• Keine Ergebnisse gefunden

IV. Weitere Projekte und Informationen

IV.4. Informationen und Netzwerke

Ideensammlung „Sozialarbeit in Zeiten von Social Distancing“

Die beiden Projektleiterinnen Frizzi Heiner und Yana Kravtsova eines Integrationsfondsprojektes haben sich im Austausch mit der Flüchtlingskoordinatorin Romy Powils aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg Gedanken gemacht, wie Soziale Arbeit in Zeiten von Social Distancing in den Unterkünften funktionieren und gestaltet werden kann. In einem Workshop sind Erfahrungen aus den Unterkünften des Bezirk Tempelhof-Schönefeld eingeflossen. Es ist ein praxisorientiertes Dokument (https://www.berlin.de/koordfm/themen/modellprojekte/) entstanden, das sich wie eine Art Checkliste liest, dabei sind zu Themen wie Arbeitsorganisation und Netzwerkarbeit, Integration und Partizipation, Beratung und Unterstützungsarbeit, Räumlichkeiten schaffen, Kinder und Jugendliche Handlungs- und Anpassungsstrategie für die Soziale Arbeit gesammelt worden, die sich bereits auch in der Praxis bewährt haben.

KoordFM, SenIAS

Leistungen zur Anschaffung digitaler Endgeräte

Schüler*innen mit Bezug von Leistungen nach dem SGB XII oder dem AsylbLG können unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2021 gemäß dem Rundschreiben Soz Nr. 03/2021 Leistungen für die Anschaffung digitaler Endgeräte inklusive Drucker und einer

35 Erstausstattung mit Druckerpatronen erhalten. Entscheidend ist neben der Teilnahme am Pandemie bedingten Distanzunterricht, das die Schülerinnen und Schüler nicht im Besitz der entsprechenden Geräte sind und diese auch nicht von der Schule erhalten können. Der Nachweis für einen entsprechenden Anspruch wird durch die Schulen erbracht.

Weiterer Informationen zum Thema Homeschooling und Unterstützungsangebote rund um das Thema Bildung für Geflüchtete und sowie alles zum Thema Beantragung eines digitalen Endgerätes im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem AsylblG (inkl. der erforderlichen Formulare) sind – auch als mehrsprachiger Podcast - auf der Homepage: https://www.berlin.de/laf/leistungen/bildung/ zu finden.

Dr. Katja Buttig, SenIAS, Abt. Soziales

Fachaustausch zu Bedarfen von Kindern und Jugendlichen in Gemeinschaftsunterkünften während der Pandemie – ein Fazit

Seit Beginn der Pandemie wird die Beschulung, das sog. „homeschooling“ der Kinder und Jugendlichen in den Unterkünften in verschiedensten Gremien thematisiert, um Verbesserungen in der technischen Ausstattung und in der Betreuung unter Einhaltung geltender Hygienemaßnahmen zu erreichen. Im Januar und März dieses Jahres hat KoordFM eigens zu einem fokussierten Fachaustausch über die aktuellen Bedarfe der Kinder und Jugendlichen während der Pandemie in den LAF-Unterkünften geladen. Mit Vertreter*innen der Berliner Verwaltung, Unterkunftsbetreiber, Beratungsorganisationen und Willkommensbündnisse, lokalen und nationalen Projekten wurde der Fokus auf die Beschulung, gesundheitliche Versorgung sowie Freizeitangebote gelegt.

In der Betrachtung der psychosozialen Folgen der Pandemie für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Unterkünften zeigt sich, dass eine Mehrzahl soziale Isolation erleiden, die durch den Wegfall von Schule und sozialer Unterstützung mit einem erheblichen Strukturverlust in ihrem Alltagsleben einhergeht. Im Ergebnis ist ein zunehmender Leistungsabstand zu beobachten.

Die gesundheitliche Versorgung stellt sich ebenso schwierig dar. Es ist eine massive Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu verzeichnen, die sich unter anderem über vermehrte Meldungen von Schlaf- und Konzentrationsstörungen bis hin zu depressiven Stimmungen äußert. Insbesondere sei der Ausfall der Schuleingangsuntersuchung für die Zielgruppe der geflüchteten Kinder besonders nachteilig gewesen. Wichtig ist, dass Auffälligkeiten bzw.

Entwicklungsverzögerungen, psychische und körperliche Beeinträchtigung zeitnah von den Eltern über die Sozialdienste bzw. über die Schule an die schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) gemeldet werden.

36 Gleichzeitig gingen Expert*innen von erhöhten Kindeswohlgefährdungen in den Unterkünften aus, die möglicherweise durch die reduzierten personellen Ressourcen der Sozialdienste nicht erfasst werden. Zugleich wurde auf die notwendige analoge Versorgung und Unterstützung in den ASOG-Unterkünften hingewiesen.

Die Bedarfe an psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung sind umfassend und vielfältig. Dringend benötigt werden zusätzliche Ressourcen für den Einsatz von therapiebegleitender Sprachmittlung sowie begleitender Sprachmittlung für Elterngespräche in Schule und Kita. Eine zentrale Forderung in diesem Kontext ist eine Anpassung der HonVSoz an HonVGes für Dolmetscherleistungen. Diese befindet sich bereits in der Umsetzung.

Für die aktuelle – und auch künftige – pandemische Realität ist es unerlässlich, dass ein regelmäßiger persönlicher Kontakt durch pädagogische Fachkräfte zu den Kindern und Jugendlichen stattfindet und dass diese als Zielgruppe für Notbetreuung aufgenommen werden. Eine Erleichterung würde die Gleichstellung der Kinder und Jugendlichen mit denen in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe darstellen, bpsw. bei der Versorgung mit Endgeräten für Homeschooling. Für eine regelmäßige soziale und schulische Teilhabe ist eine flächendeckende WLAN-Versorgung inkl. Medien- bzw.

Technikschulung unabdingbar. Darüber hinaus bedarf es sicherer Rückzugsräume als kindgerechte Spiel- und Lernorte sowie Freizeit- und Ausweichmöglichkeiten.

Alle Praxiserfahrungen der Teilnehmenden haben die Bedeutung und Notwendigkeit von Präsenzangeboten, unter Beachtung geltender Hygienevorschriften, im Bereich Lernförderung und Freizeit durch die persönliche und aufsuchende Arbeit der Projekte hervorgehoben. Für die Zeit, in der sich die pandemische Situation epidemiologisch entspannt, sollten im Vorfeld adäquate Angebote zum Ausgleich des Leistungsabstandes für die Zielgruppe vorbereitet werden.

KoordFM, SenIAS

37 INFO-Kampagne „Protect your health – Impfen rettet Leben“

in Berliner Flüchtlingsunterkünften von Mai bis Juni 2021 auf Initiative der Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement (KoordFM)

In 6 Wochen konnten insgesamt ca. 1.000 Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche in LAF-Unterkünften direkt über die Face-to-Face INFO-Kampagne zum Impfen erreicht werden, je etwa 2/3 haben der Impfung zugestimmt und 1/3 hatte noch Rückfragen bei ihren Hausärzt*innen wegen Vorerkrankungen bzw. wegen Schwangerschaft/ Stillzeit oder benötigten nochmals 1-2 Tage Zeit zum Überdenken und Rücksprache mit ihrer Familie.

Hintergründe:

18.262 Geflüchtete leben in Berlin in 81 Unterkünften des LAF, davon haben ca. 50% einen geklärten Aufenthaltsstatus (Stand 31.03.21).

Aufgrund unterschiedlicher Schätzungen zur Impfbereitschaft von geflüchteten Menschen, die im Rahmen der Erstumfrage im April 2021 von den Unterkunftsbetreibern an das LAF gegeben worden sind, hat KoordFM eine INFO-Kampagne vor Ort in den Unterkünften gestartet.

Parallel haben einige Bezirke (u.a. Reinickendorf, Pankow) Multiplikator*innenveranstaltungen Online mit ärztlichen Vertreter*innen der Gesundheitsämter durchgeführt und zusätzlich Projekte wie Family Guide u.a. für die Sensibilisierung vor Ort eingesetzt.

Nunmehr ist die erste Sensibilisierungskampagne in Flüchtlingsunterkünften beendet, die nur dank Unterstützung von Kooperationspartner*innen wie Charité Berlin, Runder Tisch Geflüchtete Frauen, Gesundheitsamt und Zentrum für sexuelle Gesundheit und

Familienplanung Friedrichshain/

Kreuzberg,

Familienplanungszentrum – BALANCE, Albatros gGmBH und engagierten Einzelpersonen, die direkt oder indirekt mitgewirkt und vernetzt haben, unverzüglich realisiert werden konnte.

Fotos: KoordFM, SenIAS

Foto: KoordFM, SenIAS

38 Gemeinsam mit dem Krisenstab SenIAS wurden Materialien zur Vorbereitung und Aufklärung zusammengestellt sowie ein Flyer mit Piktogrammen in 10 Sprachen mit dem LAF erstellt. Darüber hinaus wurde der Pharmakonzern bzgl. des Impfstoffes Johnson & Johnson kontaktiert, da vielfältige Gerüchte und Falschinformationen kursierten, denen wir face-to-face begegnen wollten.

Unsere Resultate in den Unterkünften können wir zwar nicht direkt herleiten, aber die Erhöhung der Impfquote (gesamt: ca. 40 % laut LAF-Angabe) und die Reaktionen der Bewohner*innen sprechen für sich. Teilweise wurde eine Impfquote bis 80 % in Unterkünften erreicht, wobei Impfungen bei Hausärzten noch anstehen; Kinder unter 16 Jahre sind noch nicht enthalten.

Insgesamt waren wir innerhalb von 6 Wochen an 22 verschiedenen Standorten (Unterkünfte unterschiedlicher Kategorien: Erstaufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkünfte mit Apart-mentstruktur und Altbauten mit Gemeinschaftsküchen und -bädern) und haben durchschnittlich zwischen 40 bis 100 Erwachsene je Unterkunft erreicht, die sich direkt für eine Impfung eingetragen haben bzw. motiviert worden sind. Darüber hinaus haben wir eine Vielzahl von Kindern und

Jugendlichen zum Umgang mit Covid-19 sensibilisiert.

Mit etwa 40 engagierten Fachkräften aus Syrien, Iran, Deutschland, Usbekistan, Afghanistan, Libyen, Elfenbeinküste, Sudan, Israel und der Türkei wurde die Impfaufklärung vor Ort gemeinsam mit den Teams und diversen Dolmetscher*innen des LAF umgesetzt.

Die von KoordFM koordinierte Kampagne wurde Ende Mai durch unseren Kooperationspartner Albatros gGmbH in weiteren Unterkünften fortgesetzt. Einige Unterstützer*innen des neuen Netzwerkes (Ärztinnen und Sozialarbeiterinnen) haben weiterhin mitgewirkt.

Friedrich Kiesinger und Melanie Rohrer von Albatros gGmbH zur Kampagne: "Wir freuen uns, dass wir mit unseren internationalen Teams nicht nur die Test- und Informationskampagne während des Ramadans in verschiedenen Moscheen mit der Beauftragen des Berliner Senats für Integration und Migration und in Zusammenarbeit mit dem LAF erfolgreich durchführen durften, sondern nunmehr die wichtige Informations- und Aufklärungsarbeit zur Vorbereitung der wichtigen Impfungen in vielen Berliner Einrichtungen der Geflüchtetenhilfe weiterführen konnten. In beiden Aktionen haben wir durch das direkte Zugehen auf die Menschen durch muttersprachliche Expert*innen, die Bereitschaft für Tests und Impfungen nachhaltig positiv beeinflussen können. Schon jetzt sind wir mit der konkreten Umsetzung weiterer Brückenprojekte in die verschiedenen Zuwanderungscommunities befasst."

Foto: KoordFM, SenIAS

39 Impfen für Geflüchtete kompakt:

 Impfpilot mit 3 Einrichtungen startete am 30.04.2021 (mobile Impfteams).

 Fortsetzung der Impfung mit mobilen Impfteams seit 03.05.2021 durchschnittlich 3 Unterkünfte je Tag. Stand 04.06.2021: 4.213 Impfdosen verimpft.

 Personal wird seit 14.05.2021 durch mobile Teams in den Unterkünften geimpft; das Security-Personal kann mitgeimpft werden, wenn in der Unterkunft tätig, und ist durch die Unterkunftsleitung ebenso anzumelden wie Personal und Bewohner*innen.

 Umfassendes, mehrsprachiges Informationsangebot und Beratung zur Impfung durch muttersprachliche Fachkräfte.

 Jugendliche im Alter von 16-17 Jahren können ebenso am Impftag vor Ort geimpft werden.

 Bei den ehrenamtlich Tätigen, die auch am Impftag geimpft werden können, kommt es auf die Tätigkeit an, wenn diese in der Unterkunft regelmäßig und dauerhaft tätig sind und somit ein vergleichbares Ansteckungsrisiko wie Personal haben.

 Für Bewohner*innen, die berufstätig sind oder relevante Prüfungen und Seminare in (Hoch)-Schulen haben, können entsprechende Bescheinigungen durch die Betreiber ausgestellt werden. Diese gelten nicht als Arbeitsbefreiung oder Krankenschein, sondern dienen lediglich zur Information.

 Die Impfungen werden in den Unterkünften durch mobile Teams von SenGPG fortgeführt;

nach erstem Impfdurchgang werden weitere Impfangebote geschaffen (Ziel: in jedem Bezirk ein zentrales Angebot).

„Als Kooperationspartner*innen freuen wir uns über die bestens organisierte und erfolgreiche Infokampagne der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zum Impfen gegen Covid- 19. Wir konnten in den vielzähligen Unterkünften für Geflüchtete viele Menschen zu Ihren Fragen, Unsicherheiten und Ängsten zur Impfung gegen Corona beraten und feststellen, dass sich ein Großteil davon, trotz vorheriger Bedenken für die Impfung entschieden haben. Vielen Dank für die Teilnahme an der Impfkampagne. Wir machen gerne bei weiteren Terminen mit.“, so die beiden Sozialarbeiterinnen Julia Peter und Michaela Huck aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung.

Es wurde also schon viel erreicht. Dennoch ist es zu früh, die Anstrengungen nun einzustellen.

Vielmehr ist es eine dauernde Aufgabe und Herausforderung, weiter um jede Impfung zu kämpfen, um insbesondere in den Gemeinschaftsunterkünften einen noch besseren Schutz zu erreichen. Die SenIAS setzt sich daher dafür ein, auch in Zukunft weitere Impfangebote zu geflüchteten Menschen zu bringen und Informationsangebote zu organisieren, denn am Ende zählt jede Spritze im Kampf gegen Corona.

KoordFM, SenIAS

40

5 Jahre Gesundheitszentrum für Flüchtlinge (GZF gGmbH) in Steglitz

Der große Andrang geflüchteter Menschen in 2015/ 2016 und die Änderung des Asylbewerber-leistungsgesetzes bilden den politischen und rechtlichen Hintergrund der Gründung des Gesundheitszentrums für Flüchtlinge in Steglitz. Gründer und gleichberechtigte Gesellschafter der gemeinnützigen GZF GmbH sind der gemeinnützige Verein XENION - Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V (www.xenion.org) und die PIBB–Psychiatrie Initiative Berlin Brandenburg (www.pi-bb.de). Gründungsidee war die Zusammenführung der beiderseitigen Kompetenzen: so verfügt XENION über eine jahrzehntelange Erfahrung als spezialisiertes psychosoziales Beratungs- und Behandlungszentrum für traumatisierte Flüchtlinge und Überlebende von Folter und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen. Die PIBB-Psychiatrie Initiative Berlin Brandenburg hingegen steht als sektoren- und berufsgruppenübergreifendes Netz im Bereich der GKV für eine innovative,

„integrierte“ Versorgung schwer psychisch erkrankter Menschen. Die PIBB ist die Managementgesellschaft des VPsG, des gemeinnützigen Vereins für Psychiatrie und seelische Gesundheit (www.psychiatrie-in-berlin.de), in dem seit 2003 gesellschaftlich relevante Themen psychiatrischer Erkrankung und Behandlung breit diskutiert werden. So befasst sich der VPsG mit seinen über 200 psychiatrieprofessionellen Mitgliedern u.a. auch mit Fragen der migrationsassoziierten Herausforderungen und der Förderung von Kultur- und Religionssensibilität in der Psychotherapie und Psychiatrie. Zu den Aktivitäten des AK „Religion & Psychiatrie“ des VPsG wird auf das Buch „Religionssensible Psychotherapie und Psychiatrie“, an dem auch mehrere GZF-Akteur*innen mitgewirkt haben, verwiesen:

https://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/nav_product.php?product=978-3-17-035625-2&world=BOOKS

Die Implementierung eines psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungszentrums für Flüchtlinge als ermächtigte Institutsambulanz im Rahmen GKV-finanzierter Regelversorgung stellt eine neue, bislang bundesweit noch wenig genutzte Möglichkeit dar, traumatisierte, psychisch erkrankte geflüchtete Menschen, zeitnah und adäquat zu behandeln. In den ersten 18 Monaten nach Ankunft in Deutschland übernimmt das Landesamt für Flüchtlinge die Kosten psychiatrischer und

Foto: GZF gGmbH

41 psychotherapeutischer Behandlungen; danach erfolgt die Finanzierung über die beteiligten gesetzlichen Krankenkassen. Voraussetzung der Leistungserbringung ist eine Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten, der gemeinsam von den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung gebildet wird. Die Abrechnung erfolgt grundsätzlich über die KV. Mit dem LAF und auch den Bezirksämtern konnte zudem ein adäquates Abrechnungssystem zur Kostenerstattung der Dolmetscher-/Sprachmittler-Einsätze etabliert werden.

Tatsächlich überfordert die Komplexität des psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsbedarfes in aller Regel die Möglichkeiten ohnehin schon überlaufener niedergelassener Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen. U.a. konnten das GZF und XENION jetzt gemeinsam ein Qualifizierungs-programm für die ja sehr häufig erforderlichen Dolmetscher*innen auflegen, das sehr gezielt auf die trianguläre Situation der Therapien ausgerichtet ist. Qualifizierung, rascher und kontinuierlicher Einsatz von Sprachmittler*innen sind wesentliche Voraussetzung gelingender psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung.

Derzeit sind im GZF drei Psychiater, eine Kinder- und Jugend-psychiaterin/-psycho-therapeutin sowie zwei psychologische Therapeutinnen tätig. Betreut werden über 200 Patient*innen. Es sind Menschen mit harter, traumatischer Biographie, die aus dem Iran, dem Irak, aus der Türkei, aus anderen Ländern des Nahen und mittleren Ostens, aus Ländern der russischen Föderation oder als unbegleitete Minderjährige aus Ländern Afrikas - nicht selten mit kriegstraumatischer Vergangenheit - kommen. Es sind Menschen, die politische Verfolgung und Traumatisierungen unterschiedlichster Art erlitten haben.

Das GZF ermöglicht für diese Menschen eine psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, die sich an einem ganzheitlich ausgerichteten Krankheitsverständnis und an Kriterien kultursensibler Behandlung orientiert. Wichtiges strukturelles Ziel ist der Aufbau und die Förderung dezentraler, integrationsorientierter Versorgungsstrukturen für geflüchtete Menschen und die Sicherung der Finanzierung i.R. der Regelversorgung.

Kontakt:

Dr. Norbert Mönter

Gesundheitszentrum für Flüchtlinge Willdenowstr.38, 12203 Berlin

Tel: 030 / 85960070, E-Mail: info@gzf-berlin.org

42

Netzwerk „Willkommen in Reinickendorf“: Eine Initiative, die geflüchtete und

zugewanderte Menschen bei der Integration und in ihrem Alltag unterstützt

Wir leisten mit unserer ehrenamtlichen Arbeit vor Ort „Hilfe zur Selbsthilfe“ zum Beispiel durch Deutschkurse und Hausarbeitshilfe, mobile Lese- und Spielangebote, Frauen- und Sprach-Cafés, Sportaktivitäten für jedes Alter, Informationsaustausch u.v.a.m.

Im Rückblick auf ein Jahr mit COVID19 zeigt sich für unsere ehrenamtliche Arbeit ein differenziertes Bild. So haben wir zusätzliche Projekte entwickelt, die unter Pandemie-Bedingungen möglich, aber auch wichtig und notwendig waren (sind). Dazu gehören:

 eine mobile Fahrradwerkstatt, bei der Frauen nach Absolvierung eines Fahrradkurses (organisiert von BENN MV) gespendete alte Fahrräder wieder fit machten und nach Reparatur behalten durften

 das Digital-Projekt, das in Kooperation mehrerer Spender, Träger und Ehrenamtlicher, Kindern (und deren Eltern) in den Unterkünften ermöglicht, auch bei Corona-Maßnahmen am Unterricht (at home) teilzunehmen.

 das Projekt Mama macht Urlaub, das 6 Frauen ermöglichte, 3 Tage in Templin ohne Männer, Kinder, die täglichen Pflichten und ohne Begleitung Urlaub zu machen.

Die Ehrenamtlichen Heidi Busch-Ahmad, Hans-Peter Heidrich und Ingolf Metzner wurden für ihr Engagement mit dem Reinickendorfer Integrationspreis 2021 ausgezeichnet, der unter dem Motto

„Integration trotz Corona“ stand.

Die Angebote direkt in den Unterkünften mussten jedoch eingestellt bzw. auf 1:1-Betreuung umgestellt werden.

Für unsere überwiegend älteren

Engagierten bedeutet dies eine monatelange Unterbrechung ihrer kontinuierlichen Arbeit vor Ort und damit der gewachsenen persönlichen Beziehungen. Viele Ehrenamtliche haben zwar während dieser Zeit telefonisch Kontakt gehalten; auch die private Familienbetreuung wurde fortgesetzt; hier wird aber zu gegebener Zeit eine Neustrukturierung nötig sein.

Ute Korthals, Geschäftsstelle Willkommen in Reinickendorf e.V.

Foto Heinrich Westerkamp: Digitalprojekt

Foto BENN MV: Fahrradwerkstatt

43

Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf: ehrenamtliches Engagement in der Pandemie

Das im Mai 2014 gegründete, ausschließlich ehrenamtlich tätige Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf ist erster Ansprechpartner für die freiwillige Arbeit mit Geflüchteten im Berliner Südwesten. Mit hunderten Ehrenamtlichen engagiert es sich in drei Bereichen:

 Unterstützung u.a. durch Begleitung, Nachhilfeunterricht und Prüfungsvorbereitung, Organisation von Sachspenden, Wohnraumvermittlung, Orientierung auf dem Arbeitsmarkt, Dolmetsch- und Fahrdienste sowie die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten.

 Vernetzung mit den Betreibern der im Bezirk gelegenen Unterkünfte, im Themenfeld arbeitenden Organisationen, den zuständigen Fachverwaltungen sowie anderen Bündnissen und Vereinen in Berlin.

 Formulierung und Durchsetzung von Forderungen nach umfassender Anerkennung des allgemeinen Menschenrechts auf Asyl mit den Mitteln der gesellschaftspolitischen Einflussnahme.

Durch die anhaltende Pandemie werden viele dieser Tätigkeitsfelder massiv beeinträchtigt. So gibt es kaum noch persönliche Begegnungsmöglichkeiten mit den neuen Nachbarn. Das bisherige Sportcafé, das interessierte Geflüchtete mit Vereinen zusammengeführt, der regelmäßige Lauftreff und die bereits mehrfach mit dem Zehlendorfer Bali-Kino veranstalteten Interkulturellen Kinotage finden nicht mehr statt. Zusätzlich stehen wichtige Begegnungsorte, wie die bezirklichen Bibliotheken, schon lange nicht mehr zur Verfügung und öffentliche Veranstaltungen, wie das Interkulturelle Fest des Bezirks, wurden abgesagt.

Gleichwohl geht die Arbeit weiter: Der Runde Tisch, bei dem sich jeden Monat alle wesentlichen Akteure in der bezirklichen Flüchtlingsarbeit zum Informationsaustausch treffen, wird, wie auch die regelmäßigen Sprechstunden und ein Großteil der individuellen Unterstützung bis auf Weiteres online durchgeführt. Dadurch sind der tägliche E-Mail-Verkehr und die Anzahl der Telefonate erheblich angestiegen und das ehrenamtliche Engagement hat sich verstärkt auch auf die Wochenenden ausgedehnt. Auch weil es deutlich mehr Sachspendenangebote und Nachhilfeanfragen als vor der Pandemie gibt. Dagegen wird die Vermittlung von ohnehin kaum vorhandenen Wohnungen noch mehr erschwert.

Weitere Informationen: www.wikobuesz.berlin

Günther Schulze, Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf

44

IV.5. Pressemitteilungen

LAF, 28.06.2021: Erfolgreiche Abschlussveranstaltung: Neuer „Qualitäts-Check“ verbessert die Flüchtlingsunterbringung in Berlin

Unter Federführung des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und der Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, ist in einem partizipativen Prozess das System der Qualitätssicherung in den landeseigenen Flüchtlingsunterkünften reformiert worden. In der dritten Phase der Entwicklung haben mehr als 130 Personen drei Monate lang an der Entwicklung des neuen „Qualitäts-Checks“ mitgearbeitet, darunter Vertreterinnen und Vertreter von Landes- und Bezirksverwaltungen, Ehrenamtsnetzwerke und Initiativen der Flüchtlingshilfe ebenso wie geflüchtete Bewohnerinnen und Bewohner sowie Betreiber von Unterkünften. An der Abschlussveranstaltung nahm auch Senatorin Elke Breitenbach teil.

Ziel des Prozesses ist es, die Unterbringungsqualität in Unterkünften des Landes Berlin nachhaltig zu verbessern und weiter zu entwickeln. Über die vertraglich garantierte Qualitäts- und Leistungsbeschreibung des Betreibers der Unterkunft hinaus werden künftig weitere Kriterien guter Unterbringung definiert und geprüft, um ein ganzheitliches Bild zu einer Unterkunft zu gewinnen.

Dazu gehören der Sozialraum, der bauliche Zustand und die Lage der Unterkunft. Künftig sollen bei Begehungen nicht nur Mängel behoben, sondern auch Stärken im Sinne von Best Practice- Beispielen abgefragt werden.

Im Ergebnis bekommen Unterkünfte im Qualitäts-Check keine Gesamtnote mehr, sondern werden in einem Ampelsystem für jedes Themenfeld bewertet, sodass sich ein differenzierteres Gesamtbild ergibt. Darüber hinaus wurde in dem von einer Unternehmensberatung begleiteten Prozess ein

„Dashboard“ der Unterkünfte entwickelt, das eine berlinweite Steuerung und Weiterentwicklung guter Unterbringungsqualität ermöglicht. Die neuen Prüfinstrumente wurden bereits in zwei

„Dashboard“ der Unterkünfte entwickelt, das eine berlinweite Steuerung und Weiterentwicklung guter Unterbringungsqualität ermöglicht. Die neuen Prüfinstrumente wurden bereits in zwei