lieren, so kä.m man schnell zu dem Schluss, dass bereits in wenigen Jahrzehnten die polare Region, so wie wir sie heute kennen, nicht mehr existieren würde Insbeson- dere wär bei gleich bleibendem Trend im Meereisrückga,n das Nordpolarmeer a m Ende des 21. Jahrhunderts währen der Sommermonate eisfrei (Smedsrud & Furevik 2000). Die Folgen fü die arktische Tier- und Pflanzenwelt wä,re verheerend (z.B.

Tynan & DeMaster 1997; Stirling & Derocher 1993).

Solche Zukunftsvisionen liegen nahe, wenn man von der Annahme ausgeht, dass die beobachteten Veränderunge bereits das Resultat einer anthropogen Kli- maveränderun sind, die durch eine kontinuierliche Zufuhr von Treibhausgasen in die Atmosphär bedingt ist. Doch ebenso gelten natürlich Klimaschwankungen als Kandidat, um die Umweltveränderunge in der Arktis zu erkkren. Das Klimasystem mit seiner Vielzahl von Riickkoppl~ngsinech~nismen innerhalb und zwischen seinen verschiedenen Komponenten (Atinosphä.re Hydrosphiire, Kryosphäre Biosphäre Lithosphäre zeigt per se Variabilitä in äufiers komplexer Form auf allen Zeits- kalen. Hinzu kommen Schwankungen im solaren Antrieb (Shindell et al. 1999a).

Das wichtigste Muster der Klimavariabilitä auf dekadischer und multidekadischer Zeitskala fü den arktischen und subarktischen Raum ist die Arktische Oszilla,tion (AO). Eine räumlic begrenzte 'Teilmenge' der AO ist die Nordatlantische Oszil- lation (NAO). Seit nunmehr zwei Jahrzehnten befindet sich die N A 0 bzw. AO in einem E x t r e m z ~ s t ~ n d mit fast durchgehend positivem Index. Aufgrund der Korre- lationen zwischen der N A 0 und zahlreichen meteorologischen und o~e~nografischen Grö§ (z.B. Dickson et al. 2000) gilt es als wahrscheinlich, dass diese Extremphase mit den beobachteten Umweltveränderunge in der Arktis-Region verbunden ist.

Im Hinblick auf die Entwicklung der Meereisdecke wär daher folgendes Szenario denkbar:

Bei positivem NAO- bzw. AO-Index wird übe Winde und Meeresströmun gen mehr Wärm in die Nordmeer-Region gepumpt. In1 arktischen Ozean wird der Hauptteil dieser Wärm in Tiefen unterhalb 200 m, in der Atlantischen Schicht,

gespeichert. Durch eine geeignete vertikale Struktur der Halokline mit einem iso- t,herinen Bereich zwischen Ca. 50-150 m, der CHL (Cold Halocline Layer), wird diese Wärm übe weite Bereiche des arktischen Ozeans ganzjähri von der Ober- fläch - - und somit von1 Eis - abgeschirmt (Aagaa,rd et al. 1981; Steele & Boyd 1998).

Eine verä.ndert ozeanische Zirkulation im Zusammenhang mit der NAO- bzw. AO- Extremphase beeinträchtig jedoch die Bildung und Aufrecht,erhaltung der Halokli- ne, so dass sich vermehrt warmes Wasser in die oberflächennahe Schicht,en mischen kann. Die erhöhte Wärmeflüs aus dem Ozean und der Atmosphär verursachen somit den beobachteten Rückgan der Eisbedeckung. Sobald sich die N A 0 bzw.

AO wieder 'einpendelt' und schliefllich längerfristi in eine negative Phase gerat;

werden sich die meteorologischen und ozeanografischen Verhältniss umkehren die Meereisdecke kann sich wieder erholen.

Tatsächlic finden Maslanik e t al. (1996) und Deser et, al. (2000) Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der at8mosphärische Zirkulation und der Verringe- rung der arktischen Meereisbedeckung. Aber auch Anclerungen in der ozeaniscl~en Zirkulation wurden beobachtet, die mit einer Erwärmun des Nordpolarineeres ein- hergehen und im Einklang mit der positiven Phase der N A 0 bzw. AO währen der vergangenen zwei Jahrzehnte stehen. Zahlreiche Messdaten deuten darauf hin. dass sich in diesem Zeitraum der Bereich warmen atlantischen Wassers im Nordpolarineer cleutlich ausgedehnt hat; zudem wurde eine Erhöhun der Temperatur dieser Was- sermasse festgestellt, (z.B. McLaughlin et al. 1996; Morison et al. 1998; Grotefendt et a1. 1998). Hierfü scheinen sowohl eine verstärkt Zufuhr von Atlantik-Wasser durch die Frain-Strafle und übe die Barents-See als auch eine Zunahme der Einstromt,em- peratur verantwortlich zu sein (Swift et al. 1997; Dickson et &l. 2000). Steele & Boyd (1998) berichten vom Verschwinden der CHL im Eurasischen Becken in den frühe 90er Jahren, was dazu führt dass mehr Wä,rm aus der Atlantischen Schicht an die Oberfläch gemischt werden kann und so die Wä.rmeflüs ins Eis beträchtlic erhöh werden. Dieser Vorgang scheint aus einem eher zyklonalen Muster der Oberflächen zirkulation zu resultieren (vgl. Proshutinsky & Johnson 1997); das den Transport salzarmen Schelf- bzw. Flusswassers aus der Laptew- und Kara-See ins Eurasische Becken verhindert; stat,tdessen wird das Flusswasser ins Makarow-Becken geleitet.

Die Zufuhr der Schelfwassermassen ist jedoch essenziell fü die Aufrechterhaltung der CHL (Rudels e t al. 1996; Steele & Boyd 1998).

Das arktische Packeis scheint w5hrend der AO-Extremphase &lso eine erhöht Wärmezufuh von unten und oben empfangen zu haben, was zu einer au§ergewöh liehen Schmelze innerhalb des Nordpolarmeeres geführ haben könnte Eindeutige Hinweise fü einen Trend im Meereisexport durch die Fram-Strafie gibt es indes nicht (Hilmer et al. 1998).

Sind die beobachteten Kliinaveranderungen also lediglich eine kurzfristige L a u n e der Natur' oder hat der Mensch durch sein ungestüme Handeln einen schwer- wiegenden Eingriff in die Dynamik eines Systems vorgenommen, das zu begreifen er bislang nur ansatzweise in der Lage ist? Jüngst Klimamodellstudien deuten darauf hin, dass der anthropogene AusstoB von Treibhausgasen nicht nur fü den drama- tischen Rückgan des arktischen Meereisvolumens verantwortlich ist (Vinnikov et al. 1999), sondern auch fü den beobxhteten positiven Trend in der AO (Shin- dell et al. 1999b; Fyfe e t al. 1999). Eine anthropogene Klimaveränderun scheint sich demnach übe ein natürlic a ~ f t ~ r e t e n d e s Muster atmosphä~rische Variabilitä

zu manifestieren. Natürlich Klimaschwankungen und anthropogene Klimatrends

dürfe folglich nicht als entkoppelte Phänomen aufgefasst werden. Es ist zu erwar- ten, dass die AO in Zukunft positive Zuständ bevorzugt einnehmen wird (Fyfe et al. 1999). Ein Anwachsen des Meereisvolumens hin zu frühere Werten ist dann sehr unwahrscheinlich.

Eine paläozeanografisch