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5 Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher

5.2 Ambulante Behandlung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher

5.2.1 Ambulante Behandlung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher im Rahmen des

5.2.1.6 Kinder- und jugendpsychiatrische Institutsambulanzen

Die gesetzlichen Grundlagen der kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) bildet § 118 SGB V. Darüber hinaus besteht eine bundesweite PIA-Rahmenvereinbarung sowie eine PIA-Dokumentationsvereinbarung. Demnach ist die Be-handlung auf diejenigen Versicherten auszurichten, die aufgrund der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärztinnen und Ärzten auf

die Behandlung durch diese Häuser angewiesen sind (§ 118 I SGB V). Der Auftrag der PIAs umfasst die Diagnostik und Behandlung komplex erkrankter Patientinnen und Patienten sowie die Vermeidung und/oder Verkürzung stationärer Behandlungen. PIAs waren bisher an Kran-kenhausstandorte gebunden. Nach Änderungen im § 118 können PIAs nach § 118 (4) inzwi-schen auch örtlich getrennt von Krankenhausstandorten betrieben werden, wenn dies für die Sicherstellung ihres Auftrags notwendig ist.

Innerhalb der PIA wird eine fachärztlich geleitete interdisziplinäre Versorgung angeboten, mit ähnlichen oder gleichen Berufsgruppen wie auch in den sozialpsychiatrischen Praxen (Psy-chologinnen und Psychologen, Sozialarbeit, Fachtherapien etc.).

Vereinbarungen zu den Vergütungsregelungen werden auf Landesebene getroffen. Dies führt zu einer sehr heterogenen Landschaft, was die Vergütung und entsprechende Reglungen an-geht, und indirekt auch das mögliche Leistungsspektrum der PIAs.

Während einige Länder nach dem sogenannten Bayerischen Modell mit Einzelleistungen ab-rechnen und dokumentieren, sind in anderen Ländern höchst unterschiedlich gestaltete Pau-schalen für sämtliche Leistungen in einem Quartal üblich. Diese können sich nach beteiligten Berufsgruppen (Ärztinnen und Ärzte vs. Psychologinnen und Psychologen) oder nach der Frequenz der Kontakte im Quartal richten. Insgesamt zeigt sich eine sehr große Spreizung be-züglich der Vergütung, was natürlicherweise Auswirkungen auf die Leistungsangebote, ins-besondere auch auf deren Intensität hat. Nachdem im eigentlichen Wortlaut die PIA-Behandlung auch psychotherapeutische Leistungen enthalten sollte, andererseits aber intensi-ve hochfrequente Kontakte aufgrund der Pauschalen gar nicht möglich sind, zeigt sich auch der Reformbedarf in diesem Bereich.

Nach dem Bayerischen Modell dokumentieren und rechnen derzeit PIAs in folgenden Län-dern ab: Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern.

Anhand der PIA-Auswertung aufgrund der Dokumentationsvereinbarung müsste eine Über-sicht möglich sein, jedoch werden diese von InEK aktuell nicht zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der AG PIA der BAG kjpp konnte im Rahmen einer nicht repräsentativen Umfrage erhoben werden, dass sich die Pauschalen zwischen knapp unter 200 Euro und bis zu 600

Eu-ro / Quartal (bei entsprechender Kontaktzahl) bewegen und im Schnitt über drei Kontakte pEu-ro Patientin oder Patient und Quartal stattfinden.

Aufgrund der hohen Auslastung des stationären Bereichs kommt den PIAs eine wichtige Auf-gabe während der Wartezeit sowie bei der Nachsorge stationärer Patientinnen und Patienten zu. Die Größe der PIAs schwankt stark (auch abhängig davon, ob eine an einer Tagesklinik angesiedelte PIA gesondert gezählt wird), insgesamt sind die Scheinzahlen aber geringer als in den SPZ.

Vorhandene Daten: GMK-Berichte

Aus den GMK-Berichten aus 2003, 2007 und 2012 geht die Anzahl der Institutsambulanzen für Kinder und Jugendliche hervor. Im Jahr 2000 ergab sich eine Anzahl von 63 Institutsam-bulanzen, die sich im Jahr 2005 auf 155 und im Jahr 2012 auf 186 erhöhte.

Bundesland Anzahl/

GMK-Bericht 2003

Anzahl/

GMK-Bericht 2007

Anzahl/

GMK-Bericht 2012

Baden-Württemberg 14 14

Bayern 11 24 27

Berlin 6 5 6

Brandenburg 3 5 7

Bremen 1 3 2

Hamburg 3 4 4

Hessen 14 22 22

Mecklenburg-Vorpommern 2 5 7

Niedersachsen 9 14 14

Nordrhein-Westfalen 29 32

Rheinland-Pfalz 1 6 11

Saarland 2 4 3

Sachsen 11 15

Sachsen-Anhalt 1 9

Schleswig-Holstein 3 3 6

Thüringen 8 5 7

Gesamt: 63 155 186

Bei Betrachtung der insgesamt abgerechneten Fälle zeigt sich ein Anstieg von 104.398 (2007) auf 230.309 (2012). Für das Jahr 2005 ergibt sich die höchste Anzahl abgerechneter Fälle für

die Bundesländer Bayern (25.988) und Niedersachsen (23.241), für das Jahr 2010 für Bayern mit 44.892, wohingegen in Niedersachsen ein geringer Zuwachs zu verzeichnen war (28.734).

Die höchste Anzahl abgerechneter Fälle ergab sich für Nordrhein-Westfalen mit N = 64.698.

Fazit

Die regionale Verteilung von niedergelassenen Leistungsanbietern der vertragsärztlichen Ver-sorgung ist unterschiedlich. Laut dem Bericht der AG Psychiatrie sind zudem bei der Behand-lung von Kindern und Jugendlichen mit komplexem Hilfebedarf im Vergütungssystem für Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung keine Abrechnungsmöglichkeiten für die Teil-nahme an Hilfeplangesprächen und aufsuchenden Tätigkeiten vorgesehen. Die PIAs haben eine wichtige Funktion für die Sicherstellung der ambulanten kinder- und jugendpsychiatri-schen Versorgung, was durch die Zunahme (s. o.) verdeutlicht wird.

Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)

Vorhandene Daten: Online-Strukturdatenerhebung der BAG-SPZ

Sozialpädiatrische Zentren sind nach § 119 SGB V zugelassen zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit nicht von geeigne-ten Ärztinnen und Ärzgeeigne-ten oder in geeignegeeigne-ten Frühförderstellen behandelt werden können. Die Sozialpädiatrischen Zentren sind fester Bestandteil der ambulanten pädiatrischen Versorgung.

Die Inanspruchnahme erfolgt nach Überweisung durch eine Vertragsärztin oder einen Ver-tragsarzt.

Aktuell gibt es 153 SPZ in Deutschland, die sich hinsichtlich ihrer Größe und inhaltlichen Ausrichtung unterscheiden. Auch die Entfernung, die eine Familie bis zum nächstgelegenen SPZ zurücklegen muss, variiert in den verschiedenen Regionen stark.

SPZ verfügen über eine interdisziplinäre Personalausstattung. Laut Empfehlung der Deut-schen Gesellschaft für Sozialpädiatrie (Altöttinger Papier, 2014) gehören zum essentiellen Personalbedarf Sozialpädiatrischer Zentren Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Ju-gendmedizin, Psychologinnen und Psychologen und Mitarbeitende aus mindestens drei der folgenden Berufsgruppen: Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Heilpädagogik und Sozi-alpädagogik/Sozialarbeit. Häufig wird dieses Team durch weitere Berufsgruppen ergänzt.

SPZ werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Versorgung zugelassen. Diese Zu-lassung erfolgt in aller Regel befristet. Die mittlere Befristungsdauer lag 2014 bei vier Jahren, in vielen SPZ jedoch noch deutlich darunter. Kurze Zulassungszeiträume erschweren die Per-sonalausstattung und Investitionen in Gebäude oder Geräte.

Wie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auch erfolgt die Diagnostik im SPZ mehrdimensio-nal in den Bereichen: Entwicklung/Intelligenz, körperliche Befunde, psychische Befunde, Einordnung der Ätiologie, Erfassung der sozialen Begleitumstände und einer Einschätzung zur Teilhabe(-beeinträchtigung). Grundlage dieser Mehrbereichsdiagnostik ist die umfassende und ganzheitliche Sichtweise auf die Patientin oder den Patienten mit ihren oder seinen Ein-schränkungen, aber auch Ressourcen.

2014 wurden (hochgerechnet nach den Ergebnissen der Strukturdatenerhebung der BAG-SPZ) ca. 600.000 Quartalsfälle in den SPZ behandelt. Dies entspricht einer Patientinnen- und Patientenzahl/Jahr von ca. 345.000.

Die regelmäßig von der Bundesarbeitsgemeinschaft der SPZ durchgeführten Online-Strukturdatenerhebungen, zuletzt vom vierten Quartal 2014, zeigten hinsichtlich der Alters-verteilung der behandelten Patientinnen und Patienten in den letzten zehn Jahren ein stabiles Bild:

Quelle: Strukturdatenerhebung der BAG-SPZ

Der größte Teil der vorgestellten Kinder befindet sich im Grundschulalter; etwa 15 % sind Säuglinge und Kleinkinder. SPZ sind daher insbesondere für die Gruppe der Kinder bis Schuleintritt eine wesentliche Säule der abgestuften ambulanten Behandlung.

Kinder und Jugendliche werden im SPZ insbesondere mit Entwicklungsstörungen vorgestellt.

Diagnosen von Entwicklungsstörungen werden nach ICD-10 als umschriebene Entwicklungs-störungen (ICD-10: F80, F81, F82, F83) und als Intelligenzminderung (ICD-10: F7) unter-schieden und betreffen mehr als die Hälfte der im SPZ behandelten Patientinnen und Patien-ten. Als ätiologisch entscheidender Faktor findet sich sehr häufig eine Frühgeburt (ICD-10:

P07). Diese Patientinnen und Patienten befinden sich in der Regel schon sehr früh, oft unmit-telbar nach Entlassung aus der postnatalen pädiatrisch-stationären Behandlung, in sozialpädi-atrischer Betreuung.

Top-25-Diagnosen; Quelle: Strukturdatenerhebung der BAG-SPZ

Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen und Intelligenzminderung sind häufig komorbid erkrankt. Unter den Top-10-Diagnosen finden sich als häufige körperliche Komor-biditäten epileptische Erkrankungen 10: G40) und infantile Zerebralparesen, ICP, (ICD-10: G80). Auch psychische Störungen sind häufig und finden sich unter den Top-10- und Top-25-Diagnosen (ICD-10: F9; F84). Die emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit oder Jugend (ICD-10: F9) stellen sogar einen Anteil von 26 % der Gesamtdiagnosen in SPZ.

Dem trägt die Personalausstattung der SPZ Rechnung. Neben den zahlenmäßig am stärksten vertretenen Ärztinnen und Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin (ca. 1.100 - Hochrechnung nach Strukturdatenerhebung) arbeiten in den SPZ als zweitgrößte Berufsgruppe etwa 550 Psychologinnen und Psychologen (mit Abschluss Diplom oder Master), von denen durch-schnittlich jede oder jeder zweite über eine psychotherapeutische Ausbildung mit Approbati-on verfügt. Die für die Behandlung der Patientinnen und Patienten notwendige Vernetzung mit Kindergärten, Schulen, Jugendämtern, Fachdiensten u. a. wird durch ca. 130 Sozialpäda-goginnen und Sozialpädagogen/Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter unterstützt. Sozialpä-dagogische Leistungen gehören bisher nicht zum Leistungskatalog der GKV. Der Gesetzge-ber empfiehlt hier eine Beteiligung der Sozialhilfeträger an der Finanzierung der SPZ-Leistungen. Diese ist jedoch nicht in allen Regionen gegeben und entspricht häufig in ihrer Höhe nicht dem tatsächlichen Bedarf.

Fazit

SPZ leisten in Deutschland einen erheblichen Beitrag zur ambulanten Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher. Sie sind in den meisten Regionen in ausreichender Anzahl vorhanden und verfügen über die notwendigen personellen Voraussetzungen für eine mehr-dimensionale fachgerechte und spezialisierte Diagnostik und Behandlung insbesondere psy-chisch erkrankter Kinder und Jugendlicher mit komorbiden Entwicklungsstörungen, Intelli-genzminderungen und körperlichen Erkrankungen. Durch die Überweisung von Vertragsfachärztinnen und -ärzten wird der Zugang zu SPZ ärztlich gesteuert. SPZ arbeiten vielfältig vernetzt und tragen so dem komplexen Behandlungsbedarf Rechnung. Begrenzun-gen ergeben sich aus häufig zu kurzen Zulassungszeiträumen, die die Planungssicherheit be-einträchtigen, regional sehr unterschiedlicher und oft zu geringer Finanzierung über die GKV-Kassen und die ungenügende Mitfinanzierung durch die örtlichen Sozialhilfeträger.

5.2.2 Ambulante Hilfen für psychisch kranke Kinder und Jugendliche