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Interpretation der Ergebnisse als Grundlage für eine Operationalisierung

6 Ermittlung von typbezogenen hydromorphologischen Effizienzkriterien

6.3 Auswertung der Projektdatenbank

6.3.5 Interpretation der Ergebnisse als Grundlage für eine Operationalisierung

Die Berechnungen liefern eindeutige Indizien dafür, dass von naturnahen Gewässerabschnitten (Kernlebensräumen) positive Fernwirkungen auf nahegelegene, stärker beeinträchtigte Ab-schnitte (Aufwertungslebensräume) ausgehen können. Nachfolgende Abbildungen zeigen im Überblick die konkreten Ergebnisse, die sich aus den Berechnungen für Mittelgebirgsbäche und -flüsse (Abbildung 6.3) sowie für Tieflandflüsse (Abbildung 6.4) für die Anwendung ableiten lassen. Während für Tieflandbäche ebenfalls ähnliche Effekte ermittelt wurden, konnten für diese Gewässertypgruppe keine konkreten Kenngrößen hergeleitet werden.

Im Mittelgebirge kann als Mindestlänge für einen Kernlebensraum eine Ausdehnung von etwa 500 bis 1.000 m hergeleitet werden. Entsprechend der in der Regel höheren Windungsgrade im Tiefland, die zur Ausbildung von gewässertypkonformen Habitatstrukturen eine größere Lauflänge bedingen, zeigen Kernlebensräume in Tieflandflüssen eine höhere Mindestlänge. Zur Erreichung des guten ökologischen Zustandes sind für diese Gewässertypgruppe mindestens 1.000 m anzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass auch in größeren Mittelgebirgsflüssen mit entsprechendem Windungsgrad vergleichbare Lauflängen zur Erreichung des guten ökologi-schen Zustandes erforderlich sind.

Der gute ökologische Zustand kann nur erzielt werden, wenn Kernlebensräume neben einer entsprechenden Ausdehnung auch eine hydromorphologische Mindestqualität erreichen. Für Gewässer des Mittelgebirges wurde diesbezüglich die Gewässerstrukturklasse 3 für ausgewählte Parameter ermittelt. Dies entspricht einer maximal mäßigen Abweichung vom Leitbild des je-weiligen Fließgewässertyps. Das berechnete Ergebnis zeigt für die Tieflandgewässer die Klasse 4 als Mindestqualität. Vor dem Hintergrund der insgesamt deutlich stärker anthropogen über-prägten Tieflandgewässer ist dieses Ergebnis jedoch zu relativieren. Denn die stärkere Belas-tungssituation spiegelt sich auch in den biozönotischen Bewertungsverfahren wider, die im Tiefland „weniger streng“ sind als im Mittelgebirge. Dies ist nicht zuletzt bedingt durch fehlen-de ofehlen-der nur vereinzelt vorkommenfehlen-de Referenzbedingungen im Tiefland. Ferner basiert fehlen-der berechnete Wert nur auf der Bewertung des Makrozoobenthos. Vor diesem Hintergrund muss insgesamt davon ausgegangen werden, dass auch in Tieflandgewässern zum Erzielen des guten ökologischen Zustandes sowie zum Erreichen einer Fernwirkung hydromorphologische Ver-hältnisse erforderlich sind, die maximal mäßige Abweichungen vom Leitbild aufweisen. Ent-sprechend sollte auch für Tieflandgewässer als Mindestqualität für einen Kernlebensraum die Gewässerstrukturklasse 3 angesetzt werden.

Der lokale ökologische Zustand ist neben der Gewässerstruktur im individuellen Gewässerab-schnitt abhängig von den Verhältnissen im gesamten angrenzenden Gewässersystem. So zeig-ten frühere Studien, dass eine mittlere Gewässerstrukturgüte auf Einzugsgebietsebene von 3 bis 5 Voraussetzung ist für das Erreichen des guten ökologischen Zustands (Richter 2006, Koenzen et al. 2008, Rolauffs et al. 2010, Arle & Wagner 2011, LANUV NRW 2011). Demzufolge ist die Berücksichtigung der im aktuellen Projekt abgeleiteten Schwellenwerte für Einzelabschnitte und die der hydromorphologischen Mindestqualität auf großer räumlicher Skala entscheidend für den Renaturierungserfolg.

Abbildung 6.3: Zusammenfassende Darstellung der aus den BRTs abgeleiteten Schwellenwerte für die Abschnitts-länge von Kernlebensräumen und die Distanz für eine positive Fernwirkung in den Gewässertypgrup-pen Mittelgebirgsbach und Mittelgebirgsfluss.

1 nur auf Ergebnissen zum Makrozoobenthos beruhend, da aus Fischdaten für einbezogene unabhängige Variablen kein BRT-Modell ableitbar war

Abbildung 6.4: Zusammenfassende Darstellung der aus den BRTs abgeleiteten Schwellenwerte für die Abschnitts-länge von Kernlebensräumen und die Distanz für eine positive Fernwirkung in der Gewässertypgrup-pe Tieflandfluss.

Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen überwiegend größere Reichweiten für eine Fernwir-kung flussabwärts im Vergleich zu flussaufwärts. Dies deutet darauf hin, dass ein positiver Ef-fekt in Fließrichtung über eine weitere Distanz wirksam ist als flussaufwärts. Aufgrund der leichteren Wanderung mit der Strömung, der Möglichkeit des passiven Eindriftens von Orga-nismen aus einem Kernlebensraum in einen Aufwertungslebensraum sowie der Verschleppung von positiven abiotischen Effekten mit der fließenden Welle ist dies plausibel. Im Mittelgebirgs-fluss war der Vergleich zwischen der Distanz der Fernwirkung stromauf und stromab nicht möglich, da eine Quantifizierung nur für die flussabwärts gerichtete Fernwirkung möglich war.

Die Reichweiten der Fernwirkung liegen nach den vorliegenden Ergebnissen im Mittelgebirge bei unter 500 m (sofern ermittelbar), in Tieflandflüssen flussabwärts unter 1.000 m sowie fluss-aufwärts unter 500 m. In der vorliegenden Analyse wurden nur Gewässerabschnitte mit ver-gleichsweise schlechter hydromorphologischer Qualität als Aufwertungslebensräume betrachtet (GSG > 5). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Reichweite der Fernwirkung maßgeb-lich von der Qualität des Aufwertungslebensraumes abhängig ist. Entsprechend würden die Reichweiten bei entsprechend höherer Qualität der Aufwertungslebensräume (GSG 4 und 5) mit hoher Wahrscheinlich deutlich größer ausfallen. Dies konnte im Rahmen des vorliegenden Projektes jedoch nicht überprüft werden.

Die Analysen haben darüber hinaus ergeben, dass der gute ökologische Zustand bei entspre-chender Fernwirkung auch in stark beeinträchtigten Gewässerabschnitten (GSG = 6) erreicht werden kann. Dies funktioniert jedoch nur in vergleichsweise wenigen Fällen sowie sehr wahr-scheinlich nur bei geringen Distanzen zu benachbarten Kernlebensräumen, wie die geringen Distanzen der Fernwirkung aufzeigen. Als Mindestvoraussetzung für einen Aufwertungslebens-raum wird daher die Gewässerstrukturklasse 5 angesetzt, sodass bei entsprechender Ausprä-gung und vorhandener Fernwirkung der gute ökologische Zustand mit hoher Wahrscheinlich-keit erreicht werden kann.

Nicht explizit untersucht wurde der mögliche Einfluss stofflicher Belastungen. Die Ergebnisse beruhen jedoch ausschließlich auf der Analyse von Gewässerteilsystemen mit Teilabschnitten im guten ökologischen Zustand. Unter dieser Voraussetzung kann ein deutlicher Einfluss

stoff-Weiterer Forschungsbedarf besteht insbesondere hinsichtlich einer weiteren Differenzierung von möglichen Fernwirkungen in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen (z. B. Länge von Kernlebensräumen, Qualität der Aufwertungslebensräume) und zwischen den biologischen Qualitätskomponenten, bezüglich der Quantifizierung möglicher Fernwirkungen entgegen der Fließrichtung sowie speziell in Bezug auf Tieflandgewässer, v.a. Bäche. Begleitende Untersu-chungen von umgesetzten Maßnahmen im Sinne eines Maßnahmen-Verbund-Monitorings könnten wesentlich zur weiteren Klärung dieser und anderer Aspekte beitragen.

7 Einflussfaktoren auf die biozönotische Reaktion