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Interkommunale Kooperation

gesicherte Finanzierung, organisatorische Verankerung

4.2 Interkommunale Kooperation

4.2.1 Zusammenarbeit zwischen kommunen im landkreis

neben der Zusammenarbeit zwischen kreisangehöriger kommune und übergeordneter landkreisverwaltung waren wir auch daran interessiert zu erfahren, ob kreisangehörige kommunen untereinander kooperierten. im Folgenden werden daher horizontale kooperationsmomente innerhalb eines landkreises analysiert, indem auf die aspekte aus-tausch und weiterführende kooperation eingegangen wird.

Von den insgesamt 45 kreisangehörigen kommunen im Sample äußerten sich 32 über horizontale kooperations-strukturen und -momente innerhalb des landkreises. Von den 32 kommunen bejahten 28 einen austausch zwischen den kreisangehörigen kommunen; vier gemeinden hingegen konstatierten, dass kein austausch zwischen den gemeinden innerhalb des landkreises stattgefunden hat.

Mit Blick auf zunächst die vier gemeinden, die angaben, dass kein austausch mit anderen gemeinden im kreis statt-gefunden hat, ist allerdings festzuhalten, dass im Fall von zwei gemeinden jeweils eine andere gemeinde im selben kreis gezielt von einem austausch zwischen den gemeinden innerhalb des kreises sprach. der fehlende austausch muss daher auf die individuelle Passivität der gemeinde zurück-geführt werden und deutet nicht auf fehlende Foren oder Strukturen im landkreis hin. die Zurückhaltung bezüglich des austausches wurde beispielsweise mit den Bedarfen vor ort begründet:

„Dadurch, dass wir, wie gesagt, nur die sieben Personen haben, und das hier auch ohne Probleme funktioniert, ist da auch ein Austausch jetzt auch nicht notwendig. […] dass auch nicht Probleme auf-ploppen, wo man sich einmal austauschen müsste.“

(kreisangehörige kommune, #92)

Bei den gemeinden, die angaben, keinen austausch jeglicher art mit anderen kreisangehörigen gemeinden im land-kreis zu pflegen, handelte es sich um gemeinden mit unter 20.000 einwohnern. Hinsichtlich der sozioökonomischen lage wurden drei als „weniger gut“, eine jedoch als „gut“.

Zwei gemeinden wurden als „sehr ländlich“ und zwei als

„eher ländlich“ eingeordnet. eine Tendenz hinsichtlich der politischen orientierung war nicht zu erkennen.

diejenigen gemeinden, die auf einen landkreis-internen austausch der kreisangehörigen gemeinden verwiesen (n=28), betonen häufig das Ziel des erfahrungsaustausches sowie die Möglichkeit, voneinander zu lernen. Sie berich- teten von verschiedenen austauschformaten: institutionali- sierte Formate existieren auf der strategischen ebene der Bürgermeister und Sachgebietsleitungen, sowie der operati-ven ebene, z. B. der Sozialarbeiter, der lokalen integra- tionsbeauftragten oder Helferkreise. Zu unterscheiden sind hierbei Formate, die von der landkreisverwaltung initiiert und durchgeführt wurden und solche, die darüber hinaus von akteuren aus dem landkreis ins leben gerufen wurden, beispielsweise, weil bestehende austauschstrukturen als nicht ausreichend empfunden wurden. Bei austausch- formaten der ersten Form wird die Vermischung zwischen horizontalen und vertikalen Formaten deutlich. die land-kreisverwaltung, die im rahmen der dienstaufsicht einen austausch mit den kreisangehörigen kommunen pflegt, beförderte gleichzeitig den austausch unter den gemeinden.

der Vertreter einer kommunalverwaltung brachte die doppelfunktion auf den Punkt:

„Das ist ja, hat ja zweierlei Hintergründe, diese Sachen stattfinden zu lassen, einmal, dass der Landkreis im Austausch mit uns allen steht und dass wir auch wissen, wir sind damit nicht alleine, das sind die Ansprechpartner an die wir uns wenden können, wenn wir einmal ein Problem haben so auf kommunaler Ebene dann unter- einander.“

(kreisangehörige kommune, #21)

des Weiteren wurde der kreistag als austauschorgan der Bürgermeister genannt sowie die kreisverbände des Städte-und gemeindebundes. eine zentrale rolle spielten aber auch bilaterale, häufig spontane austausche, die durch die informellen kontakte der relevanten akteure erleichtert wurden:

„Wir kennen uns und sind auch befreundet, ja, sage ich mal, mit etlichen Bürgermeistern.

Und wenn man denn zusammentrifft und sich unterhält, dann ist auch das immer ein Thema.“

(kreisangehörige kommune, #89)

Mit Blick auf den nutzen des gegenseitigen austausches verwiesen einige kommunen auf den positiven effekt für die jeweilige kommune, nicht zuletzt aufgrund der „neuen Herausforderung“, vor die viele gemeinden 2015 gestellt wurden. Man habe deshalb „im austausch gelebt“. andere betonten jedoch, dass ein austausch zwar existiere, letzt-endlich jede kommune doch auf sich alleine gestellt sei:

„Gut. Man hat sich dann auch auf Kreisebene mit anderen Kommunen, haben wir uns ja auch mal ausgetauscht, aber letztendlich mussten die Kommunen dann doch gucken irgendwo selbst wie sie zurechtkommen.“

(kreisangehörige kommune, #59)

in jedem Fall scheint der interkommunale austausch zu integrationsrelevanten Themen mittlerweile an vielen orten rückläufig zu sein, d.h. er findet entweder in geringerer intensität statt oder wurde komplett eingestellt.

neben dem austausch verwiesen fünf kreisangehörige kommunen auf weiterführende kooperationen mit anderen Städten oder gemeinden desselben landkreises . in solchen Fällen handelte es entweder um benachbarte gemeinden oder solche, die ebenfalls in höherem Maße mit der Thematik integration befasst waren. So begründet ein Verwaltungs-mitarbeiter einer kreisangehörigen kommune die selektive kooperation beispielsweise folgendermaßen:

„Die anderen Kommunen sind hier bei uns im [Landkreis] weitestgehend außen vor, weil sie gar keine Flüchtlingsunterkünfte oder Flüchtlinge haben in der Gemeinde.“

(kreisangehörige kommune, #8)

Solche kooperationen seien insbesondere dann notwendig, wenn die relevanten Ämter in der jeweils anderen kommune angesiedelt sind oder auch schulische Strukturen geteilt werden. kooperationen können des Weiteren in Form geteilter Stellen in der Flüchtlingssozialarbeit oder integrations- koordination vorliegen, oder aber durch die gemeinsame organisation von Veranstaltungen oder der gemeinsamen zentralen Bewerbung von aktivitäten erwirkt werden (kreis- angehörige kommune, #14). Bei den fünf kreisangehörigen kommunen, die weiterführende kooperationen mit anderen Städten und gemeinden innerhalb des landkreises ein-gingen, handelte es sich vorwiegend um kleine gemeinden unter 10.000 einwohnern, nur eine gemeinde war etwas größer. Bis auf eine kommune wurden alle als „sehr ländlich“

eingestuft. ebenfalls bis auf eine kommune wurde ihre sozioökonomische lage mit „weniger gut“ bewertet. auffällig- keiten bei der politischen Färbung lagen nicht vor.

4.2.2 Zusammenarbeit über Stadt und kreisgrenzen hinweg

neben der kooperation von kreisangehörigen Städten und gemeinden innerhalb eines landkreises bestehen zwischen gebietskörperschaften auch austauschs- und kooperations-formen auf horizontaler ebene, welche die jeweilige land-kreisgrenze überschreiten. die Vertreter der Verwaltungen von insgesamt 30 kommunen, davon 22 kreisfreie Städte, sieben landkreise und eine kreisangehörige kommune, berichteten explizit von kommunaler Zusammenarbeit in Form von austausch- oder weiterführenden kooperations-formaten über landkreisgrenzen hinweg.

ein großteil dieser kommunen (n= 24), davon 16 kreisfreie Städte, sieben landkreise und eine kreisangehörige kommune, verwiesen auf den bestehenden austausch mit anderen gebietskörperschaften zum Thema integration.

Vielfach handelte es sich hierbei um vom land initiierte aus-tauschformate auf landesebene, z. B. der integrationsbe-auftragten oder ehrenamtskoordination, häufig im Zusam-menhang mit der Verantwortlichkeit für das entsprechende Förderprogramm. einige kommunen verwiesen zusätzlich dazu noch auf weitere, vom land unabhängige Vernetzungs-strukturen der kommunen auf landesebene, beispielsweise im rahmen von arbeitskreisen im landesverband des land-kreistages, von landesweiten aktionsbündnissen oder von selbst initiierten Vernetzungsstrukturen. auf Bundesebene, so betonten einige Vertreter der kommunalverwaltung, tausche man sich mit anderen kommunen vorwiegend im rahmen von größeren Veranstaltungen aus, so zum Beispiel auf der Bundeskonferenz der integrationsbeauftragten von Bund, ländern und kommunen. die Teilnahme an Projekten, die von Stiftungen für kommunen im Bereich der integration angeboten wurden, stellte ebenfalls ein Forum für bundes-weiten interkommunalen austausch dar.

neben dem landes- oder bundesweiten austausch stand für einige kommunen insbesondere der austausch mit um- liegenden, geografisch angrenzenden kommunen im Mittel- punkt. dies geschah zum einen durch feste, regelmäßige Treffen mit Vertretern des oder der nachbarkreise, das angebot von informationsveranstaltungen oder

gegebenenfalls auch im rahmen eines regionalen Verbundes.

ebenso wichtig war aber der spontane, bilaterale aus- tausch zwischen Verwaltungsmitarbeitenden in Form von Telefonaten oder emails.

Mit Blick auf eine über den bloßen austausch hinausgehende Zusammenarbeit betonten sieben kreisfreie Städte, dass die Zusammenarbeit von ihrer Seite aus nicht mit dem umlie- genden landkreis stattfinde. Fünf der sieben kreisfreien Städte liegen in ostdeutschen Bundesländern. Bis auf eine kommune wurde die sozioökonomische lage als „weniger gut“ eingestuft. die politische orientierung wies keine auf- fälligkeiten auf. die interviewten Personen begründeten die fehlenden kooperationsformate zum einen mit der feh- lenden zu betreuenden Personenzahl im benachbarten landkreis oder auch der fehlenden Bereitschaft, finanzielle ausgaben außerhalb der eigenen kommune zu tätigen, bei-spielsweise eine Beteiligung an Sprachkursformaten in der benachbarten kommune. Beim geld höre die Freundschaft auf (kreisfreie Stadt, #79). Zum anderen wurde jedoch seitens einiger kreisfreier Städte auch eine fehlende Bereit-schaft der sie umgebenden landkreise wahrgenommen, integrationsarbeit zu leisten. anstelle dessen säße man – nach Meinung der kreisfreien Stadt – dort das Thema aus, bis die Personen wegzögen:

„Während in den ländlichen Gebietskörperschaften das Thema ausgesessen wird und man einfach drauf wartet, bis die Leute irgendwann weggehen.

Und spätestens, wenn dann im nächsten Jahr die Wohnsitzauflagen in größeren Zahlen auslaufen werden, dann wird sich diese Herangehensweise, sage ich mal, der ländlichen Gebietskörperschaften dann auch bewähren. Und die Anzahl der Geflüch-teten, die dann dort noch bleiben, die wird minimal sein. Insofern nutzt mir das auch wenig hier mit den benachbarten Landkreisen mich zu verständi-gen, weil ich weiß, das ist für die eh nur ein tempo- räres, kein dauerhaftes Thema.“

(kreisfreie Stadt, #87)

auch ein Vertreter einer kreisfreien kommune, die mittler- weile angefangen hat, gemeinsame Projekte mit den umliegenden landkreisen zu realisieren, wies auf diese Herausforderung hin. der Vertreter der kommune nahm eine bewusste Zurückhaltung von Seiten der landkreise im Bereich der integrationspolitik wahr, um die geflüchteten zum Wegzug zu bewegen:

„Na ja, das war lange ein gestörtes Verhältnis, weil alle Landkreise, nicht nur die um uns herum, sondern wirklich alle Landkreise die Menschen sehr bewusst nach [kreisfreie Stadt] geschickt haben, weil die keine Lust hatten und das ist immer noch so. Ich war jetzt letzte Woche auf einem Treffen mit den anderen Landkreisvertretern, also mit Akteuren, die dieselbe Position innehaben wie ich und das ist, also ich habe manchmal das Gefühl es ist das System, wie da Integrations- politik nicht gemacht wird, also ganz bewusst auch nicht getan wird, um die Wegzugbereitschaft immer schön hochzuhalten.“

(kreisfreie Stadt, #17)

umgekehrt berichteten jedoch 13 kommunen, davon 12 kreisfreie Städte und ein landkreis, von weiterführender Zusammenarbeit mit landkreisen und kreisfreien Städten in der geografischen nachbarschaft, die über den bloßen austausch hinausgingen. die Zusammenarbeit wurde häufig als bedeutsam empfunden, wie beispielsweise diese inter-viewte Person hervorhob:

„[…] weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass gerade, wenn es um die Integration in Arbeit geht, wir doch landkreisübergreifend da auch agieren müssen. Also das ist auch eine sehr wertvolle Zusammenarbeit.“

(landkreis, #18)

Zusammenarbeit fand beispielsweise bei der gemeinsamen umsetzung von Projekten statt, wie gemeinsame Veranstal-tungen oder Schulungsangebote, oder auch der gemeinsamen nutzung von informationsmaterialien. des Weiteren hoben eine reihe kreisfreier Städte eine indirekte unterstützung der umliegenden landkreise hervor, indem Strukturen im Bereich Beratung und Bildung durch im landkreis unterge-brachte asylsuchende mitgenutzt werden könnten. auch wurden teilweise bereits entwickeltes Support-angebot (wie zum Beispiel ein Sprachmittlersystem) für landkreise zur Mitnutzung geöffnet. eine weitere indirekte unterstützungs- maßnahme stellte für einige interviewte Personen die Wiederaufnahme bzw. unterbringung von anerkannten Flüchtlingen in der Stadt dar.

Zusätzlich zur regionalen kooperation sprach eine kreisfreie Stadt von einer landesweiten interkommunalen kooperations- struktur auf ebene der integrationskoordination. Mit dieser vom land unabhängig organisierten Steuerungs- gruppe versuchte man, integrationspolitik landesweit voranzubringen (s. u.).

4.2.3 exkurs:

gefühlte innovationskraft