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Implikationen für Forschung und Praxis

Vertrauen und Misstrauen als regulative Mechanismen der Akzeptanz alternativer

5 Implikationen für Forschung und Praxis

Auf Basis der erhobenen Daten lässt sich zunächst feststellen, dass die Einstellun-gen der Befragten geEinstellun-genüber Bio-Fleisch resp. konventionelles Fleisch und deren Herstellungsbedingungen für sich genommen keine aussagekräftigen Prädikatoren für deren tatsächliches Konsumverhalten darstellen, denn ersteres Produkt wird

133 grundsätzlich von der überwiegenden Mehrheit positiver beurteilt und mit einer hochwertigeren Qualität assoziiert. Konventionelles Fleisch wird jedoch deutlich häufiger als ökologisch erzeugtes Fleisch verzehrt, dies verstärkt im Falle eines intensiven Fleischkonsums. Die Einstellungs-Verhaltens-Lücke wird darüber hin-aus durch den fehlenden statistischen Zusammenhang zwischen den Bewertungen konventioneller Produkte einerseits und deren faktischen Anteil in der Ernährung andererseits untermauert. Für die geringe Aussagekraft der Einstellungen gegen-über Bio-Fleisch spricht zudem deren Unabhängigkeit von der Sensibilisierung für nachhaltigen Konsum. Ein bewusster Konsum geht hingegen mit einer negativeren Bewertung von herkömmlichen Produkten, einem geringeren Anteil an konventio-nellem Fleisch und einem insgesamt niedrigeren Fleischkonsum einher.

Neben der Sensibilisierung für nachhaltigen Konsum deuten die Forschungs-ergebnisse auf die Bedeutung von Vertrauen und Misstrauen als zentrale Einfluss-größen hin, scheinen sie doch als regulative Wahrnehmungsfilter zu fungieren: Wer konventionellen Anbieter*innen vertraut, bewertet auch entsprechende Fleisch-produkte positiver, während bei Vertrauen in ökologische Erzeuger*innen die diesbezüglichen Produkte positiver eingeschätzt werden, zudem gehen misstraui-sche Haltungen mit einer negativeren Meinung von konventionellem Fleisch ein-her. Ein ausgeprägtes Vertrauen in Anbieter*innen biologischer Produkte und eine grundsätzlich hinterfragende Grundeinstellung spiegeln sich in nachhaltigkeitsbe-zogenen Überzeugungen und Handlungsmustern mit Blick auf einen bewussteren Fleischkonsum wider. Insgesamt deuten die Ergebnisse auf einen positiven Effekt von Vertrauen in ökologische Unternehmen und Zertifizierungen hin.

Die in dieser Untersuchung extrahierten Vertrauens- und Misstrauensprofile implizieren, dass beide Konstrukte individuell als differente wirkende Einstellungs-größen auftreten können, so vertraut eine Person etwa dem „Bioladen um die Ecke“ und misstraut gleichzeitig konventionellen Anbieter*innen. Die Heterogeni-tät im Erleben von Vertrauen und Misstrauen mit deren Auswirkungen werden vor allem im Vergleich zwischen den Desinteressierten und den kritischen Biokäufer*innen virulent, während letztgenannte Gruppe in erheblichem Maße zwischen ökologi-schen und konventionellen Unternehmen und deren Fleischprodukten differenzie-ren, dabei konforme Verhaltenstendenzen aufzeigen, lassen sich für die Gruppe der Desinteressierten weniger stringente Zusammenhänge ausmachen. Jedoch spiegelt sich das geringe Vertrauen in ökologische Anbieter*innen in einem niedrigen Kon-sum solcher Fleischprodukte wider - ungeachtet der Tatsache, dass Bio-Fleisch positiv wahrgenommen wird. Diese Ergebnisse sprechen für den Einfluss von Vertrauen auf die Ausprägung des persönlichen Fleischkonsums.

In der abschließenden Interviewstudie konnte gezeigt werden, welch hoher Stellenwert der Ausgestaltung der Informationspolitik der Unternehmen, aber auch von staatlicher und medialer Seite zukommt. Vertrauen erweist sich dabei in mehr-facher Hinsicht als ein wertvolles und gleichermaßen fragiles Gut in den Beziehun-gen der involvierten Akteur*innen zueinander. Verbraucher*innen sind oftmals skeptisch, es fällt ihnen schwer, den Informationsquellen und deren Botschaften

Vertrauen zu schenken. Kommunikationsquellen, die als unabhängig vom Markt-geschehen wahrgenommen werden, erleben die Konsumierenden als vertrauens-würdiger. In ähnlicher Weise tragen transparente und verständliche Informationen sowie eine gezielte Aufklärung zu den Produktzertifizierungen zur Vertrauensför-derung bei.

Unklar bleibt jedoch, inwieweit die Verbraucher*innen Vertrauen als komple-xitätsreduzierenden Mechanismus erleben und sich dieser Umstand auf deren Mo-tivation zur Auseinandersetzung mit nachhaltigem Konsum auswirkt. Weitere em-pirische Vorhaben sollten sich für weitere Varianzaufklärung insofern den vertrau-ens- und misstrauensrelevanten Kriterien sowie deren Auswirkungen auf die haltigkeitsbezogenen Überzeugungen und Verhaltensmuster im Kontext des nach-haltigen Fleischkonsums zuwenden.

Ungeachtet dessen lassen sich bereits aus den vorliegenden Befunden Implika-tionen für eine förderliche Kommunikation zwischen Verbraucher*innen und Unternehmen im Sinne nachhaltiger Einstellungs- und Handlungsmuster ableiten.

Da die Kommunikation zwischen den Akteur*innen der Lebensmittelindustrie und den Verbraucher*innen oftmals nur indirekt verläuft, kommt dabei dem Aspekt der Glaubwürdigkeit der jeweiligen Informationsquellen eine hervorgehobene Bedeutung zu. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind dabei die durchaus in den Befra-gungen mehrheitlich genannten Aspekte der Vertrauensförderung, wobei im Sinne der Differentialität bei der praktischen Umsetzung stets zu beachten ist, dass ver-schiedene Menschen eben ganz unterschiedlich auf einzelne Maßnahmen reagie-ren. So erscheinen etwa bei den Desinteressierten zunächst Maßnahmen angezeigt, die Misstrauen und Skepsis abbauen und die Sensibilisierung für nachhaltigen Fleisch-konsum authentisch stärken, während für die Gruppe der kritischen Biokäufer*innen vermehrt auf weitere Aufklärung zu Zertifizierungsprogrammen unter vertrauens-fördernden Bedingungen zu achten wäre. Eine verständliche und transparente Informationspolitik kann für diese Verbraucher*innen als Vertrauenssignal fungie-ren und dahingehend unterstützend wirken, nachhaltige Produkte verlässlich iden-tifizieren zu können. Insofern offerieren die empirisch extrahierten Cluster ge-winnbringende Ansatzpunkte für einen differentiellen Zugang zur Förderung kon-struktiven wie zur Reduzierung destruktiver Prozesse hinsichtlich des Erlebens von Vertrauen und Misstrauen. Es empfiehlt sich insofern, spezifische Maßnah-men der Vertrauensförderung in einem partizipativen Prozess mit den potentiellen Konsumierenden unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedarfe forciert zu entwickeln und auf deren Wirksamkeit hin zu evaluieren.

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