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Klageeinleitung im Hochmittelalter

Im Dokument Writ - Claim form - Klage (Seite 67-70)

C. Rechtsvergleichende Betrachtung zum deutschen Recht

I. Klageeinleitung bis zum 12. Jahrhundert

2. Klageeinleitung im Hochmittelalter

Ab dem 13. Jahrhundert gewann das sächsische Recht stärkeren Einfluß in Deutschland. Diese Entwicklung wurde insbesondere durch den Sachsenspiegel von Eike von Repgow forciert. Im Sachsenspiegel wurde erstmalig in deutscher Sprache das bestehende Recht dargestellt. Im Anschluß an den Sachsenspiegel entstand eine umfangreiche Glossenliteratur.460 Da einige der Verfasser im römischen Recht bewandert waren, machten sich auch zunehmend römisch-recht­

liche Einflüsse bemerkbar.461 a. Ladung

Die Ladung mit Hilfe der bannitio hatte sich bereits zu fränkischer Zeit durchge­

setzt und blieb auch im Hochmittelalter die übliche Ladungsform.

b. Klage

Bei der Klage ergaben sich zum fränkischen Recht einige Änderungen. Zumindest terminologisch wurde eine Trennung von Straf- und Privatrechtsklagen vorge­

nommen. Man unterschied pinlike (=peinliche; strafrechtliche), borgerlike (=bürgerliche) und vormengde (=gemischte) Klagen, wobei bei gemischten Klagen eine bürgerliche Klage strafrechtlich enden konnte, wenn sich bspw. her­

ausstellte, dass das Verhalten des Beklagten unter Strafandrohung stand oder um­

gekehrt.462 Diese Unterscheidung folgte der Unterscheidung des römischen Rechts zwischen actiones civiles und actiones criminales,463 wonach die Klagen nicht nach dem Grund für die Klage, sondern nach dem Ziel der Klage eingeteilt wurden. Auch wenn dem Beklagten bei der bürgerlichen Klage, die in Klagen um Schuld, Gut und Ungericht unterschieden wurden, keine Strafe drohte464, drehte sich der Klagevorwurf weiterhin um die Schuld des Beklagten.

c. Rechtsfolgen fehlerhafter Klagen

Im mittelalterlichen Prozeß wurde der Prozessformalismus zunächst noch ver­

stärkt. Dabei ging man sogar so weit, dass ein bloßer Versprecher oder eine Fehler bei anderen Formhandlungen zum Verlust des gesamten Prozesses führen konn­

te.465 Jedenfalls wurde jeder kleinste Fehler466 mit einem Bußgeld geahndet.467 Folge dieses übertriebenen Formalismus war, dass das Vorsprecherwesen stark zunahm.468

460 Insbesondere der sog. Richtsteig Landrecht, in dem Johann von Buch eine Gesamtdarstellung des Prozesses vor sächsischen Landgerichten verfasste, ist hervorzuheben.

461 Köbler, S. 106 ff.

462 Vgl. v. Schwerin/Thieme, S. 216; Erler/Werkmüller, II, S. 837 ff.

463 Homeyer, S. 49 f.

464 RLdr. 5 § 1: ...dar umme wete dat alle clagen sin drirleie. De erste clage is borgerlik unde het dar umme also, dat de cleger mit dem antwerder vor der sake unde na der sake borgen bliven, unde dat erer nem dem anderen vlüchtich werden ne darf, dat is alse umme sculd unde gut unde umme anevanc. – ...darum wisse, dass es insgesamt drei Klagen gibt. Die erste Klage ist bürger­

lich, und das heißt, dass Kläger und Beklagter vor wie nach der Sache Bürger bleiben und sich keiner dem anderen durch Flucht entziehen darf, also bei Klagen um Schuld, Gut und Anefang.

465 Siegel,Gefahr, S. 6

466 Bspw. Husten, Stammeln, Erbleichen. Fehr, S. 174; Siegel, Gefahr, S. 1

467 Erler/Kaufmann, I, S.1167; v. Schwerin/ Thieme, S. 216; Als Grund für dieses Schikanen wird angeführt, dass es sich bei den Bußgeldern um wichtige Einnahmequellen der Gerichtsherren handelte. Vgl. Fehr, S. 174

468 Schröder/Künßberg, S. 844

Eine allmähliche Abschwächung fand der Formalismus und die damit einherge­

hende Gefahr, den Prozeß aufgrund fehlerhafter Formalia zu verlieren, in den Städten.469 Ausgehend von Ausnahmen, die z. B. flämischen Kaufleuten gewährt wurden,470 und Verfahren vor Gerichten der Gilden und Zünfte, die weniger form­

streng verhandelten,471 wurden die Sanktionen bei fehlerhaftem Vortrag all­

mählich auf symbolische Summen herabgesetzt.472 3. Vergleichende Betrachtung

Zu angelsächsischer Zeit in England und zu fränkischer Zeit in Deutschland folg­

ten die Verfahrensregeln gleichen Grundsätzen. Es gab kein eigentliches Zivil­

verfahren. Privatrechtliche Ansprüche konnten nur im Rahmen strafrechtlicher Prozesse verfolgt werden.

Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass es im frühen Mittelalter keine einheitli­

chen Rechts- und Staatssysteme gab. Die Gesellschaften waren in kleineren Gruppen organisiert und innerhalb dieser Gruppen wurden auch die Streitigkeiten geklärt.473 Die Herrscher behielten sich die Durchsetzung von Strafansprüchen vor, um ihre Herrschaftsposition zu sichern. Es hatte sich aber kein Staatsver­

ständnis, wie es die Römer kannten, entwickelt. Infolgedessen gab es auch keine Fürsorge des Staates, die dazu hätte führen können, dass den Bürgern ein Verfah­

ren zur Schlichtung ihrer privaten Streitigkeiten zur Verfügung gestellt wurde.

Erst im Hochmittelalter wurde im deutschen Rechtsraum eine Trennung von privat- und strafrechtlichen Klagen vorgenommen. Auf die Klageeinleitung hatte dies jedoch keine Auswirkung. Die Ladung des Gegners konnte in beiden Syste­

men als Privatladung durch den Kläger erfolgen. Im fränkischen Recht wurde diese Form der Ladung jedoch relativ frühzeitig durch die bannitio verdrängt. In England hielt sich die Parteiladung hingegen. Die Ladung vor das fränkische Königsgericht entsprach funktional den ersten Writs unter normannischer Herr­

schaft. Beide waren königliche Befehle an den Beklagten, vor Gericht zu er­

scheinen.

Auch die Klage folgte gleichen Grundsätzen. Sie musste einen Schuldvorwurf an den Gegner enthalten, wobei dieser in direkter Rede angesprochen wurde. Dabei hatte der Kläger sich genau vorgeschriebener Worte zu bedienen und seine ge­

rechte Gesinnung in einem Voreid zu beschwören. Auch der extreme Wort­

formalismus fand sich in gleichem Maße in England wie auf dem Kontinent, wo er erst mit Ende des Mittelalters eine Abschwächung erfuhr.

Beide Verfahren hatten dieselben Wurzeln: sie beruhten auf germanischen Rechtsprinzipien.474 Im Hochmittelalter, als ein starker Staat475 entstand und die kleinen, relativ autarken Gesellschaftsgruppen abgelöst wurden, entwickelte sich auch ein staatlich organisierter und kontrollierter Zivilprozess. Dies eröffnete den Untertanen die Möglichkeit, sich bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche staatlicher Hilfe zu bedienen. Im Gegenzug unterlagen sie aber den strengen Regularien, die das Ziel hatten, die Parteien zu disziplinieren und den Prozess in einfachen durch­

zuführenden Bahnen zu halten. Eine entsprechende Entwicklung erfolgte in Eng­

469 Bieresborn, S. 73

470 Siegel, Gefahr, S. 31

471 R. Schmidt, Zivilprozeßrecht S. 66

472 Stutz, ZRG Germ. 38 (1917), S. 367, 369 nennt beispielhaft einen „Schoppen Wein“ als Buße.

473 Vgl. dazu Kollmann, S. 276.

474 Caenegem, Judges, S. 114

475 Vgl. zur Entwicklung des Staatsverständnisses und den Auswirkungen auf den Zivilprozess Kollmann, S. 278

land erst während der normannischen Herrschaft, die das System der kleinen angelsächsischen Volksgruppen ablöste.

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