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5.2.3.1 Die Grundidee

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Wege zu global nachhaltigen Energiesystemen

5.2.3.1 Die Grundidee

Für Entwicklungs- und Schwellenländer ist, nicht zuletzt wegen anhaltendem Bevölkerungswachstum bzw. zum Teil überdurchschnittlichem Wachstum des

167 Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Sozialprodukts, von einem starken Anstieg der Nach-frage nach Energiedienstleistungen auszugehen. Die zur Befriedigung dieser Nachfrage notwendigen Investitionskosten im Energiesektor werden in den nächsten zwanzig Jahren auf 180–215 Mrd. US-$ (im Wert des Jahrs 1998) oder 3–4% des BIP dieser Län-der jährlich geschätzt (UNDP et al., 2000; G8 Rene-wable Energy Task Force, 2001). Neueste Schätzun-gen der IEA gehen davon aus, dass Transformations-länder einen ähnlich hohen Bedarf haben. So werden etwa in Russland im Zeitraum 1999–2020 Investitio-nen in Höhe von 550–700 Mrd. US-$ in die Energie-infrastruktur (inkl. Investitionen in die Energieeffi-zienz und die Förderung erneuerbarer Energien) benötigt (IEA, 2002a). Angesichts der angespannten Finanzlage dieser Länder und des Umfangs der Finanzierungsaufgabe werden sie in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein, die notwendigen Investitionen allein zu finanzieren (Dunkerley, 1995). Aus diesen Gründen und weil durch Privatinvestitionen ein wesentlich höheres Finanzierungspotenzial als durch Mittel der Entwicklungszusammenarbeit zu erwar-ten ist, kann der notwendige Ausbau des Energiesek-tors nur durch eine erhebliche Ausweitung der priva-ten Investitionen besonders aus dem Ausland erreicht werden.

Private Investitionen werden jedoch nur dann getätigt, wenn zumindest mittelfristig angemessene Gewinne erwartet werden.Angesichts des bisherigen energiepolitischen Umfelds in Entwicklungsländern sind die Anreize für private Investitionen im Ener-giesektor sehr begrenzt. Dies gilt sowohl für den Aus-bau bestehender Elektrizitätsnetze als auch für die Verbesserung des Zugangs zu moderner Energie in ländlichen Gebieten. Deshalb wird der Ausbau der ländlichen Energieversorgung durch dezentrale Ansätze und Insellösungen mittelfristig vor allem eine Versorgungsaufgabe des Staates und der Ent-wicklungszusammenarbeit bleiben.

Neben Verbesserungen auf der Seite des Energie-angebots sind für einen verbesserten Zugang zu moderner Energie mit geringen Emissionen aller-dings auch Maßnahmen auf der Nachfrageseite wich-tig. Dabei reicht das Spektrum sinnvoller Maßnah-men von der Subventionierung des effizienten und emissionsarmen Energiekonsums über den Ausbau von Mikro-Finanzierungssystemen für private Haus-halte bis hin zur Berücksichtigung der Akzeptanz unterschiedlicher Technologien und Finanzierungs-möglichkeiten.

Verschiedene angebots- und nachfrageseitige Maßnahmen werden nun näher behandelt. Dabei ist zu betonen, dass die Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländer untereinander und auch innerhalb einer Gruppe bezüglich ihrer Energiesys-teme sehr heterogen sind. Wenn im Folgenden

Emp-fehlungen für energiepolitische Maßnahmen gege-ben werden, ist das nicht als Rezept für alle zu ver-stehen. Im Gegenteil: die Vielfalt der demographi-schen, geographidemographi-schen, kulturellen, sozialen, ökono-mischen oder politischen Gegebenheiten ebenso wie die Vielfalt der gegenwärtigen Energiesysteme machen deutlich, dass Vorschläge für die Energie-wende auf die einzelnen Länder zugeschnitten wer-den müssen.

5.2.3.2

Konkrete Schritte auf der Angebotsseite

Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für private Investoren

Erste Erfahrungen einiger Entwicklungsländer mit der teilweisen Privatisierung des Energiesektors haben gezeigt, dass private Investoren bei entspre-chender Regulierung die Effizienz der Energiever-sorgung erheblich steigern. Gleichzeitig können sie vom Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten profitieren (Bond und Carter, 1995). Dies gilt aller-dings nicht für die ärmsten Entwicklungsländer, weil hier nicht ohne weiteres genügend kaufkräftige Nachfrage geschaffen wird, die hohe Investitionen rentabel macht. In vielen Entwicklungsländern, besonders in den ärmeren, beschränken sich die Netze der staatlichen Energieversorgungsunterneh-men bisher vielfach auf die größeren Städte, insbe-sondere auf die Stadtkerne.

Durch Privatisierung werden Anreize für eine Ausweitung und Effizienzsteigerung der Energiebe-reitstellung gesetzt. Der WBGU empfiehlt daher, bei der Vergabe von Krediten und Projekten an Ent-wicklungsländer darauf zu achten, dass – abhängig von den Voraussetzungen im jeweiligen Land – einer der folgenden Privatisierungswege beschritten wird (Bond und Carter, 1995):

• Privaten Energieunternehmen wird der Zugang zu den bestehenden Versorgungsnetzen des staat-lichen Unternehmens gewährt. Nach einer Über-gangszeit wird das staatliche Energieversorgungs-unternehmen (mit oder ohne vorheriger Restruk-turierung) schrittweise oder vollständig privati-siert;

• Das staatliche Energieversorgungsunternehmen wird in kleinere Einheiten unterteilt, wobei eine Trennung von Energieerzeugung, -transport und -vertrieb erfolgt. Danach werden die einzelnen Einheiten privatisiert, zugleich wird unabhängi-gen Erzeugern der Zugang zu den bestehenden Versorgungsnetzen eingeräumt;

• Das staatliche Energieversorgermonopol wird in seiner Gesamtheit privatisiert. Erst später erfolgt die Öffnung für andere private Anbieter.

In vielen Entwicklungsländern ist die Einfuhr von Industriegütern mit hohen Einfuhrzöllen belegt.

Dadurch wird nicht nur die Errichtung neuer Anla-gen, sondern auch die Beschaffung notwendiger Ersatzteile verteuert. Besondere Barrieren bestehen etwa bei Photovoltaikanlagen, die häufig als Luxus-güter angesehen werden und sehr hohen Einfuhrzöl-len unterliegen. Lokal hergestellte Energieanlagen oder Ersatzteile sind andererseits bisher häufig nicht zuverlässig genug, um den reibungslosen Betrieb technisch komplizierter Anlagen zu gewährleisten (UNEP-CCEE, 2002). Der WBGU empfiehlt des-halb, dass sich die Bundesregierung bei entwick-lungspolitischer Maßnahmen für eine Steigerung der Qualität lokal produzierter Anlagen und Komponen-ten einsetzt. Je wettbewerbsfähiger die lokal produ-zierten Komponenten sind, desto geringer ist die Notwendigkeit, die heimische Industrie durch Zölle zu schützen. Darüber hinaus könnte ein Entgegen-kommen der Industrieländer bei den tarifären und nicht tarifären Handelshemmnissen die Neigung der Entwicklungs- und Schwellenländer erhöhen, ihrer-seits Zollsenkungen vorzunehmen.

Die Voraussetzungen für private Investitionen im Energiebereich von Entwicklungsländern sind häu-fig auch aufgrund der begrenzten Märkte schlecht.

Durch regionale Integration könnten größere Märkte erschlossen werden, die eine effizientere Nutzung von Investitionen erlauben und außerdem dazu beitragen würden, kommerzielle Risiken brei-ter zu streuen. Entsprechenden Wettbewerb voraus-gesetzt, führt die Möglichkeit, Skaleneffekte zu erzielen, auch zu sinkenden Preisen für die Verbrau-cher. Um die Integration regionaler Märkte zu för-dern, sollten deshalb technische Standards verein-heitlicht und die Planung von Energieprojekten auf regionaler Ebene koordiniert werden. Der Aufbau der für den transnationalen Energietransport not-wendigen Infrastruktur muss dabei in solchen Fällen als vorrangiges Investitionsziel behandelt werden.

Der Ausbau regionaler Handelsorganisationen sollte insbesondere in Afrika, dessen intraregionaler Han-del nur 6% des HanHan-delsvolumens beträgt, erheblich beschleunigt werden (Davidson und Sokona, 2001).

Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, diese Aspekte in ihre entwicklungspolitischen Überlegun-gen zu integrieren.

Die Attraktivität von Entwicklungs-, Schwellen-und Transformationsländern für ausländische Inves-titionen im Energiebereich kann durch spezifische Maßnahmen im Energiesektor, aber auch durch all-gemeine wirtschafts- und rechtspolitische Maßnah-men erhöht werden. Hier wäre etwa an MaßnahMaßnah-men zur Erhöhung der Rechtssicherheit und zur Verrin-gerung politischer Risiken zu denken (Johnson et al., 1999). Dadurch könnte die Grundlage für die

Aus-breitung von Energiedienstleitungsunternehmen in Ländern wie z. B. Russland geschaffen werden, wo unklare Rechtsverhältnisse und intransparente Zulassungsverfahren ausländische Investoren bisher vor einem Engagement in dem potenziell riesigen Markt zurückschrecken ließen (EBRD, 2001).

Ausländische Direktinvestitionen im Energiesek-tor von Entwicklungs-, Schwellen- und Transforma-tionsländern sind vor allem dann attraktiv, wenn die Herkunftsländer der Investoren günstige Kredite und Exportgarantien bereitstellen. Im Hinblick auf die Förderung global nachhaltiger Energiesysteme ist es sinnvoll, solche Vergünstigungen gezielt für Projektkategorien zu vergeben, die Nachhaltigkeits-kriterien genügen. Es sollten also keine Investitions-bzw. Exportförderungen für Neuanlagen zur Elektri-zitätsgewinnung auf fossil-nuklearer Basis oder für die Erschließung und Vermarktung fossiler oder ato-marer Energierohstoffe gewährt werden. Ausnah-men sollten gemacht werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass die kohlenstoffärmste Alternative gewählt wurde, sich das Projekt langfristig in die nachhaltige Energieplanung des Gastlandes einfügt und erneuerbare Energien derzeit keine machbare oder sinnvolle Alternative darstellen. Eine Förde-rung für Altanlagen der fossilen Stromerzeugung ist zumindest dann übergangsweise sinnvoll, wenn es ausschließlich um die Modernisierung durch Effi-zienzsteigerung und den Ersatz bestehender Kapa-zitäten bei kräftiger Steigerung des Wirkungsgrads geht.

Der Beirat ist sich bewusst, dass manche Regie-rungen und Nichtregierungsorganisationen in Ent-wicklungsländern, beispielsweise die indische NRO

„Centre for Science and Environment“, eine derar-tige Konditionalität ablehnen. Als Begründung wird angeführt, dass der Norden den Entwicklungspfad des Südens vorgeben und Mehrkosten für einen nachhaltigen Energiepfad einseitig den ärmeren Ländern aufbürden wolle (CSE, 2001). Der WBGU hält aber an seiner Überzeugung fest, dass staatliche Investitions- und Exportförderung den übergeord-neten Zielen einer nachhaltigen Energiepolitik ver-pflichtet sein müssen. Dies bedeutet allerdings auch einen energiepolitischen Strukturwandel in den Industriestaaten.

Eine von der G8 eingesetzte Arbeitsgruppe unter-breitete dem Wirtschaftsgipfel in Genua (Juli 2001) Vorschläge, wie die Exportkreditanstalten eine maß-gebliche Rolle bei der Energiewende übernehmen könnten (G8 Renewable Energy Task Force, 2001).

Staatliche Exportkreditanstalten sollen durch Erwei-terung der für diesen Bereich gültigen OECD-Leitli-nien aktiv werden. Für erneuerbare Energieträger müssten – analog zu den speziellen Sektorvereinba-rungen für Kernenergie, Kraftwerke, Schiffe und

169 Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Flugzeuge – die Rückzahlungsfristen, Zinssätze sowie die Kriterien bei der Risikoprüfung modifi-ziert werden.

Der zweite Impuls der G8-Arbeitsgruppe berührt die OECD-Umweltleitlinien für die Exportförde-rung. Diese sollen universell gültige Mindeststan-dards für Energieeffizienz und Kohlenstoffintensität sowie einen einheitlichen Berichtsrahmen für die lokalen und globalen Umweltwirkungen eines Pro-jekts festschreiben. Der Beirat schließt sich diesen Empfehlungen an. Um den Aktivitäten der Export-kreditanstalten für die globale Energiewende eine möglichst große Hebelwirkung zu verleihen, tritt der Beirat für weitere Reformschritte ein (Maurer und Bhandari, 2000):

• Vollkostenrechnung bei energierelevanten Projek-ten: Um die Abwälzung sozialer und ökologischer Schäden durch den Einsatz fossiler Energieträger zu unterbinden, müssen die Exportkreditanstalten auf die mindestens näherungsweise Einbeziehung externer Kosten bei der projektspezifischen Ren-tabilitätsberechnung bestehen.

• Quoten für Projekte der Energiewende: Die Exportkreditanstalten sollten im Rahmen inter-nationaler Absprachen Quoten ihrer Portfolios für erneuerbare Energien und für die Steigerung der Energieeffizienz festlegen. Ab 2005 sollten in der Exportkreditförderung progressive Mindest-auflagen für die zulässige Kohlenstoffintensität bei Energieerzeugungsprojekten festgelegt wer-den.

• Kriterien der Förderung: Bei der Förderung von Großstaudämmen muss die Einhaltung der durch die World Commission on Dams formulierten Kriterien gewährleistet sein. Kernenergie sollte nach Meinung des Beirats grundsätzlich nicht mehr gefördert werden.

• Erhöhung der Transparenz: Frühzeitig vor der Förderentscheidung sollte die Öffentlichkeit über die Einzelheiten des beantragten Projekts, insbe-sondere die ökologischen und sozialen Folgewir-kungen, unterrichtet werden. Die Export-Import-Bank der USA ist in dieser Hinsicht vorbildlich.

Sie veröffentlicht die Umweltverträglichkeitsstu-dien für Projekte 30 Tage vor ihrer Entscheidung und führt sämtliche Fördermaßnahmen und invol-vierte Unternehmen einschließlich der betreffen-den Summen in ihrem Jahresbericht auf.

• Limitierung staatlicher Exportförderung: Da eine generelle Subventionierung von Exportaktivitä-ten, die staatliche Exportkreditanstalten darstel-len, aus ordnungspolitischer Sicht kritisch zu bewerten sind, sollten internationale Verhandlun-gen über den Abbau staatlicher Exportkreditver-sicherungen aufgenommen werden mit dem Ziel, nur noch solche Exporte in das Programm der

Exportkreditanstalten aufzunehmen, die aus-drücklich Nachhaltigkeitszielen dienen.

Regulierung des Energiesektors

Neben einer Regulierung der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, bei der etwa die Bedingungen für den Zugang zu Versorgungsnetzen festzulegen sind, können weitere Regulierungen wesentlich zur Erhöhung der Umweltfreundlichkeit und Effizienz des Energiesektors beitragen. Um dies sicherzustel-len, müssen Tarife und Standards festgelegt werden.

Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung, dies bei ihren energiepolitischen Aktivitäten in Entwick-lungsländern wie folgt zu berücksichtigen.

1. Marktaufsicht und Wettbewerb um den Markt: Der Wettbewerb in oder um liberalisierte Energie-märkte erhöht die Effizienz der Energieumwand-lung und reduziert die UmwandEnergieumwand-lungs- und Versor-gungskosten. Bei funktionierendem Wettbewerb wird dies in Form niedrigerer Preise an die Kun-den weitergegeben, wodurch auch Kun-den armen Bevölkerungsschichten der Zugang zu moderner Energie erleichtert wird. Oft verbleiben die Effi-zienzgewinne, insbesondere bei den netzgebunde-nen Energieformen, aber mangels ausreichendem Wettbewerbs nahezu vollständig bei den Energie-versorgern. In Entwicklungsländern, die in den wenigsten Fällen über eine effektive Politik gegen Wettbewerbsbeschränkungen verfügen, ist es daher sinnvoll, die Energieunternehmen einer gezielten Missbrauchsaufsicht zu unterwerfen und regelmäßig zu überprüfen, ob Effizienzgewinne in angemessener Weise an Endkunden weitergege-ben bzw. die in Ausschreibungen gemachten Zusa-gen eingehalten werden. Ein weiteres Problem bei der Liberalisierung ist die Benachteiligung von Kunden in eher abgelegenen Gebieten. Um dem entgegenzuwirken, sollten die Energieversorger verpflichtend alle Konsumenten einer bestimmten Region beliefern müssen. Um die Effizienz der Energieversorgung zu sichern, empfiehlt der WBGU Subventionen, die in einem transparenten Bieterprozess vergeben werden.

2. Festlegung von Standards: Energiesysteme in Ent-wicklungsländern sind häufig durch geringe Effi-zienz und hohe Transport- und Verteilungsver-luste gekennzeichnet. Auch wenn durch Liberali-sierung Sparanreize und Effizienz steigernde Nachrüstungen entstehen, sollten insbesondere bei der Entwicklung neuer Energieprojekte Qua-litätsstandards vorgegeben werden. Solche Stan-dards stellen die Effizienz und Funktionsfähigkeit von Energieanlagen sicher und verbessern die Akzeptanz durch die Bevölkerung, die häufig unter der schlechten Qualität der Energieversor-gung leidet (UNEP-CCEE, 2002). Daneben kann

die Vereinheitlichung technischer Standards in bestimmten Marktsegmenten zur Erschließung größerer Märkte beitragen. Dies gilt etwa für die Vermarktung von Flüssiggas, die effizient nur bei landesweiter oder mindestens regionaler Nutzung einheitlicher Gasbehälter erfolgen kann. Um die Kosten möglichst gering zu halten, sollten techni-sche Standards nicht nach westlichem Vorbild, sondern unter Berücksichtigung der häufig deut-lich abweichenden Bedürfnisse der Verbraucher in Entwicklungsländern festgelegt werden. Auch auf der Nachfrageseite können verbindliche Stan-dards für Verbrauchsgeräte zur Steigerung der Effizienz der Energienutzung und damit letztend-lich zu einer Erhöhung der verfügbaren Energie-menge beitragen (Davidson und Sokona, 2001).

5.2.3.3

Konkrete Schritte auf der Nachfrageseite Förderung des Zugangs zu modernen Energieformen

Der Beirat sieht es als eine Mindestanforderung für die Nachhaltigkeit der Energiewende an, dass allen Menschen Zugang zu moderner Energie gewährleis-tet werden muss (Kap. 4.3.2.2). Dieser Zugang sollte bis 2020 für alle Menschen gesichert sein, wobei

spä-testens ab 2020 allen Menschen zunächst wenigstens 500 kWh, spätestens ab 2050 700 kWh und bis 2100 schließlich 1.000 kWh pro Kopf und Jahr an moder-ner Emoder-nergie zur Verfügung stehen sollten (Kap. 4.3.2.3). Da sich der gesamte Energiebedarf eines Menschen neben dem individuellen Energiebe-darf auch aus den indirekt genutzten Energiedienst-leistungen zusammensetzt (Herstellung und Trans-port von Gütern), muss der gesamtwirtschaftliche Energiebedarf pro Kopf noch höher angesetzt wer-den (Kap. 4.3.2.5).

Tabelle 5.2-3 enthält eine Auswahl technologi-scher Optionen für die Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme in ländlichen Gebieten. Zum einen muss dabei der Ausstieg aus den gesundheitsschäd-lichen Formen der traditionellen Biomassenutzung angestrebt werden (Kap. 3.2.4; 4.3.2.7). Zu diesem Zweck empfiehlt der WBGU, dass bis 2020 mindes-tens 80% der Weltbevölkerung und spätesmindes-tens ab 2050 die gesamte Weltbevölkerung Biomasse nicht mehr gesundheitsgefährdend nutzen sollte. Ersatz wird vor allem durch Flüssiggas geschaffen werden können (Kap. 5.2.2.2). Zum anderen muss auch der Zugang zu denjenigen Energiedienstleistungen geschaffen werden, die von Elektrizität abhängen (Beleuchtung, Kühlung, Unterstützung haushalts-und handwerklicher Tätigkeiten sowie Zugang zu Kommunikation).

Tabelle 5.2-3

Beispiele ausgewählter Technologien für die mögliche Entwicklung der Energiesysteme in ländlichen Räumen von Entwicklungsländern.

Quelle: modifiziert nach Reddy, 2002

Aktivitäten Zur Zeit Kurzfristig Mittelfristig Langfristig

Kochen Holzöfen Flüssiggas

Biogas

Biogenes Flüssiggas

Licht Kerzen,Öl, Fluoreszenzlampen

Kerosin, batterie- LED-Lampen

versorgte Glühlampen

Antriebskraft Durch Menschen und Elektromotoren

für Motoren Tierkraft angetriebene Hocheffiziente Verbrennungsmotoren, mit Biotreibstoff

Maschinen, betriebene Antriebsmaschinen

Verbrennungsmotoren Mikro-Wasserkraft

Wasser Handpumpen, Elektropumpen (z. B. mit Photovoltaik versorgt), Reinigungstechnologien für Nutzung von Ober- Trinkwasser aus konventionellen Quellen, Aktivierung von Tiefenbrunnen

flächenwasser und Hocheffiziente Bewässerungstechnik, Meerwasserentsalzung

flachen Brunnen mittels erneuerbarer Energien

Telekommuni- TV und Radio

kation Mobiltelefon

Internet-Anschluss Satellitengestützter Internet-Anschluss

Versorgung mit Versorgung mit Photovoltaik Batterien Versorgung mit Windkraft

Versorgung mit Dieselaggregaten Versorgung mit fortgeschrittenen Motor-/Generatorsystemen

171 Handlungsempfehlungen für die Länderebene 5.2

Der WBGU empfiehlt, bei allen Maßnahmen zur Transformation der Energiesysteme auf eine Verrin-gerung der Disparitäten zu achten. Im Hinblick auf Disparitäten innerhalb von Ländern kommt es dar-auf an, benachteiligte Gruppen besonders zu fördern und kultur- sowie geschlechtsspezifische Besonder-heiten zu beachten. Im Hinblick auf Disparitäten zwischen Ländern muss es vor allem um eine über-proportionale Steigerung des Pro-Kopf-Einkom-mens in den ärmeren Ländern gehen. Daraus ergibt sich in Einzelfällen die Notwendigkeit zur Quersub-ventionierung bzw. des sozialen Transfers („Strom-und Heizgeld“).

Um den Zugang zu modernen Energiedienstleis-tungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbessern, sind zwei wichtige Voraussetzungen zu erfüllen: Einerseits muss die Infrastruktur der Ener-gieversorgung geschaffen oder ausgebaut werden und andererseits muss Energie für die gesamte Bevölkerung erschwinglich sein. Der WBGU schlägt vor, dass spätestens ab 2050 kein Haushalt gezwun-gen ist, mehr als 10% des Einkommens zur Deckung des elementarsten Energiebedarfs zu verwenden.

Langfristig sollte der Anteil deutlich niedriger sein.

Gewinnorientierte Unternehmen werden nur dort für einen Ausbau des Zugangs zu modernen Ener-gieformen sorgen, wo genügend Kaufkraft vorhan-den ist, um die hohen Investitionskosten sowohl für den Ausbau netzgebundener als auch dezentraler Energiesysteme innerhalb relativ kurzer Zeit zu amortisieren. Daher bleibt der Zugang in armen, spärlich besiedelten und entlegenen Regionen, im Gebirge oder in den Armutsgebieten der Städte von öffentlichen Mitteln abhängig, die aus der Entwick-lungszusammenarbeit aufgebracht werden müssen.

In solchen Gebieten erscheint außerdem eine voll-ständige Privatisierung auf der Seite des Energiean-gebots ebenso wie eine weitgehende Liberalisierung der Märkte zumindest in einer Übergangszeit nicht angemessen. Geringe Margen und hohe Investitions-risiken müssten etwa durch vorübergehende Gebietsmonopole attraktiver gestaltet werden. Pri-vatisierung und Liberalisierung ohne einen entspre-chenden regulatorischen Rahmen sind hier kontra-produktiv. Im Rahmen von Projekten, die durch die Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden, sollte Public-Private Partnerships eine hohe Bedeu-tung beigemessen werden.

Die dezentrale Energieversorgung (z. B. Hybrid-systeme mit Dieselgeneratoren und Photovoltaik-Anlagen) bietet in dünn besiedelten Gebieten viel-fach die bessere Lösung als die netzgebundene Stromversorgung (BMZ, 1999; Goldemberg, 2001).

Eine Erweiterung netzgebundener Energiesysteme hängt vor allem von der Entfernung zum bestehen-den Netz, von der Zahl der anzuschließenbestehen-den

Haus-halte und von der Nachfrage der HausHaus-halte ab (World Bank, 2000). Die kaufkraftbedingt geringe Nachfrage sowie die geringe Bevölkerungsdichte erlauben eine Erweiterung des Netzes in der Regel nur, wenn die Entfernung zum bestehenden Netz nicht mehr als etwa 10 km beträgt (ESMAP, 2001).

Ärmeren Bevölkerungsgruppen in Entwicklungs-und Schwellenländern, aber auch den Verbrauchern in Transformationsländern wird der Kauf von Ener-giedienstleistungen bisher durch Tarife ermöglicht, die aufgrund staatlicher Subventionen oft weit unter den Erzeugungskosten liegen. Diese Subventionen kommen aber meist der besser verdienenden (städti-schen) Bevölkerung zugute, weil die ländliche Bevöl-kerung keinen Zugang zu den subventionierten Gütern hat oder der Konsum ärmerer Bevölkerungs-gruppen trotz Subventionierung niedrig bleibt (UNDP et al., 2000). Will man den ärmeren Bevölke-rungsgruppen explizit den Zugang zu modernen Energieleistungen erschließen, sind zielgruppenspe-zifische Subventionen in Kombination mit vom Markt bestimmten Tarifstrukturen sinnvoller. Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung, im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit auf entspre-chende Strukturveränderungen hinzuwirken. Um negative Wirkungen solcher Subventionen zu ver-meiden, sollten sie vier Kriterien genügen (UNEP und IEA, 2001):

1. Die Subventionen sollten möglichst auf eine klar umrissene Zielgruppe beschränkt werden.

Zunächst muss eine Analyse der wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen erfolgen, um sicherzustellen, dass die

Zunächst muss eine Analyse der wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen erfolgen, um sicherzustellen, dass die

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