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Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten

Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern

Zahlreiche österreichische Klöster erreichten bereits im Hochmittelalter eine erste geis-tige und wirtschaftliche Blütezeit. Danach folgte für so manche Abtei ein langer und unaufhörlicher Niedergang, den der im späten 15. Jahrhundert einsetzende religiöse Impetus der Reformation noch beschleunigte.1 Die Kirche war bemüht, den Verfalls-prozess, der Klöster und Weltkirchen gleichermaßen betraf, durch die Umsetzung der Beschlüsse des Konzils von Trient (1545–1563) aufzuhalten und wenn möglich umzu-kehren. Zunächst trugen die eingeleiteten Maßnahmen jedoch kaum Früchte, sodass die monastische Dekadenz bis weit ins 17. Jahrhundert hinein fortdauerte. Der Pro-testantismus hatte alle Bevölkerungsschichten erfasst, selbst Weltpriester, Mönche und Äbte konvertierten zum neuen Glauben. Erschwerend kamen militärische Auseinan-dersetzungen mit protestantischen Truppen, osmanischen Heeren und aufständischen Bauern hinzu. Etliche Kirchen und Abteien wurden geplündert und ihre Ländereien verwüstet. Daher kann es nicht verwundern, dass sich die mittelalterlichen Anlagen in der Frühen Neuzeit vielerorts in ruinösem Zustand befanden. Die allgemeine wirt-schaftliche Situation des österreichischen Klerus besserte sich erst wieder, nachdem Kaiser Ferdinand II. (1578/1619–1637) 1620 die protestantischen Stände in Böhmen besiegt hatte. In den habsburgischen Kernländern begann danach die Vertreibung der zum Protestantismus übergetretenen Adligen und die Rekatholisierung der Bevölke-rung. Damit gewann der Klerus seine überragende gesellschaftliche Stellung zurück, teilweise konnte er sie sogar durch eine größere Nähe zum Landesherrn noch verbes-sern.2 Für ständige Unruhe sorgten freilich die immer wieder aufflammenden sozialen Revolten sowie die direkten und indirekten Auswirkungen des langen Religionskrieges.

Die nächsten großen Zäsuren kamen mit dem Einfall der Heere des Sultans in die Erblande und der zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683, mit dem Österreichischen Erbfolgekrieg in den 1740er-Jahren sowie mit der Zeit der Aufklärung, die im späten

1 Schwaiger/Heim, Orden (2002), bes. 56–63 ; Frank, Geschichte (2010), 124–128.

2 Polleroß, Auftraggeber (1999), 26, 29–30.

18.  Jahrhundert zur Aufhebung vieler österreichischer Klöster führte.3 Die Abteien wurden dem neuen Zeitgeist entsprechend ihrer Selbstständigkeit beraubt, Bibliothe-ken und Archive auseinandergerissen und an verschiedene Institutionen verteilt, Ar-chivalien skartiert und das Vermögen etlicher Klöster dem Religionsfonds übertragen.

Während der gesamten Zeit dieser Glaubenskämpfe, kriegerischen Auseinanderset-zungen und ideologischen Konfrontationen bürdete das Kaiserhaus der Geistlichkeit hohe finanzielle Abgaben zur Unterstützung der kaiserlichen Heere auf. Gleichwohl waren die Mönchsgemeinschaften in der Lage, den Forderungen des Kaisers nach-zukommen, da adlige Stifter seit jeher die landständischen Abteien mit Ländereien, robot- und abgabepflichtigen Leibeigenen, Zollrechten, Gewinnen aus der Gerichts-barkeit und anderen Möglichkeiten zur Erschließung wirtschaftlicher Erlöse bedacht hatten, um die ökonomische Unabhängigkeit der Klöster zu sichern.4 Die Stifte konn-ten sich daher im 17.  Jahrhundert in wirtschaftlicher Hinsicht konsolidieren. Ins-besondere seit dem zweiten Drittel prosperierten sie dermaßen, dass sie außer den hohen Kriegskontributionen auch die Renovierung ihrer mittelalterlichen Abteien finanziell zu tragen imstande waren.5 Auf dem Land traten in Österreich nun beson-ders die alten Orden – die Benediktiner- und Zisterzienserkonvente, die Augustiner-Chorherren und die Prämonstratenser – als die dominierenden Kunstmäzene hervor.

Vergleichbares geschah in den großen Städten mit ihrer stetig anwachsenden Bevöl-kerungsdichte : Franziskaner, Dominikaner und Jesuiten sowie andere Reform- und Bettelorden wurden berufen, um im Sinne der Gegenreformation seelsorgerische Auf-gaben zu übernehmen. Das führte zur Gründung von Klöstern und Kollegien sowie zur Errichtung neuer Gotteshäuser. Der hohe Adel und das Kaiserhaus veranlassten im 17. und 18. Jahrhundert Kirchenneubauten sowie die Umgestaltung bereits beste-hender Sakralräume, die man mit Kapellen, Altären, Gemälden und Skulpturen oder einer völlig neuen Einrichtung versah.6 Hinzu kamen die Bemühungen finanzkräf-tiger geistlicher Bruderschaften, die am Kunstgeschehen regen Anteil nahmen.7 All dies verlieh den Gewerken einen immensen Aufschwung. Künstler und Handwerker kamen von weither auf den Baustellen zusammen, um sich dort zu verdingen, falls sie

3 Winner, Klosteraufhebungen (1967) ; Schwaiger/Heim, Orden (2002), 72–75 ; Beales, Klöster (2008), 209–223, 324–344.

4 So verfügte beispielsweise das Stift Rein in der Steiermark im frühen 18. Jahrhundert über bedeutenden Eigenbesitz mit etwa 1000 zinspflichtigen Untertanen. Mausser, Stift Rein (1949), 36–37.

5 Allgemein zur Barockisierung von Klöstern Engelberg, Renovatio ecclesiae (2005).

6 Vgl. hierzu das einführende Kapitel.

7 Zu Bruderschaften neuerdings Rabl, Ite ad Joseph (2015), bes. 102–170. Rabl untersuchte die Lilienfel-der ErzbruLilienfel-derschaft des hl. Joseph. Inwieweit sich ihre Forschungsergebnisse auf anLilienfel-dere BruLilienfel-derschaften übertragen lassen, wäre zu überprüfen.

Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und TischlerarbeitenTischlerwerkstätten in Wien || 33 nicht ohnehin von den jeweiligen Konventen berufen wurden. Liegt zum Schaffen von Architekten, Malern, Bildhauern und Stuckateuren eine ganze Reihe erhellender Studien vor, so fehlen zu Tischlern und ihrem Anteil an der Entstehung von Gottes-häusern und Abteien entsprechende Untersuchungen weitgehend.

Tischlerwerkstätten in Wien

Dass viele deutsche Schreiner in der Frühen Neuzeit ihr Glück in Paris suchten, braucht eigentlich nicht erwähnt zu werden, da es schon lange bekannt ist. Ein an-deres lohnenswertes Ziel muss das nördliche Österreich mit dem Schwerpunkt in der Residenzstadt Wien gewesen sein.8 Nicht erst seit dem Sieg über die Osmanen 1683 waren dort zahlreiche Um- und Neubauten sakraler Anlagen zu bewerkstelligen, au-ßerdem sorgte der nach Wien zuziehende Adel in der Stadt selbst sowie im Umland durch die Errichtung von Palais und Villen für eine überaus rege Bautätigkeit.9 Nicht weniger als 150 Gartenpaläste lassen sich im 18. Jahrhundert in der Umgebung der Stadt nachweisen.10 Über die Tischlerwerkstätten, die mit Aufträgen zur Ausstattung der Gotteshäuser und Schlösser bedacht wurden, sind wir jedoch kaum informiert, obgleich hier eine unglaublich große Anzahl von Handwerkern ihr Auskommen ge-funden haben muss.11

Eine von einem deutschen Meister geführte Schreinerei war jene des Hoftischlers Johann Indau (1651–1690), der wahrscheinlich aus Nürnberg stammte und in den 1680er-Jahren nach einem längeren Italienaufenthalt in Wien reüssierte.12 Aus Mün-chen kam der hofbefreite Tischlermeister Franz Andreas Bogner (um 1663–1714), der im frühen 18. Jahrhundert prachtvolle Möbel für das Stift Melk (Abb. 216–218) fertigte.13 Weiter berichten Schriftquellen von dem aus Memmingen zugewanderten bürgerlichen Tischler Sebastian Haupt (um 1710–1760), der für die Jesuiten in Wien tätig war.14 Ferner wissen wir, dass der Mainzer Kurfürst Lothar Franz von Schön-born (1655–1729) 1720 zunächst seine Bamberger Ebenisten Ferdinand Plitzner (um

8 Ehmer, Zünfte (2002), 101. Hierzu mehr im zweiten Band der Untersuchung.

9 Weigl, Residenz (2001), bes. 31–52.

10 Lorenz, Architektur (1999), 225.

11 Auf diesen Umstand machten zuletzt Herbert Haupt und Franz Wagner aufmerksam. Haupt, Hofhand-werk (2007) ; Wagner, Kenntnis (2010) ; ders., Ebenisten (2011) ; ders., Regesten (2014). Wagner stieß bei seinen Archivforschungen bisher auf weit über 2000 Tischler, die in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert in Wien arbeiteten ; ders., Kenntnis (2010), 49.

12 Hajdecki, Indau (1907) ; Wagner, Kunsthandwerk (1999), 576 ; Haupt, ebd., 254, 525.

13 Zu Bogner (Pogner) Wagner, ebd., 575–576 ; Haupt, ebd., 254.

14 Hajdecki, Indau (1907), 115–116.

1678–1724) und Servatius Brickard (um 1682–1742), einige Jahre später auch den in Hamburg geborenen Johann Justus Schacht mit dem Auftrag nach Wien entsandte, für seinen Neffen, den Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn (1674–1746), tätig zu werden.15 Friedrich Carl hatte sich in der Wiener Josefstadt ein Gartenpa-lais errichten lassen, das die kurfürstlichen Tischler mit Mobiliar ausstatteten. Die Möbelgarnituren sind leider verloren oder in privaten und öffentlichen Sammlungen nicht mehr nachweisbar.16 Der Verlust der Interieurs wiegt umso schwerer, als der Reichsvizekanzler die Einrichtung seiner Residenzen mit außerordentlich großem finanziellen Aufwand betrieb. Vermutlich handelte es sich bei den Möbeln um aus-gesprochene Luxusstücke. Daneben arbeiteten Plitzner, Brickard und Schacht auch für andere Mitglieder der Hocharistokratie, für Prinz Eugen von Savoyen-Carignan (1663–1736) etwa, für dessen Wiener Gartenpalais sie kostbar furnierte Parkettfuß-böden angefertigt haben sollen.17 Weitere Landsleute von ihnen, die in Wien mithilfe von Schriftquellen nachgewiesen werden können, sind Adam Hores (1700–1759) aus Würzburg und Heinrich Friedrich Adam (1667–1704) aus Halberstadt.18 Selbstre-dend kamen Handwerker aber auch aus anderen Herkunftsländern in die Residenz-stadt, beispielsweise um und nach 1700 der aus den Niederlanden stammende Michael Verbist, Martin Künzler († 1762) aus dem Elsass, Lorenz Fech aus Racibórz (Ratibor),

ferner Joseph Andreas (1749–1749) und Johann Andreas Brunelli (nachgew. 1735–

1753) aus Bologna oder Nicolaus Olivy aus Venedig. Welche Tischlererzeugnisse sie schufen und wie die Arbeiten aussahen, ist bisher völlig ungewiss. Sicher ist lediglich, dass die Bezeichnung etlicher dieser zugereisten Handwerker als Galanterietischler, die sich in den Archivalien findet, für eine hohe Qualität ihrer Erzeugnisse spricht.

Wohnungen der Tischler lassen sich im späten 17. und 18. Jahrhundert in allen Wiener Bezirken nachweisen, mit einem deutlichen Überhang in den Vorstädten, wo der Wohnraum günstiger als in der Innenstadt war.19 Zudem wurden seit dem spä-teren 16. Jahrhundert Handwerker systematisch aus der Altstadt verdrängt, um dem anwachsenden Hofstaat und dem Klerus Wohnraum bzw. Raum für Neubauten zur Verfügung stellen zu können.20 Es ist wahrscheinlich, aber nicht sicher, dass sich bei

15 Kreisel/Himmelheber, Deutsche Möbel, Bd. 2 (1983), 88, 152.

16 Grimschitz, Hildebrandt (1959), 61–63, 69–72.

17 Sangl, Glanz (2011), 23.

18 Zu diesen und den nachfolgenden Angaben Wagner, Kunsthandwerk (1994), 391 ; ders., Kunsthandwerk (1999), 551 ; ders., Regesten (2014), ad voces. Zu Hores, Adam, Verbist sowie Vater und Sohn Brunelli s.

auch Haupt, Hofhandwerk (2007), 188, 241, 276–277, 376.

19 Loeper, Kommerzialschema (1780), 65–68 ; Wagner, Regesten (2014).

20 Lichtenberger, Bürgerstadt (1973), bes. 310 ; Maurer, Hofquartierwesen (2015). In seiner Beschreibung der inneren Stadt listete Johann Jordan denn auch 1701 nur wenige Handwerksmeister, darunter vier Tischler, als Eigentümer von Wohnhäusern auf. Jordan, Schatz (1701), 74, 111, 114. Entsprechend weist

Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und TischlerarbeitenTischlerwerkstätten in Wien || 35 den Wohnungen jeweils auch die Werkstätten befanden, da Tischler, anders etwa als die auf den Baustellen arbeitenden Zimmerleute, zu den heimverbundenen Handwer-kern zählten.21 Wie jene Wissenschaftler, Künstler und Handwerker, die Kaiser Franz I. (1708–1765) in seinem 1740 erworbenen Wiener Palais in der Wallnerstraße be-schäftigte, lebten und werkten (?) verschiedene Tischler in Palais des Hochadels, etwa Lambrecht Brandl († 1700) und Paul Podner († 1738) im ehemaligen Palais Liechten-stein in der Wiener Herrengasse, Philipp Schwab (1702–1764) in einem zum früheren Palais Kaunitz in der Wiener Rossau gehörenden Gartengebäude, weitere Tischler in Häusern der Familien Herberstein und Harrach.22 Vermutlich standen diese Hand-werker unter der besonderen Patronage der Adelsfamilien ; sie werden nicht ihre ein-zigen, aber doch die Hauptauftraggeber gewesen sein.23

Von Florenz wissen wir, dass gewöhnliche Handwerker in den verschiedenen Stadtvierteln in ihren eigenen Betrieben arbeiteten. Dagegen richteten die Medici für besonders qualifizierte Kunsthandwerker schon im ausgehenden 16. Jahrhun-dert die großherzoglichen Ateliers im Westflügel der Uffizien ein. Den Hoftisch-lern, die übrigens häufig aus dem deutschsprachigen Kunstraum kamen, wiesen sie Schreinereien mit den benötigten Werkzeugen und Arbeitsmaterialien zu.24 Ande-res lässt sich von Paris berichten : Dort unterhielten zünftige Ebenisten ihre Werk-stätten in diversen Stadtbezirken, aber Kunsttischler, die sich den Erwerb des teu-ren Meistertitels nicht leisten konnten, wateu-ren häufig in Arrondissements ansässig, die unter dem Schutz von Klöstern standen und damit dem Reglement der Zünfte nicht unterlagen. Einer Reihe von Hofhandwerkern wurden seit den 1660er-Jahren Ateliers in der Manufacture royale des tapisseries et des meubles de la Couronne überlas-sen, andere, wie der Ebenist André-Charles Boulle (1642–1732), besaßen neben den Ateliers im Louvre auch eigene Werkstätten. Vergleichbares gab es in Wien nicht ; abgesehen von der kleinen Gruppe der oben genannten Handwerker übten hier die Tischler, auch die Hoftischler, ihren Beruf in eigenen Betrieben aus. Allerdings mussten Letztere den Hofstaat auf Reisen begleiten, konnten aber dort, wo sich der Hof gerade aufhielt, Werkstätten und Läden unterhalten.25 In Wien hatten

Haupt, Hofhandwerk (2007), 78–90, für das 17. und 18. Jahrhundert als Hausbesitzer in der inneren Stadt lediglich neun Hof- und hofbefreite Tischler nach.

21 Knittler, Handwerk (1980), 73 ; Brunner, Haus (1994), 76.

22 Witt-Dörring, Möbelkunst (1978), Bd. 1, bes. 58–59 ; Haupt, Hofhandwerk (2007), 254, 264 ; Wagner, Furniture (2013), 50 ; ders., Regesten (2014), ad voces.

23 Vgl. hierzu die Rolle des Tischlers Wolfgang Rachinger beim Bau der Priesterseminarkirche in Linz.

24 Bohr, Entwicklung (1993), 13–18, mit weiteren Literaturhinweisen. Durch bereitgestellte Ateliers und regelmäßige Gehälter wurden Maler schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an den burgun-dischen Hof gebunden. Warnke, Hofkünstler (1996), 34–35.

25 Das entsprach einem alten Brauch, da sich im Tross des reisenden Hofstaates natürlich Handwerker

die Hofhandwerker dann je nach ihrer rechtlichen Stellung ihre Verkaufsräume zu schließen.26

Einige Wiener Klöster besaßen Werkstätten, unter denen sich auch Tischlereien befanden. Im Falle der Wiener Jesuitenkommunität, des Augustinerklosters, des Schottenstiftes sowie des ehemaligen Schwarzspanierklosters konnte das anhand von Schriftquellen nachgewiesen werden, doch ließ sich bislang nicht ermitteln, wo die Werkstätten beheimatet waren.27 Nur hinsichtlich der Dominikaner sind wir etwas besser unterrichtet. Sie betrieben in einem der Seitengebäude ihres Wiener Klosters eine Kunstschlosserei, wohingegen sie andere Handwerksbetriebe außerhalb der Stadt angesiedelt hatten. Um die Mitte des 17. sowie im 18. Jahrhundert waren erwiese-nermaßen Konversen als Tischler für das Kloster tätig. Dabei kann es nicht verwun-dern, dass der Klerus eigene Tischlereien unterhielt, denn in den Klöstern fielen im-mer wieder Arbeiten für Schreiner an, waren doch in den Gotteshäusern selbst und in den Klostergebäuden fortwährend Fußböden, Fenster, Türen oder Möbel instand zu setzen. Manchmal kamen noch Sonderaufträge hinzu wie der Rennschlitten, den der Haustischler der Abtei Kremsmünster im Jahr 1615 baute, oder Einrichtungen für Kutschen, die sich der Göttweiger Abt in den Jahren 1724 und 1731 von seinem Hoftischler fertigen ließ.28

Tischlerwerkstätten auf dem Land

Zusammen mit der Hauptstadt des römisch-deutschen Reiches müssen auch die land-ständischen Monasterien mit ihren sich über Jahrzehnte hinziehenden Bauvorhaben eine enorme Anziehungskraft auf Arbeit suchende Handwerker ausgeübt haben. Al-lerdings weiß die Forschung bisher nur von einigen Klöstern zu berichten, die lan-desfremde Tischler beschäftigten : Zu nennen wären die niederösterreichischen Stifte Herzogenburg, Göttweig, Heiligenkreuz, Klosterneuburg, Melk und das

Piaristen-befinden mussten, um Geschirre, Kutschen und anderes im Bedarfsfalle zu reparieren.

26 Die rechtliche Stellung der Hofhandwerker war unterschiedlich, da sowohl die kaiserliche Reichskanz-lei als auch die österreichische HofkanzReichskanz-lei befugt war, Handwerker durch die Ausstellung sogenannter Freibriefe zu Hofhandwerkern zu ernennen. Haupt, Hofhandwerk (2007), bes. 20–26.

27 Der Tischler Lorenz Ferdinand Klobenstein stand in Diensten des ehemaligen Schwarzspanierklosters.

Wagner, Regesten (2014), ad vocem. Zu den anderen genannten Klöstern vgl. die entsprechenden Bei-träge im vorliegenden Katalog.

28 Zu Kremsmünster Neumüller, Vorarbeiten (1961), Bd.  1, 99, Qu.  1110. Zu den Kutscheneinbauten StAGö, Akten Holdermann, K-G/L.8, BR  1724, Nr.  101 und BR  1734-Lit  A. Vgl. dazu auch den Beitrag zur Priesterseminarkirche und Deutschordenskommende in Linz, die ebenfalls eine Tischlerei eingerichtet hatte.

Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und TischlerarbeitenTischlerwerkstätten auf dem Land || 37 kloster in Horn, ferner die Stifte Wilhering, Kremsmünster, St. Florian und Garsten in Oberösterreich sowie die steirische Abtei Rein.29

In Klostertischlereien waren zusammen mit externen Handwerkern häufig Laien-brüder tätig. Um in den Konversenstand aufgenommen zu werden, mussten die An-wärter die erste Profess ablegen und geloben, ehelos zu bleiben, ihr Leben im Dienst des jeweiligen Klosters zu verbringen und auf Privateigentum zu verzichten. Im Ge-genzug versorgten die Klöster die Fratres mit allem Nötigen, auch Wohnräume wur-den ihnen zur Verfügung gestellt.30 Oft handelte es sich bei den Laienmönchen um Handwerker, die den Zunftordnungen gemäß ausgebildet worden waren.31 Einmal in ein Kloster eingetreten, blieben sie ihm meist bis zu ihrem Tode treu. In verschie-denen wissenschaftlichen Beiträgen ist von einer besonderen räumlichen Mobilität der Fratres die Rede. Die Klöster waren in ordensinterne Netzwerke eingebunden, sodass häufig angenommen wird, die Konversen seien vom Kloster eines Ordens zum nächsten gereist, um an Ort und Stelle die benötigten Erzeugnisse zu fertigen.32 Für Angehörige verschiedener jüngerer Ordensgemeinschaften, etwa für Mendikanten, waren Ortswechsel tatsächlich relativ leicht möglich, da sie sich mit ihren Gelübden nicht an ein bestimmtes Kloster, sondern an einen bestimmten Orden banden.33 Bei den alten Orden ließen die Ordensregeln einen Ortswechsel jedoch nicht zu, obgleich es hiervon auch Ausnahmen gab, wie die Biografie des zu Eschingen in Schwaben gebürtigen Kaspar Schrezenmayer (1693–1782) lehrt. 1724 wurde er im Stift Heili-genkreuz eingekleidet, wechselte aber zehn Jahre später in die ungarische Zisterzien-serabtei St. Gotthard, um dort das Tischlerhandwerk auszuüben.34 Häufiger wird es dagegen vorgekommen sein, dass Tischler, die keine Ordensangehörigen waren, von einem Kloster oder Kolleg für einen gewissen Zeitraum einem anderen Haus über-lassen wurden. So war im frühen 17. Jahrhundert Hans Schiele abwechselnd in den Stiften Garsten und Kremsmünster tätig, an der Wende zum 18. Jahrhundert arbeitete Johann Jakob Pokorny aus Garsten auch im Kloster Seitenstetten, und 1719 wurde ein

29 Vgl. zu Rein den entsprechenden Abschnitt im zweiten Band ; Stift Garsten wird nicht vorgestellt. Zu den andern Klöstern vgl. die relevanten Kapitel im vorliegenden Buch.

30 Hersche, Muße (2006), Bd. 1, 334–337 ; Stöttinger, Sozialstruktur (2012), 68–69.

31 Wagner, Kunsthandwerk (1994), 390.

32 So etwa der Olivetanermönch Fra Giovanni da Verona (ca. 1457–ca. 1526), in jener Zeit einer der ver-siertesten italienischen Intarsienkünstler. Er schuf Werke in Verona, Neapel, Lodi, Rom und Siena sowie in der Abtei Monte Oliveto Maggiore, dem Mutterkloster seines Ordens. Rohark, Intarsien (2007), 61.

Giorgio Vasari (1511–1574) erwähnte ihn in den Künstlerviten mehrfach, vor allem im ersten Buch, Kap. 31, Del musaico di legname, cioè delle tarsie […] und später dann unter der Biografie Raffaels bei der Beschreibung der Stanza della Segnatura im Vatikan. Vasari, Vite (1568), 41, 356.

33 Schwaiger, Mönchtum (2003), 112, 248.

34 Zu Schrezenmayer vgl. die entsprechenden Angaben im Kapitel zu Heiligenkreuz.

Tischlergeselle aus dem ehemaligen Jesuitenkolleg in Krems für seine Mitarbeit im Stift Dürnstein entlohnt.35

Normalerweise unterhielten landständische Abteien klostereigene Tischlereien.

Nach dem um 830 gezeichneten Idealgrundriss von Sankt Gallen sollten Werkstätten, Stallungen und andere Einrichtungen, die für das Überleben der Klöster zwar wichtig waren, aber mit den gottesdienstlichen Verrichtungen nur bedingt etwas zu tun hatten, in den äußeren Abteibezirken situiert sein.36 Wie aus Schrift- und Bildquellen her-vorgeht, war dies in den Stiften Zwettl und Lilienfeld auch tatsächlich der Fall. Im 17. und 18. Jahrhundert lagen die Tischlereien dort außerhalb des Kernbereichs in der Nähe des Brauhauses bzw. bei Schmiede, Mühle und der Amtsstube des Hofrichters.37 Falls die Stiftstischlereien die anfallenden Arbeiten nicht bewältigen konnten – sei es, weil die Zahl der Mitarbeiter nicht ausreichte, sei es, weil die Mitarbeiter handwerk-lich nicht versiert genug waren –, beschäftigten die Konvente externe Betriebe. In der Regel handelte es sich um Werkstätten aus der näheren Umgebung, in seltenen Fällen wurden jedoch auch weit entfernt liegende Betriebe mit Aufträgen bedacht. Beispiel-haft ist hierfür die Situation bei der Ausstattung der Stiftskirche zu Melk : 1701 beauf-tragte Abt Berthold Dietmayr (reg. 1700–1739) den bereits erwähnten Franz Andreas Bogner mit dem Bau der Möbel für die neue Sommersakristei (Abb. 216–218). Der Tischler besaß eine Werkstatt in Wien, sodass die Möbel nach ihrer Fertigstellung umständlich nach Melk transportiert werden mussten. In der Nähe des Stiftes exis-tierte damals noch keine Schreinerei, die imstande gewesen wäre, den Qualitätsan-sprüchen des Abtes zu genügen. Das sollte sich jedoch in den nächsten Jahrzehnten ändern, denn bei der Herstellung von Kirchenbänken und Chorgestühl in den 1730er-Jahren konnte Dietmayr auf die Tischlermeister Ferdinand Kreuzer (1692–1767) und Augustin Keller (1680–1748) aus der Ortschaft Melk zurückgreifen (Abb. 222–227 ; Farbtaf. 15, 16). Die Qualität ihrer Erzeugnisse ist derart hochstehend, dass von ihrer Ausbildung in einer bedeutenden Tischlerei ausgegangen werden muss. Gleichwohl besitzen wir keine Kenntnis davon, woher Kreuzer und Keller ursprünglich stammten.

Anders als Maler oder Stuckateure arbeiteten selbstständige Tischler auf dem Land normalerweise nicht klosterübergreifend. Es muss als Sonderfall gelten, dass ein Tischler Aufträge von verschiedenen Klöstern erhielt, wie Balthasar Melber aus Enns,

Anders als Maler oder Stuckateure arbeiteten selbstständige Tischler auf dem Land normalerweise nicht klosterübergreifend. Es muss als Sonderfall gelten, dass ein Tischler Aufträge von verschiedenen Klöstern erhielt, wie Balthasar Melber aus Enns,