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Nun werden Sie zurecht einwenden, dass dies eigentlich gar nicht leistbar ist. Wie soll eine einzige Bibliothek all diese Informationen finden und verarbeiten? Bei sehr gro-ßen Bibliotheken mag dies noch möglich sein, aber kleine Bibliotheken haben schon mit dem Lektorat von Büchern genügend zu tun. Hierfür gibt es zwei Lösungen, die auch miteinander kombiniert werden können.

1. Ein Bibliotheks-Gaming-Bestands-Netzwerk 2. Ein Gaming-Bestands-Beirat

Beginnen wir mit der ersten Idee. Natürlich können Sie nicht alle relevanten Gaming-Magazine auf einmal beobachten. Und wenn es um den Bereich der Retro-Games geht, wird es noch schwieriger. Aber Sie können ein Netzwerk aufbauen, das Ihnen bei dieser Aufgabe hilft. So gibt es in Ihrer Umgebung mit Sicherheit die eine oder andere Gaming-Gruppe. Am besten Sie fragen im örtlichen Jugendclub und natürlich in der Schule bzw. bei den Eltern nach, die zu Ihnen kommen. Es gibt auch Commu-nities zu einzelnen Spielen oder aber zu bestimmten Genres. Sie müssen einfach ein bisschen im Internet recherchieren. Ein Netzwerk aufzubauen, ist nicht einfach. Sie müssen zwei wesentliche Schritte gehen. Zum einen müssen Sie kontinuierlich die-ses Netzwerk pflegen oder erweitern und zum anderen müssen Sie „zugeben“, dass Sie als Bibliothek nicht über ausreichende Kompetenz verfügen, um diese Aufgabe alleine zu meistern. Natürlich müssen Sie dann die Gamer, Eltern oder Gruppen per-sönlich ansprechen. Manchmal reicht es auch, wenn Sie online in einer oder meh-reren Communities akzeptiert sind. Sie finden z. B. Gleichgesinnte in der Facebook-Gruppe „games4culture“. Sie können ebenso zusammen mit anderen Bibliotheken ein Gaming-Bibliotheks-Netzwerk aufbauen. Diese Herangehensweise eignet sich

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besonders für kleine und sehr kleine Bibliotheken. Wichtig ist nur, dass man vorab gemeinsam die Parameter für die Auswahl der Spiele festlegt.

Der zweite Ansatz geht letztlich in eine ähnliche Richtung. Auch hier bauen Sie ein Netzwerk auf, das Ihnen hilft, das Thema Bestandsarbeit nachhaltig zu bearbei-ten. Allerdings bekommt dieses Netzwerk einen eigenen Namen und eine eigene „of-fizielle“ Aufgabe. Sie gründen einen Gaming-Bestands-Beirat, der einmal im Monat tagt und dabei gemeinsam überlegt, wie man den Bestand mit welchen Spielen er-weitern kann. In dem Beirat sollten Gamer aller Altersklassen sitzen und natürlich Mitarbeiter Ihrer Bibliothek. Ein Pädagoge muss nicht unbedingt dabei sein, denn es geht hierbei nicht um pädagogisch wertvolle Spiele. Natürlich werden einigeRahmen-bedienungen vorgegeben. Dies bezieht sich vor allem auf die Altersfreigaben, was z. B. bedeuten kann, dass Sie keine Spiele in den Bestand aufnehmen, die eine Alters-freigabe USK 16 oder USK 18 haben. Der Beirat sollte einmal im Monat offiziell tagen.

Achten Sie darauf, dass nur solche Menschen Mitglied im Beirat werden können, die dem Thema Gaming gegenüber positiv eingestellt sind. Natürlich hat der Beirat auch Vorsitzende. Ich empfehle, einen Erwachsenen und ein Kind bzw. einen Jugendlichen als Vorsitzenden zu bestimmen. Der Vorsitz sollte alle sechs Monate wechseln. Die Vorsitzenden haben kein gesondertes Stimmrecht. Sie leiten nur die Treffen. Bei jeder Sitzung wird zuerst die aktuelle Situation im Bereich Gaming besprochen. Dazu gehö-ren auch eventuelle Ausleihzahlen. Danach wird über die Vorschläge für Neuerwer-bungen gesprochen. Vorschläge für NeuerwerNeuerwer-bungen kann natürlich jeder machen.

Dafür können Sie z. B. ein schwarzes Brett in der Bibliothek installieren. Die Biblio-theksmitarbeiter filtern dann die Spiele aus, die nicht den vorgegebenen Rahmenbe-dingungen entsprechen. Der Beirat sucht dann die Spiele aus, die angeschafft werden sollen. Nun kann es natürlich sein, dass weitaus mehr Spiele laut Beirat angeschafft werden sollen, als der Bibliothek finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Zu-dem ist es möglich, dass Sie gerade keine Zeit für Erwerbungen haben. Deshalb veröf-fentlichen Sie die Entscheidungen des Beirats und bitten die Bibliotheksnutzer, Ihnen bei der Anschaffung zu helfen. Dies kann auch mit gebrauchten Games geschehen.

Wie bereits erwähnt, sollten Sie nicht nur aktuelle Spiele in den Bestand aufneh-men. Deshalb möchte ich noch ein wenig detaillierter auf die Zielrichtung eingehen.

Wenn es z. B. um Retro-Games geht, dann stellt sich die Frage, was Ihr Bestand ei-gentlich sein soll? Ist es ein klassischer Bibliotheksbestand? Kann es vielleicht mehr sein? Meine Empfehlung wäre, dass Sie sich als Bibliothek als Gaming- oder Spielort positionieren. Das bedeutet, dass Sie sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene ein Angebot aufbauen. Am besten wäre es, wenn Sie ein kleines Gaming-Archiv aufbauen. Dabei geht es nicht darum, Games für die Nachwelt zu archivieren.

Sie haben also nicht die Aufgabe, die Spiele zu pflegen bzw. zu sichern. Aber Sie kön-nen Ihren Bestand massiv erweitern, auch wenn es sich dabei um gebrauchte Spiele handelt. Wie gesagt: früher oder später werden Sie als Bibliothek in eine Situation kommen, in der es kaum noch möglich ist, Computerspiele in den Bestand aufzuneh-men. Der digitale Vertrieb und die Bindung eines Spiels an einen Spieler macht dies nahezu unmöglich. Sie können aber mit den verbleibenden Spielen und zusammen mit weiteren Gaming-Aktivitäten ein interessantes Gaming-Portfolio aufbauen.

Level 6: Services und Aktivitäten mit Games

Kommen wir nun zum nächsten Level: Aktivitäten und Projekte im Bereich Gaming.

Bevor ich Ihnen einige Vorschläge für neue Gaming-Services unterbreite, möchte ich zuerst einen Blick auf das bisher Gelesene werfen. Sie haben in einem ersten Schritt gelernt, was mit dem Begriff Gaming gemeint ist. Sie haben zudem einen Einblick in die Hardware und daran anschließend in die Software bekommen. Schließlich habe ich die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen einer klassischen Bestandsarbeit im Bereich Gaming aufgezeigt. Gerade der letzte Punkt ist für diesen Abschnitt relevant.

Ich hoffe, ich habe Ihnen aufzeigen können, dass die Fokussierung auf den Be-stand im Bereich Gaming wenig bringt. Natürlich werden Sie auch weiterhin einen Bestand haben. Aber dieser wird zunehmend an Bedeutung verlieren bzw. in Teilen nicht mehr realisierbar sein. Der digitale Vertrieb wird auch weiterhin dafür sorgen, dass sehr viele Inhalte im Bereich Gaming nicht auf einem physischen Datenträger zur Verfügung stehen. Zudem sind die Spiele zunehmend an die digitalen Vertriebs-plattformen bzw. die Accounts der Spieler gebunden. Ein Verleihen, als digitales Me-dium vergleichbar mit den Verleihangeboten für eBooks, wird also ebenfalls nicht re-alisierbar sein. Schließlich gibt es neue Bezahlmodelle für Computerspiele wie z. B.

Freemium und Free-to-Play, bei denen man das Spiel kostenlos spielen kann und nur für besondere Fähigkeiten, Ausrüstungsgegenstände etc. im Spiel bezahlen muss. Spä-testens dann, wenn Spiele kostenlos verfügbar sind bzw. wenn das Geschäftsmodell der Games-Industrie weg vom Verkauf des Spiels und hin zum Ermöglichen des Zu-gangs zum Spiel oder einzelner Elemente davon umgestellt wird, ist das Verleihen von Games endgültig ein Nischenthema. Für Bibliotheken bedeutet dies, dass sie sich zum einen überlegen müssen, was sie außer der klassischen Bestandsarbeit im Bereich Gaming tun möchten. Zum anderen müssen sie sich eine Strategie für die Übergangs-phase überlegen. In dieser ÜbergangsÜbergangs-phase geht es darum, eine zukunftsweisende Be-standsarbeit und die Entwicklung völlig neuer Services miteinander zu verbinden. Ich betone das Thema Bestand deshalb so deutlich, weil ich in meinen Workshops sehr oft erlebe, dass Bibliotheken, die einen eigenen Bestand im Bereich Gaming haben, der Meinung sind, dass sie damit das Thema Gaming abgeschlossen haben. Aber dem ist nicht so. Im Gegenteil: die Bestandsarbeit kann nur ein erster Schritt sein.

Gaming in Bibliotheken sollte irgendwann die gleiche Relevanz haben wie Bücher in Bibliotheken. Und auch wenn Sie es sich vielleicht im Moment nicht vorstellen kön-nen, so gibt es doch weitaus mehr Möglichkeiten als Sie glauben mögen.

Allerdings benötigt dies ein Umdenken von Seiten der Bibliothek. Es bedeutet, dass man als Bibliothek nicht mehr den Bestand als zentral wichtiges Thema ver-steht. Das heißt auch, dass man sich weitaus mehr Know-how aneignen muss und dies in einem Bereich, in dem Bibliotheken trotz aller Erfolge immer noch am Anfang stehen.

Das Arbeiten mit dem Thema Gaming ist also eine langfristige, folgenreiche und vor allem strategische Entscheidung einer Bibliothek, denn es wird auch bedeuten, dass man sich von anderen Angeboten trennen wird. Gaming ist keine freiwillige Zu-satzaufgabe. Es ist eine gleichwertige Aufgabe bzw. ein gleichwertiges Thema zu allen anderen Themen in der Bibliothek.

Die gute Nachricht ist die, dass viele der Services und Aktivitäten, die ich Ihnen vorschlagen möchte, bereits vorhandenen Services von Bibliotheken ähneln. Genau-er gesagt wGenau-erden in manchen Fällen bGenau-ereits vorhandene SGenau-ervices um das Thema Ga-ming erweitert.

Natürlich werden nicht alle Ideen zu Ihnen passen. Jede Bibliothek muss letztlich eine individuelle Auswahl treffen. Deshalb habe ich die Vorschläge auch nicht

Im Dokument Christoph Deeg Gaming und Bibliotheken (Seite 118-121)