2. ALLGEMEINES
2.2 H ISTORISCHE E NTWICKLUNG DER P ALYNOLOGIE DES P ALÄOGENS M ITTELEUROPAS
Die systematische Bearbeitung fossiler Pollen- und Sporenvergesellschaftungen des Prä-Quartärs und ihre Anwendung auf die Lösung stratigraphischer Probleme hat ihren Anfang mit den frühen Arbeiten von R. POTONIÉ (1931, 1934) zur eozänen Braunkohle des Geiseltals genommen. Der Startschuß für die Entwicklung der ”Stratigraphischen Palynologie” zu einer eigenständigen und virulenten Disziplin ist somit durch die frühen palynologischen Arbeiten im Paläogen Mitteleuropas gefallen. In den folgenden Jahren weitete sich die Anwendung einerseits auf die neogenen Braunkohlen (z.B.
POTONIÉ et al. 1950), andererseits aber auch auf das Mesozoikum und Karbon aus (u.a.
POTONIÉ et al. 1954, POTONIÉ et al. 1955). Nach dem zweiten Weltkrieg fand die Palynologie des Prä-Quartärs vor allem durch die Anwendung in der Erdölexploration weltweite Bedeutung. In Deutschland waren es zunächst die Arbeiten von THOMSON
und PFLUG (PFLUG 1952, THOMSON & PFLUG, 1953), die die Pionierarbeiten von POTONIÉ und seinen Mitarbeitern auf eine neue systematische Grundlage brachten.
Durch die verstärkte Suche nach Energierohstoffen in der ehemaligen DDR bekam die Tertiär-Palynologie während der sechziger und siebziger Jahre einen neuen Schub durch die Anwendung in der Braunkohlenexploration. Der damals von den ostdeut-schen Kollegen erarbeitete Kenntnisstand und die seither vorliegende Datendichte sind für die Palynologie des Paläogens weltweit sicher einmalig und könnten weit über den mitteleuropäischen Raum hinaus Maßstäbe für die systematische und stratigraphische Bearbeitung setzen und als vielseitig verwertbare Quelle für Proxidaten bei paläoökologischen und paläoklimatologischen Rekonstruktionen dienen. Dem steht allerdings im Wege, daß nur ein Teil der Daten veröffentlicht und dann auch nur in weit verstreuten Publikationen zugänglich ist. Der weitaus größte Teil liegt aber wegen der früheren Geheimhaltung nur in verschlüsselter Form in verschiedenen Archiven vor. Die dort gespeicherten Informationen können zur Zeit nur von denjenigen Kollegen gelesen und genutzt werden, die an ihrer Erstellung beteiligt waren und heute noch tätig sind. Mit dem Ausscheiden dieser Generation von Palynologen wird die Kenntnis der nicht veröffentlichten Daten unwiederbringlich verloren gehen. Die aus dieser Bearbeitungsphase stammenden Daten umfassen vor allem Ergebnisse aus dem Weißelster-Becken, dem Geiseltal, dem Bitterfelder Revier, der Egelner Mulde (östliche Fortsetzung der Helmstedter Mulde) und der Oberlausitz.
Mittlerweile hat sich auch in den alten Bundesländern ein umfangreiches Datenmaterial zur Palynologie des Paläogens angesammelt (siehe auch die Zusammen-stellung der Lokalitäten auf Seite 8).
Abgeschlossen sind bereits die Arbeiten von THIELE-PFEIFER (1988) über Messel sowie von NICKEL (1996a) über die Pechelbronner Schichten im nördlichen Oberrheingraben und über das Eckfelder Maar in der Eifel (NICKEL 1996b). SCHULER
(1990) bearbeitete mehrere Profile aus dem Paläogen vom Rhonegraben bis in die Hessische Senke palynologisch. Vor und während der Entwicklungsphase dieser Dissertation fand eine ökologisch/palynologisch orientierte Bearbeitung des Helmstedter Paläogens durch die "Göttinger Arbeitsgruppe" im Rahmen von zwei Dissertationen (HAMMER-SCHIEMANN 1998, LENZ 2000) mehrerer Diplomarbeiten und Arbeiten des Betreuers statt. Ergänzend zu diesen Arbeiten kann auch Material von abgeschlossenen Arbeiten aus dem benachbarten Ausland (KRUTZSCH & VANHOORNE
1977) herangezogen werden.
Gleiches gilt für Material aus Arbeiten, die seit der Wende in den neuen Bundes-ländern wieder verstärkt aufgenommen wurden. Hierzu gehören folgende Arbeiten:
Lokalität Bearbeiter
Egelner Mulde KRUTZSCH, Berlin
KIESEL, Freiberg
BLUMENSTENGEL, Halle
Region Halle
z.B. Tagebau Merseburg Ost BLUMENSTENGEL
Tagebau Schleenhain, Tagebau Witznitz WALTHER, RIEGEL, HAMMER
Tagebau Bockwitz (Thierbachschichten, Oligozän) GASTALDO et al.
Leipziger Bucht (marines Paläogen) FECHNER
Abb. 2.1: Arbeiten aus den neuen Bundesländern.
Die Art der Bearbeitung und der Stand der Veröffentlichungen ist für die genannten Arbeitsgebiete außerordentlich heterogen. Dieser Sachverhalt ergibt sich erwartungs-gemäß über einen Zeitraum der einzelnen Bearbeitungen von fast 70 Jahren sowie aus dem Wechsel der Zielsetzungen. Die letzte großregionale Zusammenstellung für Mitteleuropa zu einem Atlas der tertiären Sporen und Pollen (THOMSON & PFLUG
1953) liegt inzwischen fast 50 Jahre zurück. Die dort eingesetzte Taxonomie und Nomenklatur wurde von jüngeren Autoren in unterschiedlicher Weise übernommen, abgewandelt oder zum Teil abgelehnt. Es fehlt eine umfassende, moderne Zusammen-fassung und Modifikation der Arbeitsmethoden, die als Leitlinie für die taxonomische und nomenklatorische Handhabung dient und gleichzeitig eine autoritative Quelle für stratigraphische, geographische, botanische und ökologische Informationen darstellt.
Sporenzone Lokalität Stratigraphische Einheit Bearbeiter,
Material-Quelle Alter
SPP-Zone 20 [A-I,
II, III] Tgb. Witznitz Thierbach-Sch. * WALTHER, RIEGEL, HAMMER
Tgb. Bockwitz Thierbach-Sch. GASTALDO et al. Neo-Chatt bis Basis Miozän
Westerwald, Enspel KÖHLER
Oberrhein Ob. Pechelbronner Sch. NICKEL Mittel- bis Ober-Oligozän,
Weißelster-Becken (z.B.
Schleenhain)
Haselbach-Tone Bereich Flöz III-IV
WALTHER, KRUTZSCH et al.,HALFAR et al.
Eo-Chatt ?Lausitz, Seifhennersdorf WALTHER
SPP-Zone 19 Hessen Heskemer Bild PFLUG Unter-Oligozän Latdorf
Melanientone PFLUG
Sieblos JÄHNICHEN, MARTINI
Oberrhein Mittl. Pechelbronner Sch. NICKEL, SCHULER
Weißelster-Beckenehem.
Tgb. Lochau-Ost
KRUTZSCH et al.
Lausitz, Kleinsaubernitz GOTH
SPP-Zone (Zwenkauer Florenh.)
Leipzig, Tgb. Zwenkau Zwischenmittel zw. Flöz II
und III ? KRUTZSCH, WALTHER Ober-Eozän, Präbon
Historische Entwicklung der Palynologie des Paläogens Mitteleuropas 8 Sporenzone Lokalität Stratigraphische Einheit Bearbeiter, Material- Alter
Quelle SPP-Zone 17/18 Geiseltal Hangendes d. Geiseltal-S. KRUTZSCH et al. Mittel-Eozän,
Oberstes (Zwischenzone) Weißelster-Becken Flöz I und II KRUTZSCH et al. Barton
Egeln-Süd Hangendes von Flöz I KRUTZSCH,
BLUMENSTENGEL, KIESEL
SPP-Zone 17 westl. Halle, Amsdorf Hauptflöz KRUTZSCH, BLUMENSTENGEL
Mittel-Eozän, Oberes Weißelster-Becken (Tgb.
Profen)
Egeln-Süd Flöz Löderburg KRUTZSCH, BLUMENSTENGEL
SPP-Zone 16/17 Weißelster-Becken Liegendes von Flöz I KRUTZSCH et al. Mittel-Eozän, Mittleres
(Übergangsphase) Egeln Süd Barton
SPP-Zone 16 Weißelster-B.
(Merseburg Ost)
Flöz Merseburg BLUMENSTENGEL Mittel-Eozän;
Unteres Egeln-Süd Flöz II KRUTZSCH,
BLUMENSTENGEL
Barton Subherzyn (Nachterstedt) Unterflöze KRUTZSCH
Helmstedt Annenberg-Sch. KRUTZSCH
Hessen Borkener Oberflöze KLEIN-RESINK, RIEGEL
SPP-Zone 15/16 (Zwischenzone)
Geiseltal Oberkohle bis Hangendserie
SPP-Zone 15 Geiseltal Oberkohle (15D) KRUTZSCH et al. Mittel-Eozän, Lutet (Subzonen A-D) Ob. Mittelkohle (15C) KRUTZSCH et al.
Mittelkohle (15B) KRUTZSCH et al.
Unterkohle (15A) KRUTZSCH et al.
Eifel (Eckfeld) Ölschiefer (=15C) NICKEL
Oberrhein (Messel) Ölschiefer (=15A) THIELE-PFEIFFER
Helmstedt * Oberflöze LENZ,HAMMER, HAMMER -SCHIEMANN, NATGE-EFOGE
SPP-Zone 14/15 Geiseltal Liegendabschnitt KRUTZSCH et al. Grenzbereich (Übergangszone) Oberrhein (Messel) Ölschiefer THIELE-PFEIFFER, WILDE U/M-Eozän
(Ypres/Lutet) SPP-Zone 14 Geiseltal-Südfeld KRUTZSCH et al. Unter-Eozän
S-Brandenburg Nedlitzer Schichten ?Ypres
Helmstedt oberer Teil d. Unterflöze RIEGEL
SPP-Zone 13 Helmstedt * Unterflöze HAMMER-SCHIEMANN Unter-Eozän, Ypres
SPP-Zone 12 Riestedt KRUTZSCH Basis Eozän
SPP-Zone 12 Belgien, Epinois, Antweiler
KRUTZSCH & vanHOORNE, PFLUG, BATTEN
Ob. Paläozän (Landen) SPP-Zone 9 Thüringen, Sangerhausen
SPP-Zone 8 Brandenburg Nassenheider Sch. KRUTZSCH Mittl. Paläozän SPP-Zone 7 Hannover, Sarstedt Gründeberger Serie PFLUG Unt. Paläozän
(Mont) Abb. 2.2: Tabellarische Darstellung der Lokalitäten deren Palynomorphen Datenbank-relevant sind.
Bereits mit der Datenbank erfaßte Lokalitätsdaten sind gekennzeichnet (*).