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15 Ergebnisdarstellung von Menschen mit Lernschwierigkeiten (Strommer)

16.6 Inklusion und Probleme in der Schule

In allen Interviews finden sich Hürden und Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Inklusion wieder. Diese Hindernisse werden eher im System identifiziert und stellen keine primäre Ab-wehr der Lehrkräfte dar.

Eine Interviewteilnehmerin berichtet, dass Unterstützungsmöglichkeiten unabhängig vom Schultyp in Anspruch genommen werden sollten. Als Beispiel wird der Deutschförderunter-richt genannt, welcher teilweise inklusiv in der Klasse angeboten wird und viel Aufwand be-deutet und auch eine Frage der Umsetzung ist. Sie empfindet es als sinnvoller schwache Schüler*innen in ein FIDS (Fachbereich Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik, neue Bezeichnung ehemaliger Sonderschulen) zu integrieren, diese zu fördern und wieder in die Regelschule zurück zu geben als Sonderschulkinder in Regelschulen zu integrieren. Eine inklusive Schule ist nur mit entsprechenden Ressourcen gut umsetzbar dabei spielt das Per-sonal eine wichtige Rolle. Das Konzept ist schon häufig gescheitert, wichtig wären kleinere Gruppen mit ca. 20 Kindern und maximal 5 I-Kinder. Entscheidend ist, einen gemeinsamen Unterricht anzupassen und dabei auf Individuelles eingehen zu können. Ein praktischer und alltagsnaher Unterricht wird als am effektivsten eingestuft. Leider stellt eine schlechte Um-setzung eher einen Rückschritt dar und ist für keinen der Betroffenen gewinnbringend. Für ein Gelingen der Inklusion ist die Einbindung der Eltern wichtig, Wissen und Informationen müssen weitergegeben werden.

Seite 101 Es wird berichtet, dass für eine gelungene Inklusion viele finanzielle Mittel notwendig sind.

Wenn die Kinder jene Unterstützung bekommen, die sie benötigen, ist viel Personal mit einer ausreichenden Stundenzahl erforderlich. Als Problem werden viele Diagnosen genannt, welche die Lehrer*innen überfordern. Diese Situation überträgt sich auf die Klasse und lässt die Klassengemeinschaft schwieriger werden. Ein weiteres Problem stellt der Teufelskreislauf dar, Kinder mit einer schweren Behinderung werden wieder in einem FIDS beschult, während Kinder mit einer Lernbehinderung inklusiv beschult werden. Dieser Kreislauf stellt kein gutes System für Inklusion im Bereich Schule dar. Für eine gelungene inklusive Schule ist die Umsetzung entscheidend, bisher sind die getätigten Maßnahmen in vielen Bundesländern noch nicht ausreichend. Bei jedem Schultyp ist eine Flexibilität der Lehrkraft erforderlich, um ein individuelles Lernen zu ermöglichen. Hilfreich hierbei sind Kleingruppen und Projekte. Es besteht bei einigen Lehrkräften zusätzlich eine Scheu vor dem Aufwand, den eine inklusive Schule birgt. Daher gibt es Fälle, wo Kinder ohne entsprechende Förderung mitgetragen werden und ihre Noten geschenkt bekommen. Einige Lehrer*innen diskriminieren auch schwächere Schüler*innen, was überhaupt nicht vorkommen sollte. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass die Lehrperson die Inklusion unterstützt und eine gute Gemeinschaft in der Klasse fördert. Für die Kinder sind Freundschaften sehr wichtig. Dennoch ist zu bedenken, dass Inklusion nicht für alle passend ist, diese begünstigt auch einen Vergleich unter den Schüler*innen, was Wut, Frust und Enttäuschung bei Erfahrungen des Scheiterns verstärken kann, auf einige Kinder wirken die gestellten Diagnosen auch demotivierend.

Eine andere Interviewpartnerin berichtet auch, dass die Schüler*innen kaum in die Integration innerhalb der Klasse miteinbezogen werden und kaum Wissen haben oder mitbestimmen können. Jedoch muss bedacht werden, dass Integrationskinder oft eher wenig Zeit in der Klasse verbringen und daher eine Einbindung in die Klassengemeinschaft auch schwieriger wird. Einige dieser Kinder kommen nach einiger Zeit wieder in die Sonderschule, weil die Beschulung in einer Regelschule sehr viel Aufwand bedeutet. Dennoch muss auch bedacht werden, dass eine große Unterschiedlichkeit der Kinder innerhalb einer Klasse den Unterricht erschwert. Eine weitere Schwierigkeit bei der Inklusion ist es auch allen Kindern gerecht zu werden, die Gefahr besteht darin, dass das Niveau sinkt und auch die Lehrkraft überfordert ist. Durch viele Veränderungen wie beispielsweise die Inklusive Schule besteht die Gefahr, dass das Wesentliche, nämlich die Wissensvermittlung an die Kinder, nicht mehr im Fokus sieht. Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. In Neuerungen werden nach dem Wissensstand der Lehrkraft weder die Schüler*innen noch die Lehrer*innen miteingebunden.

Seite 102 Betont wurde, dass nicht die Inklusion schlecht ist, sondern die Inhalte bisher fehlen, Veränderungen in den Bezeichnungen und leere Konzepte sind zu wenig, wenn eine kritische Auseinandersetzung geschaffen werden würde, wäre schon Vieles erreicht.

Eine andere Lehrkraft berichtet, dass sie Sonderschulen nicht ganz abschaffen würde, da es in Sonderschulen leichter ist auf individuelle Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Der Nutzen und die Möglichkeiten von Inklusion sind von dem jeweiligen Kind abhängig, auch die Gruppengröße ist wichtig. An den Regelschulen fehlen häufig Betreuungsmöglichkeiten, Bewegung und Sinneserfahrungen. Inklusion hat oft einen positiven Effekt auf die Mitschüler*innen, da sie Erfahrungen im Umgang mit einem Kind mit einer Behinderung machen können, dennoch profitieren die Betroffenen selbst oft nicht davon. Nicht in allen Fällen ist Inklusion sinnvoll. Voraussetzung für ein Gelingen sind wieder viel Engagement, Zusammenhalt der Lehrkräfte, eine große Offenheit und ein hoher Personalschlüssel.

Wichtig wäre, die Kinder mit einer Behinderung als reguläre Schüler zu betrachten und dass diese, ein Teil der Klasse sein können.

Eine andere Interviewpartnerin berichtet von der Wichtigkeit der Klassenzusammensetzung.

In dieser Schule sind pro Klasse 5-6 Integrationskinder. Die Klassen sollen je nach Geschlecht, Religion und Leistung möglichst ausgeglichen sein. Diese Zuteilung wurde in den letzten Jahren jedoch schwieriger, da es weniger Kinder mit einer ausgeprägter Sozialkompetenz gibt und viele schwierige Schüler*innen, auch Regelschulkinder. Das Bestreben Sonderschulen abzuschaffen wird als kritisch betrachtet. Den Schüler*innen fehlt der geschützte Raum, die Peergruppe und andere Kinder, die gleich sind wie das Kind mit einer Behinderung. Wichtig sind Erfolgserlebnisse und ein Aufbau des Selbstwerts, auch bei Kindern mit einer Behinderung. Aber auch das Unterrichten im Team stellt in einigen Fällen eine Herausforderung dar. Innerhalb der Gesellschaft herrscht heute kaum eine Bereitschaft Schwächere mitzutragen, wodurch die Inklusion schwierig ist. Auch weiterführend im Arbeitsmarkt wäre eine vermehrte Inklusion wichtig.

Ein inklusives Schulsystem ist wesentlich kostenintensiver als das bisherige System. Aber auch die Lehrkräfte haben aufgrund von Personalmangel Einwände. So sprechen sich 41%

in einer 2015 durchgeführten Studie für eine getrennte Beschulung von Kindern mit einer Behinderung aus. Dahinter liegen Bedenken, dass ein gemeinsamer Unterricht Nachteile für alle Schüler*innen hat, da einerseits zu wenig Förderung angeboten werden kann und andererseits zu wenig Schwieriges von den Kindern gefordert werden kann (vgl. Kuhlmann, Mogge-Grotjahn, Balz, 2018:156). In einem Gymnasium in Deutschland wurde versucht Kinder mit einer Lernbehinderung zu inkludieren. Diese Bemühungen haben gezeigt, dass Inklusion oft nur formal umgesetzt wird.

Seite 103 Es müsste versucht werden einen gemeinsamen und dennoch differenzierten Unterricht zu gestalten. Das Ergebnis war für die Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern nicht zufriedenstellend.

Durch eine gemeinsame Beschulung werden nicht automatisch eine soziale Zugehörigkeit und eine angemessene Förderung erreicht. Auch eine mögliche Vorbereitung auf komplexe Berufe durch schulisches Wissen wird in einer inklusiven Schule hinterfragt. Aufgrund dieser Ergebnisse sind die oben genannten Befürchtungen der Lehrkräfte nachvollziehbar und auch folgerichtig. (vgl. Kuhlmann, Mogge-Grotjahn, Balz, 2018:156-158).