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Grundlagen der Hochdrucktechnologie

2.1 Das Hochdruckverfahren

2.1.1 Grundlagen der Hochdrucktechnologie

2 LITERATURÜBERSICHT 2.1 Das Hochdruckverfahren

Im 20. Jahrhundert erhielt die Hochdrucktechnologie Einzug in viele industrielle Be-reiche (Diamantensynthese, Ethylen-Polymerisierung, Metallformung) (BALASUBRAMANIAM et al. 2015). Im Lebensmittelbereich wurden 1970 erstmals Drücke von 30 bis 50 MPa zur Herstellung entkoffeinierten Kaffees eingesetzt (KING 2014). Rund 20 Jahre später wurden die ersten hochdruckbehandelten Marmeladen (400 bis 900 MPa) in Japan vermarktet (MOZHAEV et al. 1994). Heutzutage sind zahlreiche Hochdruckprodukte auf dem Lebensmittelmarkt erhältlich, der Marktwert beträgt weltweit rund 2,5 Milliarden Dollar (BALASUBRAMANIAM et al. 2015). Nach DUNNE (2005) stellt die Hochdruckbehandlung eine der wichtigsten technologischen Neuerungen der letzten 50 Jahre im Lebensmittelsektor dar.

2.1.1 Grundlagen der Hochdrucktechnologie

Die Druckerzeugung folgt zwei physikalischen Gesetzmäßigkeiten: dem Prinzip nach Le-Chatelier-Braun und dem Isostatischen Gesetz.

Nach Le-Chatelier-Braun fördert Druck Reaktionen, die mit einer Verringerung des Volumens einhergehen, während Reaktionen mit Volumenexpansionen unterdrückt werden (BUTZ u. TAUSCHER 2002). Dem Gesetz der Isostatik folgend, breitet sich der entstehende Druck gleichmäßig und ohne zeitliche Verzögerung aus. Dabei ist es irrelevant, ob die zu komprimierende Substanz in direktem Kontakt mit dem Druckmedium steht oder hermetisch abgeschlossen in einer druckübertragbaren, flexiblen Verpackung vorliegt (AHMED u. SHAFUIR RAHMAN 2012). Da sich der Druck gleichmäßig und schlagartig innerhalb des Produktes ausbreitet, ist die Druck-behandlungszeit, im Unterschied zu thermischen Behandlungen, unabhängig von der Produktgröße und -geometrie (CHEFTEL u. CULIOLI 1997).

3 2.1.2 Druckverfahren

Das zu behandelnde, verpackte Produkt befindet sich während der Behandlungszeit in einem flüssigkeitsgefüllten Druckkessel. Der gewünschte Zieldruck wird durch die Kompression des Druckmediums (üblicherweise Wasser) erreicht. Dabei werden zwei Arten der Druckerzeugung unterschieden. Beim direkten Drucksystem (Abb. 1) wird das Kesselvolumen durch einen hydraulisch arbeitenden Kolben (Drucküberset-zer) reduziert. Dieser wird hierzu direkt in den Probenraum integriert. Beim indirekten Drucksystem (Abb. 2) sind der Druckkessel und das druckerzeugende System räum-lich voneinander getrennt. Die druckübertragende Flüssigkeit wird bei diesem Sys-tem über eine Hochdruckleitung solange in den verschlossenen Druckkessel ge-pumpt, bis der gewünschte Zieldruck erreicht ist. Nach Ablauf der Behandlungszeit, wird der Druck durch Abfließen des Druckmediums auf den Umgebungsdruck abge-senkt.

Abb. 1: Prinzip der direkten Druckerzeugung. Modifiziert nach FREY (2007).

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Abb. 2: Prinzip der indirekten Druckerzeugung. Modifiziert nach FREY (2007).

2.1.3 Rechtlicher Hintergrund

Mit Inkrafttreten der Lebensmittel-Informationsverordnung (VO (EU) 1169/2011) im Dezember 2014, stellt sich die Frage ob und inwiefern hochdruckbehandelte Le-bensmittel einer Kennzeichnungspflicht unterliegen. Die VO fordert, dass „Angaben zum physikalischen Zustand des Lebensmittels oder zu besonderen Behandlungen, die es erfahren hat (z.B. pulverisiert, wieder eingefroren, gefriergetrocknet, tiefgefro-ren, konzentriert, geräuchert) [enthalten bzw. durch diese ergänzt werden], sofern eine Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, den Käufer irrezuführen“

(Anhang IV, Teil A, Nr.1).

Nach Angaben des „Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen“ (ALTS) aus dem Jahr 2013, ist die Druckbehandlung von Fleischerzeugnissen nach VO 1169/2011 als

„besondere Behandlung“ anzusehen und unterliegt daher der Kennzeichnungspflicht.

Begründet wird diese Entscheidung mit der druckinduzierten, verlängerten Haltbar-keit. Verbraucher könnten bei einer fehlenden Kennzeichnung fälschlicherweise an-nehmen, das Erzeugnis sei „frischer“ als ein gleichartiges, nicht hochdruckbehandel-tes Produkt.

5 Neben der Kennzeichnungspflicht stellt sich die Frage inwiefern hochdruckbehandel-te Produkhochdruckbehandel-te neuartige, zulassungspflichtige Lebensmithochdruckbehandel-tel gemäß Novel-Food-Verordnung (VO (EG) 258/97) darstellen. Nach Novel-Food-VO handelt es sich dann um neuartige Lebensmittel, wenn: „bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Verände-rung ihrer Zusammensetzung oder Struktur der Lebensmittel“

(Art. 1, Abs. 2, Buchstabe f) bewirkt und sich die Behandlung „auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel“ aus-wirkt (Art. 1, Abs. 2, Buchstabe f). Momentan gibt es in Europa keine endgültige und für alle Mitgliedsstaaten geltende Regelung hinsichtlich der Frage, ob druckbehan-delte Produkt als „neuartig“ gemäß Novel-Food-VO anzusehen sind (KOUTCHMA 2014b). Die Entscheidung hierüber liegt derzeit bei den europäischen Mitgliedsstaa-ten selbst. Beispielsweise gelMitgliedsstaa-ten in Spanien und Großbritannien hochdruckbehandel-te Frucht- und Gemüsesorhochdruckbehandel-ten nicht als neuartige Produkhochdruckbehandel-te und können daher ohne Zulassungsverfahren vermarktet werden. Im Unterschied dazu ist die Vermarktung hochdruckbehandelter Produkte in anderen Mitgliedsstaaten stärker reguliert. Die Produkte gelten hier zwar nicht als neuartige Erzeugnisse, dürfen aber aufgrund von Wissenslücken hinsichtlich der mikrobiologischen Sicherheit, der Allergenität und des Nährwertes nur vermarktet werden, wenn die mikrobiologischen Produktanforderun-gen erfüllt und die Druckgeräterichtlinien (97/23/EC) eingehalten werden. Nach KOUTCHMA (2014b) gibt es in Deutschland derzeit einen Hersteller, der hochdruck-behandelte Fleischprodukte produziert und in die USA exportiert.

2.2 Kochschinken

Kochschinken gelten in Deutschland als qualitativ hochwertige Fleischerzeugnisse.

Die am Markt beteiligten Personen haben dabei sehr unterschiedliche Qualitätsvor-stellungen.

Der Verbraucher legt beim Kochschinken besonderen Wert auf Aussehen, Farbe, Farbhaltung, Zusammenhalt, Geruch, Geschmack und Produktfrische (BAUER 2008). Im Fokus der Lebensmittelbehörden steht insbesondere die lebensmittelrecht-liche Qualität, heißt die gesundheitlebensmittelrecht-liche Unbedenklichkeit der Produkte. Die

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mittelrechtlichen Qualitätsanforderungen sind in den Leitsätzen für Fleisch und Flei-scherzeugnisse beschrieben. In diesen sind Eigenschaften und Beurteilungsmerkma-le, die für die Beschaffung, Herstellung und Verkehrsfähigkeit dieser Produktgruppe von Bedeutung sind, zusammengefasst. Die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeug-nisse finden ihre Rechtsgrundlage in §15 und 16 des Lebensmittel-, Bedarfsgegen-stände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Auszüge einiger Leitsätze mit Infor-mationen zur Verkehrsbezeichnung und Qualitätseinordnung von Kochschinken sind in Tabelle 1 aufgeführt. Um auch die mikrobiologische Sicherheit der Produkte be-werten und einordnen zu können, veröffentlicht die „Deutsche Gesellschaft für Hygi-ene und Mikrobiologie“ (DGHM 2011) regelmäßig entsprechende Richt- und Warn-werte (Tab. 2), die sich auf die Handelsebene beziehen und bis zum Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) gelten.

Im Unterschied zum Verbraucher und den Lebensmittelbehörden haben die Koch-schinkenproduzenten vor allem die Produktrentabilität im Blick. Diese kann nach BAUER (2008), neben kaufmännischen Überlegungen, vor allem durch folgende Punkte deutlich gesteigert werden: Standardisieren der technologischen Qualität des Fleischmaterials, Vereinfachen des Herstellungsprozesses, Reduktion der Gewichts-verluste, Optimieren der Haltbarkeit und Frische, Maximieren der Schnittfähigkeit.

7 Tab. 1.: Auszüge aus den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse, Ab-schnitt 2.3: Gegarte Pökelfleischerzeugnisse

Leitsatz

2.30

Gekochtes Pökelfleisch („Kochpökelwaren“, „gekochte Pökelfleischwa-ren“) sind umgerötete und gegarte, meist geräucherte Fleischerzeugnis-se, denen kein Brät (2.22, Abs. 2) zugesetzt ist, soweit dieses nicht zur Bindung großer Fleischteile dient (z.B. „Kaiserfleisch“, 2.342.4).

2.31

Bei Bezeichnungen ohne Hinweis auf die Tierart (Schinken, Geräucher-tes, gegart, GeselchGeräucher-tes, gegart, SchwarzgeräucherGeräucher-tes, Pökelfleisch, ge-gart, Gekochtes Surfleisch, Pökelbraten usw.) handelt es sich – soweit in den Leitsätzen nichts Gegenteiliges angegeben ist – um Teile von Schweinen; im Übrigen wird auf die Tierart hingewiesen (Gekochter Rin-derschinken…)“

2.321

Von Knochen, Schwarte (1.312) und etwaiger Gallerte sowie aufliegen-dem Fettgewebe (1.21) befreite Kochpökelwaren von Schweinen enthal-ten im fettfreien Anteil mindesenthal-tens 19,0 % Fleischeiweiß (1.71),...

Kochpökelwaren mit hervorhebenden Hinweisen wie Delikatess-, prima, extra, spezial, I a, ff oder dgl. enthalten im fettfreien Anteil mindestens 20,0 % (Schwein) bzw. 19,5 % (Rind, Kalb) Fleischeiweiß (1.71).

2.322

Rohes gepökeltes Fleisch, das für ein Einfüllen in Behältnisse vorgese-hen oder erkennbar für ein Erhitzen im Haushalt bestimmt ist, also Halb-fabrikat einer Kochpökelware ist (z. B. Rohkasseler zum Selbstkochen oder Surfleisch), enthält nach Präparation gem. 2.321 im fettfreien Anteil mindestens 17 % Fleischeiweiß.

2.341

Die Bezeichnung Schinken - auch in Wortverbindungen - wird nur für Erzeugnisse von mindestens gehobener Qualität verwendet. Derartige Produkte enthalten in den von Schwarten und etwa vorhandenen Galler-tanteilen sowie aufliegendem Fettgewebe befreiten Anteilen mindestens 85 % BEFFE (1.72) im Fleischeiweiß.

2.341.1

Bei Bezeichnungen ohne Hinweis auf den Tierkörperteil handelt es sich – soweit in den Leitsätzen nichts Gegenteiliges angegeben ist – um Teile der Hinterextremität (Hinterschinken, Schlegel, Keule).

2.341.2 Schinken aus der Vorderextremität wird als Vorderschinken (Schulter-schinken) bezeichnet.

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Tab. 2.:Richt- und Warnwerte der DGHM (2011) zur Beurteilung von Brühwurst, Kochwurst, Kochpökelwaren, sowie Sülzen und Aspikwaren

Mikroorganismus Ware Richtwert (KbE/g) Warnwert (KbE/g) Anschnitt, KbE/g: kolonienbildende Einheiten pro Gramm

2.3 Einfluss der Gartemperatur auf Fleisch

Während des Erhitzungsvorganges kommt es zu Veränderungen der myofibrillären Proteine und der Kollagenfasern des Epimysiums. In Untersuchungen von CHRISTENSEN et al. (2000) konnte gezeigt werden, dass diese Veränderungen stark temperaturabhängig sind. Zwischen 40 und 50 °C kommt es zunächst zu Myo-sindenaturierungen und einem dadurch bedingten Anstieg der Fleischzähigkeit. Mit weiter steigender Temperatur kommt es zwischen 50 und 60 °C zur Kollagenfaser-schrumpfung und einer dadurch bedingten Zähigkeitsabnahme. Zwischen 60 und 80 °C kommt es zu einem zweiten Zähigkeitsanstieg, der mit stattfindenden Aktindenaturierungen in Verbindung gebracht werden kann. Darüberhinausgehend kommt es durch die myofibrillären Proteindenaturierungen und Kollagenfaserverän-derungen mit steigenden Temperaturen (bis 80 °C) zu einem Anstieg der Texturpa-rameter Härte und Kaufähigkeit (PALKA u. DAUN 1999).

Unter Hitzeeinwirkung nehmen die Kochverluste mit steigender Temperatur zu (OFFER et al. 1984; PALKA u. DAUN 1999). Nach OFFER et al. (1984) kann dies auf die temperaturabhängige zweiphasige Muskelfaserschrumpfung zurückgeführt werden. Im Temperaturbereich zwischen 45 und 60 °C schrumpft die Muskelfaser

9 zunächst quer zur Achse. Mit weiter steigender Temperatur (60 bis 90 °C) kommt es zur Längsfaserschrumpfung und einem dadurch bedingten, verstärkten Wasseraus-tritt.

Erhitztes Fleisch erscheint optisch gegart (hellbraun). Die hitzeinduzierten Farbver-änderungen entstehen durch die Denaturierung des roten Muskelfarbstoffes Myo-globin und der damit verbundenen Oxidierung des Häm-Eisens mit der Bildung des hellbraunen Pigmentes Ferrihaemochrom (SUMAN u. JOSEPH 2014). Das Ausmaß der Denaturierungen und die dadurch bedingten Farbveränderungen sind tempera-turabhängig. Erste optische Veränderungen treten im Temperaturbereich zwischen 55 und 65 °C auf, die maximale Myoglobindenaturierung und damit die stärksten Farbveränderungen werden bei Temperaturen zwischen 75 und 80 °C beobachtet (KING u. WHYTE 2006).

Während des Erhitzungsvorganges kommt es mit steigender Temperatur zum An-stieg des pH-Wertes (HAMM u. DEATHERAGE 1960; MA u. LEDWARD 2004). Dies kann nach HAMM u. DEATHERAGE (1960) auf die hitzeinduzierten Proteindenatu-rierungen und die dadurch bedingten Verluste saurer Gruppen zurückgeführt werden.

Die Erhitzung von Fleischprodukten dient vor allem dazu Mikroorganismen zu inakti-vieren, um dadurch die mikrobiologische Lagerstabilität des Produktes zu maximie-ren. Grundsätzlich gilt, dass mit steigender Kerntemperatur die mikrobielle Inaktivie-rungsrate deutlich zunimmt (BAUER 2008). Bei Anwendung niedriger Temperaturen muss die Hitze wesentlich länger einwirken, um eine entsprechende Dezimierung der Keimzahlen zu erzielen (MURPHY et al. 2004).

2.4 Einfluss der Hochdruckbehandlung auf Fleisch 2.4.1 Wasser

Während der Druckbehandlung steigt die Temperatur von Lebensmitteln aufgrund der stattfindenden physikalischen Kompression kurzzeitig an. Diese sogenannte adi-abatische Kompressionserhitzung beträgt bei Wasser rund 3 °C pro 100 MPa (CHEFTEL u. CULIOLI 1997). Stark wasserhaltige Lebensmittel, zeigen unter Druck-einwirkung einen mit Wasser vergleichbaren Temperaturanstieg. Lebensmittel, die

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viel Fett enthalten, wie Butter und Sahne, können im Vergleich stärker komprimiert werden und zeigen aufgrund dessen einen stärkeren Temperaturanstieg von 8 bis 9 °C (RASANAYAGAM et al. 2003).

Da mit steigendem Druck der Schmelzpunkt des Wassers sinkt, ist dieses auch bei geringen Temperaturen (-22 °C) noch flüssig (SAN MARTIN et al. 2002). Nachfol-gende Druckverringerungen bewirken eine schlagartige Bildung mikrokristalliner, kompakter Eisstrukturen innerhalb des Lebensmittels (CHEFTEL u. CULIOLI 1997).

Diese Eigenschaften des Wassers werden genutzt um biologische Gewebe unter Druck schonend einzufrieren bzw. aufzutauen.

Nach Cheftle und Cuioli (1997) wird das Dissoziationsgleichgewicht von Wasser un-ter Druck verschoben, wodurch die Ionenbildung zunimmt und der pH-Wert sinkt.

2.4.2 Proteine

Schon 1914 entdeckte Bridgman, dass Eiweiße unter Druck koagulieren (BRIDGMAN 1914). Auf Grundlage seiner Arbeit konnte nachfolgend gezeigt wer-den, dass hohe hydrostatische Drücke die sekundären, tertiären und quartären Pro-teinstrukturen durch Beeinflussung der Proteinbindungen schädigen.

Nach Le Chatelier führen Druckveränderungen dazu, dass sich chemische Reaktio-nen in Richtung des kleinsten Ausgangsvolumens verschieben. Druck fördert dem-nach Reaktionen, die mit einer negativen Volumenänderung (- ∆ V) einhergehen, während solche mit Volumenzunahme (+ ∆ V) gehemmt werden (BUTZ u.

TAUSCHER 2002). Da nativ gefaltete Proteine mehr Volumen einnehmen als aufge-faltete denaturierte, wird der Denaturierungsprozess unter Druck gefördert (MOZHAEV et al. 1994). Die einzelnen Proteinbindungen reagieren dabei unter-schiedlich auf die Druckeinwirkung. Da die Dissoziation kovalenter Bindungen mit einer Volumenzunahme verbunden ist, unterliegt dieser Bindungstyp keinen druckin-duzierten Veränderungen (KNORR 1999). Ein ähnliches Verhalten zeigen hydrogene Bindungen, die erst unter extrem hoher Drücke dissoziieren und dadurch zu Verän-derungen der sekundären Proteinstrukturen führen (KNORR 1999). Im Unterschied dazu ist die Dissoziation ionischer Bindungen mit einer negativen Volumenänderung

11 verbunden, weswegen dieser Bindungstyp bereits unter Einwirkung geringer Drücke dissoziiert. Daher kommt es unter Druckeinwirkung bereits früh zu Veränderungen der tertiären und quartären Proteinstrukturen, die zum überwiegenden Teil aus ioni-schen Bindungen bestehen (BOONYARATANAKORNKIT et al. 2002).

Nach BOONYARATANAKORNKIT et al. (2002) sind bei Drücken bis 50 MPa nahezu keine messbaren Veränderungen wahrnehmbar. Zwischen 50 und 200 MPa kommt es zur Dissoziation oligomerer Proteinstrukturen. Dabei dissoziieren die Ionenbin-dungen, Wassermoleküle lagern sich an die freiwerdenden Ionenpaare an und be-wirken eine Volumenkontraktion (Elektrostriktion). An die nun freiwerdenden hydro-phoben Proteinreste lagern sich weitere Wassermoleküle an. Mit steigendem Druck (bis auf 500 MPa) kommt es zu weiteren Konformationsänderungen, die durch die Verkürzung der Wasserstoffbrückenbindungen innerhalb des Proteins entstehen (BOONYARATANAKORNKIT et al. 2002). Wasser dringt in die Proteinhohlräume ein, wodurch der Denaturierungsprozess vorangetrieben wird. Zwischen 500 und 1000 MPa kommt es zur irreversiblen Schädigung der Tertiärstruktur, das Protein liegt im sogenannten „globule state“ vor. Bei Drücken von 1000 MPa dringt zunehmend Wasser in die Proteinstrukturen ein und es kommt zur Schädigung der sekundären Strukturen. Die kovalenten Bindungen der primären Strukturen werden unter Druckeinwirkung nicht geschädigt (BOONYARATANAKORNKIT et al. 2002).

2.4.3 Fett

Obwohl Hochdruck generell als milde und produktschonende Technologie angese-hen wird, kommt es bei Druckbehandlungen von Fleisch zur vermehrten Lipidoxidati-on. Bei Schweinfleisch treten diese Veränderungen bei Drücken von über 350 MPa auf (HE et al. 2012). Lipidoxidationen sind ein Hauptgrund für Qualitätsverschlechte-rungen von Fleisch und Fleischprodukten (CHEAH u. LEDWARD 1996). Als Lipido-xidation wird die AutoLipido-xidation von biologischen Lipiden, wie Fettsäuren und Steroi-den bezeichnet (MEDINA-MEZA et al. 2014). Die Autoxodation ist eine Freie-Radikal-Kettenreaktion, die durch freie Sauerstoffradikale initiiert wird. Enzyme und Übergangsmetalle können diesen oxidativen Prozess direkt oder indirekt katalysieren (MIN u. AHN 2005). Die Lipidoxidation umfasst drei Phasen: 1) die Initiation, 2) die

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Propagation und 3) die Termination. Die primären Produkte der Autoxidation sind Peroxide und Hydroperoxide, die schnell zerfallen und sekundäre Oxidationsproduk-te wie Aldehyde, Ketone und Epoxide bilden, die den Geschmack beeinflussen und zum Lebensmittelverderb beitragen (MEDINA-MEZA et al. 2014). Der Nachweis der Lipidoxidation erfolgt durch die Bestimmung des sekundären Oxidationsproduktes Malondialdehyd (MDA) (ADDIS 1986). Die Quantifizierung des MDA-Gehaltes erfolgt üblicherweise spektrophotometrisch nach Reaktion des MDA mit Thiobarbitursäure.

Allgemein werden diese Produkte auch als Thiobarbitursäure-reaktive-Substanzen (TBARS) bezeichnet. Die erhöhte Oxidationsrate nach Hochruckbehandlungen ist vermutlich auf die Zerstörung drucksensibler, hydrophober Lipidstrukturen zurückzu-führen (MEDINA-MEZA et al. 2014). CHEAH u. LEDWARD (1997) vermuteten au-ßerdem, dass es unter Druckeinwirkung zur Freisetzung von Metallionen (Fe2+/3+, Cu2+) kommt, die vermutlich über die Bildung freier Radikale die Initiations-reaktion des Oxidationsprozesses katalysieren.

Zellmembranen zahlreicher Mikroorganismen reagieren sensibel auf Druckbehand-lungen. Nach CHEFTEL u. CULIOLI (1997) nimmt die Schmelztemperatur von Membranlipiden mit steigendem Druck um 10 °C pro 100 MPa zu, so dass Lipide, die bei Raumtemperatur im flüssigen Zustand vorliegen unter Druckeinwirkung kristalli-sieren. Als Folge kommt es zur Schädigung mikrobieller und zellulärer Membran-strukturen. Das Ausmaß der Veränderungen ist dabei von der Länge der Kohlen-stoffketten und der Anzahl an Doppelbindungen abhängig. In den Membranen baro-philer Mikroorganismen wurde eine erhöhte Anzahl an ungesättigten Lipiden nach-gewiesen. Die Membran wird dadurch fluider und insgesamt druckresistenter (RIVALAIN et al. 2010).

2.4.4 Mikrobiologie

Druckbehandlungen können dazu genutzt werden Mikroorganismen in Fleisch und Fleischprodukten zu reduzieren, um damit die Produkthaltbarkeit und -sicherheit zu erhöhen (BOTSARIS u. TAKI 2014). Dabei schädigen hohe hydrostatische Drücke Mikroorganismen auf zellmorphologischer Ebene, durch Inhibition metabolischer Re-aktionen und Inhibition genetischer Mechanismen. Erste druckindizierte

Veränderun-13 gen treten typischerweise an der Zellmembran auf. YANG et al. (2012) verglichen elektronenmikroskopische Aufnahmen von Staphylococcus aureus und E.coli vor und nach Druckbehandlung (500 MPa über 30 Minuten). Die Mikroorganismen wiesen nach Druckbehandlung morphologische Veränderungen in Form von Faltenbildungen und Verformungen an den Zellmembranen und -wänden, Hohlraumbildungen inner-halb des Zytoplasmas und Zellrupturen mit zellulärem Flüssigkeitsaustritt auf. Infolge der Membranschädigung kommt es zur Störung der mikrobiellen Nährstoffabsorption, zur Akkumulation zellulären Abfalls und zur Beeinträchtigung metabolischer Stoff-wechselprozesse (TORRES u. VELAZQUEZ 2005). Durch Inhibition der DNA-Replikation und Gen-Transkription beeinträchtigt Druck darüber hinaus die geneti-sche Funktionalität (CHEFTEL 1995).

Abhängig vom Aufbau der äußeren Zellmembran, der Morphologie und der jeweili-gen Wachstumsphase zeijeweili-gen Mikroorganismen unterschiedliche Druckempfindlich-keiten. Gram-positive Bakterien sind druckresistenter als gram-negative Bakterien (SHIGEHISA et al. 1991; CARLEZ et al. 1994; ARROYO et al. 1997). Nach WEN et al. (2009) sind kleine, kokkoide Bakterien weniger druckanfällig als große stäbchen-förmige Bakterien. Bakterien in der stationären Wachstumsphase sind druckresisten-ter als Bakdruckresisten-terien in der exponentiellen Phase (HAYMAN et al. 2007).

Neben morphologischen Gegebenheiten können Mikroorganismen ihre Widerstands-fähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen auch aktiv durch Akkumulation bestimmter Proteine steigern. WELCH et al. (1993) beobachteten, dass bereits bei Drücken von 55 MPa eine stressinduzierte Freisetzung von Kälteschock-, Hitzeschock- und ande-ren protektiven Proteinen stattfindet. Auch die umgebende Fleischmatrix ist von ent-scheidender Bedeutung bei der Einwirkung von Druck auf Mikroorganismen. Bei neutralen pH-Werten und geringem Wassergehalt sind Bakterien widerstandsfähiger als im sauren bzw. basischen Milieu und hohem Wassergehalt (CHEFTEL u.

CULIOLI 1997). Dabei zeigen Bakterienstämme der gleichen Spezies zum Teil sehr unterschiedliche Druckempfindlichkeiten (CHEFTEL 1995). Sogenannte „Hürden-Konzepte“ bieten die Möglichkeit, die Druckwirkung auf Mikroorganismen durch Kombination mit einem oder mehreren antimikrobiellen Faktoren, wie Temperatur

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(PATTERSON u. KILPATRICK 1998; TASSOU et al. 2008) oder Bakteriozinen (LIU et al. 2012) zu steigern.

Verschiedene Studien untersuchten die Möglichkeiten der Erhöhung mikrobieller Stabilität durch Druckbehandlung von Fleisch und Fleischprodukten zu Konservie-rungszwecken. In rohem Rindfleisch (520 MPa über 4:20 Minuten) konnte die Ge-samtkeimzahl, direkt nach Behandlung um 2,5 log10 Stufen gesenkt werden (JUNG et al. 2003). GROSSI et al. (2014) behandelten gesalzenes Schweinefleisch mit 600 MPa über sechs Minuten, lagerten das Produkt über vier Wochen und unter-suchten anschließend auf Gesamtkeimzahl und typische Verderbniskeime (Laktoba-zillen, Brochothrix). Die Ergebnisse zeigten eine Reduktion des mikrobiellen Wachs-tums um 2,5 log10 Stufen, bis unter die Nachweisgrenze. DE ALBA et al. (2012) zeig-ten, dass die Reduktion von E. coli und Listeria monocytogenes durch das synergis-tische Zusammenwirken von Nitrit und Druck gesteigert werden kann. Druckbehand-lungen von 600 MPa über fünf bis zehn Minuten führten bei zahlreichen Fleischpro-dukten (aufgeschnittener, gekochter Schinken; aufgeschnittener trocken-gepökelter Schinken; aufgeschnittene marinierte Rinderlende) zu einer Reduktion mikrobieller Kontaminationen (GARRIGA et al. 2004). Zudem konnte eine erneute Vermehrung der Mikroorganismen über eine Lagerungsdauer von 60 Tagen verhindert werden.

(GARRIGA et al. 2004). JOFRÉ et al. (2009) inokulierten aufgeschnittenen Koch-schinken mit verschiedenen Erregern (Listeria monocytogenes, Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Salmonellen, Laktobazillen, Debaryomyces hansenii) und untersuchten das Wachstumsverhalten nach Druckbehandlung (600 MPa, 6 Minuten). Direkt nach Behandlung konnten alle Keime um etwa 4 log10 KbE reduziert werden. Im Verlauf einer Lagerung über 120 Tage konnten le-diglich die Milchsäurebakterien ihr Wachstum wieder aufnehmen. Die Autoren schlussfolgerten, dass Druckbehandlungen nur in Kombination mit weiteren Hürden das erneute Wachstum von Laktobazillen unterdrücken können. BOTSARIS u. TAKI (2014) untersuchten die mikrobielle Belastung von aufgeschnittenem und vakuum-verpacktem Kochschinken direkt nach Druckbehandlung (600 MPa, 3 Minuten) und nach 49 Tagen Lagerung. Während direkt nach Druckbehandlung nur geringe Unter-schiede zwischen Kontrolle und druckbehandelter Probe deutlich wurden, stiegen die

15 Keimzahlen im Verlauf der Lagerung in der Kontrollprobe von Werten unterhalb der Nachweisgrenze auf 5 log10 KbE an. Die druckbehandelte Probe allerdings blieb auf gleichbleibend niedrigem Niveau (<2 log10 KbE/g).

2.4.5 Farbe

Sowohl bei Frischfleisch als auch bei Fleischprodukten ist die Farbe für den Verbrau-cher ein entscheidendes Kaufkriterium (VÁLKOVÁ et al. 2007; SUMAN u. JOSEPH 2014).

Zahlreiche Autoren zeigten, dass Hochdruckbehandlungen zu einer Entfärbung von Frischfleisch führen (CARLEZ et al. 1995; CHEAH u. LEDWARD 1996; MARCOS et al. 2010; MCARDLE et al. 2010). Nach CHEFTEL u. CULIOLI (1997) entstehen die-se druckinduzierten Farbveränderungen durch: 1) einen Weißungdie-seffekt, der im Be-reich von 200 bis 350 MPa auftritt und auf die vermehrte Globindenaturierung und/oder die Haemverlagerung oder -freisetzung zurückzuführen ist, und 2) die Oxi-dation von Fe2+ Myoglobin zu Fe3+ Metmyoglobin bei Drücken von 400 MPa oder darüber. BAK et al. (2012) untersuchten die Farbveränderungen von hochdruckbe-handeltem Schweinefleisch und zeigten, dass der L*-Wert (Helligkeit) bis zu einem Druckschwellenwert von 400 MPa immer weiter ansteigt und danach bis zu Drücken von 800 MPa konstant bleibt. Für die Veränderungen des Rotwertes (a*-Wert) von Schweinefleisch sind unterschiedliche Druckeffekte beschrieben. TINTCHEV et al.

(2010) konnten keinen signifikanten Effekt des Druckes (200 und 700 MPa) auf den a*-Wert feststellen. In anderen Studien (SHIGEHISA et al. 1991; BAK et al. 2012) sind sowohl Abnahmen des a*-Wertes mit steigendem Druck (100 bis 600 MPa) als auch Zunahmen des a*-Wertes (200 bis 800 MPa) beschrieben. Ähnliche

(2010) konnten keinen signifikanten Effekt des Druckes (200 und 700 MPa) auf den a*-Wert feststellen. In anderen Studien (SHIGEHISA et al. 1991; BAK et al. 2012) sind sowohl Abnahmen des a*-Wertes mit steigendem Druck (100 bis 600 MPa) als auch Zunahmen des a*-Wertes (200 bis 800 MPa) beschrieben. Ähnliche