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Hitzeschockproteine und ihr Einfluss auf das Entzündungsgeschehen

1. Einleitung

1.2. Hitzeschockproteine und ihr Einfluss auf das Entzündungsgeschehen

Bei Entzündungsprozessen kommt es unter anderem zur Freisetzung von reak-tiven Sauerstoffmolekülen (ROI), sauren Metaboliten und einer Vielzahl proinflammatorischer Botenstoffe (TNF-α), welche die HSP-Expression nach-weislich fördern (Polla et al., 1998).

Seit langem ist bekannt, dass die HSP eine Zellschutzfunktion im Entzün-dungsgeschehen besitzen. Neuere Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass man die Rolle von HSP differenzierter betrachten muss (Polla et al., 1998). Der protektive Effekt gegenüber toxischen Entzündungsmediatoren, wie ROI oder TNF-α (Fehrenbach et al., 2001), die auch einen Einfluss auf das A-poptoseverhalten von Zellen besitzen (Mehlen et al., 1995; Mehlen et al., 1996), bleibt aber unumstritten. Auch eine Inhibition der Aktivierung von NF-κB, einem im Entzündungsgeschehen in zentraler Position stehenden Transkriptionsfaktor, ist nachgewiesen (Rossi et al., 1998; Wong et al., 1997). Zusätzlich dazu gibt es Hinweise darauf, dass ein anderer wichtiger Signalweg im Entzündungsge-schehen, nämlich der MAPKinase-Signalweg, beeinflusst wird (Malago et al, 2002). Andere Arbeitsgruppen wiesen nach, dass ein bestimmtes HSP (HSP27) phosphoryliert wird (entweder unter Beteiligung des erwähnten MAPKinase-Signalweges (Stokoe et al., 1992, Ahlers et al., 1994; Engel et al., 1995) oder von cGMP abhängigen Protein Kinasen (Butt et al., 2001)). Diese Phosphorylie-rung von HSP27 scheint einen Einfluss auf die Plättchenaggregation und auf die Mikrofilament-Organisation zu besitzen (Butt et al., 2001).

In letzter Zeit zeichnet sich jedoch ab, dass HSP andere Einflüsse auf die Im-munregulation besitzen, die als eher negativ, d.h. im Sinne einer Verstärkung oder einer Chronifizierung des Entzündungsgeschehens, anzusehen sind. Ins-besondere ergeben sich Hinweise auf einen inhibierenden Effekt von intrazellu-lär gebildeten HSP auf die Apoptose von Immunzellen mit der Konsequenz der Anreicherung immunkompetenter Zellen (siehe unten). Allerdings scheint es so, dass hierfür die Expression von HSP vor dem eigentlichen Entzündungsge-schehen induziert werden muss. Folgt dagegen zum Beispiel ein Hitzeschock

Einleitung Kapitel 1 der Entzündung, wird ein vermehrtes Zellsterben beobachtet (Buchmann et al., 1993; Xu et al, 1996). Dieser Effekt scheint ebenfalls mit der Inhibition des NF-κB-Signalwegs in Verbindung zu stehen (DeMeester et al, 2001; Malhorta et al, 2002). Weitere Zusammenhänge zwischen HSP und Apoptose werden weiter unten beschrieben.

Außerdem wurde beschrieben, dass HSP (hauptsächlich solche aus den HSP60 und HSP70 Familien) wirksame Ziele für die antikörpervermittelte zellu-läre Immunantwort bei Infektionskrankheiten darstellen können (Anderton et al., 1993; van Eden et al., 1998), was für so stark konservierte Proteine eher unge-wöhnlich ist.

Es existieren ebenfalls Hinweise, dass HSP an der Verbindung von Infektion und Autoimmunität beteiligt sind. Da pathogene Keime, die an der Auslösung und Aufrechterhaltung von Entzündungsprozessen beteiligt sind, ganz ähnliche HSP wie der Mensch exprimieren, könnte das Immunsystem, bei unzureichen-der Fokussierung auf diese bakteriellen HSP, auch wirtseigene HSP-Regionen angreifen („molekulares Mimikry“) (Wendling et al., 1997; van Eden W., 1991 und van Eden I., 2000). Gezeigt wurde dies für unterschiedliche Autoimmuner-krankungen (Übersicht: Fracella et al., 1995). So scheint HSP60 beispielsweise bei der Adjuvantien induzierten Arthritis, dem systemischen Lupus erythemato-des, dem Typ I Diabetes und anderen Autoimmunerkrankungen eine Rolle zu spielen (van Eden et al., 1998; Feige et al., 1996; Linington, 1995; van Eden, 1993; van Noort, 1996).

Zusätzlich dazu gibt es Hinweise auf eine Beeinflussung von HSP60 auf die Entstehung von arteriosklerotischen Plaques (Amberger et al., 1999). Beson-ders bei der Entstehung dieser Plaques durch eine Infektion mit Chlamydia pneumoniae, die seit längerem postuliert wird (Kuo et al., 1993; Jackson et al., 1997; Curry et al., 2000), scheint bakterielles HSP60 ein Rolle zu spielen (Kol et al., 1998).

Am besten untersucht in ihrem direkten Einfluss auf das Entzündungsgesche-hen sind allerdings die aus der HSP70 Familie stammenden HSP (Williams et al., 1993; Bellmann et al., 1996; Jacquier-Sarlin et al., 1994). Sie sind sowohl im Zytosol als auch im Kern lokalisiert und beinhalten als wichtigste Vertreter das

Einleitung Kapitel 1 in geringer Menge ständig gebildete (konstitutive) HSP73 (HSC70) und das bei Stress induzierte HSP70 (Jäättelä, 1999).

Für das durch Hitzeschock induzierte intrazelluläre HSP70 ist beispielsweise eine inhibierende Wirkung auf den NF-κB-Signalweg und die ICAM-1-Expression, einem interzellulären Adhäsionsmolekül, das für die Leukozyten-einwanderung im Entzündungsgeschehen wichtig ist, nachgewiesen (Chen et al., 2004; Kohn et al., 2002). Diese anti-inflammatorischen Wirkungen scheinen beim Myokardinfarkt (Yellon et al., 1994; Plumier et al., 1995), bei der akuten Pankreatitis (Ethridge et al., 2000) und bei der rheumatoiden Arthritis (van Eden W. et al., 2000) wichtig zu sein.

Zudem gibt es Hinweise, dass HSP70 eine Rolle bei der Entstehung der Arte-riosklerose spielt. Erhöhte Blutspiegel von HSP70 wurden bei Patienten mit pe-ripheren und renalen Gefäßkrankheiten nachgewiesen (Wright et al., 2000;

Pockley, 2002), wobei der Einfluss von HSP60 hier wichtiger zu sein scheint (siehe oben). Außerdem beeinflusst intrazelluläres HSP70 das Apoptoseverhal-ten von Entzündungszellen (Samali et al., 1996; Lindquist et al., 1998; Morimoto et al., 1998).

Dagegen wurden aber auch erhöhte intrazelluläre HSP70- Konzentrationen bei der schweren Form des Asthma bronchiale gemessen. Klinische Besserung erfolgte durch Steroidinhalation, die mit einer HSP70 Konzentrationsabnahme einhergeht (Fajac et al., 1997; Bertorelli et al., 1998).

Ähnliche Beobachtungen wurden bei verschiedenen anderen Erkrankungen, wie z.B. der Muskeldystrophie Typ Duchenne gemacht, bei der ebenfalls eine erhöhte HSP70 Expression zu finden ist (Bornman et al., 1995). Es stellt sich also auch für das HSP70 die Frage, ob es pro- oder anti-inflammatorisch wirkt.

In diesem Zusammenhang ist die Wirkung dieses HSP auf die Zytokinprodukti-on in immunologisch wichtigen Zellen vZytokinprodukti-on Bedeutung. Allgemein nachgewiesen wurde, dass HSP eine inhibierende Wirkung auf die Zytokinexpression (u.a.

durch Hemmung des NF-κB-Signalwegs) besitzen. Bei der Produktion von IL-12 zeigt sich, dass hier eine differenziertere Betrachtungsweise angezeigt ist.

IL-12 ist ein zellulärer Botenstoff, dessen biologische Aktivität darin besteht, dass er T- und NK-Zellen anregt, zu proliferieren und vermehrt IFNγ zu produ-zieren. Dies erhöht unter anderem ihre Zytotoxizität gegenüber Tumorzellen

Einleitung Kapitel 1 (Trinchieri, 1995). IL-12 ist ein heteromeres Molekül, das hauptsächlich von antigen-präsentierenden Zellen (APC) gebildet wird. Eine wichtige Rolle spielt es in der Entzündungsantwort, in der Polarisierung von CD4+ T-Zellen zu Th1 Zellen (Adorini, 1999) und die Aktivierung von Th1 Zellen (Kremer et al., 1996) (Auf die Rolle der Th1- und Th2-Antwort wird im Kapitel 1.6. genauer eingegan-gen.)

Werden mononukleäre Zellen durch bakterielles Lipopolysaccharid (LPS) unter anderem zur IL-12 Expression angeregt, wird dieser Effekt durch intrazelluläres HSP70 inhibiert (Ding et al., 2001; Wang et al., 2001). Dies führt zur Unterdrü-ckung der Entzündung und der zellulären Immunität.

Im Gegensatz dazu wird in vorher nicht durch LPS aktivierten mononuklären Zellen eine Erhöhung der IL-12 Produktion durch extrazelluläres HSP70 beo-bachtet (Wang et al., 2002; Millar et al., 2003; Wan et al., 2004). HSP70 kann demnach bezüglich der IL-12 Produktion unterschiedliche Effekte ausüben. Zu unterscheiden ist dabei, ob es intra bzw. extrazellulär exprimiert wird, oder intra- bzw. extrazellulär auf die Zellen trifft.

Hinsichtlich der Wirkung auf immunologisch wichtige Zellen sind in den letzten Jahren weitere Erkenntnisse bezüglich HSP70 hinzugekommen, die darauf hin-deuten, dass dieses Protein selbst ähnlich wie ein Zytokin im inflammatorischen Prozess wirkt. Der Name „Chaperokine“ (Asea et al., 2000a und b) weist auf die unterschiedlichen Fähigkeiten dieses HSP hin, auf der einen Seite als Chape-ron, und auf der anderen als Zytokin zu wirken.

Per Definition sind Zytokine Proteine, die von Zellen sezerniert werden und ei-nen regulatorischen Effekt auf andere Zellen haben. Um ähnliche Wirkung zu erzielen wie ein Zytokin muss sichergestellt sein, dass HSP70 im extrazellulä-ren Raum vorkommt. Dafür gibt es mehrere Hinweise. Es wurde gezeigt, dass humane Monozyten, die einer sublethalen Temperatur (42°C für eine Stunde) ausgesetzt werden, HSP70 in den extrazellulären Raum abgeben (Asea et al., 2000b). Auch anders gearteter Stress, wie Zytokineinfluss, psychologischer Stress oder körperliche Anstrengung führen zu einer Sezernierung von HSP70 (Asea, 2003). Außerdem haben sowohl Patienten mit Autoimmunerkrankungen (Minota et al., 1988) als auch „Normalpersonen“ (Pockley et al., 1998) Antikör-per gegen HSP70 im Blut, was ebenfalls auf ein extrazelluläres Vorkommen

Einleitung Kapitel 1 dieses Proteins hindeutet. Zusätzlich dazu zeigte sich, dass nekrotische (aber nicht apoptotische) Zellen HSP in den extrazellulären Raum freisetzten, darun-ter auch HSP70 (Basu et al., 2000; Somersan et al., 2001; Moroi et al., 2000;

Medzhitov et al., 1997).

Unter der Annahme des extrazellulären Vorkommens von HSP70 wurde nun gezeigt, dass dieses HSP in der Lage ist, Monozyten zur Produktion von proinflammatorischen Zytokinen anzuregen, nämlich IL-1, TNF-α, IL-6 und IL-12 (Asea et al., 2000a und b, Moroi et al., 2000; Binder et al., 2000; Wang et al., 2002; Millar et al., 2003; Wan et al., 2004). Dieser Vorgang wird durch zwei ver-schiedene Signalwege aktiviert. Der eine Weg ist abhängig von intrazellulärem Kalzium und resultiert in der Produktion von TNF-α. Der andere benötigt (neben der ebenfalls vorhandenen Abhängigkeit zu intrazellulärem Kalzium) zusätzlich noch den Oberflächenrezeptor CD14.

Für den Ablauf des Signalwegs wurde nun postuliert, dass HSP70 an CD14 auf Monozyten bindet, einen schnellen intrazellulären Kalziumfluss auslößt (ein Vorgang, der in verschieden Systemen nach der Rezeptorbindung erfolgt (Gosh et al., 1998)) und schließlich über eine Aktivierung des NF-κB-Signalwegs die Produktion der oben genannten Zytokine anregt (Moroi et al, 2000). Auch für das HSP60 wurde eine Aktivierung der Zytokinproduktion via CD14 postuliert (Kol et al., 2000).

Wie sich der genaue Ablauf der intrazellulären Signalkaskade über CD14 dar-stellt, ist nicht genau bekannt. Verschiedene Studien wiesen aber darauf hin, dass die Toll-like Rezeptoren (TLR) 2 und 4 in diesen Signalweg involviert sind (Yang et al., 1998; Poltorak et al, 1998; Hoshino et al., 1999; Ohashi et al., 2000; Vabulas et al., 2001).

Allgemein wird jedoch angenommen, dass der CD14 Rezeptor eine eher unter-geordnete Rolle für die Wirkung von HSP70 als Zyotokin spielt (trotz Asea et al., fehlende Bestätigung durch andere Studien). Der Einfluss von HSP70 (mit oder ohne Peptidbeladung) auf immunologische Zellen über die Toll-like Rezep-toren sowie über CD91 und CD40 (siehe unten) erscheint wahrscheinlicher.

TLR sind Typ I Transmembranproteine, die in ihrer Sequenz und Struktur dem Toll-Protein der Drosophila-Fliege gleichen. Sie besitzen eine extrazelluläre Leucin-reiche Region, die für die Ligandenbindung wichtig ist, und eine

intrazel-Einleitung Kapitel 1 luläre Signaldomäne (Aderem et al., 2000; Kopp et al., 1999; Rock et al., 1998).

Die TLR der Säugetiere werden als eine Gruppe von Rezeptoren angesehen, die eine zentrale Rolle im Erkennen und in der Abwehr von mikrobiellen, patho-genen Molekülen (wie z.B. LPS) spielen (Anderson, 2000; Janeway, 1999, Zhang et al., 2001). Sie kontrollieren die Immunantwort über ein Adaptorprotein (MyD88), das im Endeffekt zu einer Aktivierung des NF-κB- oder MAPKinase- Signalwegs führt (Kopp et al., 1999). Diese Aktivierung führt dann zu einer er-höhten Produktion von Zytokinen, kostimulatorischen Molekülen aus der B7 Familie und Adhäsionsmoleküle (z.B. ELAM-1) (Vabulas et al., 2002a).

Die mit am besten charakterisierten TLR sind die TLR4, welche durch Bindung von LPS (Miyake, 2003), Taxol oder HSP60 die Signalkaskade initiieren, und TLR2, welche Moleküle aus der Wand von gram-positiven Bakterien binden.

Asea at al. (2002) wiesen nun nach, dass HSP70 via TLR2 und 4, in Abhängig-keit von CD14 und MyD88, den NF-κB-Signalweg aktiviert und so die Produkti-on vProdukti-on proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, IL-6 und TNF-α) anregt. Dieser Induktionsweg wurde auch für HSP60 (Ohashi et al., 2000, Vabulas et al., 2001), gp96 (Vabulas et al., 2002b) und LPS (Fenton et al., 1998) gezeigt. Au-ßerdem aktiviert HSP70 dendritische Zellen und induziert deren Reifung über denselben Signalweg. Wie bei vielen Wirkungen, die für HSP nachgewiesen werden, stellt sich auch in diesem Falle die Frage nach einem versteckten Ef-fekt durch kontaminierendes Endotoxin (Tsan et al., 2004). Ein anderer bedeut-samer Rezeptor für die Aufnahme verschiedener HSP wurde mit CD91 be-schrieben (Binder et al., 2002 und 2003, Stebbing et al., 2004, Tobian et al., 2004) Dieser wird auf Seite 10 näher beleuchtet.

Die oben zusammengefassten Einflüsse auf die Entzündung führen zu der An-nahme, dass extrazelluläres HSP70, das z.B. aus im Entzündungsprozess in den unprogrammierten Zelltod (Nekrose) gegangenen Zellen freigesetzt wurde, als „danger signal“ das angeborene und das spezifische Immunsystem aktiviert, wie es auch für andere endogene Aktivatoren von APC angenommen wird (Matzinger, 1998).

Diese Beobachtungen über die Einflüsse von HSP70 auf die Entzündung zei-gen, dass dieses Protein je nach intra- oder extrazellulärem Vorkommen

wichti-Einleitung Kapitel 1 ge Signalwege und Zytokine beeinflusst. Die Zytokin-ähnliche Funktion ist dabei auf das extrazellulär vorkommende HSP70 zurück zu führen. Einen Einfluss auf die IL-12 Produktion besitzt dagegen sowohl die intra- als auch die extrazellulä-re Form dieses Proteins.

Abhängig von den Rahmenbedingungen (dem vorhandenen Mikromilieu) kann HSP70 dabei eine pro- oder eine anti-inflammatorische Wirkung besitzen.