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Grundsätzlich ist Clemens Wischermanns These sicher zuzustimmen, daß Körper- Körper-geschichte im Zuge einer Etablierung als historische Kulturwissenschaft nicht nur

Konstrukte vergangenen Heldentums

99 Grundsätzlich ist Clemens Wischermanns These sicher zuzustimmen, daß Körper- Körper-geschichte im Zuge einer Etablierung als historische Kulturwissenschaft nicht nur

der Status einer Leidens- und Verlustgeschichte zugeschrieben werden darf. Doch seine These, daß man »(Lebens-)Geschichte nicht ausschließlich oder in erster Linie als Aufbewahrungsort von Leiden deklarieren« dürfe, geht gerade an den Sinnstif-tungsstrategien jener gesellschaftlichen Gruppierungen vorbei, für die dieses Leiden ein zentraler Aspekt ihrer Identität bzw. ihrer Selbstdarstellungsstrategien war. Vgl.

Clemens Wischermann, Geschichte des Körpers oder Körper mit Geschichte?, in:

Körper mit Geschichte: Der menschliche Körper als Ort der Selbst- und Weltdeu-tung, hrsg. von Clemens Wischermann und Stefan Haas, Stuttgart 2000, S. 9-31, hier:

S. 27.

100 Vgl. dazu Bessel, Kriegserfahrungen (wie Anm. 28), S. 130 f.

mentationshilfe auf101. Um die sich im Körper materialisierenden Kriegsfolgen glaubhaft machen zu können, war es also notwendig, nachhaltig zum Experten des vergangenen Kriegsgeschehens zu werden: Auch nach dem Krieg befanden sich die Invaliden weiterhin argumentativ und emotional im Krieg.

In der Perspektive der Selbstwahrnehmung und der Einordnung in die ange-botenen Helden-Bilder war dieser Akt der Selbstdarstellung allerdings zwei-schneidig: Solange es um die Anerkennung ihrer Rentenansprüche und ihr Auf-treten vor Ärzten, Gutachtern und Behördenvertretern ging, mußten sie sich mög-lichst überzeugend als invalide präsentieren; um gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten, waren sie hingegen gezwungen, sich als heldenhafte, arbeitswillige Überwinder darzustellen. Diese Ambivalenz zeigte sich besonders ausgeprägt bei einem Rechtsstreit um Rentenansprüche: Zum Zweck der Rentenklage befanden sich die Kriegsversehrten in der Zwangslage, die eigene körperliche Befindlichkeit vor den >Experten< in peinlicher Detailliertheit ausbreiten zu müssen. Der Körper, der ihre Hilflosigkeit dokumentierte, wurde so permanent zum Thema, und sie mußten eloquent und beredt werden, um die meist nur stumme Beweiskraft ihrer Leiden zum Sprechen bringen. Im Bemühen um eine überzeugende Rekonstruk-tion ihrer Rolle als »Kriegsopfer« waren sie noch bis Ende der 1920er Jahre quasi gezwungen, sich vor der Umwelt und dem begutachtenden Publikum als leidend darzustellen. Dieses Leiden mußte auch für Außenstehende plastisch und damit nachvollziehbar gemacht werden. Die dafür notwendige Darstellungskompetenz war zugleich eine Gratwanderung. Wer sein Leiden übertrieb, konnte schnell als Schwächling und Versager, im anderen Fall als Simulant und Hypochonder abge-stempelt werden.

Resümee: Nach-Kriegs-Mobilmachungen

Die These von der Fortdauer des Ersten Weltkrieges über das Kriegsende und die Niederlage hinaus und damit von der nachhaltigen Präsenz des Krieges im Frie-den ist nicht neu102. Sie bestimmt derzeit die aktuellen Debatten innerhalb der deut-schen Weltkriegsforschung und löst damit einen sozial-historideut-schen Ansatz ab, der sich zwar stärker mit der Perspektive »von unten« und damit einer Sichtweise der Betroffenen beschäftigt hat, dabei aber in der Analyse von Egodokumenten wie z.B. Autobiographien und Feldpostbriefen mehr noch die »Wahrheit« des Krieges und die »Authentizität« des Kriegserlebnisses zu rekonstruieren versuchte. In die-ser Perspektive war einer kulturellen Bearbeitung der Kriegsfolgen noch wenig Beachtung geschenkt worden. Im Kontext einer kulturwissenschaftlichen Debatte

101 Vgl. dazu Bessel, Kriegserfahrungen (wie Anm. 28), S. 135 f. Die Radikalisierung der Kriegsbeschädigten in den späten Jahren der Weimarer Republik diagnostiziert Ewald Frie als einen Prozeß, der schon mit Beginn der Selbstorganisation der Kriegsbeschä-digtenverbände von vornherein so angelegt gewesen sei, vgl. Frie, Vorbild oder Spie-gelbild? (wie Anm. 36). Dem widerspricht Whalens These von der grundsätzlichen Be-reitschaft der Kriegsbeschädigtenorganisationen, mit den politischen Vertretern der Re-publik zusammenzuarbeiten, vgl. Whalen, Bitter Wounds (wie Anm. 28), S. 155.

102 Als jüngsten Beleg dafür vgl. den Band: Der Krieg (wie Anm. 46).

bahnt sich da eine Veränderung an: Der Stellenwert u.a. von kulturellen Deu-tungsmustern, Symbolen und semantischen Feldern103 sowie die Bedeutung und Reichweite von konkurrierenden Erinnerungsmilieus und den entsprechenden Mythisierungen des Fronterlebnisses104 rücken nun in den Mittelpunkt105. Die Fra-ge nach den »KriegserfahrunFra-gen« Fra-geht daher auch nicht mehr von der Möglichkeit aus, ein individuelles »Kriegserlebnis« rekonstruieren zu können. Ein theoretisch und methodisch gerichteter Blick auf die Kategorie der »Erfahrung« widmet sich den differenten gruppenspezifischen Verarbeitungsformen und ihren jeweiligen Sedimentierungen und Codierungen in Symbolen, Ritualen und Sprache, die in historischer Perspektive das Material für kollektive Deutungs- und Umdeutungs-prozesse bilden106. Hier knüpft auch die Frage nach den »Kriegsfolgen« und dem Beginn einer »Nachkriegszeit« für jeweils unterschiedliche gesellschaftliche Grup-pierungen an, die eben weder automatisch mit dem offiziellen Datum des Kriegs-endes zusammenfällt noch von hegemonialen Deutungsinstanzen von »oben« für alle verbindlich gesetzt werden konnte. Die Frage nach der »Nachkriegszeit«, so die These, hängt nicht nur von den jeweiligen Erwartungshaltungen ab. Wichtig ist vor allem die Frage, wie sich die jeweils betroffenen Gruppen zu einer gedachten Zukunft in der Gegenwart des Krieges in Beziehung setzen konnten bzw. welche Rolle der Krieg für die eigene Neupositionierung spielte, die im Zuge gesell-schaftlicher Transformationsprozesse und politischer Umbrüche nach dem Krieg notwendig wurde. Die kulturelle Nachhaltigkeit von Kriegserfahrungen und damit auch deren Sedimentierung muí? daher jeweils kontextbezogen über die (Selbst-)-Wahrnehmungen, Deutungen und symbolischen Verortungen der historischen Sub-jekte rekonstruiert werden. Gerade am Beispiel der Kriegsinvaliden wird deutlich, wie grundlegend und dauerhaft sich der Krieg in ihren Körpern und Köpfen ma-terialisiert hatte und damit als Anlaß für Leiden und individuelle Erinnerung, aber auch als konstituierendes Element einer kollektiven Identitätspolitik in der Neu-gestaltung der sozialen Verhältnisse nach dem Krieg präsent blieb. Der eigene Kör-per wurde für die kriegsbeschädigten Männer somit zu einem sinnstiftenden sym-bolischen Ankerpunkt, um sich in der permanenten Rückbindung an den Krieg in der Gegenwart der Nachkriegsjahre zu verorten und die ihnen spezifische »Er-fahrung« des Krieges symbolisch repräsentieren zu können.

Die These vom Weiterwirken des Krieges tritt meist gemeinsam mit der Fest-stellung einer umfassenden Brutalisierung der politischen Kultur der Weimarer Republik auf, eine These, die die unmittelbare Kausalität zwischen der Kriegs-bzw. Fronterfahrung und dem Verlust zivilisatorischer Normen, Werte und tradi-tioneller Bindungen behauptet. Brutalisierung geht in dieser Vorstellung auch ein-her mit ein-heroisch verbrämten Formen einer kollektiven >Vermännlichung< und mit

103 Vgl. dazu vor allem Reimann, Der große Krieg (wie Anm. 31).

104 Vgl. dazu Ziemann, Die Erinnerung (wie Anm. 16).

105 Vgl. dazu auch die Ergebnisse eines mentalitätsgeschichtlich ausgerichteten For-schungsprojekts: Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, hrsg. von Gerhard Hirschfeld [u.aj, Essen 1997.

106 Vgl. dazu den Sammelband, der im Rahmen des Tübinger DFG-Sonderforschungsbe-reichs »Kriegserfahrungen - Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit« erscheint und theo-retische wie auch methodische Ansätze für eine historische Fundierung der Kategorie

»Erfahrung« vereint. Nikolaus Buschmann und Horst Carl, Zugänge zur Erfahrungsge-schichte des Krieges: Forschung, Theorie, Fragestellung, in: Die Erfahrung des Krieges (wie Anm. 93), S. 11-26.

einem allgemeinen Anstieg der Gewalt bzw. der Gewaltbereitschaft. Diese Aspek-te gelAspek-ten dabei als spezifische Folge soldatischen FronAspek-terlebens, z.B. der Extremsi-tuation des Massensterbens und der Materialschlachten im Westen, und als Kom-pensationsstrategie soldatisch sozialisierter Männer für die späteren Erfahrungen der Niederlage und der Entfremdung in der Zivilgesellschaft der direkten Nach-kriegsjahre. Diese Brutalisierungs-These, die meist einseitig mit Hinweisen auf die Literatur des »soldatischen Nationalismus« argumentiert und dabei direkt auf den Nationalsozialismus abzielt, erfährt mittlerweile wenigstens ansatzweise eine Dif-ferenzierung. Ausschlaggebend hierfür ist ein Blick auf andere Quellen und an-dere gesellschaftliche Trägergruppen, die Auskunft geben können über mögliche andere Verarbeitungsformen des Krieges107.

Unbestritten war das Lebensgefühl der deutschen Bevölkerung nach der Ka-tastrophe des Ersten Weltkrieges nachhaltig von den Folgen dieses Krieges geprägt und damit ein grundlegend anderes als noch um die Jahrhundertwende bzw. vor 1914. Die Erfahrung des Krieges bestimmte für viele Zeitgenossinnen und Zeitge-nossen - und gerade für die Vielzahl von »Kriegsopfer«-Gruppen im weitesten Sinne - die Perspektive auf Zukunft und Vergangenheit zugleich. Doch scheint es vereinfachend, einen kausalen und direkten Ubersetzungsprozeß von Kriegser-fahrungen in eine umfassende Brutalisierung als zwangsläufig anzunehmen. Be-reits Reinhart Koselleck hat sehr eindrücklich auf die Komplexität von Erfahnuigs-und Verarbeitungsprozessen verwiesen Erfahnuigs-und dabei u.a. eine Differenzierung emp-fohlen, die synchrone Faktoren, die im Krieg selbst wirksam geworden sind, ab-grenzt gegen diachrone Faktoren, die die Kriegsfolgen selbst hervorgebracht ha-ben108. Diese Komplexität ist auch für den jeweiligen Entstehungszusammenhang von (Selbst-)Bildern und gesellschaftlichen (Selbst-)Zuordnungen und Verortun-gen anzunehmen, ebenso wie für die Komplexität dieser Bilder selbst. Am Beispiel der Gruppe der Kriegsinvaliden läßt sich dies zeigen. Mit den Invaliden des Er-sten Weltkrieges tritt eine Personengruppe auf, deren gesellschaftliche Situation durchaus nicht eindeutig war, obwohl für sie der Krieg mit der körperlichen Ver-sehrung und einer festgestellten Dienstuntauglichkeit beendet zu sein schien. Sie gehörten einerseits zu den überlebenden »Helden«, konnten sich aber andererseits zugleich zu den bemitleidenswerten »Opfern« dieses Krieges zählen. Der von außen gesetzte gesellschaftliche Diskurs stellte allerdings beide Perspektiven in Frage: So zielten die normativen Helden-Bilder, die für den Kriegsinvaliden bereit gehalten wurden, schon von Beginn des Krieges an auf Vergessen und schnelle Normali-sierung ab. Zugleich waren sie aber auch darauf ausgelegt, dem

Kriegsbeschädig-107 Zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit der häufig geäußerten These einer um-fassenden Brutalisierung vgl. u.a. Jay Winter, Sites of memory, sites of mourning. The Great War in European cultural history, Cambridge 1995, S. 6. Mit Blick auf die europä-ische Quellenlage vertritt der engleuropä-ische Historiker die These, daß Brutalisierung nicht die einzige Reaktion auf die Erfahrungen des Krieges gewesen sei, und betont stärker die Bedeutung der Trauer über kollektive Verlusterfahrungen. Für einen differenzier-teren Blick plädiert auch Patrick Krassnitzer, Die Geburt des Nationalsozialismus im Schützengraben: Formen der Brutalisierung in den Autobiographien von nationalsozia-listischen Frontsoldaten, in: Der Krieg in den Köpfen (wie Anm. 46); vgl. auch Ziemann, Die Erinnerung (wie Anm. 16).

108 Vgl. Reinhart Koselleck, Der Einfluß der beiden Weltkriege auf das soziale Bewußtsein, in: Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, hrsg. von Wolfram Wette, München, Zürich 1992, S. 324-343.

ten den Anspruch auf den Sonderstatus als »Opfer« des Krieges abzusprechen.

Der Krieg, so die Schlußfolgerung, hatte sich zwar in ihren beschädigten Körpern niedergeschlagen, sollte dort aber zugleich unsichtbar gemacht werden. So wurde ihnen die Reputation des Heldendaseins frühzeitig abgesprochen und die Bedeu-tung der körperlichen bzw. psychischen Kriegsfolgen abgewertet und negiert. Da-mit war es gerade nicht die Fronterfahrung als solche, sondern die kollektive Ver-weigerung emotionaler Anteilnahme und symbolischer Repräsentation nach dem Krieg, die zu einer Selbstüberhöhung und Heroisierung des eigenen Schicksals führen mußte. Das beharrlich-eigensinnige Festhalten an der Kriegsopfer-Rolle und die Selbststilisierung als Kriegsbeschädigter, als »armes Kriegsopfer« war ein zentraler Bestandteil der Identitätspolitik der Kriegsversehrten: Sie brauchten die Erinnerung an den Krieg als Folie, vor deren Hintergrund sie ihre Verwundungen in den entsprechenden Bedeutungskontext stellen und für die Gesellschaft »les-bar« machen konnten. Diese Betonung der symbolischen Dimension des kriegs-zerstörten Körpers wurde um so wichtiger, je stärker der Staat aufgrund seiner schränkten ökonomischen Ressourcen die sozialen Rechte der Kriegsopfer zu be-schneiden versuchte. Je mehr die Gesellschaft Unsichtbarkeit von ihnen forderte, desto offensiver gingen die Beschädigten mit ihrem Körper und ihren Leiden an die Öffentlichkeit.

Nachkriegszeiten, so die These der Soziologin Christine Eifler, seien »historische Zeiträume, in denen der Prozeß der Vergeschlechtlichung mit äußerster Intensität stattfindet«, und sie betont dabei »die Rolle des Körpers für die Konstruktion von Geschlecht«109. Dies geht überein mit der gängigen These, daß die Fronterfahrung des Ersten Weltkriegs vor allem Konstruktionen scheinbar ungebrochener hero-ischer Männlichkeit hervorbrachte, wie sie z.B. immer wieder in der Rezeption der Literatur des »soldatischen Nationalismus« - allen voran Ernst Jünger - als aus-schlaggebend für eine ganze Kriegsgeneration behauptet werden. Das unter den Bedingungen des Krieges entstehende Bild von »Männlichkeit« in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war allerdings weitaus komplexer. Gerade im Kontext der Beziehungen zum anderen Geschlecht, aber auch in der Rangordnung hegemo-nialer Männlichkeiten in der modernen Berufswelt, die im doppelten Wortsinne den »ganzen Mann« forderte, erlebten die Kriegsinvaliden die Brüchigkeit tra-dierter Männlichkeitsvorstellungen am eigenen Leibe. Auch wenn viele Kriegsbe-schädigte im Kaschieren der eigenen Behinderung große Routine entwickelten und die technische Ausstattung des Körpers immer weiter perfektioniert wurde, muß-ten sie sich und ihre Qualität als »Mann« in der Konkurrenz zu den unversehrmuß-ten Männern, aber auch zu den Frauen neu definieren, und dies meist auf Lebenszeit.

Entsprechend heterogen und komplex ist das Bild jener Männer, die in der Kon-sequenz die Erfahrung einer physischen und psychischen Beschädigung zum Zen-trum ihrer Lebensführung machten. Dreh- und Angelpunkt dieser geschlechtlich konnotierten (Selbst-)Verortung war der Körper, der notgedrungen zu einem ur-eigenen Medium der Sinnstiftung, der Deutung und der Selbstdeutung als Mann wurde. Die Selbstbilder und Selbststilisierungen von Kriegsinvaliden zeigen aber

109 Christine Eifler, Nachkrieg und weibliche Verletzbarkeit. Zur Rolle von Kriegen für die Konstruktion von Geschlecht, in: Soziale Konstruktionen - Militär und Geschlechter-verhältnis, hrsg. von Christine Eifler und Ruth Seifert, Münster 1999, S. 155-186, hier:

S. 157. Interessanterweise wird auch hier der Begriff der Vergeschlechtlichung und die analytische Kategorie des Körpers implizit auf das weibliche Geschlecht reduziert.

auch, daß das tradierte Bild des männlich gedachten Kriegshelden zumindest bei den Betroffenen selbst ein Stück weit einem Wandel unterzogen wurde. Ihr eige-nes Heldenbild, das den Zustand des invaliden Körpers mit einbezog, war also durchaus komplexer als jenes, das ihnen von außen angeboten bzw. abgefordert wurde. So konnte ihr Anspruch, ein Held des Krieges zu sein, in ihren Augen gut damit überein gehen, die eigene Kraftlosigkeit, die Arbeitsunfähigkeit, körperlich spürbare Angstzustände und nervliche Zusammenbrüche einzugestehen - sich al-so eigentlich als unheldenhaft darzustellen. Diese Möglichkeit, auch als unmänn-licher Mann als Kriegsheld akzeptiert zu sein, wurde ihnen allerdings bereits während und dann verstärkt gegen Ende der Weimarer Republik im Verlauf der na-tionalkonservativen Umorientierung verweigert. So sprach ein rechtsgerichteter Autor bereits 1920 den Kriegsbeschädigten jede Lebensberechtigung ab und forderte sie quasi zum Selbstmord auf: War der Kriegsbeschädigte »tapfer genug, seine Ge-sundheit, sein Leben im Kampf aufs Spiel zu setzen, so soll er auch die letzte Tap-ferkeit besitzen, den wertlosen Rest seines Lebens selbst zu enden«110.

Abstract

After the traumatic experience of World War I German society had to face the mil-itary defeat and to overcome the following social and economic problems. Beyond that the society also had to accept the fact, that about 2.7 millions of male combat-ants who returned alive from this industrialized mass war were suffering from severe and permanent physical and mental injuries. One of the consequences of this modern war experience was that the relationship between the assumed status of masculinity of a warrior hero and the fact of his corporeal disability had to be redefined. The following text presents and discusses hegemonic images and rep-resentations of war heroism and masculinity, which were proposed for the social integration of the war disabled before 1918. Those normative images of the war-rior hero are contrasted by the contemporary identity politics of the people con-cerned with war disability, who in the Weimar Republic took over both parts and acted as »war heroes« as well as »war victims« in order to cultivate and influence the remembrance of the war and who thus developed their own conceptions of war heroism.

110 Ernst Mann [d.i. Gerhard Hoffmann], Die Moral der Kraft, Weimar 1920, S. 45 f.