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Beziehungen als eigenständiger Wettbewerbsfaktor – Relational View

Triebkräfte wissensbasierter Ökonomien

4 Wissen, Kompetenzen & Relationen – Innovation aus unternehmerischer

4.2 Beziehungen als eigenständiger Wettbewerbsfaktor – Relational View

Die Kritik an der KBV aufgreifend, identifiziert die »Relational View« (RV) die in-terorganisationale Entwicklung neuer einzigartiger komplementärer Ressourcen als den entscheidenden Wettbewerbsvorteil (Duschek 2004: 53, Dyer & Singh 1998:

660). Ausgangspunkt hierfür bildet die Überlegung, dass strategisch relevante Res-sourcen und Kompetenzen oftmals jenseits der Grenzen des eigenen Unterneh-mens liegen und in interorganisationale Ressourcen, Routinen und Beziehungen eingebettet sind (Gulati et al. 2000: 203, Dyer & Singh 1998: 661). Unternehmen, de-nen es gelingt, durch unternehmensübergreifende Kooperatiode-nen ihre Ressourcen in einer einzigartigen Weise zu bündeln, können einen Wettbewerbsvorteil gegen-über Unternehmen realisieren, die dazu nicht in der Lage oder nicht bereit sind.

Die den kooperativen Beziehungen innewohnenden Ressourcen werden als Netz-werkressourcen bezeichnet (Dyer & Hatch 2006: 702, Gulati 1999: 339, McEvily &

Zaheer 1999: 1152). Im Kern zielt die RV darauf ab, jene Wettbewerbsvorteile zu er-klären, die in organisationsübergreifenden Beziehungen entstehen und fest in diese eingebettet sind, ohne sich auf bestimmte Netzwerk- bzw. Kooperationsfor-men zu beschränken.

Kooperative Beziehungen zwischen Unternehmen und Netzwerkressourcen als originäre Quellen strategischer Wettbewerbsvorteile treten damit an die Stelle des einzelnen Unternehmens als Analyseeinheit (Duschek 2004: 61, Dyer & Singh 1998:

661). Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich Netzwerke aufgrund ihrer diver-sifizierteren Wissensbasis gegenüber dem einzelnen Unternehmen als effizien-tere Organisationsform erweisen können (Dyer & Nobeoka 2000: 364). Dies gilt ins-besondere für wissensintensive Produkte und Dienstleistungen, die auf einer Kombination unterschiedlichen Wissens basieren (Grant & Baden-Fuller 2004: 69).

Abbildung 11. Quellen relationaler Renten

Quelle: Eigene Darstellung

Kooperative Beziehungen Determinanten relationaler Renten Einflussfaktoren

Relationale Renten31 im Sinne der RV bezeichnen die aus den kooperativen Bezie-hungen resultierenden überdurchschnittlichen langfristigen Gewinne. Sie er-wachsen aus der gemeinsamen Wertschöpfung der Kooperationspartner und sind von einem Unternehmen allein nicht realisierbar (Lavie 2006: 645, Dyer & Singh 1998: 662). Konkret sind sie das Ergebnis von (s. Abbildung 11)

(1) Investitionen in interorganisationale beziehungsspezifische Ressourcen, (2) einem auf Routinen basierenden kontinuierlichen Wissenstransfer und

Lernprozessen,

(3) der Bündelung komplementärer Ressourcen und Kompetenzen sowie (4) effektiven Governancestrukturen (Dyer & Kale 2007: 67 ff., Gaitanides

2007: 289 ff., Lavie 2006: 645 ff., Dyer & Singh 1998: 662 ff.).

Wie nachfolgende Ausführungen zu den Mechanismen der Rentengenerierung zeigen, greift die RV zur Erklärung kollektiver langfristiger Wettbewerbsvorteile auf Elemente der RBV, des Transaktionskostenansatzes sowie der Netzwerktheo-rie zurück (Duschek 2004: 62, Dyer & Singh 1998: 666 ff.).

Ad 1)

Investitionen in beziehungsspezifische Ressourcen ermöglichen eine Optimie-rung interorganisationaler Geschäftsprozesse durch Co-SpezialisieOptimie-rung. Diese tra-gen aufgrund sinkender Transaktionskosten zu einer Reduzierung der Herstel-lungskosten entlang des Wertschöpfungsprozesses bei (Dyer & Kale 2007: 67 f., Gaitanides 2007: 289). Als besonders erfolgversprechend gelten Investitionen, die auf effektivere und effizientere Interaktionen zwischen den Wertschöpfungsstu-fen abzielen. Hierzu zählen etwa Investitionen in Maschinen oder Technologien, Kommunikationsstrukturen oder die Zusammenlegung von Produktionsstandor-ten (Dyer & Singh 1998: 662 f.). Zugleich knüpfen die Autoren zwei Bedingungen an die rentengenerierende Wirkung dieser Investitionen:

31 LAVIE (2006: 644 ff.) grenzt relationale Renten von (i) »internal rents« (Gewinne, die nur vom fo-kalen Unternehmen realisiert werden), (ii) »inbound spillover rents« (Gewinne des fokalen Un-ternehmens aus der Kombination eigener und kollektiver Ressourcen) sowie »outbound spillover rents« (wie (ii) nur in umgekehrte Richtung) ab.

• Erstens sind hohe Investitionen in Geschäftsprozesse vertraglich abzusi-chern, um opportunistischem Verhalten der Partner entgegenzuwirken.

Je länger diese sogenannten »safeguards« Bestand haben, desto höher fallen die relationalen Renten aus, so die Annahme.

• Zweitens wird ein positiver Zusammenhang zwischen dem Umfang und Ausmaß der Transaktionen und der Höhe potenziell erzielbarer Renten unterstellt, der auf eine Standardisierung der Geschäftsprozesse zurück-geführt wird (Dyer & Singh 1998: 664).

Ad 2)

Die Etablierung spezifischer Routinen für einen kontinuierlichen unternehmens-übergreifenden Wissensaustausch stellt demgegenüber auf die Realisierung von Lerneffekten und den Aufbau von Problemlösungskompetenz innerhalb der Ko-operation ab. In Anlehnung an GRANT (1996b) definieren DYER und SINGH (1998:

665) diese Routinen als »[…] a regular pattern of interfirm interactions that permits the transfer, recombination, or creation of specialized knowledge«. Sie nehmen da-mit die interorganisationale Innovationsfähigkeit in den Blick, die sich in einzig-artigen Mechanismen des Wissenstransfers, der Wissensgenerierung und -rekom-bination niederschlägt. Kooperationspartner werden demnach als Ideengeber für Produkt- und Prozessinnovationen erachtet. Dieses Verständnis korrespondiert mit den evolutionären Innovationstheorien und dem dieser Arbeit zugrundliegen-den interaktiven Innovationsverständnis.32 Daneben bilden interorganisationale Routinen die Grundlage für dynamische organisationsübergreifende Lernpro-zesse.

Begünstigt werden diese Lernprozesse zum einen durch das den Kooperationen innewohnende Beziehungskapital (»relational capital«, auch relationales Kapital), verstanden als gegenseitiges Vertrauen, Respekt und Freundschaft auf der indivi-duellen Ebene der Kooperationspartner(Kale et al. 2000: 220 f.). Gegenseitiges Ver-trauen in die Integrität und Reliabilität der einzelnen Partner fördert einen offenen Austausch von Wissen. Diese Offenheit bedingt eine höhere Transparenz in Bezug

32 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3.2.

auf das verfügbare Wissen, welche die Kooperationspartner dazu veranlasst, in in-teraktive Austauschprozesse einzutreten (Liu et al. 2010a: 238, Capello & Faggian 2005).33

Zum anderen erweisen sich persönliche Interaktionen und die partnerspezifi-sche Absorptionsfähigkeit als förderlich für den Transfer von Know-how und die Realisierung von Lerneffekten (Lavie 2006: 645, Kale et al. 2000: 221, Dyer & Singh 1998: 665). Letztgenannte ermöglicht es den Kooperationspartnern, systematisch strategisch wertvolles Wissen zu identifizieren, zu transferieren und in die inter-organisationalen Geschäftsprozesse zu integrieren. Dabei wird die partnerspezifi-sche Absorptionsfähigkeit durch den Umfang der gemeinsamen Wissensbasis so-wie die Häufigkeit und Intensität der Interaktionen beeinflusst (Dyer & Kale 2007:

70, Dyer & Singh 1998: 665 f.).

Schließlich begünstigen Anreizmechanismen, welche die Kooperationspartner zu Transparenz bezüglich der individuellen Wissensbestände veranlassen und »Tritt-bettfahrer«-Verhalten abwenden sollen, den Wissenstransfer (Dyer & Nobeoka 2000: 348 f.). GAITANIDES (2007: 290) führt neben finanziellen Anreizen die Etab-lierung informeller Reziprozitätserwartungen und -normen als förderlich für den Wissenstransfer an. Kooperationen können sich insbesondere dann als effektiver für die Generierung, den Transfer und die Rekombination von Wissen erweisen als das einzelne Unternehmen, wenn diese den Zugriff auf eine – im Vergleich zum einzelnen Unternehmen – breiter gefächerte Wissensbasis ermöglichen und sich dieses Wissen durch eine hohe Komplexität auszeichnet (Dyer & Nobeoka 2000:

394)34.

Ad 3)

Daneben bildet eine komplementäre Ressourcen- und Kompetenzausstattung der Kooperationspartner, die Synergiepotenziale bietet, eine wesentliche Voraus-setzung für die Generierung relationaler Renten. Erst durch die systematische Kombination der komplementären Ressourcen der beteiligten Partner und damit

33 Das Konzept des relationalen Kapitals weist starke Ähnlichkeit zum Konzept des Sozialkapitals auf, das ebenfalls auf die Bedeutung der sozialen Einbettung für den Transfer von Wissen und anderen Vorteilen aufmerksam macht (s. Kapitel 3.2).

34 Die Autoren stützen sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf die empirischen Arbeiten von VON HIPPEL (1988) zur Bedeutung von Kunden-Lieferanten-Kooperationen und POWELL ET AL. (1996) zu F&E-Kooperationen als Quelle von Innovationen.

der Schaffung einer singulären Netzwerkressource können höhere Renten erzielt werden als die Summe der Renten, die durch die jeweils individuelle Nutzung rea-lisiert würde (Lavie 2006: 643 f., Dyer & Singh 1998: 666 ff.). Dies gilt vor allem dann, wenn keiner der Kooperationspartner auf einen vergleichbaren Ressourcenbe-stand außerhalb des Netzwerks zurückgreifen kann (Duschek 2004: 63). Zur Aus-schöpfung dieses rentengenerierenden Potenzials bedarf es neben einer generel-len Ressourcenkompatibilität einer gewissen organisationagenerel-len und kulturelgenerel-len Proximität zwischen den Partnern (z.B. kompatible Entscheidungsprozesse), auch bezeichnet als organisationale Komplementarität (Kale et al. 2000: 224, Dyer &

Singh 1998: 668).

Ad 4)

Effektive Governancestrukturen, verstanden als funktionsfähige Steuerungs- und Koordinationsmechanismen, beeinflussen nicht nur die Höhe der Transaktions-kosten, sondern zugleich die Kooperationsbereitschaft (Gaitanides 2007: 291, Dyer

& Singh 1998: 669 f.). Daneben tragen effektive Governancestrukturen zur Vermei-dung opportunistischen Verhaltens bei. Ziel der Kooperationspartner muss es da-her sein, Strukturen und Mechanismen zu etablieren, die geeignet sind, Transak-tionskosten zu minimieren und Anreize zur Maximierung des Transaktionsvolu-mens zu schaffen. DYER und SINGH (1998: 670 f.) differenzieren dabei zwischen formellen und informellen Schutzmechanismen. Erstgenannte beziehen sich auf die Möglichkeit der Überwachung zur Einhaltung vertraglicher Vereinbarungen durch neutrale Dritte. Die von den Autoren präferierten informellen Schutzmecha-nismen basieren dagegen auf gegenseitigem Vertrauen und Reputation. Sie wer-den als Selbstverpflichtung der Kooperationspartner verstanwer-den, wobei das wer-den Beziehungen innewohnende relationale Kapital die rentengenerierende Wirkung von Governancestrukturen verstärkt.

Einmal generierte relationale Renten sind vor Imitation und Substitution zu schüt-zen. Als Imitationsbarrieren, die explizit auf die Isolation relationaler Renten ab-zielen, identifizieren DYER und SINGH (1998: 671 ff.) die interdependente Verknüp-fung interorganisationaler Ressourcen, die Knappheit potenzieller Kooperations-partner, die Unteilbarkeit von Netzwerkressourcen und die Nicht-Imitierbarkeit des institutionellen Umfeldes. Die nachfolgende Tabelle fasst die Wirkung dieser Schutzmechanismen zusammen:

Tabelle 1. Imitationsbarrieren und ihre Wirkung

Der rekursive Prozess von Investitionen in interorganisatio-nale Ressourcen, Co-Spezialisierung und netzwerkbasierten Lernprozessen bedingt die Herausbildung relationaler bzw.

kooperativer Kernkompetenzen und einzigartiger Wettbe-werbsvorteile, die aufgrund von Pfadabhängigkeiten kaum imitierbar sind.

Knappheit potenzieller Kooperationspartner (»partner scarcity«)

Zur Realisierung relationaler Renten gilt es unter Zeitdruck aus einer begrenzten Anzahl von Unternehmen jenes zu identifizieren, welches über die gesuchten komplementären Ressourcen verfügt und zudem bereit und fähig ist, diese Ressourcen in die Kooperation einzubringen. Unternehmen, die über Fähigkeiten zur schnellen Identifizierung und Ein-bindung von Kooperationspartnern verfügen, haben bessere Chance relationale Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Unteilbarkeit von Ressourcen (»resource indivisibility«)

Netzwerkressourcen entstehen durch synergetische Res-sourcenkombinationen. Folglich geht eine Teilung dieser Ressourcen mit einem Verlust des Wettbewerbsvorteils ein-her. Zugleich beschränkt diese Unteilbarkeit die Nutzungs- und Steuerungsmöglichkeiten durch das einzelne Unterneh-men und begrenzt seine Autonomie und Handlungsfähigkeit.

Nicht-Imitierbarkeit des insti-tutionellen Umfelds (»institutio-nal environment«)

Institutionen basieren u.a. auf spezifischen Normen, Werten und Routinen, die aufgrund ihrer sozialen Komplexität sowie Historizität nur schwer imitierbar sind.

Quellen: DUSCHEK (2004: 65 f.), DYER/NOBEOKA (2000: 364), DYER/SINGH (1998: 672 ff.)

Die RV illustriert, dass kooperative Beziehungen das Potenzial haben, gemeinsa-mes Wissen sowie Ressourcen und Kompetenzen hervorzubringen und kompara-tive Vorteile gegenüber nicht-kooperierenden Wettbewerbern aufzubauen. Durch die synergetische Bündelung von Wissen, Ressourcen und Kompetenzen der Ko-operationspartner kann es gelingen, innovative Leistungsangebote durch die Ver-wertung gemeinsamer Netzwerkressourcen zu generieren. Damit steht nicht mehr die kurzfristige Ressourcennutzung (»Exploitation«) im Mittelpunkt, sondern vielmehr die langfristige Verbesserung der Unternehmensleistung durch neue strategische Alternativen (»Exploration«). Ferner tragen interaktive Lernprozesse zu einer Ausweitung der unternehmerischen Ressourcen- und Kompetenzbasis

bei und eröffnen neue Innovationspotenziale. Gerade mit Blick auf die variieren-den Interaktionsbeziehungen sowie die Interaktionsintensität und -qualität der Clusterakteure liefert die RV somit zentrale Anknüpfungspunkte für die Erklärung der Innovativität von in Clustern interagierenden Unternehmen.

4.3 Absorptionsfähigkeit –