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Innovation – Eine begriffliche Einordnung

Triebkräfte wissensbasierter Ökonomien

3.1 Innovation – Eine begriffliche Einordnung

In den Wirtschaftswissenschaften wurde der Innovationsbegriff maßgeblich durch SCHUMPETER geprägt, der diese als »Durchsetzung neuer Kombinationen«

von Produktionsmitteln charakterisierte, die »diskontinuierlich« auftreten (Schumpeter 1934: 100 f.).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 J. Terstriep, Bedeutung von Clustern für die Innovativität von Unternehmen, Forschungs-/Entwicklungs-/Innovations-Management,

https://doi.org/10.1007/978-3-658-27818-2_3

Innovationen im Sinne SCHUMPETERs (1942: 83) sind Ergebnis eines Prozesses der »Creative Destruction« (»schöpferischen Zerstörung«), in dem neue Erfindun-gen und EntdeckunErfindun-gen die auf dem Markt etablierten Produkte, Verfahrensweisen und sogar ganze Wirtschaftszweige verdrängen.

An die Definition SCHUMPETERs wird auch heute noch angeknüpft. So finden sich in der wissenschaftlichen Literatur vielfältige Begriffsdefinitionen, die in Abhän-gigkeit von der jeweiligen Fragestellung und dem Erkenntnisinteresse zum Teil erheblich variieren.7 Trotz aller Unterschiede ist den neueren Begriffsauffassun-gen gemeinsam, dass sie auf Neuartigkeit im Sinne merklicher VeränderunBegriffsauffassun-gen als konstituierendes Merkmal von Innovationen abstellen (Hauschildt & Salomo 2007: 7). Wie nachfolgend dargestellt, umfassen Innovationen in diesem Sinne so-wohl neuartige Produkte und Dienstleistungen8 (Produktinnovationen) als auch die Einführung neuer oder merklich verbesserter innerbetrieblicher Prozesse/Ver-fahrensweisen (Prozessinnovationen).

Abbildung 5. Dimensionen des Innovationsbegriffs

Quelle: Eigene Darstellung

7 Für eine ausführliche Diskussion des Innovationsbegriffs siehe u.a. HAUSCHILDT/SOLOMON (2007: 3 ff.) und GERPOTT (2005: 47 ff.).

8 Unter dem Begriff »Produkte« werden nachfolgend Produkte und Dienstleistungen subsumiert.

Marktneuheit Unternehmensneuheit Weiterentwicklung Innovationsgegenstand

Innovationsgrad

Subjektive Beurteilung aus Sicht des innovierenden Unternehmens

kostensenkend qualitätssteigernd

Produktinnovation Prozessinnovation

Interaktives Innovationsmodell Radikale Innovation Inkrementelle

Innovation

Innovationsprozess Innovationsprozess

INNOVATION

Nach dem Innovationsgrad9als Ausmaß der Neuartigkeit im Vergleich zu einem Referenzobjekt wird zwischen radikalen und inkrementellen Innovationen diffe-renziert. Radikale Innovationen zeichnen sich durch grundlegend neue Entwick-lungen aus, die in der Regel außerhalb bestehender Produkt-/Dienstleistungs-märkte zustande kommen, neue Märkte schaffen und mit hoher Unsicherheit behaftet sind (Brockhoff 2007: 22, Vahs & Burmester 2005: 83 f.). Bei inkrementellen Innovationen handelt es sich demgegenüber um kontinuierliche, eher geringfü-gige Optimierungen und Weiterentwicklungen bestehender Produkte oder Pro-zesse, die vielfach durch eine veränderte Marktnachfrage ausgelöst werden (Brockhoff 2007: 22, Garcia & Calantone 2002: 123).

Eine objektive Beurteilung zur Bestimmung einer Innovation ist jedoch nicht mög-lich, vielmehr unterliegt diese stets der subjektiven Wahrnehmung des Betrach-ters. Die Feststellung der Neuartigkeit bezieht sich folglich auf die Frage »Neu für wen?«. In der makroökonomischen Perspektive richtet sich der Blick in erster Li-nie auf die Wahrnehmung der Kunden sowie das gesellschaftliche und politische Umfeld, während in der Mikroperspektive eine Beurteilung der Neuartigkeit aus Sicht des innovierenden Unternehmens erfolgt (Hauschildt & Salomo 2007: 24 ff., Billing 2003: 29, Garcia & Calantone 2002: 112 ff.). So kann ein Unternehmen eine Innovation als Marktneuheit, UnternehmensneuheitoderWeiterentwicklung er-achtet (s. Abbildung 5).

Ferner umfasst die Innovation in Abgrenzung zur Invention stets eine marktliche Verwertungs- bzw. innerbetriebliche Nutzungskomponente (Spielkamp &

Rammer 2006: 8, Fagerberg 2006: 4 f.). Innovationen verstehen sich folglich als ein Prozess, der von der Ideengenerierung bis zur Markteinführung reicht.

9 Neuere Ansätze konzeptualisieren den Innovationsgrad als multidimensionales Konstrukt ver-schiedener unabhängiger Dimensionen (s. hierzu u.a. Gemünden & Kock 2008, Steinhoff 2008, Calantone et al. 2006, Billing 2003: 20 ff.).

Wurden Innovationen traditionell als Ergebnis eines sequentiell-linearen Prozes-ses10 erachtet, haben mit der steigenden Dynamik und Komplexität des Innovati-onsprozesses seit Mitte der 1980er Jahre interaktive11 bzw. rekursive Modelle an Bedeutung gewonnen (Fichter & Behrendt 2007: 213, Berkhout et al. 2006: 392 f.). Im Gegensatz zu den linearen Innovationsmodellen, die durch eine starke Dominanz der Grundlagen- und Anwendungsforschung geprägt sind, betonen die nicht line-aren Ansätze die Rekursivität, Interaktivität und Pfadabhängigkeit des Innovati-onsprozesses. Begründen lässt sich dieser Perspektivenwechsel wie folgt:

• Innovationsprozesse sind aufgrund ihres nicht linearen Verlaufs nur be-grenzt vorhersagbar. Misserfolge und erneute Versuche zur Zielerrei-chung bilden demnach zentrale Merkmale des Innovationsprozesses und begründen den rekursiven Charakter (Kline & Rosenberg 1986, Nelson &

Winter 1982).

• Infolge von Unsicherheiten, verkürzten Innovationszyklen und zuneh-mender Spezialisierung sind Innovationsprozesse arbeitsteilig organi-siert. Damit rücken die Interaktionen zwischen den am Innovationspro-zess beteiligten Akteuren, die Integration von Wissen über alle Phasen des Innovationsprozesses sowie Rückkoppelungen zwischen einzelnen Phasen in den Mittelpunkt der Betrachtung (Hamdouch et al. 2008, Berkhout et al. 2006, Håkansson 1987).

• Vorangegangene Produkt- und Prozessinnovationen beeinflussen die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten (Antonelli 2007, Dosi 1988a, Cohen

& Levinthal 1990). Mit Blick auf die Pfadabhängigkeit (»path depen-cency«)12 von Innovationen führt FAGERBERG (2006: 10) an, dass »[…]

every new innovation consists of a new combination of existing ideas, capabilities, skills, resources etc.« und folgert, dass je größer die Vielfalt dieser Faktoren, desto größer die künftigen Kombinationsmöglichkeiten

10 Eine ausführliche Behandlung sequentieller Modelle findet sich u.a. bei GERPOTT (2005: 48 ff.), PLESCHAK (1996: 24 ff.) und BROCKHOFF (1999).

11 Hierzu zählen u.a. das Chain-Linked-Modell von KLINE/ROSENBERG (1986), das »Stage-Gate-Mo-dell« von COOPER (2002) oder das zyklische Innovationsmodell (»cyclic innovation model«) von BERKHOUT ET AL. (2006).

12 Pfadabhängigkeit im engen Sinne basiert auf Historizität, Mechanismen der positiven Rück-kopplung sowie Lock-in, d.h. der Verstetigung technologischen Wandels, wirtschaftlicher Struk-turen und Institutionen (s. hierzu u.a. Schreyögg & Sydow 2011: 323 ff., Vergne & Durand 2010:

741 ff., Sydow et al. 2009: 691 ff.).

für die Entwicklung komplexerer und anspruchsvollerer Innovationen.

Damit kommt der Offenheit von Unternehmen gegenüber neuen Ideen und Lösungen eine hohe Relevanz zu. Dieses Verständnis der Pfadabhän-gigkeiten von Innovationen findet sich auch in den Ansätzen der evolu-tionären Innovationstheorien13 und spielt für die vorliegende Arbeit, ge-rade mit Blick auf die Bedeutung von Wissen im Innovationsprozess, eine wichtige Rolle.

Innovationen lassen sich damit als evolutionärer, kumulativer und rückgekop-pelter Prozess beschreiben, der durch den Transfer von Wissen, Interaktionen und Kooperationen zwischen einer Vielzahl von Akteuren sowie wechselseitige Lern-prozesse charakterisiert ist (Hotz-Hart 2003: 433, Koschatzky 2001: 62, zur theoretischen Fundierung s. Kapitel 3.2).

Ausdruck dieses Perspektivenwechsels sind Konzepte wie »Open Innovation«14 (Chesbrough et al. 2006, Chesbrough 2003) oder »Embedded Innovation«15 (Hafkesbrink & Schroll 2011), die neben der Öffnung des Innovationsprozesses auf die Notwendigkeit der Einbettung in vertrauensvolle wissensbasierte Beziehun-gen verweisen. Der Innovationsprozess versteht sich dabei als ein vielschichtiger offener Such- und Lösungsprozess, der über die Unternehmensgrenzen hinaus er-folgt (van de Vrande et al. 2010: 222 f., Ketels 2009: 2 f., Reichwald & Piller 2009:

117 f.). Den Kerngedanken dieses Innovationsverständnisses bildet die Überlegung, durch die Öffnung des Innovationsprozesses interne und externe Ideen und Wis-sensquellen systematisch zu verbinden (Chesbrough 2006: 1). Dies umfasst gleich-ermaßen die Zusammenarbeit mit komplementären und konkurrierenden Unter-nehmen als auch die Einbeziehung von Lieferanten, Kunden und

Forschungsein-13 Siehe zu den Ansätzen der evolutionären Innovationstheorie Kapitel 3.2 und zur Bedeutung von Wissen im Innovationsprozess Kapitel 3.3.

14 CHESBROUGH (2006: 1) definiert Open Innovation als »[…] the use of purposive inflows and out-flows of knowledge to accelerate internal innovation, and expand the markets for external use of innovation, respectively.« Ein Überblick zum aktuellen Stand des Forschungsfeldes findet sich u.a. bei HUIZINGH (2011) und VAN DE VRANDE ET AL. (2010).

15 Bezugnehmend auf GRANOVETTERs (1985) Konzept der »Embeddedness« verweisen die Autoren mit ihrem Ansatz der »Embedded Innovation« auf die soziale Einbettung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft in Communities und Netzwerken sowie die hierfür erforderlichen Kompe-tenzen zur Nutzung institutioneller Arrangements (Hafkesbrink & Schroll 2011: 55).

richtungen als zentrale Wissensquellen. Ausgehend von diesem Verständnis bil-den Netzwerkbeziehungen die Basis für ein offenes Innovationssystem (Simard &

West 2008). So beschreiben LAURSEN und SALTER (2006: 132) den Innovationspro-zess als interaktive Beziehung zwischen einem fokalen Unternehmen und seinen Zulieferern, Kunden und anderen Institutionen innerhalb des Innovationssys-tems.16 Ähnlich verweisen SILVA und LEITÃO (2007: 3) darauf, dass die Interaktivi-tät des Innovationsprozesses sowohl auf die unternehmensinterne Zusammenar-beit als auch die externen Beziehungen abstellt. Daraus folgt, dass neben unter-nehmensspezifischen Faktoren innovationsrelevante Beziehungen und das un-ternehmerische Umfeld – verstanden als System – in die Analyse der Innovativi-tät von Unternehmen einzubeziehen sind.

Gerade die neueren innovationstheoretischen Ansätze veranschaulichen diese Komplexität des Innovationsgeschehens. Sie weisen auf die Notwendigkeit zur In-teraktion und die Bedeutung von Wissen im Innovationsprozess hin und sind da-mit besser geeignet, die Realität abzubilden als linear sequentielle Modelle. Wird das lineare mit dem interaktiven Innovationsmodell kontrastiert, wird die Rele-vanz des Letztgenannten für diese Arbeit deutlich: Nach dem linearen Innovati-onsmodell wird die unternehmerische Innovationsleistung maßgeblich durch In-vestitionen in die Grundlagenforschung determiniert und fokussiert unterneh-mensinterne Lernprozesse. Im Gegensatz dazu stellen Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen Kooperationspartnern nach dem interaktiven Innovati-onsverständnis eine wesentliche Komponente für die Hervorbringung von Inno-vationen dar. Sie betonen unternehmensinterne und -externe Rückkoppelungen, durch die Wissen generiert und zugänglich gemacht wird sowie zwischen den Akteuren zirkuliert. Ebendiese wissensbasierten Interaktionen bilden eine zent-rale Annahme der neueren clustertheoretischen Ansätze (s. Kapitel 5) und eine der zentralen Argumentationslinien dieser Arbeit.

Ausgehend von einem interaktiven Verständnis werden Innovationen als Einfüh-rung neuer oder deutlich verbesserter Produkte (einschließlich Dienstleistungen) oder Verfahrensweisen, die neu für den Markt oder neu für das Unternehmen sind, verstanden. In der vorliegenden Untersuchung wird die Neuartigkeit subjektiv aus

16 Der Zusammenhang zwischen Offenheit, Interaktion und Innovationsleistung ist Gegenstand zahlreicher Innovationsstudien (u.a. Tomlinson & Fai 2013, Lasagni 2012, Zeng et al. 2010, Cuntz 2009, van der Meer 2007, Lüthje 2004, 2000, Ahuja 2000a).

der Sicht des innovierenden Unternehmens bewertet. Eine Innovation muss dem-nach neu für das Unternehmen, nicht aber zwangsläufig neu für den Markt sein.

Eine Betrachtung der Markt- und Unternehmensperspektive wird in Anlehnung an BILLING (2003) als besonders relevant für die Bewertung der unternehmeri-schen Innovativität erachtet. Daneben finden inkrementelle Innovationen im Sinne kontinuierlicher Weiterentwicklungen bestehender Produkte Berücksichti-gung. Sie tragen zur Sicherung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile bei und können damit einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen leisten(Brockhoff 2008: 236). Das Innovationsverständnis dieser Arbeit kann damit wie folgt zusammengefasst werden:

Innovationen werden definiert als die Einführung neuer oder signifikant ver-besserter Produkte oder Prozesse, die aus Sicht des innovierenden Unterneh-mens neu für den Markt oder neu für das Unternehmen sind, einschließlich der Weiterentwicklung bestehender Produkte und Prozesse.

Die erfolgreiche Entwicklung und Vermarktung von Produktinnovationen bzw. die innerbetriebliche Verwertung von Prozessinnovationen wird im weiteren Verlauf der Arbeit vereinfacht als Innovationserfolg bezeichnet und als Zielgröße operati-onalisiert (s. Kapitel 8.2.3). Dabei wird die Qualität der Interaktionen zwischen den verschiedenen Akteuren einschließlich der Zusammenarbeit mit komplementä-ren Anbieter, Wettbewerber, Kunden, privaten und öffentlichen Forschungsein-richtungen, Hochschulen sowie staatlichen Einrichtungen als wesentlicher Ein-flussfaktor auf den unternehmerischen Innovationserfolg erachtet.