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Im Frühjahr 2009 bekam ich eine Karte von einem lesbischen Paar, mit dem ich befreundet bin. „Einladung“ stand auf der Vorderseite, Fotos zeigten die beiden Frauen allein und gemeinsam. Beim Aufklappen der Karte erschloss sich der Anlass der Einladung: „Wir heiraten!“. – Diese Einladungskarte hat mich in den vergangenen Monaten begleitet, in denen ich mich theoretisch und empirisch mit der Frage auseinandergesetzt habe, wie lesbische Paare ihre Eingetragene Lebenspartnerschaft feiern.

Seit August 2001, also seit fast einem Jahrzehnt, besteht für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland die Möglichkeit, eine Eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen.

Damit können Lesben und Schwule zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte eine gesetzlich geregelte, staatlich anerkannte Form der Zweierbeziehung für ihre Partnerschaften wählen. Mit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes allein gibt es jedoch noch keine Regeln für die Gestaltung der (standes-)amtlichen Verpartnerung seitens des Paares und dafür, ob und in welcher Form sich eine Feier daran anschließt. Es stellt sich also die Frage, wie lesbische und schwule Paare, die sich verpartnern, diese rituelle Leerstelle gestalten. Sebastian Roth (2002) sieht in seinem

„Hochzeitsbuch für Schwule und Lesben“ genau darin eine „einmalige Chance, selbst eine Feierkultur zu entwickeln oder einfach zu machen, was wir wollen" (Roth 2002:

16). Ein dezidiert schwul-lesbisches Hochzeitsbrauchtum existiere nicht und daher

„steht uns (...) offen, ob wir überkommene Muster und Traditionen von den Heteros übernehmen oder ob wir uns auch hier gezielt abheben und uns ein neues, eigenes Brauchtum schaffen wollen" (ebd.: 49). Anfang 2002, als Roth seinen Ratgeber veröffentlichte, war noch nicht abzusehen, wie Lesben und Schwule die Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft feiern würden. Inzwischen lässt sich diese Frage durch empirische Studien beantworten.

Allerdings hat sich die soziologische Geschlechter-, Familien- und Paarforschung bisher kaum mit Eingetragenen Lebenspartnerschaften auseinandergesetzt. Dies steht damit im Zusammenhang, dass die Paar- und Familienforschung allgemein das Geschlecht als Analysekategorie persönlicher Beziehungen vernachlässigt und damit auch gleichgeschlechtliche Paare und die Familien von Lesben und Schwulen weitestgehend übersieht. In der Geschlechterforschung wiederum hat das Paar an sich bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren (vgl. Lenz 2003: 8). Ähnliches lässt sich auch für die

Lesbenforschung feststellen (vgl. Matthias-Bleck 2006: 235), so dass insgesamt nur wenige Studien zu lesbischen Paaren und den Dynamiken lesbischer Zweierbeziehungen vorliegen.

Als theoretische Grundlage für die Analyse der Feiern lesbischer Paare anlässlich der Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft dienen daher Ergebnisse aus verschiedenen Forschungszweigen. Dies ist einerseits die Forschung zu lesbischen Zweierbeziehungen mit ihren Erkenntnissen zu Beziehungsgestaltung, -dynamiken und -idealen.

Andererseits wird die Forschung zu Eheschließungen und Heiratsmotiven heterosexueller Paare berücksichtigt, die anregende Konzepte für die vorliegende Fragestellung bereithält. Schließlich wird die Forschung zu Ritualen – insbesondere zur Hochzeit als Übergangsritual – einbezogen, da angenommen wird, dass die Feier der standesamtlichen Eintragung einer lesbischen Lebenspartnerschaft der Verdeutlichung eines biographischen Überganges dient.

Den Ausgangspunkt der empirischen Bearbeitung der Fragestellung bilden sechs ausführliche leitfadengestützte Interviews mit verpartnerten lesbischen Paaren. Die jeweiligen Feiern und insbesondere die Aspekte, Sequenzen und Handlungen, die von den Paaren selbst als „Rituale“ oder „Zeremonien“ bezeichnet wurden, werden in ihrem Ablauf beschrieben. Im Mittelpunkt der Analyse, die sich am methodischen Vorgehen der Grounded Theory orientiert, stehen die Entscheidungen der Paare in Bezug auf die Form und Gestaltung der Feier. Die Auseinandersetzungen der Paare mit (hetero-) normativen Vorgaben für die Gestaltung von Hochzeitsfeiern werden vor dem Hintergrund von Karl Lenz’ Frage betrachtet, welche Konsequenzen sich durch die Zusammensetzung einer persönlichen Beziehungsdyade aus Angehörigen derselben oder verschiedener Geschlechterklassen ergeben (vgl. Lenz 2003: 8). Ziel der Analyse ist es, die Handlungen lesbischer Paare im Zusammenhang mit ihrer Verpartnerung deutend zu verstehen und in Ablauf und Wirkung zu erklären (vgl. Weber 1984: 19).

Da es sich bei den Feiern lesbischer und schwuler Paare anlässlich ihrer Verpartnerung um ein relativ neues Phänomen und damit auch einen neuen Forschungsgegenstand handelt, hat die vorliegende Diplomarbeit explorativen Charakter. Sie konzentriert sich auf die Verpartnerungsfeiern lesbischer Paare, um diese möglichst umfassend und

Lesben-, Ritual- und Eheforschung dargestellt (Kapitel 2 bis 4). Danach wird das methodische Vorgehen für den empirischen Teil der Arbeit beschrieben. In Kapitel 7 erfolgt eine systematische Darstellung der Analyseergebnisse und der entwickelten Schlüsselkategorie. Anschließend werden die eigenen Ergebnisse im Kontext bisheriger Forschungsarbeiten betrachtet (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2008: 359f.).

Zum Sprachgebrauch in dieser Arbeit:

Für die amtliche Registrierung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft haben sich im allgemeinen Sprachgebrauch seit dem Jahr 2001 die Begriffe „Verpartnerung“

bzw. „sich verpartnern“ – als Äquivalent zu „Heirat“ und „heiraten“ – weitestgehend etabliert und auch Eingang in den Duden gefunden. Als offizielle Bezeichnung für den Familienstand der Eingetragenen Lebenspartnerschaft wird „verpartnert“ verwendet, verpartnerte Personen sind füreinander „Lebenspartner“.

Allerdings werden die Begriffe der „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“, der

„Lebenspartnerin“ bzw. des „Lebenspartners“ und des Familienstandes „verpartnert“

von vielen Lesben und Schwulen als „sperrig“ wahrgenommen und abgelehnt (vgl.

Böhmer/Kitschenberg 2003: 11). Auch wenn dies nicht dem offiziellen Sprachgebrauch entspricht, verwenden sie als Bezeichnung für den Partner bzw. die Partnerin die Begriffe „meine Frau“ bzw. „mein Mann“ (vgl. Roth 2002: 211), bezeichnen sich selbst als „verheiratet“ und fahren in die „Flitterwochen“. In der Selbstbezeichnung beanspruchen sie also die etablierten, traditionellen Begriffe, die bislang im allgemeinen und offiziellen Sprachgebrauch nur auf heterosexuelle (Ehe-)Paare angewendet werden.

Ich werde in dieser Arbeit für die Bezeichnung des Rechtsinstitutes, der amtlichen Registrierung und des Familienstandes die offiziell gültigen Begriffe verwenden.

Für das Fest, mit dem lesbische und schwule Paare ihre Verpartnerung feiern, existiert kein von „Verpartnerung“ oder „Lebenspartnerschaft“ abgeleiteter Begriff. Lesben und Schwule greifen zur Bezeichnung dieses Festes dementsprechend auf den traditionellen Begriff der „Hochzeitsfeier“ zurück. Da die Verwendung dieses Begriffes – im Unterschied zu „Ehe“ und „verheiratet“ – nicht reglementiert ist, benutze ich für die Feste lesbischer Paare anlässlich der Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft im Folgenden ebenfalls den Begriff der Hochzeitsfeier. Wenn es notwendig ist, einen Unterschied zu heterosexuellen Hochzeiten zu benennen, werde ich von

„Hochzeitsfeiern lesbischer Paare“ sprechen.