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3.2.7 Erdwärme

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Technologien und nachhaltige Potenziale

3.2.7 Erdwärme

3.2.7.1 Potenziale

Die Energiequelle für oberflächennahe Anwendun-gen der Bodenwärme z. B. in Wärmepumpen ist die Sonne. Wenn Anlagen die Wärme tiefergelegener Schichten nutzen, zapfen sie dagegen Wärmequellen der Erde an: einmal die thermische Energie aus den Zeiten der Entstehung unseres Planeten, überwie-gend aber die Energie aus dem Zerfall radioaktiver Elemente. Die sehr hohen Temperaturen im Erdin-neren (wahrscheinlich um 5.000 °C) verursachen einen kontinuierlichen Wärmestrom von ca. 0,1 Watt pro m2in Richtung Oberfläche durch die Erdkruste hindurch. In Gebieten geothermischer Anomalien, z. B. in Vulkangebieten, kommen hohe Temperatu-ren bis nahe an die Erdoberfläche vor. Unter 100 °C eignet sich diese geothermische Wärme nur zu Heiz-zwecken, darüber aber auch zur Stromerzeugung.

Allgemeine Potenzialangaben sind schwierig:

Während die oberflächennahe Nutzung der Erd-wärme prinzipiell überall möglich ist, bleibt die so genannte hydrothermale Nutzung an heiße Thermal-wässer gebunden. Die Nutzung der Wärme in trocke-nen, tiefen Gesteinen befindet sich noch in der Ent-wicklung.

Schätzungen zufolge erreichen die innerhalb der nächsten 10–20 Jahre ökonomisch nutzbaren Reser-ven die Höhe des derzeitigen globalen Primärener-gieeinsatzes (UNDP et al., 2000). Um die Nachhal-tigkeit der globalen Erdwärmenutzung nicht zu gefährden, sollte allerdings nicht mehr Erdwärme abgeschöpft werden als der natürliche Wärmestrom der Erde nachliefert. Das entsprechende regional verfügbare Potenzial ist oft nicht bekannt. Wegen noch offener Fragen zur technischen Umsetzung sowie zu verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten bei der Nutzung (z. B. ungeklärte Entsorgung großer Mengen Abwärme infolge geringer Konversionswir-kungsgrade bei Niedertemperaturprozessen) setzt der Beirat ein realistisch umsetzbares nachhaltiges Potential von 30 EJ pro Jahr bis 2100 an.

3.2.7.2

Technik / Konversion

Tiefes, heißes Gestein oder heiße Sedimente

Beim so genannten Hot-Dry-Rock-Verfahren wer-den Bohrungen niedergebracht, durch die kaltes Wasser in die Tiefe gepresst und das erhitzte Wasser wieder gefördert wird. Voraussetzung sind trockene heiße Gesteinsschichten mit Rissen und Spalten für den Wärmeaustausch mit Wasser. Mit diesem Ver-fahren können vergleichsweise hohe Temperaturen von etwa 100–180 °C erreicht werden. An anderen Standorten wird Wasser durch die Poren heißen Sedimentgesteins gepresst, wobei sich aber nur Tem-peraturen um 100 °C erreichen lassen.

Die auf beide Arten gewonnene Wärme kann in Nah- und Fernwärmenetze eingespeist werden oder in der Industrie als Prozesswärme dienen. Je höher die Temperatur, umso effezienter wird aber auch die Stromerzeugung. Während bei Temperaturen über 150 °C Wasserdampf direkt in angepassten konven-tionellen Dampfturbinen zur Stromerzeugung ge-nutzt werden kann, müssen für niedrigere Tempera-turen in der Regel so genannte Binäranlagen ver-wendet werden. Hierbei wird die Wärmeenergie des Wassers in einem Wärmetauscher auf eine weitere Flüssigkeit übertragen. Die elektrischen Wirkungs-grade solcher Anlagen liegen je nach Temperatur der geothermischen Wärme bei nur 10–16%, bei Tempe-raturen von ca. 80 °C aber auch darunter (BMU, 2002b). Entsprechend viel Abwärme kann lokal genutzt bzw. muss entsorgt werden. Die derzeit pro-gnostizierten Kosten der Stromerzeugung variieren zwischen 7–15 €-Cent pro kWhel. Wegen der Kon-stanz des geothermischen Wärmeflusses eignen sich geothermische Kraftwerke mit einigen Megawatt Leistung vor allem für den Grundlastbetrieb.

Hydrothermale Systeme

Im Gegensatz zu trockenen und heißen Gesteinen ist an anderen Stellen bereits Dampf oder heißes Was-ser im Untergrund vorhanden, das man über Boh-rungen fördern und direkt zum Heizen oder für die Stromproduktion einsetzen kann. Über eine zweite Bohrung sollte es wieder in die Tiefe gebracht wer-den, um den Wasserkreislauf aufrecht zu erhalten und die Belastung der Oberflächengewässer durch den hohen Gehalt an Mineralien zu verhindern. Bei Temperaturen zwischen 40–120 °C wird die Erd-wärme aus Thermalwässern bisher nur zur Gebäude-und Wasserheizung genutzt.

Oberflächennahe Erdwärme

Die Schlüsseltechnologie zur Nutzung oberflächen-naher Erdwärme ist die Wärmepumpe. Sie fördert

Wärme unter Einsatz zusätzlicher Energie von einem niedrigen auf ein höheres Temperaturniveau.

In der Regel wird dem Boden durch Wärmetauscher, die in 1–2 m Tiefe verlegt werden, Erdwärme im Tem-peraturbereich von 5–10 °C entzogen.

Alle Wärmepumpen brauchen zum Betrieb hoch-wertige Energie, deren Berücksichtigung für die energetische Bewertung unerlässlich ist. Dies geschieht mit der so genannten „Arbeitszahl“, die das Verhältnis von eingesetzter Energie (z. B. Strom, Gas) zur Nutzenergie (genutzte Heizwärme) be-schreibt. Da im konventionellen Kraftwerk nur etwa ein Drittel der Primärenergie in Strom überführt wird, sollte eine strombetriebene Wärmepumpe beim heutigen Energiemix eine Jahresarbeitszahl deutlich größer 3,6 haben. Bei allen anderen Wärme-pumpen, bei denen in der Energiebilanz keine Abwärmeverluste in Kraftwerken auftreten, ist schon eine Arbeitszahl von 1,1 ausreichend. Derzei-tige Prototypen und Kleinprodukte thermisch ange-triebener Wärmepumpen (Erdgas) erreichen Jahres-arbeitszahlen von 1,3. Bei elektrisch angetriebenen Kompressionswärmepumpen werden Arbeitszahlen von über 3,6 erreicht.

In Verbindung mit Wärmepumpen kann das Erdreich als Wärmespeicher genutzt werden, wenn die gleichen Anlagen im Sommer zur Kühlung/Kli-matisierung dienen. In diesem Fall wird die beim Kühlprozess anfallende Abwärme im Erdreich gespeichert, wodurch die Temperatur für den winter-lichen Heizbetrieb angehoben werden kann.

3.2.7.3

Umwelt- und Sozialfolgen

Bei aus der Tiefe geförderten heißen Wässern ist eine Reinjektion notwendig, weil sie nicht nur Mineralien, sondern auch Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Stickstoff, Schwermetalle und Kohlendioxid enthal-ten. Die entsprechende Technologie ist vorhanden.

Bei der Stromerzeugung mit thermodynamischen Maschinen auf der Basis leichtflüchtiger Arbeits-mittel sollte das eingesetzte organische Medium ungiftig sein und kein wesentliches Treibhauspoten-zial besitzen. Aufgrund niedriger Vorlauftemperatur und geringer Umwandlungswirkungsgrade fällt bei geothermischen Stromerzeugung zudem lokal eine große Menge Abwärme an, die entsorgt werden muss.

Bei elektrischen Wärmepumpen ist die Gesamt-energiebilanz kritisch zu betrachten. Ebenso müssen die Niedertemperatur-Wärmequellen sorgfältig aus-gewählt werden: Eine starke Abkühlung von Grund-wasser sollte vermieden werden, aber aus durch

Abwärme belasteten Flüssen kann ein Wärmeentzug durchaus ökologisch sinnvoll sein.

3.2.7.4 Bewertung

Erdwärme hat ein großes technisches Potenzial und steht im Gegensatz zu Sonnen- und Windenergie kontinuierlich zur Verfügung. Das nachhaltig nutz-bare Potenzial wird vom Beirat dennoch bis 2100 nur sehr vorsichtig auf 30 EJ pro Jahr eingeschätzt.

Bei Nutzung von Erdwärme aus großer Tiefe auf hohem Temperaturniveau sind Stromerzeugung, Nutzung für Nah- und Fernwärmenetze und Kombi-nation beider möglich. Für niedrige Temperatur-niveaus kommen hingegen nur thermische Anwen-dungen in Frage. Der Beirat empfiehlt, die entspre-chenden Technologien weiter zu entwickeln und den Ausbau zu fördern. Bei Wärmepumpen zur Nutzung oberflächennaher Wärme sollte dabei auf ausrei-chend hohe Arbeitszahlen geachtet werden.

3.2.8

Andere erneuerbare Energien

Neben den bisher beschriebenen Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen, von deren großskaligem Einsatz in einem nachhaltigen Ener-giesystem ausgegangen werden kann, gibt es andere Ansätze zur Energiekonversion erneuerbarer Ener-giequellen.

Als marine Energiequellen werden in erster Linie Gezeiten- und Wellenenergie genannt. Unter bestimmten geomorphologischen Bedingungen, die eine Strömung einengen und dadurch beschleunigen, kann die Wassergeschwindigkeit durch Gezeitenströ-mung für eine Gewinn bringende energetische Nut-zung ausreichen. Wegen der im Vergleich zu Luft deutlich höheren Dichte des Wassers genügt hierzu eine viel niedrigere Strömungsgeschwindigkeit als bei der Windenergie. Schon ab etwa 1 m pro Sekunde Gezeitenströmung erscheint die Nutzung lohnend.

Zudem kann in Ästuaren und Flussmündungen der Tidenhub mehr als 2 m betragen, der in Gezeiten-kraftwerken für den Betrieb von Turbinen genutzt werden kann. Wellenenergie entsteht durch die Wechselwirkung von Meeresoberfläche und Wind.

Die Energiedichte nimmt allerdings mit der Annähe-rung an die Küste ab. Daher besteht die technische Herausforderung darin, Anlagen für küstenferne Standorte zu entwickeln. Vielfältige Konzepte sind bereits angedacht, manche werden erprobt.

In vielen Prozessen der chemischen, petrochemi-schen oder verwandter Industrien werden fossile

79 Kraft-Wärme-Kopplung 3.3

Energieträger nicht nur als Ausgangsstoffe für Pro-dukte sondern teilweise auch energetisch genutzt.

Um energetische und nicht energetische Verwendun-gen fossiler Energieträger zu entkoppeln, kann die Sonne die Energiefunktion an vielen Stellen direkt übernehmen. Für Prozesse bei hohen Temperaturen können beispielsweise technische Konzepte ange-wendet werden, die denen solarthermischer Kraft-werke (Kap. 3.2.6.2) ähneln.

Sonnenlicht kann aber auch in photochemischen und -katalytischen Anwendungen eingesetzt werden, bei denen heute künstliche Lichtquellen dominieren.

Die photochemische Synthese flüssiger Energieträ-ger ist prinzipiell denkbar. In Ergänzung dazu sind auch der Photosynthese verwandte Membransys-teme sowie photochemische und -biologische Was-serstoffherstellung vielversprechende Ansätze für die zukünftige Nutzung der Sonnenenergie.

Im Forschungskapitel (Kap. 6.3.1) werden Ener-giekonversionskonzepte angesprochen, die sich nach Ansicht des Beirates im Laufe von 10–20 Jahren zu marktreifen Technologien entwickeln können. Insge-samt schätzt der Beirat das Potenzial dieser noch im Entstehen befindlichen Energiewandlungsverfahren vorsichtig auf 30 EJ pro Jahr im Jahr 2100.

3.3

Kraft-Wärme-Kopplung

3.3.1

Technologie und Effizienzpotenziale

In Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird aus dem eingesetzten Brennstoff nicht nur Strom erzeugt, sondern gleichzeitig auch die Abwärme z. B. für Heizzwecke genutzt. Sie erreichen daher einen hohen Gesamtnutzungsgrad des einge-setzten Brennstoffs, der bei gut ausgelegten Anlagen bei 80–90% liegen kann. KWK ist somit eine wich-tige Technologie für die Einsparung von Primärener-gie.

KWK-Anlagen können überall eingesetzt wer-den, wo neben der Stromerzeugung Bedarf an Niedertemperaturwärme (bis ca. 120 °C) oder Pro-zesswärme (bis ca. 200 °C) vorhanden ist. Es gibt eine große Bandbreite von KWK-Technologien in einem Leistungsbereich von etwa 1 kWelbis zu mehreren 100 MWel(Tab. 3.3-1). Die im KWK-Betrieb erreich-baren Stromnutzungsgrade reichen derzeit von 15%

für kleinere Dampfturbinen bis zu 45% in hocheffi-zienten Motor-/Generatorsystemen und können zukünftig auf 60–65% ansteigen, z. B. bei Kombina-tionskraftwerken mit ausgereiften Brennstoffzellen.

Dementsprechend variiert die Stromkennzahl

(Energieverhältnis von Strom zu Nutzwärme) zwi-schen 0,20 und 1,50, langfristig sogar bis zu 2,50.

Hohe Stromkennzahlen sind für den Einsatz von Vorteil, da tendenziell der Wärmebedarf typischer Versorgungsobjekte relativ zum Stromverbrauch sinkt. Zudem verbessern sie die Wirtschaftlichkeit der Anlagen, da Stromerlöse meist höher sind als Wärmeerlöse.

Als Brennstoff können fossile Träger, z. B. Kohle, Öl oder Gas genutzt werden, aber auch Brennstoffe (später auch Wasserstoff) aus regenerativen Quellen.

Dampfturbinen und Stirlingmotoren können auch feste Brennstoffe (z. B. Kohle, Holz) nutzen, alle anderen Technologien benötigen aber flüssige oder gasförmige Brennstoffe, teilweise mit hohem Anspruch an ihre Reinheit. Bei Brennstoffzellen kommt die externe oder interne Erzeugung von Was-serstoff aus wasWas-serstoffhaltigen Brennstoffen hinzu.

Der eigentliche Energiewandler ist also nur ein Teil des Gesamtsystems, das im Hinblick auf Nutzungs-grade und Kosten immer als Ganzes betrachtet wer-den muss.

KWK-Anlagen sind in der Regel primärenerge-tisch effizienter als die getrennte Bereitstellung von Strom und Nutzwärme. Die Höhe der realistisch erreichbaren Energieeinsparung und der damit ver-knüpften CO2-Reduktion hängt dabei sehr stark von Größe und Bauart der KWK-Anlage, ihrer Ausle-gung, den Vergleichssystemen und den eingesetzten Brennstoffen ab. Typische Werte für die Primärener-gieeinsparung von KWK-Anlagen liegen bei 15–

30%, was einer CO2-Reduktion bis zu 50% ent-spricht, wenn Erdgas-KWK mit getrennter Erzeu-gung von Strom und Wärme aus Kohle verglichen wird. Bei Gutschrift der vermiedenen zusätzlichen Wärmeerzeugung liegen typische spezifische CO2 -Emissionen der KWK (mit Erdgas) bei 0,19–0,25 kg pro kWhel(Nitsch, 2002). Je höher der Gesamtnut-zungsgrad und die Stromkennzahl einer KWK-Anlage sind, desto höher fallen ihre energetischen und ökologischen Vorteile aus; längerfristig sind also die entsprechenden Technologien (GuD-Anlagen, Brennstoffzellen, sehr effiziente Motoren) vorteil-hafter.

3.3.2

Einsatzmöglichkeiten

Im Prinzip kann mit KWK ein sehr hoher Anteil des Raumheizungs- und Warmwasserbedarfs (ca. 65%) und des industriellen Prozesswärmebedarfs (bis zu 80% der Mitteltemperaturwärme) gedeckt werden.

Auch zur Kühlung, Lufttrocknung, Klimatisierung und zur Meerwasserentsalzung (z. B. durch solarther-mische Kraftwerke in Ländern mit hoher

Sonnenein-strahlung) kann die KWK-Technologie eingesetzt werden.

Im Siedlungsbereich reichen die Möglichkeiten der KWK von der Versorgung von Ein- und Mehrfa-milienhäusern sowie von Büro- und Gewerbegebäu-den über Gebäudeensembles bis hin zu ganzen Wohnsiedlungen und/oder Gewerbegebieten. Zu-sätzliche Optionen der KWK ergeben sich durch die effektivere Nutzung der vorhandenen Fernwärme-versorgungsnetze und den Ersatz von Heizwerken durch Heizkraftwerke.

In der Industrie steht die Modernisierung „tradi-tioneller“ KWK im Vordergrund, z. B. der Ersatz von Dampf- bzw. einfachen Gasturbinen durch Motor-, GuD- und mittelfristig Brennstoffzellenanlagen, aber auch die Ausweitung für Prozesswärmeerzeu-gung. Insbesondere dezentrale KWK-Anlagen (Motoren, Gas- und Mikrogasturbinen, Stirling-Motoren, Brennstoffzellen) entwickeln sich tech-nisch und ökonomisch rasch weiter, so dass der Anwendungsbereich für KWK ständig erweitert wird.

Derzeit stellt die KWK in Deutschland 165 TWh Wärme pro Jahr (11% des gesamten Wärmebedarfs) und 72 TWh Strom pro Jahr (13% der Bruttostrom-erzeugung mit einer Stromkennzahl von 0,43) bereit.

Sie vermeidet derzeit rund 30 Mio. t CO2pro Jahr gegenüber getrennter Erzeugung von Elektrizität und Wärme. Damit liegt Deutschland im Mittelfeld europäischer Länder. Außereuropäisch ist die KWK

eher gering verbreitet. Das theoretische Nutzungs-potenzial der KWK in Deutschland beläuft sich mit etwa 500 TWhelStrom bzw. rund 110 GWel installier-ter Leistung jedoch auf das Siebenfache des heutigen Anteils und entspricht damit nahezu der gesamten heutigen Stromerzeugung. Für diese Rechnung sind ein deutlicher Rückgang des Nutzwärmebedarfs auf ca. 60% des heutigen Niveaus und die weitere tech-nologische Entwicklung der KWK-Technologien mit entsprechender Steigerung der mittleren Strom-kennzahl auf rund 1,0 angenommen worden (Nitsch, 2002). Bis 2030 kann von einem relativ sicher umsetzbaren Gesamtpotenzial von rund 200 TWh KWK-Strom pro Jahr und 280 TWh Nutzwärme pro Jahr ausgegangen werden, also einer Verdreifachung des heutigen Wertes bei einer mittleren Stromkenn-zahl von 0,7. Dazu wären rund 20.000 MWel zusätzli-che KWK-Leistung erforderlich, wovon etwa zwei Drittel auf dezentrale Anlagen (<10 MWel) entfallen.

Das mobilisierbare CO2-Reduktionspotenzial liegt bei rund 80 Mio. t CO2pro Jahr und entspricht rund 7% der deutschen Emissionen im Referenzjahr 1990.

3.3.3

Wirtschaftlichkeit

Aus Sicht der Strombereitstellung arbeitet eine KWK–Anlage dann wirtschaftlich, wenn die Mehr-aufwendungen für Wärmeauskopplung und verrin-Tabelle 3.3-1

Überblick über die technischen Daten von Systemen mit kompletter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Werte in Klammern sind zukünftig erreichbare Maximalwerte des Stromnutzungsgrads. HKW Heizkraftwerk, BHKW Blockheizkraftwerk, GuD Gas-und Dampfkraftwerk, PAFC phosphorsaure Brennstoffzelle, PEMFC Brennstoffzelle mit Protonenaustauschermembran, MCFC Schmelzkarbonatbrennstoffzelle, SOFC keramische Festoxidbrennstoffzelle.

Quelle: Nitsch, 2002 und WBGU

Technologien Leistung

[MW]

Elektrischer Nutzungsgrad [%]

Stromkennzahl Technischer Status und Potenziale

Dampfturbinen-HKW 1–150 15–35 0,20–0,50 ausgereifte Technik

Gasturbinen-HKW 0,5–100 25–35 (40) 0,30–0,60 noch Entwicklungspotenziale

GuD-HKW 20–300 40–55 (60) 0,60–1,20 noch Entwicklungspotenziale

Motoren-BHKW Ottomotoren Dieselmotoren

0,005–20 0,005–1 0,05–20

25–45 (50) 25–37 (45) 35–45 (50)

0,40–1,00 0,40–0,80 0,60–1,00

noch Entwicklungspotenziale, speziell bei kleinen Leistungen

Mikrogasturbinen 0,02–0,5 20–30 (35) 0,30–0,50 noch deutliche Entwicklungspotenziale, beginnender Markteintritt

Stirlingmotoren 0,001–0,05 30–35 (45) 0,30–0,60 noch Entwicklungspotenziale, beginnender Markteintritt Brennstoffzellen

PAFC PEMFC MCFC SOFC

0,001–20 0,1–0,2 0,001–0,2 0,1–10 0,001–20

30–50 (60) 35–40 30–40 (50) 45–50 (55) 40–45 (60)

0,80–1,50 0,80–1,00 0,80–1,00 1,00–1,40 1,00–1,50

noch hohe Entwicklungspotenziale

81 Energieverteilung, -transport und -speicherung 3.4

gerte Stromerzeugung gegenüber konventionellen Kraftwerken durch die Erlöse aus dem Verkauf von Wärme mindestens kompensiert werden. Für heu-tige größere KWK-Anlagen auf Turbinen- und Motorbasis liegen die so ermittelten Stromgeste-hungskosten bei 3,5 €-Cent pro kWhelund für klei-nere Anlagen bei 6 €-Cent pro kWhel.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist ihre Wirtschaft-lichkeit bereits heute gegeben, erst Recht dann, wenn man die externen Kosten einbezieht. Wie schon in der Vergangenheit ist zudem mit einem weiteren Rückgang der Investitions- und Betriebskosten ins-besondere von kleineren KWK-Anlagen zu rechnen.

Wird dagegen auf der Basis kurzfristiger Grenzkos-ten verglichen – also auf aktuell niedrige Strombe-zugskosten des derzeitigen, teilweise abgeschriebe-nen Kraftwerksparks bezogen – so ist eine Wirt-schaftlichkeit von KWK-Anlagen nur in günstigen Ausnahmefällen gegeben. Die wirtschaftlichen Pro-bleme der bestehenden KWK-Anlagen werden fast ausschließlich durch sinkende Strompreise als Folge der Liberalisierung der Strommärkte verursacht. Die weiteren Marktchancen für KWK-Anlagen hängen somit stark von den energiepolitischen Rahmenbe-dingungen (z. B. KWK-Gesetz) ab.

Für neue KWK-Systeme wie Brennstoffzellen, Stirlingmotoren und Mikrogasturbinen existieren bei der Einführung ähnlichen Hemmnisse. Um eine breite Marktakzeptanz zu erreichen, müssen sie zunächst mindestens das Kostenniveau der heute bereits eingesetzten KWK-Systeme erreichen, d. h.

für Brennstoffzellen-KWK-Anlagen Systemkosten um 1.000–1.200 €pro kWel. Dies bedeutet eine not-wendige Kostenreduktion um rund eine Größenord-nung. Wenn man die Lernkurven vergleichbarer dezentraler Technologien betrachtet, dürfte dies bei größerem Marktvolumen durchaus erreichbar sein.

3.3.4 Bewertung

Wegen ihrer energetischen und ökologischen Vor-teile bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit insbeson-dere bei Berücksichtigung externer Kosten ist die KWK-Technologie ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Effizienzstrategie für die Transformation von Energiesystemen. Insbesondere die modernen KWK-Technologien fügen sich dabei sehr günstig in den sich abzeichnenden Trend zu einer stärkeren Vernetzung und „Dezentralisierung“ der Energie-versorgung ein.

Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung ist somit eine bedeutende Einzelmaßnahme zur Effizienzstei-gerung des Energiesystems auf der Versorgungsseite.

Während aus volkswirtschaftlicher Sicht ihre

Wirt-schaftlichkeit bereits gegeben ist, sind die derzeitig am Markt herrschenden Bedingungen schwierig. Der Beirat empfiehlt daher, den Ausbau der KWK durch eine Verbesserung der energiepolitischen Rahmen-bedingungen stärker zu fördern.

3.4

Energieverteilung, -transport und -speicherung

3.4.1

Grundlegende Eigenschaften von Elektrizitätsversorgungsstrukturen

Die regionalen Strukturen der globalen Energiever-sorgung weisen große Unterschiede auf, da Energie-nachfrage und -angebot von zahlreichen lokalen Fak-toren abhängen. Es lassen sich zusammenhängende dicht besiedelte und ausgedehnte dünn besiedelte Regionen unterscheiden. Während erstere oft über großflächige Strom- und Gasnetze verfügen, wird für letztere meist ein dezentraler Ansatz über Inselnetz-und Einzelhausversorgungen verfolgt (netzferne Konzepte; Kap. 3.4.2). Die Qualität der Energiesorgung muss sich bei den beiden grundlegend ver-schiedenen Konzepten nicht notwendigerweise unterscheiden. Versorgungsstrategien für großflä-chig vernetzte Regionen verdienen besonderes Augenmerk, da hier der mit Abstand größte Anteil der Energie eingesetzt wird (Kap. 3.4.3).

In Stromnetzen müssen Erzeugung und Ver-brauch elektrischen Stroms zu jedem Zeitpunkt gleich groß sein. Übersteigt die Erzeugung den aktuellen Verbrauch, steigen Frequenz und Span-nung im Netz, liegt sie darunter, sinken sie. Wird nicht gegengesteuert, können an das Netz ange-schlossene Geräte beschädigt werden. Zur Steue-rung von Stromnetzen ist daher die Kenntnis sowohl der statistischen als auch der determinierten Anteile von Erzeugung und Verbrauch entscheidend, wobei sich charakteristische Tages- und Jahresgänge beob-achten lassen. Da das Netz aus mehreren Spannungs-ebenen aufgebaut ist, müssen die Lastgänge auf allen Ebenen berücksichtigt werden, denn selbst bei aus-geglichener Bilanz auf der Höchstspannungsebene könnte sonst z. B. ein Teilnetz auf Mittelspannungs-ebene überlastet werden. Mit der zunehmenden Bedeutung fluktuierender regenerativer Energie-quellen wie Windkraft und Photovoltaik tritt zusätz-lich auch auf der Angebotsseite eine dynamische Größe auf. Für die bestmögliche Abstimmung zwi-schen fluktuierender Energiebereitstellung und -nachfrage bieten sich mehrere Strategien an:

• Anpassung der Energienachfrage an das Energie-angebot (Lastmanagement);

• Veränderung der Strukturen auf der Erzeuger-seite mit dem Ziel, die Stromerzeugung der Ener-gienachfrage anzupassen;

• großflächige Vernetzung von Energieerzeugern und -verbrauchern, um über statistische Aus-gleichseffekte eine Anpassung von Erzeugung und Bedarf zu erreichen;

• Speicherung von Energie.

3.4.2

Versorgungsstrategien für Elektrizitätsinseln Insbesondere in den ländlichen Regionen der Ent-wicklungsländer fehlt neben zahlreichen Grundgü-tern wie sauberem Trinkwasser oder Telekommuni-kation auch die Versorgung mit Energiedienstleis-tungen (Kap. 2.4). Ein Netzausbau in diesen Regio-nen ist in vielen Fällen unrealistisch, da der zu erwartende geringe Stromverbrauch der Nutzer bei gleichzeitig weiter räumlicher Verteilung in keinem Verhältnis zu den hohen Kosten einer Netzerweite-rung steht. Daher muss die Versorgung mit Strom ebenso wie auch die mit anderen Energiedienstleis-tungen vorzugsweise dezentral erfolgen.

Die Technologien zur dezentralen Stromversor-gung („Elektrizitätsinseln“) lassen sich in zwei Kategorien einteilen: isolierte Systeme für einzelne

Die Technologien zur dezentralen Stromversor-gung („Elektrizitätsinseln“) lassen sich in zwei Kategorien einteilen: isolierte Systeme für einzelne

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