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4.4 Verarmungskr¨ afte st¨ abchenf¨ ormiger Partikel

4.4.1 Harte St¨ abchen

F¨ugt man eine bestimmte Konzentration dieser St¨abchen dem in Abschnitt 4.3 beschriebenen hard-core-System hinzu, so wird das reine Partikel-Wand-Wechselwirkungspotential (vgl. Abb.4.11) durch ihren entropischen Beitrag ver¨andert.

Es bildet sich ein Potentialtopf vor der Wand aus. Wie bereits in Abschnitt 2.3 des Theorieteils beschrieben, werden die Rotationsfreiheitsgrade der kleinen Partikel in der N¨ahe von Oberfl¨ache und Sondenpartikel beeinflusst. Ein ¨Uberlapp der sich dort bil-denden Ausschlussvolumen f¨ur Partikel-Wand-Abst¨andez < L= 203 nm f¨uhrt zu einer Erh¨ohung der Entropie der St¨abchen und schließlich zu einem attraktiven Beitrag zum Wechselwirkungspotential.

78 KAPITEL 4. MESSUNGEN KOLLOIDALER WECHSELWIRKUNGEN

Abb. 4.14: Verarmungspotentiale eines Polystyrol-DVB-Partikels (a = 1.85µm) in DMF +0.2 M LiCl vor einer silicabeschichteten Oberfl¨ache bei verschiedenen St¨abchenkonzentrationen (siehe Tabelle 4.1). Der ¨Ubersichtlichkeit halber ist die Gewichts-kraft abgezogen und die einzelnen Potentiale sind entlang der Potentialachse um jeweils 0.5kBT verschoben. Die durchgezogenen Linien sind DFT-Rechnungen f¨ur die entsprechen-den Potentiale und werentsprechen-den im Text n¨aher erl¨autert.

4.4. VERARMUNGSKR ¨AFTE ST ¨ABCHENF ¨ORMIGER PARTIKEL 79

Tab. 4.1: Vergleich zwischen experimentellen (ρexp) und berechneten (ρDF T) Anzahldichten der St¨abchen f¨ur jede Kurve in Abb. 4.14. Die letzten beiden Spalten listen die theoretischen Kontaktwerte (V(z=0)) und die gemessene Potentialtiefe (Vmin) auf.

Abbildung 4.14 zeigt die Ergebnisse einer solche Messung, in der die Wechselwir-kungspotentiale f¨ur sieben verschiedene St¨abchenkonzentrationen bestimmt wurden. In Tabelle4.1sind die entsprechenden experimentellen Anzahldichten (ρexp) der St¨abchen aufgelistet. Um diese Gr¨oße zu veranschaulichen, vergleicht man sie am besten mit dem maximalen ¨Uberlappvolumen der Verarmungszonen vor Partikel und Oberfl¨ache (siehe Abb. 2.13). Bei den verwendeten Sondenpartikeln und St¨abchen betr¨agt dieses Volu-men etwa 1/4 µm3. Daraus folgt, dass in Kurve (b) der Entropiebeitrag von im Mittel nur einem St¨abchen gemessen worden ist. Bei der h¨ochsten Konzentration (Kurve (h) ) wurden bei z=0 im Mittel etwa 26 St¨abchen aus dem Spalt zwischen Sondenpartikel und Oberfl¨ache verdr¨angt. Dies allein gen¨ugt, um das Partikel so stark an die Oberfl¨ache zu binden, dass seine thermische Energie nicht mehr ausreicht, um es davon abzul¨osen.

Aus diesem Grunde gibt es in den Kurven (g) und (h) keine Messpunkte f¨ur Abst¨ande z > 100 nm mehr. In harten Systemen ist zu erwarten (vgl. Gleichung 2.27), dass die Reichweite der Wechselwirkung mit der L¨ange der St¨abchen ¨ubereinstimmt. Dies ist in den Potentialen (e),(f) zu erkennen und wird f¨ur die geringeren Konzentrationen nicht mehr aufgel¨ost.

Wie aus Tabelle4.1und Abb.4.15a ersichtlich, skalieren Kontaktwert (V(z=0)) und die Tiefe des Potentialminimums (Vmin) linear mit der Anzahldichte der St¨abchen. Die Position des Minimums verschiebt sich dabei immer mehr in Richtung Wand, da die in der Nullkurve (a) beobachteten verbleibenden Anteile der repulsiven Wechselwirkung mit endlicher Reichweite (<30 nm) immer weniger bedeutend werden. Vergleicht man die Tiefe der Potentialt¨opfe mit den Werten, die man aus Gleichung 2.25 f¨ur kleine kugelf¨ormige Partikel erh¨alt, so erkennt man, wie effektiv die st¨abchenf¨ormigen Partikel Verarmungskr¨afte erzeugen. Um mit kugelf¨ormigen Partikeln, deren Durchmesser der L¨ange der St¨abchen entspricht, gleich tiefe Verarmungspotentiale zu erzeugen, ben¨otigt man einen etwa 25 mal h¨oheren Volumenbruch der kleinen Kugeln.

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Abb. 4.15: (a) Tiefe der in Abb.4.14 dargestellten Potentialminima als Funktion der An-zahldichte (ρDF T). (b) Vergleich zwischen der experimentellen (ρexp) und der f¨ur die Theo-riekurven verwendeten Anzahldichten (ρDF T).

In der Literatur gibt es verschiedene Ans¨atze zur theoretischen Beschreibung der Verarmungskr¨afte von st¨abchenf¨ormigen Partikeln zwischen zwei W¨anden oder zwi-schen zwei Kugeln [Auv81,Mao97b,Mao97a,Yam98,Pie00a,Dog00,Che02]. Im Prin-zip kann die aus [Mao97b] abgeleitete analytische Formel 2.27 zur Beschreibung der experimentellen Ergebnisse verwendet werden, da die experimentellen Parameter in ihrem G¨ultigkeitsbereich (kleine Anzahldichten ρ, a L D) liegen. Hier wur-de jedoch in Zusammenarbeit mit R. Roth und S. Dietrich (MPI Stuttgart) ein an-derer, allgemeinerer DFT-Ansatz gew¨ahlt, in dem z.B. auch endliche St¨abchendicken ber¨ucksichtigt werden k¨onnen und der nicht auf die G¨ultigkeit der Derjaguin-N¨aherung angewiesen ist. Der in [Rot03] ausf¨uhrlich beschriebene Ansatz basiert auf einer k¨urzlich ver¨offentlichten DFT f¨ur Mischungen aus harten Kugeln und idealen Na-deln [Sch01]. Ziel war es, eine m¨oglichst einfache aber erweiterbare Beschreibung des Systems ohne Fitparameter zu erhalten. Deshalb wurden alle Wechselwirkungen als reine Harte-Wand-Potentiale modelliert. Das System ist unter diesen Voraussetzun-gen durch die St¨abchendichte (ρ), das Aspektverh¨altnis der St¨abchen (D/L) und das Gr¨oßenverh¨altnis (2a/L) zwischen Sondenpartikel und St¨abchen vollst¨andig beschrie-ben. Weiterhin wurden die St¨abchen als nicht miteinander wechselwirkend betrachtet.

Das heißt, es wurde vernachl¨assigt, dass sich die St¨abchen in ihrer Rotation gegensei-tig behindern k¨onnen. F¨ur die hier vorgestellte Messreihe ist diese Annahme sehr gut erf¨ullt, da die Anzahldichten der St¨abchen sehr klein sind. So sind z.B. alle experimen-tellen Anzahldichten kleiner als ρL = L−3 = 120µm−3. Bei dieser Anzahldichte ent-spricht der mittlere Abstand der Mittelpunkte der St¨abchen ihrer L¨ange. Ph¨anomene wie der isotrop-nematische Phasen¨ubergang, finden erst bei wesentlich h¨oheren An-zahldichten von etwa 30ρL statt. Da f¨ur kleine Anzahldichten die Wechselwirkungen der St¨abchen untereinander vernachl¨assigt werden k¨onnen, werden die Rechnungen wesentlich vereinfacht. Der Nachteil dieser N¨aherung ist, dass Korrelationseffekte zwi-schen den St¨abchen, die z.B. zu repulsiven Verarmungskr¨aften f¨uhren k¨onnen, nicht mehr in der Theorie enthalten sind. Solche Effekte werden in Abschnitt4.4.2 noch

dis-4.4. VERARMUNGSKR ¨AFTE ST ¨ABCHENF ¨ORMIGER PARTIKEL 81 kutiert werden. Innerhalb dieser N¨aherungen erh¨alt man ein Verarmungspotential mit einfacher Struktur:

VDF T rods

kBT =−ρ W(z, D/L, a/L). (4.3)

Darin istW(z,D/L,a/L) eine numerisch zu berechnende, monotone Funktion des Abstan-des (z), welche die Gr¨oßenverh¨altnisse (D/L, a/L) als Parameter ber¨ucksichtigt. W(z) legt die Form des Potentials fest. F¨ur Abst¨ande z > L, ist W ≡ 0. Die St¨arke der Verarmungskr¨afte wird durch den Vorfaktor, d.h. die Anzahldichte, bestimmt. In der analytischen N¨aherung (Gleichung 2.27) ist (f¨urz < L):

Wapprox(z) = π

Um eine quantitative Beschreibung der experimentellen Daten zu erhalten, wur-de die Anzahldichte (ρ) als freier Parameter (ρDF T) angesehen und variiert, bis die gr¨oßtm¨ogliche ¨Ubereinstimmung mit den Daten erzielt war. Die durchgezogenen Lini-en in Abb.4.14stellen die so berechneten Potentiale dar. Sie stimmen exzellent mit den experimentellen Daten ¨uberein und weichen lediglich sehr nahe der Oberfl¨ache, wo die Wechselwirkung - wie bereits erw¨ahnt - nicht mehr perfekten hard-core-Charakter hat, von den Datenpunkten ab. Auch die aus der Theorie erhaltenen Anzahldichten (ρDF T) stimmen gut mit den experimentell ermittelten (ρexp) ¨uberein. Vergleicht man die Wer-te in den SpalWer-ten 2 und 3 der Tabelle 4.1, so schwanken die experimentellen Werte mit einer Standardabweichung von 12 % um die theoretischen Werte. Ber¨ucksichtigt man die Fehlerquellen in der Bestimmung der experimentellen Anzahldichte (ρexp), so ist die Ubereinstimmung mit (ρ¨ DF T) sehr gut. Die in Tabelle4.1aufgelisteten, experimentellen Anzahldichten der St¨abchen (ρexp) wurden aus der Verd¨unnung der Stammsuspension berechnet. Die St¨abchenkonzentration in der Stammsuspension wurde wiederum durch Auswiegen des Massenanteils der St¨abchen, ihrer mittleren Massendichte (von 2 g/cm3) und der aus den TEM-Bildern bestimmten Gr¨oßenverteilung berechnet. Da alle diese Werte fehlerbehaftet sind und es auch beim Umgang mit den sehr kleinen Stoffmengen (≈500µl Zellvolumen) w¨ahrend der Messung zu Fehlern kommt, sind diese Werte nur auf ±10−15 % genau bestimmt. Die ¨Ubereinstimmung zwischenρDF T und ρexp ist in Abb. 4.15(b) nochmals grafisch dargestellt.

Ber¨ucksichtigung der Polydispersit¨at: In der bisherigen Theorie wurden die St¨abchen als monodisperse St¨abchen der mittleren L¨ange L = 203 nm betrachtet. In Anbetracht der relativ großen Streuung der St¨abchenl¨ange von ∆L = 93 nm liegt es jedoch nahe, Effekte der L¨angenpolydispersit¨at auf die Verarmungspotentiale zu ber¨ucksichtigen und die G¨ultigkeit der Berechnungen f¨ur monodisperse St¨abchen zu uberpr¨¨ ufen. Dies ist im Rahmen der hier verwendeten linearen Theorie f¨ur kleine An-zahldichten m¨oglich. Dazu wird die Funktion W(z,D/L,a/L) f¨ur mehrere vorkommen-de St¨abchenl¨angen (L) berechnet. Die verschiedenen Funktionen W(z,D/L,a/L) werden dann entsprechend der Gr¨oßenverteilung der St¨abchen gewichtet und aufsummiert.

Die so erhaltene Funktion Wpoly(z) kann dann anstelle von W(z,D/L,a/L) in Gleichung 4.3 eingesetzt werden. Abbildung4.16a vergleicht die aus den Funktionen Wpoli(z) und

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Abb. 4.16: a) Verarmungspotentiale f¨ur eine Anzahldichte von ρ = 1µm−3, berechnet f¨ur monodisperse St¨abchen (mittlere L¨ange L=203 nm) und polydisperse St¨abchen. b) F¨ur die Berechnung verwendete L¨angenverteilung der St¨abchen, wie sie aus TEM-Bildern bestimmt wurde.

W(z,D/L,a/L) erhaltenen Potentiale miteinander. Wpoli(z) wurde dabei aus der in Ab-bildung 4.16 (b) dargestellten L¨angenverteilung der St¨abchen berechnet. Obwohl die Polydispersit¨at der verwendeten St¨abchen nicht zu vernachl¨assigen ist, sind die Effekte auf das Verarmungspotential gering. Nichts anderes ist auch zu erwarten, da Verar-mungskr¨afte Vielteilcheneffekte sind und sich die L¨angenpolydispersit¨at der St¨abchen in jeder Messungen herausmittelt. An der Potentialform ver¨andert sich im Wesentlichen die Reichweite der Kr¨afte bis hin zur maximalen St¨abchenl¨ange und das Potential wird so etwas breiter. Die Punkte der Kurven (e) und (f) in Abb.4.14liegen im Abstandsbe-reich von 50 nm bis 150 nm etwas unterhalb der f¨ur monodisperse St¨abchen berechneten Theoriekurve. Dies k¨onnte ein experimenteller Hinweis auf die Polydispersit¨atseffekte sein. Da die Abweichung der Daten von der monodispersen Theoriekurve aber innerhalb des Messfehlers liegt, wurde, um den Modellcharakter des Experiments zu betonen, die monodisperse Theorie zur Beschreibung der Daten verwendet.

Eine Variation des Aspektverh¨altnisses (D/L) der St¨abchen f¨uhrt nur zu einer mi-nimalen ¨Anderung der Potentialform, solange das Verh¨altnis nicht so weit vergr¨oßert wird, dass die St¨abchen fast kugelf¨ormig werden. Die Polydispersit¨at in der Dicke der St¨abchen kann also vollst¨andig vernachl¨assigt werden. Prinzipiell k¨onnte sie ¨ahnlich wie die L¨angenpolydispersit¨at in der Theorie ber¨ucksichtigt werden.