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Grundlagen des Unterstützungsmanagements im Arbeitsfeld der ambulanten Kinderhospizarbeit

Im Dokument Band 18 (Seite 146-150)

Sozialpädagogisches Unterstützungsmanagement in der ambulanten Kinderhospizarbeit

2. Grundlagen des Unterstützungsmanagements im Arbeitsfeld der ambulanten Kinderhospizarbeit

2.1 Unterstützungsmanagement und Ehrenamt

Das klassische Unterstützungsmanagement (Case Management) hat die Kern-funktion, den Ehrenamtlichen (hier den Klienten der Sozialen Arbeit) Hilfen koordiniert zugänglich zu machen, um Problemlagen zu lösen und um Span-nungen und Stress abzubauen (vgl. Galuske, 2009, 196f.). Die kritisch be-trachtete Akzentverschiebung der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit hin zu einer effizient ökonomisierten Dienstleistung ist im Non-Profitsektor der ambulanten Kinderhospizarbeit nur bedingt wieder zu finden. Aber auch hier müssen sich viele Einrichtungen über den effizienten und effektiven Einsatz ihrer personalen Ressourcen positionieren und Rahmenbedingungen definie-ren, an denen sich die Koordinatorin im Alltag orientieren kann.

Die Koordinatorin wiederum muss in dem ihr vorgegebenen Rahmen (Gesetz u. Institution) ihre zeitlichen Ressourcen sowohl auf die Bedürfnisse der Familien als auch auf die Ehrenamtlichen und die Institution ausrichten.

Sie stößt bei der Zieldefinition und Auftragsklärung ihres Aufgabenfeldes, wie in den klassischen Feldern des Unterstützungsmanagements, auf das Problem der triadischen Auftragsaushandlung (Gesetzgeber und Arbeitgeber;

Eltern und erkrankte Kinder; Koordinatorin und Sozialarbeiterin; vgl. Haye u. Kleve, 2008). Diese Aushandlung wird im Feld der ambulanten

Kinder-hospizarbeit durch die Bedürfnisse der Ehrenamtlichen erweitert, die mithel-fen, die Qualität der Unterstützung sicher zu stellen.

Ein überlegtes und strukturiertes Vorgehen durch ein Unterstützungsma-nagement ist gerade in Bezug auf die personale Ressourcenorientierung hilf-reich und sinnvoll. Die Vorgehensweise des Unterstützungsmanagements besteht aus unterschiedlichen Handlungsschritten, -phasen und -dimen-sionen, die in der Literatur differenziert dargestellt werden und in den unter-schiedlichen Arbeitsfeldern Anwendung finden (vgl. Wendt, 2001). Die Grundlagenarbeit des gesamten Unterstützungsmanagements liegt im Asses-sment, das heißt der sorgfältigen Einschätzung des individuellen Unterstüt-zungsbedarfes und der Abschätzung der Unterstützungsmöglichkeiten. Dabei geht es um die Sondierung von Stärken und Schwächen eines Menschen (hier des Ehrenamtlichen) und seiner Lebenszusammenhänge (vgl. Wendt, 1995).

Das methodische Vorgehen kann als eine zirkuläre, aufeinander aufbau-ende Handlungsabfolge verstanden werden. In der prozesshaften, systemi-schen Praxis dürfen diese Schritte nicht nur linear verfolgt, sondern immer wieder aufgrund hinzugekommener Fakten erneut betrachtet werden. Wäh-rend einer Intervention, kann es aufgrund einer neuen Situation zu einer wie-derholten Abklärung, Planung und Zieldefinition kommen (vgl. Haye u. Kle-ve, 2008).

Das Unterstützungsmanagement diagnostiziert und strukturiert Defizite, um diesen durch passgenaue Angebote zu begegnen und gegebenenfalls sogar vorausschauend zu kompensieren (Ressourcenförderung). Dabei ist zu beachten, dass sich das Defizit zumeist im emotionalen Bereich befindet und ein alleiniger funktionaler Ersatz des Defizites durch eine Dienstleistung nicht befriedigt werden kann (vgl. Lammer, 2003). Demzufolge kommt der Beziehungsarbeit zur Umsetzung des Unterstützungsmanagements mit Ak-zenten in der Kommunikation, Koordination, Kooperation und Vernetzung eine hohe Bedeutung zu. In Anlehnung an Moxley (1989) beschreibt Wendt (2001) die Abfolgelogik des Unterstützungsmanagements mit folgenden Schritten:

ƒ Einschätzen, Abklären (assessment)

ƒ Planen (planning)

ƒ Durchführen, Handeln (intervention)

ƒ Kontrolle, Überwachung (monitoring)

ƒ Auswertung (evaluation)

In Abb. 1 (S. 148) wird deutlich, dass Wendt (1995) die Kernfunktion des Unterstützungsmanagements in der Netzwerkstärkung der Klienten, also der ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sieht. Dabei bezieht sich der Autor abermals auf die von Moxley (1989) beschriebenen Dimensionen

Selbstsorge (self care), Fürsorge in persönlichen Beziehungsnetzen (mutual care) sowie Professionelle Fürsorge (professional care).

Abb. 1: Multifunktionaler Rahmen für die Praxis des Unterstützungsmanagements (Wendt, 1995, 26)

In diesem Sinne ist Beziehung nicht einfach da – Beziehung muss sich entwi-ckeln: Deswegen bedarf es einer vorausgehenden allgemeingültigen Grund-lagenarbeit, um individuelle Unterstützungsmöglichkeiten Ehrenamtlicher nach einer Verlusterfahrung gemeinsam entwickeln zu können. Dabei geht es neben dem Vertrauensaufbau um eine umfassende Vorbereitung und Stär-kung der Ehrenamtlichen (self care) und ihrer persönlichen Netzwerke (mutual care) in der Alltagsbegleitung, um diese Ressourcen in der akuten Verlusterfahrung nutzbar zu machen (vgl. Wendt, 2001).

2.2 Unterstützungsmanagement und Trauerbewältigung

Zur Planung eines vorbereitenden allgemeingültigen Unterstützungskonzep-tes für Ehrenamtliche in der individuellen Trauerbewältigung braucht es eine Vorstellung von potentiellen Defiziten in der Begleitung und den damit ver-bundenen Unterstützungsmöglichkeiten. Das setzt zunächst auch eine sozio-kulturelle Analyse von Trauererfahrung und -bewältigung voraus. Bei der

soziokulturellen Betrachtungsweise „handelt es sich [...] bei jeder individuel-len und als einzigartig empfundenen Trauer nicht um ein naturhaftes Phäno-men, sondern um einen sozialen Vorgang“ (Schäfer, 2011, 47). Die gesell-schaftlichen Vorstellungen des Trauererlebens und -ausdrucks stehen dabei im Wechselspiel zu dem individuell erlebten Gefühl der Trauer. So zeigen sich auch bei den Bewältigungsmechanismen der privaten und kollektiven Trauer Ähnlichkeiten. Obwohl die Trauer stark dem gesellschaftlichen Ein-fluss und seiner Bewertung unterliegt, hat sich auch in der Studie bestätigt, dass die Trauernden zur Bewältigung hauptsächlich auf sich selbst und ihr nächstes Umfeld verwiesen sind (vgl. Schäfer, 2011; Köster 2012). Deswe-gen kommt der sozialen Gruppe des Praxistreffens eine wichtige Funktion zu, auf die im späteren weiter eingegangen wird.

H. Thiersch (2006, 48) beschreibt soziale Probleme als eine Diskrepanz zwischen Lebensverhältnissen und Hilfen zur Selbsthilfe. Diese Widersprü-che zu ermitteln, steht wie oben beschrieben, im Fokus des Assessments.

„Aus systemischer Sicht sind Probleme keine objektive Gegebenheit, sondern sozial konstruierte Phänomene.“ (Haye u. Kleve, 2008, 108) Bei der Prob-lemdiagnose in Bezug auf die individuelle Trauerbewältigung bietet sich das von den beiden Sozialpsychologen Stroebe u. Stroebe 1987 entwickelte Defi-zit-Modell zur systemische Betrachtungsweise an (vgl. Lammer 2003, 137-147). Dieses versucht, die wesentlichen Elemente der Stresstheorie nach Lazarus auf einen Trauerfall abzustimmen (vgl. Lazarus, 1981, 213-259, zit.

n. Lammer, 2003, 132-135). Diese Faktoren beziehen sich auf die spezielle Situationsanforderung, die zweckdienlichen Bewältigungsressourcen, die Situationsbewertung und die Aktivierung der Ressourcen als Form der Be-wältigungsstrategie (vgl. ebd., 137).

K. Lammer bezieht diese Faktoren auf die einzelne Person des/der Eh-renamtlichen. Diese Aspekte müssen ihr zufolge sowohl im vorausplanenden als auch im konkreten Assessment zur Trauerbewältigungsunterstützung Ehrenamtlicher auf der Systemebene eines ambulanten Kinderhospizdienstes betrachtet werden. Als erster Schritt des Assessments steht die spezielle Situ-ationsanforderung des Ehrenamtlichen. Lammer beschreibt das ‚Defizit-Modell‘ für die Problemdiagnose mit vier elementaren orientierungsgebenden Bedürfnisbereichen, in denen Defizite aufgrund einer Verlusterfahrung auf-treten können (vgl. ebd., 137-140):

1) Verlust instrumenteller Unterstützung: Darunter ist der Verlust der gegenseitigen Hilfe (empfangenen/geleisteten Hilfe) bei der Lebensbewältigung zu verstehen. Je größer die Rolle für die Le-bensgestaltung der Ehrenamtlichen war, desto größer wird das Defizit erlebt. Durch den Tod wegfallende Aufgaben können zu

Trauerreaktionen (Gefühl der Leere) oder auch zur Erleichterung führen (häufig gepaart mit Schuldgefühlen).

2) Verlust validierender Unterstützung: Diese Ausprägung be-schreibt den Verlust der Bestätigung. Der Tod wichtiger Personen führt dazu, dass die Hauptquelle der Bestätigung verloren geht.

Dies kann zur Verunsicherung über das eigene Selbst- und Welt-bild bzw. des Sinn des Lebens führen. Auch fehlt es oft an ange-messener Bestätigung, dass die emotionalen Reaktionen der Eh-renamtlichen in der Trauer normal sind.

3) Verlust emotionaler Unterstützung: Gemeint ist der Verlust menschlicher Wärme bzw. der Verlust der positiven Verstärkung physischer und psychischer Zuwendung. Eintretende Defizite in diesem Bereich führen häufig zur vollkommenen Herabsetzung des Selbstwertgefühles. Je größer der emotionale Support, desto größer der erlebte Verlust.

4) Verlust der sozialen Identität: Das beinhaltet sowohl den Verlust des eigenen Selbstverständnisses als auch den Verlust der aus der Umwelt zugeschriebenen Identität. Der soziale Status und das Selbstbewusstsein können beeinflusst werden. Das eintretende Defizit der sozialen Identität hängt von der eigenen und sozialen Bewertung des Status- und Rollenwechsels ab. Hat die neue Rolle einen geringeren sozialen Wert, kann die neue soziale Identität zu einem verminderten Selbstbewusstsein führen.

Lammer ergänzt das Defizit-Modell mit einem weiteren Faktor, nämlich, ob sich die statusgebende Gruppe ganz auflöst oder es eine weitere identitätsge-bende soziale Gruppe gibt, an die die Ehrenamtliche angebunden ist.

Die hauptberufliche Koordinatorin hat demzufolge die Aufgabe, Rah-menbedingungen zu schaffen, die Ressourcen freisetzen, auf die sie bei der Begleitung Ehrenamtlicher bei der Trauerbewältigung zurückgreifen kann. Es bedarf somit sowohl einer vorausplanenden als auch einer konkreten, situati-ven ganzheitlichen Sichtweise auf das Begleitungskonzept Ehrenamtlicher in einem ambulanten Kinderhospizdienst.

3. Vorausplanendes Unterstützungsmanagement bei der

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