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15 Ergebnisdarstellung von Menschen mit Lernschwierigkeiten (Strommer)

15.4 Arbeit, Aus- und Weiterbildung

15.4.1 Allgemein

Die Themen Arbeit und Ausbildung beschäftigten alle vier Interviewpartner*innen, wobei es in den Gesprächen zu verschiedenen Unterthemen gekommen ist. In allen vier Interviews wurde dabei betont, dass für die berufliche Arbeit keine Ausbildung absolviert wurde. Die Voraussetzung für eine Arbeit ist das Interesse an einem Bereich. Die praktischen Fähigkei-ten werden in der Arbeit erworben.

Für die Übernahme von Funktionen, wie zum Beispiel Werkstätten,- oder Wohnrat, ist zwar auch keine Ausbildung notwendig, jedoch gibt es die Möglichkeit verschiedene Weiterbil-dungsangebote zu besuchen. Die Fertigkeiten oder auch die neuen Handlungsoptionen wur-den vor allem durch Tagungen oder Sitzungen, wo es die Möglichkeit gibt, das eigene Wis-sen bereitzustellen, sich aber auch neues WisWis-sen anzueignen, entwickelt und erprobt. Die-ses Zusammenkommen von verschiedenen Menschen bietet Raum für Lernen und Weiter-geben.

„Wenn man auf verschiedenen Fachtagungen geht, sieht man auch oft die gleichen Leute. Ich sehe es punkto Inklusion sehr gut, weil immer mehr Leu-te, wenn man sie sieht punkto Inklusion, umso mehr kann man sich vernet-zen. Umso mehr man sich vernetzt umso größer wird das Netzwerk umso mehr kann man sich vernetzen und umso mehr arbeitet die Inklusion zu-sammen“ (Interview 1:11, Z. 449-453).

Seite 76 Das Vernetzen mit anderen Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Bereichen ist für einen Interviewpartner besonders wichtig, denn er ist der Meinung, dass erst durch den Austausch von Menschen etwas Gemeinsames entstehen kann. Es ist notwendig, verschiedene Mei-nungen und Sichtweisen zu kennen, denn nur so ist es möglich etwas zu erarbeiten, wo ver-schiedene Wünsche und Bedürfnisse Platz haben dürfen.

In einem Interview lag der Schwerpunkt bei der Beschreibung von Tätigkeiten und Funktio-nen. Da die Tagesabläufe von Menschen, die verschiedene Funktionen übernommen haben, häufig unregelmäßig und verschieden sind, ist es eine gute Übung, an unterschiedlichen Veranstaltungen teilzunehmen, um auf die Vielseitigkeit der Tätigkeit eingestimmt zu werden.

Auch persönliche Eigenschaften fließen in die Arbeitswelt hinein, denn nach den Aussagen der anderen Interviewpartner*innen sind die Freiwilligkeit und das persönliche Engagement unabdingbar für eine gute Arbeitsbasis. Vor allem freiwillige Funktionen in den Bereichen Werkstatt und Wohnen verlangen viel Motivation und selbstständige Initiativen, um sich un-aufgefordert für das Wohl der Menschen einzusetzen. Freiwilligkeit wird in Bezug auf Weiter-bildung vor allem in Interview zwei thematisiert. Verschiedene ZusatzausWeiter-bildungen sollen es ermöglichen, das persönliche Interesse mit neuem Wissen zu verknüpfen. In Bezug auf Fä-higkeiten in der Arbeit wurden in zwei Interviews berufsspezifische Fertigkeiten genannt, die bereits mitzubringen sind, um das eigene Interesse an der Tätigkeit zu bestätigen.

Aus den Interviews wird deutlich, dass sich die Personen stark durch ihre Funktionen identi-fizieren und dadurch selbstbewusst und selbstsicher auftreten. Sie zeigen dadurch deutlich, dass ihre Behinderung nicht im Mittelpunkt steht, sondern ihre Person mit ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen. Aus den Beschreibungen ihrer vielfältigen Aufgaben lässt sich ablesen, dass sie Danksagungen und Wertschätzung benötigen, um sich anerkannt zu fühlen.

Aber nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten streben danach, denn nach Siegrist zu Folge gibt es drei Bedürfnisse, dessen Befriedigung alle Menschen für ihr Wohlbefinden be-nötigen. Dazu zählt er das Bedürfnis nach physischem Wohlbefinden, das Bedürfnis nach Autonomie und das Bedürfnis nach sozialer Wertschätzung und Anerkennung.

Erst die Kombination aus einer gesicherten Existenz, der Möglichkeit der Selbstverwirkli-chung und der Bestätigung durch positive Rückmeldungen, ermöglicht es Menschen, ihr All-gemeinbefinden in Einklang zu halten (vgl. Siegrist 2008:220).

15.4.2 Wünsche und Bedürfnisse

15.4.2.1 Arbeit

Bei den Wünschen und Bedürfnissen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Bezug auf Arbeit, Aus- und Weiterbildung spalten sich die Meinungen der Interviewteilnehmer*innen. In

Seite 77 einem Interview wird der Selbstbestimmung eine große Bedeutung zugeschrieben. Hier wird deutlich, dass die Zuständigkeit für einen bestimmten Bereich das Selbstwertgefühl deutlich steigern lässt. Die Unterstützung durch Assistent*innen ist dann sinnvoll, wenn sie freiwillig und nicht aufgezwungen ist. Menschen mit Lernschwierigkeiten sollen frei entscheiden kön-nen, wann sie Unterstützung benötigen und selbstständig jemanden um Hilfe fragen können.

In einem anderen Interview wird von einem wertschätzenden Umgang mit Kolleg*innen so-wohl in beruflichen als auch in privaten Angelegenheiten gesprochen. Menschen mit Behin-derung nehmen an der Arbeit teil und sind eingegliedert. Die Wertschätzung wird dabei nicht nur unter Kolleg*innen gelebt, es existiert auch eine gute Zusammenarbeit mit Betreu-er*innen und auch die Leitung pflegt einen guten Umgang mit ihren MitarbeitBetreu-er*innen. Vor allem aber haben die Betreuer*innen immer ein offenes Ohr und sind verständnisvoll.

Die Aussagen vom ersten und vierten Interview beziehen sich vor allem auf Wünsche und Verbesserungsmöglichkeiten. In beiden Interviews wird der Bezahlung große Beachtung geschenkt. Es ist beiden Interviewpartnern wichtig, eine angemessene Entlohnung für ihre Arbeit zu bekommen. Aktuell sind sie jedoch sowohl mit dem Taschengeldmodell als auch mit der Idee ein Gehalt zu bekommen unzufrieden, da es finanziell nicht viel verändern wür-de. Dem Interviewpartner vier war es zusätzlich noch wichtig, dass eine Gleichstellung zwi-schen gelernten und angelernten Berufen existiert, denn er fühle sich in seiner Arbeit be-nachteiligt, obwohl er oft fleißiger arbeitet als Menschen, die seinen Beruf gelernt haben. Er geht davon aus, dass diese Diskriminierung mit der Bezeichnung Klient*innen oder Kund*innen zusammenhängt.

Er möchte den Begriff Mitarbeiter*innen durchsetzen, weil er überzeugt davon ist, wenn es eine Gleichstellung in der Bezeichnung geben würde, Menschen mit Lernschwierigkeiten positiver in der Gesellschaft gesehen werden würden.

„Es heißt immer wir Menschen mit Behinderung sind Klienten, wir sind Kun-den. Aber in Wirklichkeit sind wir Mitarbeiter von (…) und das möchte ich auch durchsetzen (…)“ (Interview 4:7, Z. 270ff).

15.4.2.2 Ausbildung

Einer Interviewpartnerin ist es wichtig, dass in Zukunft alle Menschen das Recht auf eine Ausbildung haben und speziell Menschen mit Behinderung bei ihren Vorhaben unterstützt werden.

Ein großer Wunsch des vierten Interviewpartners wäre es, Menschen einen Perspektiven-wechsel anzubieten, bei dem sie die Möglichkeit bekommen könnten, in die Arbeitswelt von Menschen mit Lernschwierigkeiten hineinzuschauen und umgekehrt sie in ihre Arbeitswelt

Seite 78 einzuführen. Vor allem Personen, die noch in Ausbildung stehen, sollten die Chance auf ei-nen Arbeitsaustausch bekommen. Dabei könnten vor allem sowohl Student*inei-nen als auch Schüler*innen, die Ausbildungen im sozialen und pädagogischen Bereich machen, von dem Angebot profitieren. Durch den Einblick in die Praxis kann die Theorie von Anfang an besser verknüpft und berufsspezifische Erfahrungen können bereits in der Ausbildung gesammelt werden. Gleichzeitig sollen Menschen mit Lernschwierigkeiten auch die Möglichkeit haben, einen Einblick in die Ausbildung dieser Personen zu bekommen. Bei Bedarf kann gemein-sam an Weiterentwicklungen und Verbesserungen gearbeitet werden.

15.4.2.3 Weiterbildung

Im Interview eins wird der Weiterbildung viel Positives zugeschrieben. Das Bedürfnis von diesem Interviewpartner nach Vernetzung und Austausch wird vollkommen befriedigt, da es die Möglichkeit gibt, sich sowohl mit Ärzt*innen, Politiker*innen, höheren Leuten und Men-schen mit und ohne Behinderung zu unterhalten. Die unterschiedliche Gestaltung der Wei-terbildungen in Form von Podiumsdiskussionen und Arbeitskreisen, sowie die Möglichkeit durch einen Buddy Unterstützung zu bekommen, empfindet er als sehr positiv. Obwohl sein Bedürfnis nach Inklusion bei Weiterbildungen befriedigt wird, da Menschen mit Lernschwie-rigkeiten miteinbezogen werden, sieht er bei der Weiterbildung noch Probleme, welche er aber nicht genauer definieren konnte.

Auch in einem anderen Interview wird sehr positiv von Weiterbildungsangeboten gesprochen und betont, dass dort Inklusion gelebt wird. Diesem Interviewpartner sind vor allem die The-men sehr wichtig, bei denen es um Verbesserungsmöglichkeiten im Behindertenwesen geht.