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Inhaltlich ist der Landeskundeunterricht an kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen ausgerichtet, die sich bekanntlich neben einer wissenschaftlichen Fun-dierung der Landeskunde vor allem um eine differenziertere Thematisierung der ‚fremden‘ Lebenswelten bemühen und dazu kulturwissenschaftliche Kon-zepte und Fragestellungen heranziehen�6 In den letzten Jahren sind Arbeiten zu der Frage entstanden, wie Lernende einen Einblick in den geteilten Wissens-vorrat der fremdsprachlichen Lebenswelt erhalten können� Vielen Ansätzen ist gemein, dass sie Theorien des kulturellen Gedächtnisses berücksichtigen, um

4 Im Sommersemester 2013 waren von 30 befragten Studierenden 10 zwischen 18 und 25 Jahren alt, vier zwischen 36 und 45, zwei zwischen 46 und 55, zwei zwischen 56 und 56 und eine Person über 65 Jahre alt�

5 Zugangsvoraussetzungen für Tyska I sind Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 / B1�

Es gibt jedoch viele Studierende, die sich auf einem höheren Niveau befinden; zudem nehmen in der Regel auch stets einige Studierende mit Deutsch als L1 am Unterricht teil�

6 Vgl� Claus Altmayer, Uwe Koreik: Geschichte und Konzepte einer Kulturwissen-schaft im Fach Deutsch als Fremdsprache� In: Hans-Jürgen Krumm, Christian Fan-drych, Britta Hufeisen, Claudia Riemer (Hgg): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.

Ein internationales Handbuch. Überarbeitete Neuausgabe� 2� Halbband� Berlin, New York 2010 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (HSK), 35.2), S� 1379–1391�

„sozial geteilte Überzeugungen, Einstellungen und Werte zu rekonstruieren“�7 Die An nahme, dass geteiltes Wissen einen Zugang zu der fremdsprachlichen Lebens welt darstellt, wird z�B� von Claus Altmayer vertreten, der vorschlägt, den Ler nenden über ‚kulturelle Deutungsmuster‘ Wissen zu vermitteln, das Ange-hörige der fremdsprachlichen Kommunikationsgemeinschaft oftmals bewusst oder un bewusst besitzen�8 Im hier thematisierten Seminar werden diese an die kulturwissenschaftliche Forschung angelehnten Vorstellungen zum Landeskun-deunterricht insofern umgesetzt, als sich die Studierenden mit Hilfe von ausge-wählten Narrativen9 der deutschsprachigen Länder diesem kollektiven Wissen nähern� Von Bedeutung für den Unterricht sind beispielsweise ‚Nationalmy-then‘, da mit ihrer Hilfe ein kulturelles Wissen entwickelt werden kann, das lan-deskundliche Kontexte einbezieht und kulturelle Sinngebungsprozesse erhellt�10

7 Olaf Bärenfänger: Kollektives Gedächtnis und transkulturelle Deutschlandstudien:

Zu Spezifika und Methoden des Wissenschaftsbereichs� In: Steven D� Martinson, Re-nate A� Schulz (Hgg�): Transcultural German studies: building bridges / Deutsch als Fremdsprache: Brücken bauen� Bern 2008 (Jahrbuch für internationale Germanistik, Reihe A, Band 94), S� 39–53; hier: S� 49; Sabine Schmidt, Karin Schmidt: Erinnerungs-orte: Deutsche Geschichte im DaF-Unterricht� Berlin 2007; Adelheid Schumann: Der Beitrag kollektiver Mythen zum Fremdverstehen im Französischunterricht� In: Adel-heid Schumann (Hg�): Kulturwissenschaften und Fremdsprachendidaktik im Dialog�

Frankfurt a�M� 2007, S� 113–123; Guido Oebel: Didaktisierung von Straßennamen aus dem deutschen Sprachraum für den interdisziplinären Unterrichtseinsatz – DaF, Germanistik, Landeskunde, Linguistik, Geschichte� In: Info DaF 33 (2006) 6, S� 569–

583; Catharina Clemens: Deutsch-französische Erinnerungsorte im Landeskunde-unterricht am Beispiel von Versailles� In: Magali L� Nieradka, Denise Specht (Hgg�):

Fremdkörper? Aspekte der Geisteswissenschaften in der Auslandsgermanistik und im Unterricht� Berlin 2009, S� 63–78; Daniela Wack: Erinnerungsliteratur im DaF-Unterricht� In: eDUSA 3 (2008) 2, S� 4–14�

8 Claus Altmayer: ,Kulturelle Deutungsmuster‘ als Lerngegenstand: Zur kulturwissen-schaftlichen Transformation der ,Landeskunde‘� In: Fremdsprachen lehren und lernen 35 (2006), S� 44–59; hier: S� 51�

9 ‚Narrativ‘ wird hier als Oberbegriff verstanden für verschiedene Spielarten der

„elementare[n] Form der Strukturierung von Ereignissen“; Wolfgang Ernst: Narra-tion� In: Nicolas Pethes, Jens Ruchatz (Hgg�): Gedächtnis und Erinnerung – Ein in-terdisziplinäres Lexikon� Reinbek 2001, S� 402–405; hier: S� 402� Dazu gehört z� B� der Mythos aber auch alle Formen des kulturellen Gedächtnisses, da sie auf Narrativen basieren; vgl� Wolfgang Müller-Funk: Die Kultur und ihre Narrative. Eine Einführung�

Wien 2008, S� 106, 252�

10 Vgl� Adelheid Schumann: Der Beitrag kollektiver Mythen zum Fremdverstehen im Französischunterricht� In: Adelheid Schumann (Hg�): Kulturwissenschaften und Fremdsprachendidaktik im Dialog� Frankfurt a�M� 2007, S� 113–123�

Konstruktion landeskundlichen Wissens in Online-Diskussionen 51

Auch Uwe Koreik argumentiert für die Behandlung von Mythen im landes-kundlichen Unterricht, denn

[i]ndem ausländische Deutschlernende Faktoren kognitiv verarbeiten, die die im Inland sozialisierten Deutschen auf welche medial vermittelte Weise auch immer […] als My-then und Legenden aus dem Vorrat des „kollektiven Gedächtnisses“ zum großen Teil zum Bestandteil ihres subjektiven Geschichtsbildes gemacht haben, erhalten sie eine Möglich keit zu einer besseren Nachvollziehbarkeit prägender Einflüsse deutscher Ge-schichts- und Gesellschaftsbilder�11

Neben dem Verständnis, das die Lernenden anhand von Mythen für die Bedeu-tung ausgewählter geschichtlicher Ereignisse entwickeln, werden sie außerdem sensibilisiert für die Bedeutung von Mythen im Hinblick auf ihre Bedeutungs-kraft für individuelle sowie nationale Identitätskonstruktion, Nationenbildung und politisches sowie gesellschaftliches Handeln�

Die im Folgenden besprochenen Beispiele schließen an ein Seminar an, in dem anhand des Mythos Die Schlacht im Teutoburger Wald zunächst der Be-griff des ‚Nationalmythos‘ eingeführt und – verknüpft mit der Geschichte des deutschsprachigen Raumes – die identitätsstiftende Bedeutung des Mythos be-handelt wird�12 Der Hinweis darauf, dass dieser Mythos durch die Zäsur der Jahre 1933–1945 betroffen ist und in der Bundesrepublik jegliches identitäts stiftende Moment verloren hat,13 leitet zum nächsten Seminar über� Behandelt werden da-rin vier Ereignisse bzw� Erfahrungen, die als Gründungsmythen ge deutet werden können: Trümmerfrauen, die Einführung der D-Mark im Jahr 1948, Das Wunder von Bern und die 68er-Bewegung�14 Konkretes Ziel ist es, den Studierenden diese

11 Uwe Koreik: Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts für Deutsch als Fremdsprache� Baltmannsweiler 1995, S� 70�

12 Siehe dazu und zum Folgenden: Christine Becker: Warum man mit der Schwedenfäh-re nicht nach Schweden fahSchwedenfäh-ren kann – kultuSchwedenfäh-relles Lernen im Landeskundeunterricht an der Universität Stockholm� In: Frank Thomas Grub (Hg�): Landeskunde Nord� Bei-träge zur 1. Konferenz in Göteborg am 12. Mai 2012. Frankfurt a�M� 2013 (Nordeu-ropäische Arbeiten zur Literatur, Sprache und Kultur / Northern European Studies in Literature, Language and Culture, 1), S� 30–45; hier: S� 38f�

13 Vgl� Herfried Münkler: Die Deutschen und ihre Mythen� Berlin 2011, S� 179�

14 Zu den Gründungsmythen Die Einführung der D-Mark im Jahr 1948 und Das Wun-der von Bern vgl� Herfried Münkler: Die Deutschen und ihre Mythen� Berlin 2011, S� 455–476, zum Gründungsmythos Trümmerfrauen vor allem Elizabeth Heineman:

The Hour of the Woman: Memories of Germany’s „Crisis Years“ and the West German National Identity� In: The American Historical Review 101 (1996) 2, S� 354–395� Die Deutung, dass (und vor allem: warum) es sich bei der „umkämpfte[n] Erzählung von

einschneidenden Ereignisse näher zu bringen, so dass sie sie in die Geschichte der Bundesrepublik einordnen und Gründe für die Veran kerung im kollektiven Gedächtnis nachvollziehen können� Im Präsenzunterricht wird schließlich the-matisiert, ob und inwiefern diese Gründungsmythen auch heute noch für das Selbstverständnis von in Deutschland Sozialisierten aktuell sind�