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3. Analytische Testverfahren

3.2. Bioanalytische Methoden

3.2.2. In-vivo-Tests

Eine therapeutische oder unbeabsichtigte Exposition mit synthetischen Östrogenen oder deren anthropogenen Agonisten kann auf dem Genitaltrakt weiblicher Wirbeltiere, der Vagina, dem Uterus, den Ovarien und dem Ovidukt deutlich Auswirkungen zeigen, was zur Bestimmung der Potenz aktiver Verbindungen ausgenutzt wird.

3.2.2.1. Allen-Doisy-Test

Im so genannten Allen-Doisy-Test werden weibliche Mäuse und Ratten, denen die Ovarien entfernt werden, als Versuchstiere eingesetzt. Nach der Entfernung der Ovarien müssen die Tiere zur Aufrecherhaltung der Östrogensensitivität regelmäßig mit Östrogenen versorgt werden. Die zu testenden Verbindungen werden ein- oder mehrmalig subkutan, intramuskulär oder intravaginal verabreicht. Als Nachweis östrogener Wirkung gilt die Bildung einer Verhornung des Vaginalepithels. Die verhornten Zellen treten dabei zwei bis drei Tage nach Beginn der Exposition im Vaginalabstrich auf. Durch Applikation verschiedener Dosierungen und Einsatz mehrerer Tiere pro Dosisgruppe kann die Dosis-Häufigkeitsbeziehung ermittelt werden.

Der Allen-Doisy-Test dient seit Beginn der 30er Jahre zur Erfassung östrogener Aktivität (COOK und DODDS 1933). Die Resultate mit unterschiedlichen Tierlinien variieren stark, wodurch eine gleichzeitige Paralleluntersuchung mit einer Referenzsubstanz wie 17β-Östradiol („E“) oder Diethystilbestrol (DES) erforderlich wird, um eine quantitative Interpretation zu ermöglichen.

3.2.2.2. Glykogen im Uterus

Vor allem viele DDT- und Methoxychlor-Metaboliten wurden mit Hilfe der Zunahme des Glykogengehalts im Uterus bei weiblichen, juvenilen Ratten untersucht. Dabei

trat der Anstieg 18 Stunden, nachdem einmalig subkutan die entsprechenden Verbindungen injiziert worden waren, auf (BITMAN et al. 1978).

3.2.2.3. Ornithidindecarboxylase-Test

Bei der Ornithidindecarboxylase handelt es sich um ein Enzym, welches die Biosynthese der Polyamine katalysiert. Die Polyamine selbst spielen eine wichtige Rolle bei der Proteinsynthese und beim Zellwachstum. Östrogene bewirken im Uterus die Erhöhung der Ornithidindecarboxylase-Aktivität, was ebenfalls zur Einstufung von DDT und Methoxychlor als Östrogene beiträgt (BULGER und KUPFER 1978).

3.2.2.4. Oviduktgewichtstest

Dieser Test wurde zunächst mit Hühnerküken, später auch mit juvenilen Wachteln durchgeführt. Östrogene lösen bei jungen Vögeln im Ovidukt eine intensive Zunahme der Zellteilung und somit eine Gewichtszunahme aus. Die Testverbindungen werden den Vögeln über mehrere Wochen mit dem Futter verabreicht. Nach dem Töten der Tiere wird das Gewicht des Ovidukts gemessen, das je nach Dosis und Einnahmedauer bis auf das Hundertfache erhöht sein kann.

Der Oviduktgewicht-Test wird vor allem zur Untersuchung von DDT und Kepon angewandt (EROSCHENKO und PALMITER 1980).

3.2.2.5. Geschlechtsdifferenzierung bei Reptilien

Bei vielen Eier legenden Schildkröten, Eidechsen und Alligatoren ist das Geschlecht des Embryos nicht genetisch festgelegt, sondern wird während der Brutphase durch die Inkubationstemperatur der befruchteten Eier bestimmt. Zum Beispiel entwickeln sich während der Phase der Geschlechtsdifferenzierung die Eier der Schildkröten Trachemys scripta bei 26˚C zu männlichen, bei 32˚C zu weiblichen Exemplaren.

Bringt man während dieser Phase Östrogene auf die Eischale, so entwickeln sich

auch bei den niedrigen Temperaturen weibliche Individuen. Auch diverse PCBs, Terphenyle, Phenylphenole und Diphenyläther lösen eine weibliche Differenzierung kalt inkubierter Eier aus, so dass diese als Test auf östrogene Verbindungen vorgeschlagen wurden (BERGERON et al. 1994).

3.2.2.6. Geschlechtdifferenzierung bei Vögeln

Werden Pestizide wie o,p΄-DDT, p,p΄-DDE, p,p΄-DDT oder Methoxychlor in befruchtete Eier von Möwen injiziert, so treten bei den männlichen Nachkommen deutliche Erscheinungen der Verweiblichung auf. Die Hoden sind stark degeneriert und es bilden sich den weiblichen Vögeln analog Ovidukte aus (FRY und TOONE 1981).

3.2.2.7. Geschlechtsdifferenzierung bei Mäusen und Ratten

Durch die Injektion von Östrogenen in Nagetiere während der neonatalen Phase kommt es bei weiblichen Nachkommen zu signifikanten Störungen in der endokrinen Entwicklung. Bei weiblichen Ratten und Mäusen tritt die Geschlechtsreife früher als üblich ein. Nach einer Phase gewöhnlicher Fortpflanzungszyklen kommt es aufgrund einer dauerhaften Verhornung des Vaginalepithels zu einer Störung des Reproduktionszyklus und der Ovulation. Offensichtlich induzieren Östrogene während der neonatalen Phase Veränderungen der Geschlechtsorgane sowie der Hypothalamus- und Hypophysenfunktion.

3.2.2.8. Vitellogeninsynthese bei Fischen

Als Biomarker für die östrogene Aktivität anthropogener Stoffe in der aquatischen Umwelt haben sich die Vitellogenine, spezielle Lipoproteine, durchgesetzt.

Vitellogenine sind Vorläufer der Eidotterproteine und werden nach ihrer Bildung in der Leber nach der Addition einer Lipid- und einer Phosphateinheit mit dem Blutkreislauf in das Ovar transportiert, wo sie einer bestimmten Speicherform dem

heranwachsenden Embryo als Energielieferant dienen. Die Vitellogeninsynthese in der Leber wird normalerweise nur unter dem Einfluss von 17β-Östradiol während des Fortpflanzungszyklus bei weiblichen Fischen induziert.

Männliche Fische bilden diese Lipoproteine nicht. Unter Einwirkung von 17β-Östradiol oder anderen östrogenen Chemikalien kann aber auch bei diesem Geschlecht die Bildung von Vitellogenin stimuliert werden. Der Anstieg der Blutplasmakonzentration von Vitellogenin in männlichen Versuchstieren wie der Regenbogenforelle wird seit Anfang der 90er Jahre in ökotoxikologischen Studien zum Nachweis östrogener Chemikalien in vivo herangezogen (HARRIES et al. 1995).

Besonders die Umweltöstrogene 4-Nonylphenol, 17α-Ethinylöstradiol und Mestranol werden für die verweiblichenden Effekte von geklärten Abwässern auf Fische verantwortlich gemacht (PURDOM et al. 1994).

3.2.2.9. Uterusgewichtstest

Auch hier dienen juvenile und/oder ovarektomierte Ratten bzw. Mäuse als Versuchstiere.

Nach Verabreichung der zu untersuchenden Verbindung über mehrere Tage wird das Tier getötet, der Uterus entnommen und gewogen. Der Nachweis östrogener Wirkung ist bei einer Erhöhung des Uterusgewichts im Vergleich zu unbehandelten Tieren der gleichen Linie erbracht.

Der Uterusgewichtstest ist der am häufigsten und in zahlreichen Variationen ausgeführte Test auf östrogen wirksame Chemikalien. Mit seiner Hilfe konnten u. a.

o,p΄-DDT, Methoxychlor, einige PCBs, Kepon sowie die Phytoöstrogene Coumestrol, Daidzein und Genistein als Östrogene identifiziert werden (O´CONNOR et al. 1996).