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Sich festhalten an der Botschaft vom zurückkehrenden Gott

Im Dokument Band 18 (Seite 35-39)

„… Als sie zurückkamen, erzählten sie, … er lebe.“

(Lk 24, 23)

Die dritte Figur im Titelbild kann jeder sehen. Einer der beiden Jünger deutet mit der rechten Hand auf sie. Für den einen Betrachter mag sie unwirklich, vielleicht als Täuschung erscheinen, für die andere Betrachterin wiederum

steht sie nur für die Möglichkeit einer ungeahnten, aber letztlich zufälligen Hilfe. Den Betrachtern, die mit der Kenntnis der hinter dem Bild stehenden biblischen Geschichte auf die dritte Figur schauen, will sich dort Jesus, der auferstandene Christus (Messias), zeigen. Aber auch diese Betrachter werden angesichts der Unkonturiertheit und letztlich Unbegreifbarkeit der dritten Person hin und wieder Zweifel befallen. Nicht nur die Jünger in der Ge-schichte „waren wie mit Blindheit geschlagen, so dass sie ihn nicht erkann-ten.“ (Vers 16) Auch die Apostel, die im Text zuvor von den Frauen die Nachricht vom leeren Grab erhalten hatten und „das alles für Geschwätz“

(Vers 11) hielten, „erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. … Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben.“ (Lk 24, 37.41) Ihnen allen überträgt der Auferstandene am Ende des Lukas-Evangeliums als letzten Auftrag, für seine Auferstehung Zeugen zu sein (vgl. Vers 48).

Die Augenzeugen begannen nach dem Tod Jesu damit, für seine lebendi-ge Gelebendi-genwart und damit die ihrer Verstorbenen persönlich Zeugnis zu lebendi-geben, für diese unsichtbare Wirklichkeit einzutreten und ihr einen sprachlichen Ausdruck zu geben. G. Theißen lässt einen der Emmausjünger in seiner bibli-schen Nacherzählung die fortdauernde Anrede des Auferstandenen so aus-drücken:

„Ich spürte deutlich, wie mich von allen Dingen her eine Stimme erreichte, die mir dies Bündnis mit dem Leben an-bot: Nie mehr würde ich die Erde verwünschen, nie mehr das Leben verneinen! Nie mehr würde ich mich von den Tieren des Abgrunds überwältigen lassen! Ich hörte die Stimme, und sie war eins mit der Stimme Jesu. Ich hatte die Gewissheit: Wohin ich auch gehe, überall würde sie mich begleiten.“ (1987, 255f).

Bis in die Gegenwart halten (sich) Menschen als Trauernde und als Begleiter an dieser Botschaft vom auferstandenen Leben fest, das stärker ist als der Tod. M. Schnegg drückt es in seiner Sprache so aus:

„Ich bin Anwalt für das, was der Trauernde sagt, was er sich wünscht als eine Perspektive nach dem Abgrund des Nichtlebens. … Als Anwalt bewahre ich das Undenkbare als Gedanken für ihn. Ich trage, was er selbst nicht tragen kann. Ich vertraue, ich wünschte ihm so sehr, dass nach ei-ner Zeit – weiß Gott wie lange – aus dem Nichtleben ein Leben werden darf – nicht das Leben wie vor dem Unfall,

…“ (2011, 59)

Das Festmachen an der Auferstehungsbotschaft ist auch ein möglicher Weg, der helfen kann, eine fortdauernde Beziehung zu den Verstorbenen entwi-ckeln zu helfen und motivieren kann, eine Neuausrichtung des eigenen Le-bens zu wagen. So lautet bekanntlich die vierte Traueraufgabe W. Wordens, in der es „zum einen um eine ‚Neuverortung’ der verstorbenen Person“ geht,

„um einerseits dauerhaft in Verbindung mit ihr zu bleiben, sich anderseits dem eigenen Leben wieder zuwenden zu können.“ (Jungbauer, 2013; in die-sem Band) Der Glaube an die Auferstehung kann dabei einem Wind glei-chen, der das gemeinsame Lebensboot mit dem Verstorbenen, das zum Still-stand zu kommen droht, antreiben, ja beflügeln kann, so der Theologe und Seelsorger H. Nouwen. „Vom Sterben und Tod schreiben, ohne die Auferste-hung zu erwähnen, das wäre das gleiche, als schriebe man über die Segel-kunst und würde nie den Wind erwähnen.“ (Nouwen, 1998, 118)

Nouwen mahnt allerdings eindringlich: Zurückhaltung sei angesagt, da es sich bei der Auferstehung um „ein sehr verborgenes Ereignis“ handle. „Es gibt vermutlich in der Weltgeschichte kein Ereignis von solcher Bedeutung, das gleichzeitig so unauffällig geblieben ist. Die Welt hat nichts davon ge-merkt; nur die wenigen, denen Jesus sich zeigen wollte und die er in die Welt hinausschicken wollte, damit sie ihr so wie er die Liebe Gottes verkünden, haben davon etwas mitbekommen.“ (Ebd., 119f.) Der Auferstehungsglaube nehme nichts von der Gewalt des Todes und des davon ausgelösten Schmer-zes.

„Hingegen offenbart sie uns, dass die Liebe tatsächlich stärker als der Tod ist. … Der auferstandene Jesus … of-fenbart uns, dass Gottes Liebe zu uns, unsere Liebe zuei-nander und unsere Liebe zu all denen, die vor und nach uns gelebt haben und leben, nicht nur eine flüchtige Erfahrung ist, sondern eine ewige Wirklichkeit, die Zeit und Raum weit übersteigt.“ (Ebd., 121.123)

Diese lebensunterstützende, ja lebensrettende Bedeutung der Botschaft von der Auferstehung, gerade für die Trauernden, bekräftigt auch eindringlich C.

Saunders. Der Glaube an jenen Gott, „der durch die Pforte des Todes geht und dann zurückkehrt, um sie für uns zu öffnen“, sei der eigentliche Grund ihrer Hoffnung und ihres Trostes. Gerade in der Arbeit mit Sterbenden, aber vor allem auch mit den von ihrem Tod Betrübten sei es gerade dieser Glaube an den Gott, der in Jesus Christus das Verlorensein des Menschen erlitten und den Schmerz und die Trauer all seiner Kinder geteilt habe, der ihr aus-schlaggebende seelische Stärkung für die Arbeit sei (vgl. Saunders, 1999, 150).

Wir sind jetzt in der Mitte einer christlich-theologischen Argumentation,

im Herz einer christlich inspirierten Kunst des Tröstens angelangt: Die Mitte des hinter der Begleitung stehenden Zeugnisses in Tat und Wort ist das Be-kenntnis zum Mensch gewordenen, zum nahe gekommenen Gott. Die Mitte des christlichen Bekenntnisses an der Grenze des Lebens ist das Bekenntnis zu Jesus Christus, der „wirklich auferstanden“ und „dem Simon erschienen“

ist (Vers 34). Da es sich aber in der Tat um ein sehr verborgenes Ereignis handelt, bleibt im Angesicht der Gewalt des Todes heute, der Lebenswirk-lichkeit der Betrübten und Trauernden weiterhin viel Raum für Anfrage, Zweifel und Klage, auch und gerade bei denen, die sich selbst als Zeugen dieser Botschaft und eines zurückkehrenden Gottes verstehen.

Der Auferstehungsglaube ist und bleibt kein Wundermittel oder keine Zauberformel in einer christlich inspirierten Kunst des Tröstens. Das bekräf-tigte am Ende seines eigenen Lebens K. Hemmerle: „Gestern sagte jemand zu mir: ... Ich kann von ihm leben, ich sehe, wie wirklich er ist. Aber wie kann ich es den anderen, die mir nahe sind, überbringen? Warum macht er es uns so schwer?“ Mit diesen Worten beginnt er seine Karfreitagspredigt 1993, es war eine seiner letzten Predigten vor seinem Tod am 23.1.1994. Hemmerle selbst fragt nach IHM, er fragt nach Gott – im Angesicht des Leidens, des Gekreuzigten, des Kreuzes von Menschen heute.

Gott lässt „denen, die ihn lieben“, so fährt er fort, „eine Wunde, weil sie ihn nicht bezeugen können. Er lässt denen, die an ihn glauben, eine Wunde, weil sie ihn nicht verste-hen können, weil sie auch keine Antwort haben auf die Fra-gen, die sich über ihn stellen. Warum lässt er das alles so zu? Warum geht er diesen merkwürdigen Weg mit uns in unserer Geschichte? Warum verhüllt er seine Allmacht?“

(Hemmerle, 1994, 58)

Hemmerle fragt in seiner Predigt weiter, wie Gott selbst darauf antwortet, dass sich der Mensch so schwer mit ihm tut:

„Wie antwortet Gott darauf? Er zeigt nicht einen Weg, er sagt nicht einen Weg, er ist in Jesus Christus der Weg. ...

Schauen wir auf diesen Gott. Er ist nicht ein Mechaniker, er ist nicht ein Konstrukteur, er ist nicht einer, der mit seiner Allmacht etwas ablaufen lässt, was dann unfehlbar in ein Ende hineinkommt. Er ist – das sage ich zitternd, das sage ich im Widerspruch gegen all die vielen anderen Erfahrun-gen – Liebe. ... Er hat nicht Antworten gegeben, er hat alle diese Fragen, er hat alle diese Nöte, er hat alle diese Wun-den in unserem Innersten sich zu eigen gemacht in seinem Sohn am Kreuz. In ihm ist er einfach unser Bruder

gewor-den und nicht nur als Helfender neben uns hergegangen, sondern er ist in uns eingestiegen, in unser Herz, in unsere Wunde.“(Hemmerle, 60f)

Man wird die Aussagen von Nouwen, Saunders und Hemmerle als Glaubens-aussagen wertschätzen müssen, die eine eigen dimensionierte Beweiskraft besitzen. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie von der Auferstehungsbot-schaft nicht nur überzeugt, sondern ergriffen sind. Das bekräftigt für seine Tätigkeit als Seelsorger und Therapeut auch T. Halik (2011). Ergreifend und mitreißend sei letztlich die österliche Kunde von Jesu Auferstehung. Sie bilde das Zentrum seines Glaubens:

„Ich glaube nicht an einen Gott hinter beziehungsweise au-ßerhalb der Wirklichkeit, sondern an einen Gott als die Tie-fe der Wirklichkeit. … Nacht, Hölle, Tod, Schuld – und mit welchem Namen wir die Stärken der Negation noch be-zeichnen können – schauen mir immerfort über die Schulter und verleiten mich zur Hoffnungslosigkeit, sie suggerieren mir die Überzeugung, dass am Ende nichts Sinn hat. Die Ostererzählung Jesu sagt mir im Gegensatz dazu, dass das Wort ‚Ende’ hier keinen Sinn hat, dass es nicht jenen dunk-len Sinn hat, den wir ihm in unserer Kleingläubigkeit zu-schreiben. Und dieser Zusicherung in dieser Geschichte – und Demjenigen, von dem sie erzählt – glaube ich.“ (Ebd., 182f)

Im Dokument Band 18 (Seite 35-39)