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6 Wie lesbische Paare ihre Eingetragene Lebenspartnerschaft feiern

6.2 Fallübergreifende Betrachtung

6.2.3 Ist das nicht zu hetero? –

Bei allen Paaren fand in der Vorbereitungsphase eine Auseinandersetzung mit Hochzeitsbräuchen und den vermuteten Erwartungen der Gäste statt. Die Ideen für die Gestaltung der eigenen Feier wurden anhand von miterlebten Hochzeiten sowie kulturell geprägten Vorstellungen von Hochzeitsfeiern entwickelt. Die Auseinandersetzung mit Hochzeitsbräuchen ist dabei weniger von der Frage beeinflusst, ob die Übernahme von Bräuchen die Feier zu traditionell werden lässt, sondern eher davon, ob damit eine zu starke Anpassung an heteronormative Vorstellungen der Gäste stattfindet.

Besonders deutlich wird dies bei der Entscheidung für die Kleidung, die das Paar bei der standesamtlichen Verpartnerung, der eigenen Zeremonie und der Hochzeitsfeier trägt. Insbesondere für festliche Kleidung existieren geschlechterspezifische und anlassbezogene Normen. Traditionell tragen Frauen bei ihrer Hochzeit ein (weißes) Kleid, während Männer zu diesem Anlass einen Anzug tragen. Hier sind Geschlechtsspezifik und Komplementarität als Normen für die Kleidung eines Paares miteinander verknüpft. Lesbische Paare können bei ihren Verpartnerungen und Hochzeitsfeiern jedoch höchstens einer dieser Normen folgen: Entweder sie kleiden sich entsprechend der Erwartung, die an heiratende Frauen gestellt wird (d.h. beide tragen ein (weißes) Kleid – das vermuteten die Nichten von Anneke & Almut) oder sie erfüllen als Paar die Erwartung der Komplementarität (eine trägt einen Hosenanzug, eine trägt

ein Kleid). Wenn beide einen Hosenanzug tragen, wird keine dieser Erwartungen erfüllt.

Diese Variante entspräche aber am ehesten den klassischen Normen der lesbischen Subkultur und dem verbreiteten Klischee, demzufolge Lesben keine Röcke oder Kleider tragen.

Bei der Wahl der Hochzeitskleidung überlegten fast alle Paare (außer Jascha & Alexandra), ob komplementäre Kleidung zu unangemessenen Rollenzuschreibungen durch die Gäste führen würde. Derjenigen im Hosenanzug würde eine dominant-maskuline Rolle, derjenigen im Kleid eine untergeordnet-feminine Rolle in der Beziehung unterstellt werden. Diese Rollenzuschreibungen lehnten alle Paare ab.

Einige änderten deshalb ihre Kleidungswahl und trugen relativ ähnliche Kleidung, die keine Rollenzuschreibung zuließ und zudem noch so gewählt war, dass sie weder besonders feminin noch maskulin wirkte (VERMEIDEN/ABGRENZEN VON

HETERONORMATIVEN ROLLENZUSCHREIBUNGEN).

Für lesbische Paare stellten sich in der Auseinandersetzung mit traditionellen Hochzeitsbräuchen zudem folgende Fragen:

Ist ein Heiratsantrag notwendig? Wer macht den Heiratsantrag?

Soll bei der Hochzeit getanzt werden? Wird das Tanzen durch einen Hochzeitswalzer eröffnet? Wer übernimmt beim Tanzen die führende Rolle?

Hat eine, beide oder keine einen Brautstrauß? Welche Personen werden zum Brautstraußfangen aufgefordert?

Diese Fragen sind bei heterosexuellen Paaren traditionell eindeutig anhand der Geschlechterdifferenz geregelt. Die befragten lesbischen Paare fanden hier individuelle Antworten, die sich am Brautstraußwerfen besonders gut zeigen lassen: Traditionell versuchen beim Brautstraußwerfen alle unverheirateten Frauen den Blumenstrauß aufzufangen, den ihnen die Braut – ohne hinzusehen – zuwirft. Diejenige, die den Strauß fängt, wird als nächste heiraten. Dieser Brauch verdeutlicht, dass Heiraten für Frauen als erstrebenswert angesehen wird. Dadurch, dass es für Männer keinen äquivalenten Brauch gibt, wird außerdem die Geschlechterdifferenz betont. Die beiden lesbischen Paare, bei deren Hochzeitsfeiern der Brautstrauß geworfen wurde (Hannah & Juli, Konstanze & Gundula), forderten entgegen der Tradition nicht nur

MIT GESCHLECHTERSPEZIFISCHEN BRÄUCHEN), übernahmen aber gleichzeitig die Norm, dass es erstrebenswert ist zu heiraten.

Drei Paare setzten sich außerdem mit der Frage auseinander, ob sie die Regenbogenfahne oder andere Symbole der Lesben- und Schwulenbewegung im Kontext ihrer Hochzeitsfeier, etwa für die Einladungskarte oder die Dekoration, verwenden. Zwei Paare (Hannah & Juli, Irene & Natali) entschieden sich dezidiert gegen eine Verwendung dieser Symbole, da durch sie als Personen schon deutlich werde, dass es sich um die Hochzeitsfeier eines lesbischen Paares handelt (KEINE SYMBOLISCHE REPRÄSENTATION VON HOMOSEXUALITÄT). Zu beiden Hochzeitsfeiern wurden allerdings von Freundinnen des Paares regenbogenfarbene Bänder oder Girlanden zur Dekoration mitgebracht. Bei einem Paar (Anneke & Almut) spielte die Regenbogenfahne als lesbenpolitisches Symbol eine größere Rolle. Sie wurde auf der Einladungskarte verwendet und eine selbstgenähte Regenbogenfahne stand im Mittelpunkt des Rituals (SYMBOLISCHE REPRÄSENTATION VON HOMOSEXUALITÄT).

Bei der Bezeichnung ihrer Feier und einzelner Elemente folgten alle Paare ganz selbstverständlich den Begriffen, die für Eheschließungen heterosexueller Paare üblich sind. Dazu gehören Begriffe wie Hochzeit, heiraten, Trauung, Trauzeugen und Hochzeitstorte. Die Begriffe „Verpartnerung“ und „Eintragung der Lebenspartnerschaft“ wurden von den Paaren als sperrig und ungewohnt abgelehnt. Die selbstverständliche Übernahme der Begriffe zeigte sich m.E. auch daran, dass keine der befragten Frauen gegen die traditionellen Begriffe (wie Heiratsantrag, Brautkleid, Hochzeitstanz) protestierte, die ich auf meinen Karten im Interview verwendet habe.

Die Paare signalisieren mit ihrer Begriffsverwendung, dass sie die lebens- und paargeschichtliche Bedeutung der Verpartnerung als gleichwertig mit der einer Eheschließung für heterosexuelle Paare ansehen. Gleichzeitig werden sie bei dieser Begriffsverwendung damit konfrontiert, dass „Hochzeit“ und „Heiraten“ von vielen immer noch ausschließlich mit heterosexuellen Paaren assoziiert wird. So gingen bspw.

bei zwei Paaren (Hannah & Juli, Irene & Natali) die VerkäuferInnen in Juwelier- und Blumengeschäften zunächst davon aus, dass sie Blumen bzw. Ringe für eine Doppelhochzeit bestellen wollen.

Zusammenfassend lässt sich die Auseinandersetzung mit traditionellen Hochzeitsbräuchen mit folgenden Kriterien beschreiben:

die Art und Anzahl der Bräuche/Traditionen, mit denen sich die Paare auseinandersetzen und

die Richtung der Entscheidungen (für oder gegen eine Übernahme, für oder gegen eine Abwandlung).

6.2.4 Doppelt hält besser – Die standesamtliche Eintragung und das eigene Ritual