• Keine Ergebnisse gefunden

Kants Lehre der indirekten Pflichten gegenüber Tieren

Im Dokument Haben Tiere Rechte? (Seite 56-63)

4. Eine Auseinandersetzung mit vier Positionen, die Tieren keine Rechte

4.3 Kants Lehre der indirekten Pflichten gegenüber Tieren

In seiner Ethik möchte Kant das oberste Prinzip der Moralität aufsuchen und festsetzen. Seiner Meinung nach gibt es nichts in der Welt, was ohne Einschränkung für gut gehalten werden könnte, als allein einen guten Willen. Der gute Wille ist

204 Vgl. D. Bischof-Köhler: a.a.O., S. 23.

205 Siehe R. G. Frey: a.a.O., S. 5 und S. 166 f.

206 Siehe P. Carruthers: a.a.O., S. 192.

gemäß Kant unabhängig davon, was er bewirkt, sondern allein aufgrund des Wollens und somit an sich gut, dieser Wille hat also einen absoluten Wert in sich selbst.207

Der Mensch wird von Kant als ein Wesen angesehen, das Vernunft und einen Willen hat.208 Der Begriff der Vernunft bezeichnet für Kant gewöhnlich das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien; und der Begriff des Verstands bezeichnet das Vermögen der Einheit der Erscheinungen mit Hilfe der Regeln. Während der Verstand sich auf sinnliche Erfahrung beziehe, beziehe sich die Vernunft nicht direkt auf sinnliche Erfahrung, sondern auf den Verstand, um dessen mannigfaltigen Erkenntnissen Einheit zu geben.209

Die Begabung des Menschen, Vernunft und einen Willen zu haben, muss einem Zweck dienen. Der eigentliche Zweck dieser Begabung liegt Kant zufolge nicht in der Glückseligkeit, vielmehr muss die wahre Bestimmung der Vernunft das sein, einen nicht etwa in anderer Absicht als Mittel, sondern an sich selbst guten Willen hervorzubringen.210 Ein Wille könne aber nur dann als an sich gut bezeichnet werden, wenn er ohne jegliche Neigung des Menschen bestehe. Eine Maxime habe erst dann einen moralischen Gehalt, wenn man ihr nicht aus Neigung oder Furcht folge, sondern aus Pflicht. Die Absichten, die man bei Handlungen haben mag, und ihre Wirkungen, können nach Kant den Handlungen keinen unbedingten und moralischen Wert erteilen.211

Pflicht bedeutet ,,die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz“.212 Während Maxime für Kant das subjektive Prinzip des Wollens ist, ist das Gesetz das objektive Prinzip, d.i. dasjenige, was allen vernünftigen Wesen auch subjektiv zum praktischen Prinzip dienen würde, wenn Vernunft volle Gewalt über das Begehrungsvermögen hätte.213 Eine Handlung habe einen moralischen Wert dann, wenn das subjektive Prinzip des Wollens dem objektiven Prinzip entspreche. Das subjektive Prinzip des Wollens, die Maxime, könne nur in der Vorstellung des objektiven Prinzips, des Gesetzes, als an sich gut gelten.214 Dieses Sittengesetz lautet: ,,Ich soll niemals anders verfahren, als so, dass ich auch wollen könne, meine

207 Siehe I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1994, S. 26-30.

208 Ebenda, S. 30.

209 Siehe I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, Hamburg 1998, S. 224 und S. 412.

210 Siehe I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1994, S. 30-32.

211 Ebenda, S. 34-36; und T. Honsak: Ansatz zur Ethik der Achtsamkeit, Frankfurt am Main 2000, S. 46.

212 Siehe I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1994, S. 38.

213 Ebenda, S. 39, Fußnote.

214 Ebenda, S. 39; und T. Honsak: a.a.O., S. 46.

Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden.“215 Erst wenn der Wille von der Vorstellung dieses Gesetzes bestimmt werde, könne dieser schlechterdings und ohne Einschränkung gut heißen.216

Kant zufolge haben nur vernünftige Wesen das Vermögen, nach der Vorstellung der Gesetze, d.i. nach Prinzipien, zu handeln, oder einen Willen. Dieser Wille werde aber nicht unbedingt von der Vernunft bestimmt, sondern könne von gewissen Triebfedern, zum Beispiel persönlichen Neigungen, beeinflusst werden.

Wenn der Wille, so Kant, nicht an sich völlig der Vernunft gemäß ist, wie es bei Menschen oft der Fall ist, so sind die Handlungen, die objektiv als notwendig erkannt werden, subjektiv nur zufällig. Und die Bestimmung eines solchen Willens objektiven Gesetzen gemäß ist Nötigung. Die Vorstellung eines objektiven Prinzips, sofern es für einen Willen nötigend ist, nennt Kant ein Gebot, und die Formel des Gebots heißt Imperativ.217

Alle Imperative werden Kant zufolge durch ein Sollen ausgedrückt; sie sagen, dass etwas zu tun oder zu unterlassen gut sein würde. Praktisch gut ist aber, so Kant, was vermittelst der Vorstellungen der Vernunft, mithin nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv, d.i. aus Gründen, die für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind, den Willen bestimmt. 218 Kant unterscheidet zwischen hypothetischen und kategorischen Imperativen: Die hypothetischen stellen die praktische Notwendigkeit einer möglichen Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man will, zu gelangen vor. Dagegen würde der kategorische Imperativ der sein, welcher eine Handlung als für sich selbst, ohne Beziehung auf einen andern Zweck, als objektiv-notwendig vorstellte.219 Nach Kant ist nur der Imperativ der Sittlichkeit kategorisch. Dieser brauche keine Absicht, um gültig zu sein. Der kategorische Imperativ werde durch keine Bedingung eingeschränkt und könne als ein Gebot bezeichnet werden.220 Für Kant führt nur das Gesetz den Begriff einer unbedingten und zwar objektiven und mithin allgemein gültigen Notwendigkeit bei sich, und Gebote sind Gesetze, denen gehorcht, d.i. auch wider Neigung Folge geleistet werden muss.221

215 Siehe I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1994, S. 40.

216 Ebenda, S. 40.

217 Ebenda, S. 56 f.

218 Ebenda, S. 57.

219 Ebenda, S. 58.

220 Ebenda, S. 61 f.

221 Ebenda, S. 61.

Was enthält ein kategorischer Imperativ? Kant schreibt: ,,Denn da der Imperativ außer dem Gesetze nur die Notwendigkeit der Maxime enthält, diesem Gesetze gemäß zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt war, so bleibt nichts als die Allgemeinheit eines Gesetzes überhaupt übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß sein soll, und welche Gemäßheit allein den Imperativ als notwendig vorstellt.“222 Der kategorische Imperativ sei also nur ein einziger und zwar dieser: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.223

Dieser Imperativ enthält Kant zufolge das Prinzip aller Pflicht.224 Nun versucht er zu beweisen, dass der kategorische Imperativ wirklich stattfinde. Seiner Meinung nach soll Pflicht praktisch-unbedingte Notwendigkeit der Handlung sein; sie muss also für alle vernünftigen Wesen gelten und allein darum auch für allen menschlichen Willen ein Gesetz sein.225 Es stelle sich aber die Frage: Ist es ein notwendiges Gesetz für alle vernünftigen Wesen, ihre Handlungen jederzeit nach solchen Maximen zu beurteilen, von denen sie selbst wollen können, dass sie zu allgemeinen Gesetzen dienen sollen?226 Wenn es ein solches ist, so muss es nach Kant schon mit dem Begriff des Willens eines vernünftigen Wesens verbunden sein.227 Er versteht unter dem Begriff des Willens ein Vermögen, der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß, sich selbst zum Handeln zu bestimmen. Und ein solches Vermögen könne nur in vernünftigen Wesen anzutreffen sein.228 Nun nennt Kant das, was dem Willen zum objektiven Grund seiner Selbstbestimmung dient, den Zweck, und dieser, wenn er durch bloße Vernunft gegeben wird, muss für alle vernünftigen Wesen gleich gelten. Was dagegen bloß den Grund der Möglichkeit der Handlung enthält, deren Wirkung Zweck ist, nennt er das Mittel.229

Wenn es, so Kant, etwas gäbe, dessen Dasein an sich selbst einen absoluten Wert hat, was als Zweck an sich selbst ein Grund bestimmter Gesetze sein könnte, so würde in ihm und nur in ihm allein der Grund eines möglichen kategorischen Imperativs liegen.230 Für Kant existiert nun aber der Mensch und überhaupt jedes

222 Ebenda, S. 67 f.

223 Ebenda, S. 68.

224 Ebenda, S. 73.

225 Ebenda, S. 74.

226 Ebenda, S. 75 f.

227 Ebenda, S. 76.

228 Ebenda, S. 77.

229 Ebenda, S. 77.

230 Ebenda, S. 77.

vernünftige Wesen als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauch für diesen oder jenen Willen, sondern muss in allen seinen sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden. Dagegen haben die vernunftlosen Wesen nur einen relativen Wert und existieren als Mittel. Diese nennt Kant Sachen, während er vernünftige Wesen Personen nennt, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d.i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet.231

Ein kategorischer Imperativ kann nach Kant nur auf etwas gerichtet sein, das selbst absoluten Wert hat, dessen Dasein Zweck an sich selbst ist. Für Kant existiert die vernünftige Natur als Zweck an sich selbst und der Mensch als vernünftiges Wesen ist an sich wertvoll.232 Der praktische Imperativ wird also folgender sein: ,,Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“233

Der Wille jedes vernünftigen Wesens ist gemäß Kant ein allgemein gesetzgebender Wille. Alle Maximen würden verworfen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen könnten. Für Kant wird der Wille also nicht nur dem Gesetz unterworfen, sondern so unterworfen, dass er auch als selbstgesetzgebend und eben um deswillen allererst dem Gesetz unterworfen angesehen werden muss.234 Die Idee der Selbstgesetzgebung des Willens, der Autonomie des Willens, lässt die Existenz eines kategorischen Imperativs denkmöglich erscheinen.235 Vernünftige Wesen stehen alle, so Kant, unter dem Gesetz, dass jedes derselben sich selbst und alle anderen niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle.236 Durch die eigene Gesetzgebung aller vernünftigen Wesen als Glieder ist nach Kant ein Reich der Zwecke möglich, die sowohl die vernünftigen Wesen als Zwecke an sich, als auch die eigenen Zwecke, die ein jedes sich selbst setzen mag, umfassen.237 Er versteht unter einem Reich ,,die systematische Verbindung verschiedener vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche Gesetze.“238

231 Ebenda, S. 78.

232 Ebenda, S. 77-79; und T. Honsak: a.a.O., S. 53.

233 Siehe I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1994, S. 79.

234 Ebenda, S. 82.

235 Ebenda, S. 82-85; und T. Honsak: a.a.O., S. 54.

236 Siehe I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1994, S. 85.

237 Ebenda, S. 85 und S. 92.

238 Ebenda, S. 85.

Im Reich der Zwecke hat alles Kant zufolge entweder einen Preis, oder eine Würde. Während der Preis nur ein relativer Wert sei, sei die Würde ein innerer Wert.

Nun ist Moralität für Kant die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges Wesen Zweck an sich selbst sein kann, weil nur durch sie es möglich ist, ein gesetzgebendes Glied im Reich der Zwecke zu sein.239 Also ist ,,Sittlichkeit und die Menschheit, sofern sie derselben fähig ist, dasjenige, was allein Würde hat.“240 Weil die Gesetzgebung selbst, so Kant, jeden Wert bestimmt, muss sie über allen relativen Wert erhaben sein und eine Würde haben. Autonomie ist also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur.241

Moralität besteht nach Kant in der Beziehung aller Handlung auf die Gesetzgebung, dadurch allein ein Reich der Zwecke möglich ist. Für ihn muss diese Gesetzgebung in jedem vernünftigen Wesen selbst angetroffen werden und aus seinem Willen entspringen können, dessen Prinzip also ist: ,,Keine Handlung nach einer anderen Maxime zu tun, als so, dass es auch mit ihr bestehen könne, dass sie ein allgemeines Gesetz sei, und also nur so, dass der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne.“242 Wenn nun, so Kant, die Maximen mit diesem objektiven Prinzip der vernünftigen Wesen, als allgemein gesetzgebend, nicht durch ihre Natur schon notwendig einstimmig sind, so heißt die Notwendigkeit der Handlung nach jenem Prinzip praktische Nötigung, d.i. Pflicht.

Seiner Meinung nach kommt Pflicht jedem Glied im Reich der Zwecke und zwar allen in gleichem Maße zu.243

Kant zufolge gibt es drei Arten von Pflichten: die Pflicht gegen den Menschen (sich selbst oder einen anderen), die Pflicht in Ansehung der außermenschlichen Naturwesen wie Mineralien, Pflanzen oder Tiere und die Pflicht in Ansehung der übermenschlichen geistigen Wesen wie Engel oder Gott.244 Der Mensch hat nach Kant sonst keine Pflicht als bloß gegen den Menschen, denn ,,seine Pflicht gegen irgend ein Subjekt ist die moralische Nötigung durch dieses seinen Willen. Das nötigende (verpflichtende) Subjekt muss also erstlich eine Person sein, zweitens muss

239 Ebenda, S. 87 f.

240 Ebenda, S. 88.

241 Ebenda, S. 89.

242 Ebenda, S. 86.

243 Ebenda, S. 86 f.

244 Siehe I. Kant: Die Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1990, Tugendlehre, I. Ethische Elementarlehre, § 16, S. 329.

diese Person als Gegenstand der Erfahrung gegeben sein.“245 Und weiter noch: ,,Nun kennen wir aber mit aller unserer Erfahrung kein anderes Wesen, was der Verpflichtung (der aktiven oder passiven) fähig wäre, als bloß den Menschen. Also kann der Mensch sonst keine Pflicht gegen irgend ein Wesen haben als bloß gegen den Menschen.“246 Unter dem Begriff der Person versteht Kant ,,dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. Die moralische Persönlichkeit ist also nichts anderes als die Freiheit eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen (die psychologische aber bloß das Vermögen, sich der Identität seiner selbst in den verschiedenen Zuständen seines Daseins bewusst zu werden); woraus dann folgt, dass eine Person keinen anderen Gesetzen als denen, die sie (entweder allein oder wenigstens zugleich mit anderen) sich selbst gibt, unterworfen ist.“247

Weil Tiere nach Kant keine Personen sind, haben die Menschen ihnen gegenüber keine unmittelbaren Pflichten, sondern die Pflichten gegenüber den Tieren sind indirekte Pflichten gegenüber den Menschen selbst. Er schreibt: ,,In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die gewaltsame und zugleich grausame Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität im Verhältnisse zu anderen Menschen sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird.“248 Und weiter: ,,Selbst Dankbarkeit für lang geleistete Dienste eines alten Pferdes oder Hundes (gleich als ob sie Hausgenossen wären) gehört indirekt zur Pflicht des Menschen, nämlich in Ansehung dieser Tiere, direkt aber betrachtet ist sie immer nur Pflicht des Menschen gegen sich selbst.“249

Also lehnt Kant Grausamkeit gegenüber Tieren zwar ab, jedoch nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie zur Verrohung im Umgang der Menschen untereinander beitragen könnte. Tiere seien vernunftlose Wesen und hätten ,,weder Recht noch Pflicht“.250 In der ganzen Schöpfung, so Kant, kann alles, was man will,

245 Ebenda, S. 328.

246 Ebenda, S. 328 f.

247 Ebenda, Rechtslehre, Einleitung in die Metaphysik der Sitten, IV, S. 58.

248 Ebenda, Tugendlehre, I. Ethische Elementarlehre, § 17, S. 329 f.

249 Ebenda, S.330.

250 Ebenda, Rechtslehre, Einleitung der Metaphysik der Sitten überhaupt, III, S. 80.

und worüber man etwas vermag, auch bloß als Mittel gebraucht werden.251 Er sieht darin gar kein Problem, dass man z.B. Haustiere benutzt oder töten lässt.252

4.4 Eine kritische Auseinandersetzung mit der Lehre der indirekten Pflichten von

Im Dokument Haben Tiere Rechte? (Seite 56-63)