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In diesem Abschnitt werden die Aufl¨osungsgrenzen der Methode diskutiert. Sie h¨angen entscheidend von den experimentell gew¨ahlten Parametern ab. Es werden zun¨achst die Fehler in den beiden Achsen (Abstand und Energie) der Potentiale besprochen, bevor auf die Kraftaufl¨osung, in die viele verschiedene Faktoren einfließen, eingegangen wird.

Fehler in der Abstandsskala

Die Genauigkeit, mit der die Abstandsskala bestimmt ist, ist durch zwei qualitativ unterschiedliche Aufl¨osungsgrenzen gegeben: Zum einen geht der Fehler in der Bestim-mung des Nullpunktes der Abstandsskala in die Abstandsaufl¨osung ein, zum ande-ren f¨uhrt ein Fehler in der verwendeten Eindringtiefe (nach Gleichung 3.5) zu einer Streckung bzw. Stauchung der Abstandsskala.

Bestimmung des Nullpunktes: Die beiden Methoden zu Bestimmung des Null-punktes der z-Achse wurden gerade in Abschnitt 3.3.1 verglichen. Der Fehler der hy-drodynamischen Methode sind dort aus Abb. 3.10 ersichtlich. Diese Methode ist gut geeignet, wenn die Potentiale nicht zu breit und die Partikel-Wand-Abst¨ande nicht zu groß sind, da der Diffusionskoeffizient nur in der N¨ahe der Wand eine starke Ab-standsabh¨angigkeit zeigt. Weitaus h¨aufiger wird die optische Methode verwendet. Ihr typischer Fehler kann (empirisch) mit ±15 nm ± ≈ 4 % des absoluten Abstands ab-gesch¨atzt werden. Gelingt es, die komplette Messreihe mit demselben Sondenpartikel durchzuf¨uhren, wird insbesondere der Fehler in den relativen Abst¨anden der verschie-denen Potentiale zueinander deutlich kleiner. Sonst ist er im Wesentlichen durch die Polydispersit¨at (typ. 1 %) der Sondenpartikel bestimmt. Die optische Methode impli-ziert die Annahme, dass sich der Streuprozess qualitativ nicht ¨andert, wenn das Partikel

3.4. GENAUIGKEIT UND GRENZEN VON TIRM 45 nicht mehr frei fluktuiert, sondern irreversibel an der Substratoberfl¨ache haftet. Diese Annahme scheint gegeben, solange das Partikel seine sph¨arische Form auch auf der Oberfl¨ache beibeh¨alt und nicht z.B. durch das Wirken der van der Waals-Kr¨afte derart deformiert wird, dass es eine ausgedehnte Kontaktfl¨ache mit der Oberfl¨ache ausbildet.

Ein solches Deformationsverhalten der Partikel ist z.B. von Krishnan et al. f¨ur Poly-styrolpartikel auf einem Silikon Substrat an Luft bereits beobachtet worden [Kri95].

Ergebnis dieser Arbeiten ist, dass sich die Partikel auf einer Zeitskala von mehreren zehn bis hundert Stunden merklich deformieren. Da die Nullpunktsbestimmung in den TIRM-Experimenten auf wesentlich k¨urzerer Zeitskala (typischerweise < 10 Minuten) erfolgt, k¨onnen eventuell auftretende Deformationseffkte getrost vernachl¨assigt werden.

Zudem wurde ¨uberpr¨uft, dass die Streuintensit¨at eines irreversibel an der Oberfl¨ache haftenden Partikels ¨uber Stunden konstant bleibt, was eindeutig gegen eine Deforma-tion des Partikels spricht. Da bei den TIRM-Experimenten das Sondenpartikel stetsin L¨osung ist und daher f¨ur die verwendeten Materialkombinationen deutlich schw¨achere van der Waals-Kr¨afte wirken als an Luft, ist eine Deformation der Partikel auch kaum zu erwarten.

Bestimmung der Eindringtiefe:Der Fehler in der Skalierung der Abstandsachse ist nach Gleichung 3.5 durch die verwendete Eindringtiefe ζ−1 gegeben. Wie genau die-se bekannt ist h¨angt letztendlich davon ab, wie exakt die Abweichung vom kritischen Winkel und die Brechungsindices der verwendeten Materialien bestimmt sind (siehe Gleichung3.3). In dieser Arbeit wurde der kritische Winkel vor jeder Messreihe anhand des Verschwindens des transmittierten Strahls bestimmt. Die Abweichung von diesem Winkel l¨asst sich ¨uber einen neu konstruierten Schwenkarm sehr genau einstellen. Zur experimentellen ¨Uberpr¨ufung dieser Vorgehensweise wurde das gleiche Sondenpartikel (Polystyrol, a= 2µm) mit bekannter (effektiver) Gewichtskraft f¨ur verschiedene Win-keleinstellungen des Schwenkarms gemessen. Die Eindringtiefe wurde dabei f¨ur jede Messung so gew¨ahlt, dass die Steigung des Gravitationsastes den bekannten Wert hat-te. Abbildung 3.11 zeigt, dass die Ergebnisse (Rauten) in sehr guter ¨Ubereinstimmung mit den nach Gleichung3.3zu erwartenden Eindringtiefen (durchgezogene Kurve) sind.

Das eingesetzte Bild in Abb. 3.11 zeigt die Potentialkurve einer typischen Einzelmes-sung und die an den Gravitationsast angefittete Steigung. Es sei hier schon erw¨ahnt, dass bei Messungen mit sehr großen Eindringtiefen (>≈ 250 nm) prinzipielle Proble-me auftreten k¨onnen. Sie werden im Anhang B noch ausf¨uhrlich behandelt werden.

Die Genauigkeit in z-Richtung, mit der jeder Punkt der Potentialkurve bestimmt ist, ist wegen des exponentiellen Charakters der Streuintensit¨at umso besser, je n¨aher er an der Oberfl¨ache liegt. Als gute Absch¨atzung des Fehlers kann der Abstand zweier benachbarter Punkte in der Potentialkurve gelten. Wird die Eindringtiefe vermindert, erh¨oht sich die Genauigkeit, mit der die Abst¨ande gemessen werden k¨onnen, da sich die Streuintensit¨at dann st¨arker mit dem Abstand ¨andert. Andererseits bewirkt eine Ver-minderung der Eindringtiefe, dass man weniger weit in das L¨osungsmittel

”hineinsieht“.

Ist die Fluktuationsamplitude des Partikels gr¨oßer als die vierfache Eindringtiefe, l¨auft es zeitweise aus der evaneszenten Welle heraus. In diesen Zeiten k¨onnen keine Daten gesammelt werden. Die Potentialkurve erreicht in diesem Fall f¨ur große Abst¨ande nicht mehr die volle H¨ohe von ≈ 8kBT, die durch die Fluktuationen des Sondenpartikels gegeben ist.

46 KAPITEL 3. DIE METHODE DER EVANESZENTEN LICHTSTREUUNG

Abb. 3.11:Eindringtiefe als Funktion der Abweichung vom kritischen Winkel f¨ur eine Glas-(n1 = 1.515) Wasser- (n2 = 1.333) Grenzfl¨ache. Abschirml¨ange: κ−1 = 25 nm (c(N aCl) = 140µmol/l). Das eingesetzte Bild zeigt eine typische Potentialkurve, aus deren Steigung der markierte Datenpunkt ermittelt wurde. N¨ahere Erl¨auterungen sind im Text gegeben.

Genauigkeit der Energieskala

Die Genauigkeit der Potentialachse ist im Wesentlichen durch die Statistik bestimmt.

Typische Intensit¨atshistogramme (siehe Abb. 3.6) haben N=1000 oder mehr Ereignis-se im Intervall mit der gr¨oßten H¨aufigkeit. Daraus ergibt sich eine Genauigkeit von ca. 0.3kBT, wie man z.B. in der Streuung der Punkte entsprechender Potentialkurven sehen kann. F¨ur die Potentialpunkte mit geringerer Statistik erh¨oht sich der Fehler nach einem 1/q(N)-Gesetz [Wil00]. Generell wurde in allen hier gezeigten Potentialen versucht, mit so guter Statistik zu messen, dass der Fehler vergleichbar mit der Sym-bolgr¨oße ist und nur die Potentialpunkte am Anfang und Ende der Kurven, wo die Statistik schlecht wird, merklich streuen. ¨Uber eine entsprechende Wahl der Intervall-breite in den Histogrammen ist es m¨oglich, die Genauigkeit der Energieskala auf Kosten der Ortsaufl¨osung zu erh¨ohen bzw. zu vermindern. Dies ist in Abb. 3.12 beispielhaft gezeigt. Die ersten 50000 Datenpunkte (500 Sekunden) der in Abb. 3.5 gezeigten Roh-daten wurden mit f¨unf verschiedenen Breiten der Intensit¨atsintervalle im Histogramm ausgewertet. Folglich bestehen die Potentialkurven aus 50 bis 2000 Datenpunkten und

3.4. GENAUIGKEIT UND GRENZEN VON TIRM 47

Abb. 3.12: F¨unf verschiedene Potentiale, die aus identischen Rohdaten mit jeweils un-terschiedlicher Anzahl von St¨utzpunkten (siehe Legende) ausgewertet wurden. Mit stei-gender Anzahl von Punkten nimmt die Statistik, mit der jeder einzelne Punkt bestimmt ist, ab und damit das Rauschen in den Potentialkurven zu. Die durchgezogenen Fitkur-ven ber¨ucksichtigen elektrostatische Abstoßung und Gewichtskraft. Man erkennt, dass auch bei geringer Statistik die Potentialpunkte genau um die Theoriekurve streuen. Zur besseren Ubersichtlichkeit sind die Potentiale um je 1¨ kBT entlang der Potentialachse verschoben.

die Anzahl der Ereignisse im Maximum des Histogramms variiert von ca. 2500 bis 60.

Man erkennt deutlich, wie die Potentialpunkte mit abnehmender Statistik weiter streu-en, daf¨ur aber auf der z-Achse dichter zusammenliegen. Das beste Verh¨altnis zwischen Potential- und Abstandsaufl¨osung liegt bei der gegebenen Statistik und Potentialform zwischen 100 und 200 Punkten. Dort liegen die Punkte einerseits hinreichend dicht auf der z-Achse zusammen, streuen andererseits aber kaum auf der Potentialachse, wie man im Vergleich mit der Fitkurve sieht.

Aufl¨osungsverm¨ogen f¨ur Kr¨afte

In die Kraftaufl¨osung, d.h. die Genauigkeit der Steigungen der Potentialkurven, ge-hen nat¨urlich die eben diskutierten Fehler in Potential- und Abstandsachse ein. Bei nicht zu steilen Potentialformen ergibt sich daraus eine Kraftaufl¨osung von weniger als 10 fN. Dies macht TIRM zur empfindlichsten Messmethode f¨ur kolloidale Wechselwir-kungen. Sie ¨ubertrifft die Kraftaufl¨osung des Rasterkraftmikroskops (AFM) um zwei und die des

”surface force apparatus“ (SFA) um f¨unf Gr¨oßenordnungen. Dies wird im Zusammenhang mit Eichmessungen der optischen Pinzetten noch demonstriert werden.

48 KAPITEL 3. DIE METHODE DER EVANESZENTEN LICHTSTREUUNG

Abb. 3.13: Freies (Kreise) und an der Oberfl¨ache haftendes (Quadrate) Polystyrol-Partikel vor einer Glasoberfl¨ache bei hohen Salzkonzentrationen. Der dargestellte, etwa 10 nm breite Potentialtopf des an der Oberfl¨ache haftenden Partikels gibt nicht das echte Potential (dieses w¨are noch wesentlich enger), sondern ein durch das Rauschen des Lasers und der Mess-elektronik verursachtes Pseudopotential wieder. Es veranschaulicht die Aufl¨osungsgrenze der Messmethode. Das Pseudopotential des an der Oberfl¨ache haftenden Partikels legt gleichzeitig den Nullpunkt der z-Skala nach der optischen Methode fest. Eindringtiefe ζ−1 = 207 nm.

Erreicht wird die Genauigkeit durch lange Messzeiten von typischerweise 15 Minuten und die statistische Auswertung der Daten. In der aktuellen Arbeit von Willemsen et al. wurde gezeigt, dass eine Analyse der Brown’schen Bewegung der AFM-Spitze und eine der TIRM-Methode sehr ¨ahnlichen Datenauswertung die Kraftaufl¨osung der AFM-Methode ebenfalls verbessern kann [Wil00].

Die mit TIRM maximal messbaren Kr¨afte sind durch apparative Gr¨oßen bestimmt.

Je gr¨oßer die Kr¨afte werden, desto kleiner werden die Fluktuationen des Partikels und die damit verbundenen ¨Anderungen seiner Streuintensit¨at. Das wird besonders deutlich f¨ur durch van der Waals-Kr¨afte an der Oberfl¨ache haftende Partikel. F¨ur sie betr¨agt die aufgrund des engen Potentialtopfes erwartete Rauschamplitude weniger als 10−4 der Streuintensit¨at. Tats¨achlich misst man jedoch Rauschamplituden von etwa 1 %. Das gemessene Rauschen wird hier nicht mehr durch die Partikelfluktuationen, sondern nur noch durch das im neuen TIRM-Aufbau minimierte Rauschen von Beleuchtungslaser und der Messelektronik bestimmt. Wertet man dieses Rauschen mit der normalen Aus-wertungsroutine aus, erh¨alt man ein Pseudopotential mit einer typischen Breite von 5 % der Eindringtiefe (ζ−1). Ein solches Pseudopotential ist in Abb. 3.13 im Vergleich mit dem eines freien Partikels dargestellt. Gr¨oßere Kr¨afte als die, die durch die Steil-heit der Flanken des Pseudopotentials gegeben sind, k¨onnen mit TIRM nicht gemessen

3.5. AUFBAU 49