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Der Begriff des Tiers

Im Dokument Haben Tiere Rechte? (Seite 5-8)

2. Betrachtung der Begriffe des Tiers und der Tierrechte

2.1 Der Begriff des Tiers

Tiere sind wie Pflanzen Lebewesen. Der Unterschied des Lebenden gegenüber dem Unbelebten ist nicht leicht anzugeben, da fast alle kennzeichnenden Eigenschaften des Lebenden sich auch bei unbelebter Materie finden. Und es gibt Wesen, die zwischen beiden Reichen vermitteln, z.B. Viren. Das Lebende ist also nicht so sehr durch irgendein bestimmtes Merkmal charakterisierbar als durch das Zusammentreten mehrerer Merkmale. Die wichtigsten davon sind Folgende:

Hinsichtlich ihrer Gestalt sind alle Lebewesen aus Zellen aufgebaut oder stellen eine einzelne Zelle dar. An ihrem Körper findet ein dauernder Stoffwechsel statt. Dabei werden vom Körper z.B. Nährstoffe aus der Umwelt aufgenommen und Ballast- oder Giftstoffe nach außen abgegeben. Lebewesen haben die Fähigkeit, Änderungen in der Umwelt oder innerhalb des eigenen Körpers wahrzunehmen und darauf mit Reaktionen zu antworten. Ferner ändern Lebewesen in verschiedenen Stadien ihre Form. Bei Tieren sind es beispielsweise die Stadien des Eis, des Embryos, der Larve oder des Jungtiers, des ausgewachsenen und dann des alternden Tiers. Weil alle Lebewesen irgendwann sterben müssen, können sie ihr Erbgut nur erhalten, wenn sie durch Fortpflanzung eine nächste Generation erzeugen und an sie ihr Erbgut weitergeben. In jeder Generation wiederholt sich der Formwechsel in gleicher Weise. Die Struktur der Erbsubstanz bleibt keineswegs konstant. Von Zeit zu

Zeit treten Mutationen, d.h. spontane Erbänderungen auf. Dadurch können sich die Merkmale der Lebewesen verändern.2

Die meisten Lebewesen können in das Tierreich oder das Pflanzenreich eingeordnet werden. Eine scharfe Abgrenzung des Tiers gegenüber der Pflanze ist jedoch nicht möglich, weil es unter den Einzellern Gruppen gibt, bei denen manche Arten einen mehr tierischen, andere einen mehr pflanzlichen Charakter haben.

Trotzdem lassen sich Tiere von den vielzelligen Pflanzen durch folgende drei Merkmale unterscheiden:3

Zuerst können die grünen Pflanzen durch Photosynthese aus anorganischen Stoffen, z.B. Kohlensäure und Wasser, organische Substanz aufbauen. Tiere sind dagegen nicht in der Lage, aus anorganischen Verbindungen organische zusammenzusetzen. Zur Aufrechterhaltung ihrer Lebenstätigkeit müssen sie organische Stoffe, die von den Pflanzen aufgebaut sind oder von anderen Tieren stammen, als Nahrung zu sich nehmen. Zweitens haben Tiere und vielzellige Pflanzen verschiedene Gewebsstruktur und Verhaltensweise. Die Pflanzen können festgewachsen sein, weil sie ihre Nährstoffe in der Luft und im Boden vielerorts bekommen können. Sie haben meistens eine sehr oberflächenreiche Struktur entwickelt, durch reiche Verzweigung und Ausbildung flacher Blätter, um viel Kohlensäure und Sonnenenergie aufzunehmen. Die Gewebe der festgewachsenen verzweigten Pflanzen sind abgestützt durch festere Zellwände. Diese Pflanzen besitzen ein lebenslanges Wachstum, bei ihnen können immer wieder neue Sprosse, Blätter und Blüten entstehen. Im Gegensatz zu den grünen Pflanzen müssen Tiere ihre Nahrung aufsuchen und deshalb normalerweise beweglich sein. Bei den Tieren liegen die Orte des Stoffaustausches zum großen Teil in inneren Hohlräumen, Tiere haben daher eine relativ kleine Oberfläche im Verhältnis zur Masse. Tierische Zellen haben statt einer Zellwand nur eine dünne Zellmembran. Außerdem findet man bei den frei beweglichen Tieren gewöhnlich einen Wachstumsabschluss, das heißt, das Wachstum der Tiere ist nach Ende einer Wachstumsphase stark eingeschränkt oder ganz abgeschlossen. Drittens gibt es bei den vielzelligen Tieren ein Nervensystem, das den Pflanzen vollkommen fehlt. Schon von der Stufe der Würmer an haben sich nervöse Zentren und Gehirne herausgebildet, durch die alle Bewegungen der Organe

2 Vgl. H.-A. Freye, L. Kämpfe und G.-A. Biewald: Zoologie, 9. Auflage, Jena 1991, S. 14-16; und B.

Rensch: Biophilosophie auf erkenntnistheoretischer Grundlage, Stuttgart 1968, S. 29-55.

3 Vgl. H.-A. Freye, L. Kämpfe und G.-A. Biewald: Zoologie, 9. Auflage, Jena 1991, S. 16-18; und B.

Rensch: Biophilosophie auf erkenntnistheoretischer Grundlage, Stuttgart 1968, S. 48 f. und S. 55-58.

und des ganzen Körpers gesteuert werden. Das Nervensystem verknüpft sich mit den Erregungen und den Sinneswahrnehmungen der Tiere und ermöglicht ihnen eine rasche und zum Teil komplizierte Reaktion auf die Umwelt.

Biologisch gesehen, gehört der Mensch zu den Säugetieren, die durch den Besitz von Haaren, das Säugen ihrer Jungen und einige andere Merkmale gekennzeichnet sind.4 Unter den Säugetieren gehört er zur Gruppe der Primaten, die alle Affen und Menschenaffen einschließen. Der genetische und physiologische Unterschied zwischen Menschen und Menschenaffen wie Schimpansen, Gorillas oder Orang-Utans ist äußerst gering.5 Trotz dieser Ähnlichkeit wird der Begriff des Menschen in der Diskussion über Tierethik meistens von dem des Tiers abgegrenzt, denn die Tierethik fragt nach dem ethisch richtigen Umgang des Menschen mit den Tieren. Durch verschiedene Praktiken des Menschen können Tiere gequält, geschädigt oder getötet werden, z.B. durch Massentierhaltung der industrialisierten Landwirtschaft, durch wissenschaftliche Tierexperimente oder durch die Jagd. Im Bereich der Tierethik debattiert man über die Begründungen für oder gegen die Verletzung und Tötung von Tieren.

Der Begriff „Tier“ umfasst Wesen, die physisch und psychisch betrachtet voneinander sehr abweichend sein können, wie Amöben und Schimpansen. Aus der Diskussion über Tierethik lassen sich drei Gruppen von Tieren hinsichtlich ihrer Fähigkeiten ableiten: Die erste Gruppe bezieht sich auf primitive Organismen, die wahrscheinlich keine Empfindung von Schmerz haben. Der zweiten Gruppe kann man die Fähigkeit zuschreiben, Schmerz, Leiden oder Freude zu empfinden. Die dritte Gruppe der Tiere kann nicht nur Lust oder Unlust fühlen, sondern besitzt auch einen höheren mentalen Zustand, z.B. Selbstbewusstsein, Wünsche, Gedächtnis sowie einen Zukunftssinn.

Für den Gebrauch des Begriffs „Tier“ in der tierethischen Debatte lässt sich eine Vermischung von den oben erwähnten drei Gruppen der Tiere nicht immer vermeiden, weil manche Autoren nicht genau angegeben haben, was sie unter dem Begriff „Tier“ verstehen. Darüber hinaus ist man oft nicht sicher, ob ein Tier z.B.

bloß leidensfähig oder seiner selbst bewusst ist. Abgesehen von diesen Problemen

4 Vgl. Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.): Schülerduden – Die Biologie, 3. Auflage, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1994, S. 405 f.

5 Vgl. H. L. W. Miles: „Die Sprache und der Orang-Utan: Die alte >>Person<< des Waldes“, in: P.

Cavalieri und P. Singer (Hrsg.): Menschenrechte für die Großen Menschenaffen, Deutsch von H. J. B.

Koskull, München 1994, S. 74; und B. Rensch: a.a.O., S. 58.

neigen die meisten zeitgenössischen Tierethiker dazu, moralische Rücksicht auf die Tiere zu nehmen, die Schmerz oder Leiden empfinden können. Einen höheren Intellekt zu haben, spielt nach der Auffassung mancher Philosophen wie beispielsweise Peter Singer und Tom Regan eine besondere Rolle. Singer vertritt die Ansicht, das Leben eines intellektuell höher entwickelten Wesens sei wertvoller als das Leben eines intellektuell weniger entwickelten Wesens.6 Und wenn Regan über die Rechte der Tiere redet, dann meint er vor allem Tiere, die über einen höheren mentalen Zustand verfügen. Als Beispiel nennt er normale Säugetiere, die ein Jahr alt oder älter sind.7

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