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unter graphischen Gesichtspunkten

Graphische Besonderheiten bei den einzelnen Zeichen

Die am häufigsten vorkommende Ausschmückung der Formen der Schriftzeichen auf den Brakteaten ist die Betonung der Enden von Komponenten mit Sporen oder mit keilartigen Verbreiterungen.1 Diese Machart ist typisch für Kapitaliszeichen und ist offenbar Kennzeichen der Bestrebung, den Schriftcharakter der Legenden römischer Medaillons, von denen die Brakteaten gattungsgeschichtlich abhängen, nachzuahmen – wobei ersichtlich das Interesse an der Reproduktion ganzer lateinischer Legenden (IK268) hinter der eklektischen Bedienung aus dem römischen Formenrepertoire zurücktrat. Besonders I-, aber auch S-, T-, V-, C- und N-Formen wurden übernommen. Kreuze und »Phantasieformen« kommen hinzu:

IK14, Av. (Ausschnitt)

IK14, Rv. (Ausschnitt)

IK107, Av. (Ausschnitt)

IK107, Rv. (Ausschnitt)

IK124, Av. (Ausschnitt)

IK246

IK268, Av.

IK302

IK346

1 Mit sporenartigen Elementen versehene Formen enthalten die Inschriften von IK3, Avers und Revers;

IK14, Avers und Revers; IK47,1; IK47,2 und 3; IK107, Avers und Revers; IK124, Avers und Revers;

IK126, Avers; IK183; IK239; IK240; IK246; IK254; IK256, Avers und Revers; IK263, Avers und Revers;

IK268, Avers und Revers; IK282; IK286, Avers und Revers; IK302; IK323; IK326; IK346; IK354; IK360;

IK361, Avers und Revers; IK362; IK384; IK389.

Es kommen aber auch schlichte Kapitaliszeichen ohne jede Andeutung von Sporen vor:

IK47,2

IK389

Abgesehen von den eindeutigen Sporen an einer S-Form handelt es sich bei sporenartigen Elementen an einigen Zeichen der Inschrift von IK360 eher um nur teilweise erkennbare Begrenzungslinien:

IK360 (Ausschnitt)

Einzelne Zeichen mit Sporen können auch in Inschriften von überwiegend runischem Charakter erscheinen:

IK384

Eindeutige Runen mit Sporen kommen im Brakteatenkorpus nicht vor. Wie þ-ähnliche Formen mit Zusätzen in der Inschrift von IK254 gewertet werden sollen, ist unklar, zumal kaum eine im philologischen Sinne (oder überhaupt) lesbare Inschrift beabsichtigt gewesen sein kann.

IK254

Vergleiche auch IK1, Zeichen 15, !u1, und IK75, Zeichen II,2, !u1.

Auch bei Runen kommen Betonungen der Enden von Komponenten – jedoch als rundliche Verdickungen – vor, die in der Literatur als Punkte und Kugeln beziehungsweise als Punkt- oder Kugelenden, in dieser Arbeit als Noppen beziehungsweise Noppenenden bezeichnet werden.2

2 Diese Bezeichnung wird beibehalten, obwohl sich herausgestellt hat, daß es sich dabei um einen Anglizismus handelt. Noppen sind, streng genommen, Knoten oder Schlingen in Garn oder Gewebe. Vergleiche dagegen englisch knob, das als „a rounded protuberance, esp. at the end or on the surface of a thing [...]“ erklärt wird (The Oxford English Reference Dictionary Oxford / New York 1995).

Vergleiche auch das deutsche Adjektiv genoppt, bei dem die textile Bedeutungskomponente nicht mehr dominiert.

Die Noppen sind meines Erachtens teilweise zu grob, um Punkte genannt zu werden, und Kugelenden müßten jedenfalls streng genommen vollrund sein. »Konsequent angewandt«

wurde dieses Gestaltungselement nur in der aus nur einer Rune bestehenden »Inschrift« von IK217 – sofern es sich nicht um ein Beizeichen handelt (BEHR 1991:47; 158):

IK217

Eine Swastika auf demselben Brakteaten ist gleichfalls mit Noppenenden verziert. Überhaupt ist diese Gestaltung typisch für Beizeichen wie zum Beispiel Kreuze, Triskelen, Winkel und Sterne3 und besonders für Swastikas.4

Nur einzelne Noppenenden finden sich in einer rein runischen Inschrift:

IK26

Einzelne Formen mit Noppenenden enthalten drei aus runenähnlichen und »Phantasiezeichen«

(?) bestehende Inschriften mit eingestreuten Kapitaliszeichen (darunter ein I mit Sporen).

IK295 (Ausschnitt)

IK345

IK384

Konsequent mit Noppenenden versehen oder ganz als Noppen ausgeführt sind die zweigartigen Elemente der groben Formen einer wohl kaum (philologisch) lesbar beabsichtigten Inschrift:

IK393 (Ausschnitt)

3 Siehe zum Beispiel IK25; IK51,3; IK163; IK174; IK177; IK244; IK259; IK300; IK350; IK358; IK392).

4 Siehe zum Beispiel IK1; IK9; IK11; IK31; IK44; IK55; IK70; IK91; IK95; IK134; IK135; IK140; IK149,1 und 2; IK152; IK182,1 und 2; IK185; IK215; IK229; IK237; IK238; IK249; IK255; IK259; IK267; IK291;

IK298; IK301; IK326; IK330; IK357; IK364; IK373; IK375; IK386; IK578).

Zierlich wirkt dagegen die Gestaltung von drei o t a-Inschriften:

IK55

IK152

IK185

Bei den o t a-Inschriften sind jedoch nicht die offenen Enden der einzelnen Komponenten betont, sondern die Noppen sitzen an den Spitzen der jeweils drei Zeichen.5

Auffällig sind zwei kruckenkreuzartige Zeichen neben vier stark vergröberten C-Formen und Beizeichen mit Noppenenden. Diese können kaum als X-Formen mit Sporen aufgefaßt werden, weil die sporenartigen Elemente nicht parallel zu gedachten Zeilenlinien verlaufen, sondern orthogonal zu den gekreuzten Komponenten. Diese Elemente scheinen aus der Ikonographie auf die Schriftzeichen (?) »übergesprungen« zu sein.6

IK259

Eine besondere Funktion der Ausschmückung von Runen mit Noppenenden läßt sich nicht erkennen. Da durch diese Gestaltung eine Nähe zu Beizeichen entsteht, wäre es denkbar, daß einzelne Runen auf diese Weise besonders hätten hervorgehoben werden können; das hätte bei einer Markierung von Abkürzungen eventuell eine Rolle spielen können, wofür sich aber keine Anhaltspunkte finden.

Zwei Zeichen in der Inschrift von IK142 weisen teilweise verdoppelte Komponenten auf. Diese Ausführungsweise erinnert entfernt an ornamentale Ausführungen von Runen außerhalb des Brakteatenkorpus: die Verdreifachung aller Komponenten in der Inschrift auf dem Amulett von Lindholmen (KJ29), die Verdreifachung der Stäbe und einiger anderer Komponenten in der Inschrift auf dem Lanzenschaft von Kragehul (KJ27), die Vervielfachung eines großen Teils der Komponenten in der Inschrift auf dem Knochen von Ødemotland (KJ29, Anm. 2).

5 Zu untersuchen ist noch die Zeichengestaltung der o t a-Inschrift von IK578.

Die Runen der beiden Hüfinger Kleinbrakteaten mit o t a-Inschriften (siehe unten S. 250) zeigen keine besondere Gestaltung.

6 Vergleiche die Zepter auf IK389.

IK142 (Ausschnitt)

Konsequent verdoppelt sind nur die Komponenten der ersten Rune der Sequenz, wobei die doppelte Halskontur des Pferdes zugleich als verdoppelter rechter Stab der h-Rune gewertet werden muß. Die Schlaufe der darauf folgenden o-Rune erscheint in ein löffelartiges Element und ein Zickzack zerlegt; verdoppelt gegenüber der Idealform ist somit nur die linke Begrenzung des Einschlusses der o-Rune.7

Komponentenverdoppelung (die im vorliegenden Fall durch Konturenverdoppelung im Bild angeregt sein mag) ist bislang ohne Parallele im Brakteatenkorpus.

Eine weitere Besonderheit, mit der bei der Ausführung der Zeichen in Brakteateninschriften gerechnet werden muß, ist ihre Unterteilung in kleinere Einheiten, die sich nicht berühren. An zwei l-Runen, deren Zweige aufeinander zulaufen und sich beinah berühren, erinnert IK309, Zeichen 6, !e. Da nur einzelne Zeichen betroffen sind, können leichter Defekte als bewußte Modifikationen angenommen werden. Diese Einschätzung wird gestützt, wenn an analoger Stelle ein zusammenhängendes Zeichen steht; vergleiche dazu IK241,1 und 2, Zeichen 20, 9!e!e.

Zwei übereinander angeordnete Winkel, IK367, Zeichen 4, 1g, werden als modifizierte Realisierung der g-Rune aufgefaßt. Wenn mit dem Gebrauch der p-Rune außerhalb einer fuþark-Inschrift gerechnet werden dürfte, müßte auch eine Auffassung der beiden Winkel als p-Winkel in Erwägung gezogen werden, die dann mit dem vorangehenden Stab, IK367, Zeichen 3, !i, als eine Einheit zu werten wären.

Als l-Runen mit vom Stab abgerücktem Zweig werden IK231, Zeichen 2 und 3, !l, diskutiert.

Umgekehrt kommen auch aneinander anstoßende Zeichen vor: zum Beipiel IK298, Zeichen 3, k1, und 4, z; IK339, Zeichen 4 und 5, !u2, 15, u3, und 16, u2, 23 und 24, !u2; eventuell auch IK244, Zeichen 1 und 3, !h2, 3, 1g, und 4, !u2 (Binderunen?). Diesen Phänomenen kommt vermutlich keine weitere Bedeutung zu; sie dürften mit Nachlässigkeit oder Ornamentalisierung hinreichend erklärt sein.

7 Es liegt wohl an der Eigentümlichkeit der Ausschmückung, daß die schon von BUGGE (1905:329) erkannte Verwandtschaft der Sequenz mit den analog positionierten Sequenzen von IK58 und IK300 in der Forschung teilweise nicht wahrgenommen und jedenfalls nicht ausreichend beachtet wird (siehe unten S. 281).

Mögliche Gliederungssignale: Einteilung in Abschnitte, Punktzeichen

Überwiegend weisen die Brakteateninschriften keine Signale auf, die eine Worteinteilung oder eine syntaktische oder sonstige Gliederung anzeigen. Darin stimmen sie mit den Legenden der römischen Vorbilder überein, wie es die lateinische Kaisertitulatur auf dem (von einem Medaillon als Patrize abgeformten) Avers von IK268 zeigt, die mitten im Kaisernamen Constantius unterbrochen ist, während die vor- und nachgestellten Titel nicht im geringsten abgesetzt, geschweige denn als Abkürzungen markiert sind:

IK268, Av.

Wenn graphische Signale fehlen, kann die Segmentierung einer Inschrift in Wörter nur über die Identifizierung von sprachlichen Einheiten gehen; so zum Beispiel bei der Inschrift von IK340:

IK340

Nach phonologisch-morphologischen Kriterien ergeben sich zwangsläufig zwei Wortgrenzen, so daß die Inschrift aus mindestens drei »Runenwörtern« besteht: e k, f a k aR, f. Wenn die dritte, aus einer einzelnen Rune bestehende »Sequenz« als Abkürzung (siehe unten, S.301f.) aufgefaßt wird, ergibt sich zwanglos die von KRAUSE (KJ:269) vertretene Deutung:

„ek fa-kaR f(a-hi) ‚Ich Fa-k schreibe‘.“

Die nah verwandte Überlieferung, IK11, Zeichen 3 bis 12, ik1ak1azfah1i,1 bestätigt die

»Auflösung« der Abkürzung. Sie enthält jedoch auch eine Abweichung; denn das anlautende f von fa-kaR »fehlt« – sofern fa-kaR überhaupt beabsichtigt war. KRAUSE (1971:176) bemerkt:

„Es wäre [...] denkbar, daß die Schreibung f a k aR [auf IK340] unter irriger Vorwegnahme des auf diesen Namen folgenden f für AkaR steht.“

Demnach müßte die erste f-Rune der Inschrift von IK340 bei der Lesung übergangen werden.

SEEBOLD (1991b:479) dagegen überlegt,

„es ist ohne weiteres möglich, von e k f(a h i), a k a z f(a h i) auszugehen, wodurch die Parallelität hervorgehoben würde.“

Diese Deutung, die von einer Segmentierung in vier Einheiten ausgeht, mag man sprachlich eigentümlich finden; eine poetische oder ritualsprachliche Fügung läßt sich jedoch nicht ausschließen; die Frage läßt sich nur stilistisch diskutieren. Mit der gleichförmigen Disposition der Inschrift kann jedenfalls weder für noch gegen eine »Wortgrenze« nach der fraglichen f-Rune, also weder für drei noch für vier Einheiten, argumentiert werden.

1 Zum Nebeneinander von ek und ik werden verschiedene Erklärungen angeboten, die hier nicht von Belang sind (KRAUSE KJ:268; im Zusammenhang mit der Inschrift von IK341 Sønder Rind ANTONSEN 1975:71).

In den Inschriften von sechs Pressungen von drei Modeln finden sich Punktzeichen. Diese stehen nur an Wortgrenzen; aber überwiegend sind die Wortgrenzen nicht markiert:

IK98

IK149

IK184

Bei den aus drei, zwei und vier Punkten zusammengesetzten Trennungszeichen der Inschriften von IK98 läßt sich an eine abgestufte Gliederung denken, die einer modernen Interpunktion mit Semikolon, Komma und Punkt entspricht: ‘Hariu-ha heiße ich; ich, der Gefahrenkundige, gebe Gunst.’ Dabei scheinen Anzahl der Punkte und Stärke der Trennung korreliert zu sein. Es könnte damit zugleich eine rhythmische (und/oder metrische?) Gliederung bezeichnet sein.

Die Inschriften von IK149,1 und 2 scheinen aus vier unverbundenen Wörtern im Nominativ Singular (darunter drei Einzelwörter, laþu, laukaR und a l u) zu bestehen. Wenn der einzelne Punkt wie die Kombinationen der eben genannten Inschriften interpunktionsartig aufgefaßt wird, so ergeben sich anscheinend zwei Wortpaare;2 es bleibt aber wegen der dünnen Beleglage für Interpunktion im Brakteatenkorpus ebenso gut denkbar, daß die vier Wörter gleichwertig nebeneinanderstehen, daß die mit dem Punkt markierte Wortgrenze nicht mehr Gewicht hat als die anderen beiden und der Punkt entweder unsystematisch und ohne Bezug zur syntaktischen Struktur gesetzt wurde oder allenfalls rhythmisch motiviert war.

Die Folge von zwei Punkten in der Inschrift von IK184 scheint einer Verszäsur zu entsprechen.3 Die Folge von drei Punkten schließt die Inschrift ab; sie dient aber wegen der zirkulären Disposition der Inschrift zugleich als Signal für den Leseeinsatz.

Mit einer einheitlichen Praxis bei der Verwendung von Punktzeichen ist ersichtlich nicht zu rechnen. Die Bestimmung der Funktion muß im Einzelfall erfolgen.4

2 Dabei mag die Koppelung von laþu und laukaR an die von a l u und laukaR auf IK166 erinnern; die Sequenz nach dem Punkt, 9g a}k aRa l u, ließe sich mit den Inschriften von IK43, n i u j i l a l u, und IK135, h a g a l u, vergleichen.

3 Vergleiche NAUMANN (1998:698).

4 Vergleiche DÜWEL (1989:47): „Die sogenannten Worttrenner – besser wäre Trennungszeichen wie dän.

‚skilletegn‘ [...] – haben nach Ausweis der inschriftlichen Überlieferung in erster Linie die Funktion, Sinneinheiten abzugrenzen, weniger einzelne Wörter in den Inschriften zu trennen [...].“

Konsequente Worttrennung – durch Kringel – weist eventuell die Inschrift von IK374 auf:

IK374

Da bislang keine Einigkeit über die Deutung der Inschrift besteht, ist das syntaktische Verhältnis der Einheiten zueinander nicht klar; insbesondere bleibt diskutabel, ob die aus drei Binderunen bestehende Sequenz vor dem ersten Kringel ein Wort darstellt.

In den zirkulären Inschriften von IK377,1 und 2 markieren Punktzeichen die Grenzen zwischen einer unsemantischen (?) Sequenz und dem fuþark sowie zwischen den drei ættir des fuþarks:

IK377

Auch in der Inschrift von IK260 ist das fuþark in die drei ættir eingeteilt, wobei Folgen von mehreren Punkten größere Abstände zwischen den Runensequenzen überbrücken:

IK260

Daß Punktzeichen in den fuþark-Inschriften vorkommen, trägt zu der Frage nach einer möglichen Worttrennungs- oder Interpunktionsfunktion nichts Entscheidendes bei, vermehrt aber immerhin die Zahl der Belege eines absichtsvollen Einsatzes solcher Gliederungssignale gegenüber der Zahl unerklärter Punktzeichen (siehe oben S. 174).

BUGGE (1905:222) wertet auch die ŋ-runenartigen Elemente in der Inschrift von IK197 als

„Skilletegn.“

Ebenso beurteilt er das viereckige Element in den Inschriften von IK41,1 und 2:

IK197

IK41

Für diese Inschriften liegt keine überzeugend Deutung vor, die die Gliederungsfunktion der bewußten Zeichen bestätigen könnte. Immerhin lassen sich für die Inschrift von IK197 zwei Teile unterschiedlicher Schriftrichtung vermuten, die wie DÜWEL (1976:114) hervorhebt,

„links und rechts vom größten dieser Zeichen [...] beginnen.“

Recht beliebig wirkt es, wenn SEEBOLD (1991b:475) erklärt,

„daß die überraschenden Ing-Runen [...] offenbar d und þ entsprechen;“

wozu ihm ein gewagter Vergleich mit den Inschriften von IK148 und IK393 Anlaß gibt. Die dabei erreichte Interpretation ist zwar unhaltbar, aber die ganze Übung hat immerhin den Wert, deutlich zu zeigen, daß die Überlieferung zu unklar ist, um sichere Schlüsse zu erlauben.

Wortzwischenräume kommen im Brakteatenkorpus nicht vor; in einigen Inschriften, stimmt aber die Aufteilung der Inschrift in Abschnitte mit den Wortgrenzen überein:

IK42

IK163

IK166

Bei diesen Beispielen stellt mindestens eine der beiden Sequenzen ein Einzelwort dar (a l u, laukaR oder laþu). Einzelwörter beziehungsweise Namen und Einzelwörter stehen anscheinend unverbunden im Nominativ nebeneinander.

Es wäre nach einer Sicherung der Zeichenformen zu diskutieren, ob auch die Inschrift von IK591 so aufzufassen ist, bei der jedenfalls a l u abgetrennt steht:

IK591

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß in einer auf zwei Abschnitte verteilten Inschrift eine a-Rune anscheinend über die Lücke hinweg zugleich den Auslaut des einen Wortes (niujila) und den Anlaut des anderen (a l u) bezeichnen kann (siehe unten S. 288ff.).

Dabei wurde der Auslaut quasi »eingespart« und nur der Anlaut geschrieben.

IK43

Mit einiger Plausibilität läßt sich entsprechend auch die Inschrift von IK135 (siehe unten S. 209f.) auffassen:

IK135

Aus zwei Wörtern (zwei Namen?) in zwei Abschnitten könnte, nach der Morphologie zu urteilen, auch die Inschrift von IK76 bestehen; eine Interpretation ist jedoch bislang nicht gelungen.

IK76

Sowohl eine Verteilung auf zwei Abschnitte als auch die Verwendung eines Punktzeichens bietet die Inschrift von IK26:

IK26

Auch hier steht ein Einzelwort, in diesem Fall laukaR, für sich. Auch wenn für den Rest der Inschrift noch keine befriedigende Interpretation vorliegt (Frauenname + Abkürzung von a l u?) und die Funktion des Doppelpunktes nicht sicher ermittelt werden kann, wird doch, was die Disposition in zwei Abschnitten betrifft, deutlich, daß sie an Wortgrenzen orientiert ist.

Die Inschrift von IK142 wird durch die Disposition in zwei Abschnitten in eine Namensequenz (siehe unten S. 279ff.) und eine bislang unverstandene Sequenz (S. 287) unterteilt:

IK142

Denselben Namen wie IK142 in jeweils anderer Schreibweise und zusätzlich das Einzelwort a l u – jeweils für sich stehend – überliefern die verwandten, aber auf drei Abschnitte verteilten, Inschriften von IK58 und IK300. Ein in der Inschrift von IK300 gesetzter Punkt markiert, wie der Inschriftenvergleich zeigt, keine Grenze, sondern er fungiert wohl als Abkürzungssignal innerhalb des Namens (siehe unten S. 304). Die übrigen Inschriftenanteile bleiben bis auf das Einzelwort laþu auf IK58, von dem die sich anschließende »Phantasiesequenz« (siehe unten S. 329) nicht abgesetzt ist, unverständlich:

IK58

IK300

Dafür daß die Einteilung einer Inschrift in Abschnitte nicht in jedem Fall mit sprachlichen Grenzen kongruiert, gibt die Inschrift von IK189 mit zwei Abschnitten von je fünf Runen ein prominentes Beispiel.

IK189

Zwar versucht SEEBOLD (1998:278f.) eine Wortsegmentierung, die der Einteilung der Inschrift folgt. Da aber seine Interpretation mit der eingebürgerten nicht konkurrieren kann, bleibt es dabei, daß in dieser Zwei-Wort-Inschrift die Wortgrenze gegen die graphische Struktur zwischen der vierten und der fünften Rune des ersten Abschnitts zu ziehen ist, wofür allein die Plausibilität der Deutung spricht, die sich unter anderem auf lexikalische Parallelen stützen kann (siehe unten S. 315ff.).

Auch in der Inschrift von IK128 differieren Abschnitts- und Wortgrenzen:

IK128

Es ist aber auffällig, daß die Inschrift zwei Sturzrunen an Wortanfängen enthält, die eventuell eine Hervorhebung der Anfänge der Wörter wi-u und ru-no-R bewirken sollte. Man vergleiche die Übertragung in die Siglen der Zeichenklassen (mit Kennzeichnung der Sturzrunen durch Schattierung) und die Transkription (mit Annahme einer Abkürzung; siehe unten S. 308f.):

glïau1giz!u1 ïu1!u11gzl gli-augiR wi-u ru-no-R l(aukaR)

Allerdings wird die Plausibilität dieser Vermutung durch die Beobachtung eingeschränkt, daß die abschließende l-Rune nicht gestürzt ausgeführt wurde, wie doch zu erwarten wäre, wenn eine Gliederung durch die Zeichenstellung beabsichtigt gewesen sein sollte. Zudem steht an der fünften Stelle ohne erkennbaren Grund eine Wenderune.

Dafür, daß mit der Zeichenstellung als einem Mittel der Hervorhebung gerechnet werden muß, spricht die Verwendung einer j-Rune in der Inschrift von IK161, die gegenüber drei anderen j-Runen gewendet ist, um eine Abkürzung zu markieren (siehe unten S. 297).

IK161

Aber nicht jedesmal, wenn ein Zeichen gewendet oder gestürzt ausgeführt ist, kann eine Hervorhebung beabsichtigt sein. Das beweist die auffällige Verwendung einer selteneren Richtungsvariante der n-Rune mit in Schriftrichtung aufwärts verlaufendem Querbalken in der ansonsten sehr sorgfältig ausgeführten Inschrift von IK184 (siehe oben S. 183), die mit drei n-Runen mit abwärts verlaufendem Querbalken kontrastiert – eine Unregelmäßigkeit, die auf einem Versehen beruhen dürfte und der keine weitere Bedeutung beigemessen werden sollte.

Auffällig ist, daß die Inschriften, bei denen Abschnitts- und Wortgrenzen übereinstimmen, keine syntaktischen Beziehungen zwischen den so geschiedenen Elementen erkennen lassen, während die Syntagmen von IK189 und IK128 rücksichtslos durchgetrennt erscheinen.

Bei einer Durchsicht der Sturz- und Wendeformen im Brakteatenkorpus finden sich nur drei weitere mögliche Beispiel für deren gliedernde Funktion:

IK101

IK105

IK110

Die Inschriften von IK101, foslau1, regen von jeher die Phantasie der Runologen an.5 DÜWEL (1988:104) diskutiert zum Beispiel eine Kombination einer

„Kontraktion [...] der Runenreihe“

mit einem

„Anagramm [...] s l a u [...] für s a l u [...].“

Bei einer solchen Einteilung, die aber alles andere als erwiesen ist (siehe unten S. 302 und 305) könnte die Verwendung der selteneren Richtungsvariante der s-Rune eine Hervorhebung des Anfangs der zweiten Einheit darstellen.

Eine einhellig anerkannte Deutung der Inschrift von IK105 liegt nicht vor; aber im allgemeinen wird eine morphologische Grenze zwischen der vierten und der fünften Rune gezogen, so daß zwei gleiche Elemente miteinander verknüpft zu sein scheinen. Die zweite s-Rune, die den Anlaut des zweiten Elements bezeichnet, ist gegenüber der ersten gewendet.

Dieser Befund erlaubt jedoch keine weitergehenden Schlüse (etwa zu der Frage, ob die Inschrift zweimal dasselbe Wort oder ein »Phantasiewort« mit zwei gleichen Bestandteilen wiedergibt).

Schwierig ist auch die Beurteilung der Gliederung der Inschrift von IK110 (und analog der Inschrift von IK140). Es läßt sich nicht entscheiden, ob eine vollständige fuþark-Inschrift beabsichtigt war (siehe unten S. 196ff.), oder ob die Inschrift aus zwei oder drei Einheiten besteht, von denen nur die erste dem Anfang des fuþarks entspricht. Auffällig ist die Ähnlichkeit der letzten beiden mit den ersten beiden Zeichen. Es stellt sich die Frage, ob das fuþark (mit einer modifizierten f-Rune) von neuem beginnt; dann ließe sich spekulieren, ob die gestürzte Ausführung der vorangehenden o-Rune ein Grenzsignal darstellen sollte.

Im übrigen ist bemerkenswert, daß Wende- und Sturzformen recht häufig an erster Stelle einer Inschrift oder eines Abschnitts stehen (siehe unten S. 450). Es ist denkbar, daß sich hier eine Unsicherheit bei der richtigen Orientierung bei einer spiegelbildlichen Gravur der Zeichen in den Model zeigt, die besonders beim ersten Zeichen der Inschrift zum Tragen kam. Eventuell liegen aber bewußte Hervorhebungen von Anfangszeichen vor, denen eine Art ästhetisches Motiv (vergleichbar der Großschreibung des ersten Buchstabens eines Textes in modernen Orthographien) zugrundeliegen dürfte. Die bewußte Anfangshervorhebung (sofern es eine solche gegeben hat) kann zwar selbstredend keine gliedernde Funktion gehabt haben; sie könnte jedoch die Anregung zu dem Gliederungsverfahren, wie es in der Inschrift von IK128 (eventuell auch in der Inschrift von IK105 sowie, weniger wahrscheinlich, in den Inschriften

Im übrigen ist bemerkenswert, daß Wende- und Sturzformen recht häufig an erster Stelle einer Inschrift oder eines Abschnitts stehen (siehe unten S. 450). Es ist denkbar, daß sich hier eine Unsicherheit bei der richtigen Orientierung bei einer spiegelbildlichen Gravur der Zeichen in den Model zeigt, die besonders beim ersten Zeichen der Inschrift zum Tragen kam. Eventuell liegen aber bewußte Hervorhebungen von Anfangszeichen vor, denen eine Art ästhetisches Motiv (vergleichbar der Großschreibung des ersten Buchstabens eines Textes in modernen Orthographien) zugrundeliegen dürfte. Die bewußte Anfangshervorhebung (sofern es eine solche gegeben hat) kann zwar selbstredend keine gliedernde Funktion gehabt haben; sie könnte jedoch die Anregung zu dem Gliederungsverfahren, wie es in der Inschrift von IK128 (eventuell auch in der Inschrift von IK105 sowie, weniger wahrscheinlich, in den Inschriften