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Was grün ist, ist nicht (ganz) rot

Im Dokument Verlag Sprachphilosophie von Kutschera (Seite 103-119)

A. Church hat in [46] vorgeschlagen, diese Paradoxie in Analogie zu der Fregeschen Paradoxie der Identität von Gegenständen

I) Ist Z ein vorbereitender Reiz, der in einem Organismus eine Disposition bewirkt, unter gewissen Bedingungen durch eine

3) Was grün ist, ist nicht (ganz) rot

Aber mit ein bißchen Phantasie kann man für alle diese Sätze Bedingungen angeben, unter denen man sie evtl. als falsch ansehen würde, so daß der analytische Charakter dieser Sätze zweifelhaft wird. Wenn z.B. durch eine Panne bei der Gesetzgebung jeder Mann als verheiratet erklärt würde? Und wenn aufgrund einer physikali-schen Theorie der Begriff der räumlichen Ausdehnung sich in Anwen-dung auf Elementarteilchen (als Körper) als sinnlos erwiese? Oder wenn alle Menschen farbenblind würden und so nicht mehr zwischen rot und grün unterscheiden könnten? Würde man in diesen Fällen die Sätze (1) bis (3) noch als wahr ansehen?

Natürlich könnte man immer sagen, daß die Sätze (1) bis (3) nach wie vor gelten, denn es gäbe unter den genannten Bedingungen eben keine Junggesellen mehr, nach der physikalischen Theorie seien

Ele-mentarteilchen keine Körper und die Dinge seien nach wie vor nicht zugleich rot und grün, sondern wir hätten nur die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen Rot und Grün verloren. Aber man könnte auch sagen, daß die Sätze dann falsch würden: Ein Junggeselle sei nach wie vor ein Mann, der nicht mit einer Frau in einer Ehe zus'ammen lebt; jedes lokalisierte Objekt sei ein Körper; und „rot"

und „grün" bezeichneten nach wie vor die Farben, die ein Mensch mit normaler Sinnesorganisation wahrnimmt, wenn er diese Prädikate anwendet.

D.h. angesichts solcher entlegener Umstände werden wir unsicher, was wir sagen sollen. Und es hilft uns dann auch Carnaps Vorschlag nicht weiter, den er an folgendem Beispiel erläutert: Um festzustellen, ob eine Person X den Satz (4) „Alle Raben sind schwarz" als analytisch ansieht oder nicht, genügt es, X folgende Frage vorzulegen: „Herr Schmidt hat gestern einen weißen Raben gefangen, den er dir gerne zeigen wird. Bist du angesichts dessen bereit, deine Aussage (4) zurückzunehmen?" Wenn nun X antwortet: „Ich hätte nie geglaubt, daß es nichtschwarze Raben gibt, und werde es auch nicht glauben, bis ich selbst einen solchen Raben gesehen habe. Dann aber muß ich natürlich (4) als falsch ansehen", so ist damit klar, daß X (4) nicht als analytischen, sondern als synthetischen Satz ansieht. Wenn X aber antwortet „Es kann keine nichtschwarzen Raben geben. Wenn ein Vogel nicht schwarz ist, bezeichne ich ihn auch nicht als Raben. Wenn also Schmidt sagt, er habe einen weißen Raben gefunden (und nicht lügt oder Spaß macht), so muß er das Wort „ R a b e " oder aber

„schwarz" in einem anderen Sinn verstehen als ich", so ist klar, daß X den Satz (4) als analytisch ansieht.24

Dieses Umfrageverfahren wird wegen der erwähnten Unsicherheit in vielen Fällen weder bei einzelnen Personen zu einer klaren Antwort führen, noch werden sich im allgemeinen bzgl. aller Mitglieder der Sprachgemeinschaft P übereinstimmende Resultate ergeben.

24 Dies Beispiel bringt Carnap in [63], S. 920. Arne Naess hat in [49] und [53] weitere genaue Kriterien dieser Art angegeben, mit denen sich Synonymitäten und analytische Sätze feststellen lassen. Für Tests der Synonymität von Prädikaten vgl. Carnap [56], S. 238 f.

Wie D. Lewis in [69] betont hat, sind für dieses zweite Bedenken Quines zwei Begriffe der Analytizität zu unterscheiden. Wir haben einmal das Prädikat „Der Satz A ist analytisch in der Sprache S", das man definieren kann durch „ A gilt in allen der Interpretation von S zugrundeliegenden möglichen Welten", und zum anderen das Prädi-kat „Der Satz A ist analytisch in der Sprachgemeinschaft P", das man definieren kann durch „A ist analytisch in derjenigen Sprache S, die Sprache von P ist". Um festzustellen, ob A analytisch in P ist, muß man also zunächst feststellen, welche Sprache von P gesprochen wird.*

Lewis ist der Ansicht, daß der Sprachgebrauch in P nur für normale Verständigungssituationen festgelegt ist, so daß es eine Menge H von Präzisionssprachen geben kann, so daß alle S ausl mit dem normalen Sprachgebrauch in P verträglich sind, daß sie sich aber in entlegenen Fällen, in ungewöhnlichen Situationen unterscheiden. Die Sprachen S aus t können sich insbesondere für mögliche Welten unterscheiden, die entlegene Umstände darstellen, an die wir gewöhnlich nicht denken. Man kann dann aber nur diejenigen Sätze eindeutig als analytisch in P auszeichnen, die analytisch in allen Sprachen aus*}

sind, und Lewis meint, daß diese Menge ev. leer ist. Die Unbestimmt-heit des Begriffes ,analytisch in P' gegenüber »analytisch in S' rührt also davon her, daß wir aufgrund des Sprachgebrauchs die Sprache von P nicht eindeutig bestimmen können.2 5

Diese Analyse trifft aber den Sachverhalt noch nicht ganz: Es ist ja nicht so, daß die Mitglieder von P jeweils bestimmte, wenn auch verschiedene Präzisionssprachen sprechen — dann ergäbe der Carnap-sche Test jedenfalls für die einzelnen klare und eindeutige Antworten.

Angemessener ist es wohl zu sagen, daß alle Mitglieder von P im wesentlichen (d.h. abgesehen von gewissen Eigentümlichkeiten ihres Idiolekts) dieselbe Sprache S sprechen, daß diese Sprache aber nur in den Bereichen normaler Verständigungssituationen durch hinrei-chend eindeutige Bestimmungen fixiert ist, während sie im übrigen vage oder Undefiniert ist. Natürliche Sprachen sind keine Präzisions-sprachen, und insofern ergibt der für Präzisionssprachen exakt defi-nierte Begriff ,analytisch in S' in Anwendung auf Natursprachen keine präzisen Unterscheidungen.

25 Vgl. dazu D. Lewis [69], S. 201 sowie die Diskussion in Schnelle[73], S. 299 ff.

Quines drittes Argument gegen die Unterscheidung analytisch-syn-thetisch ist dies: Nach Quine lassen sich die analytischen Sätze deswegen nicht scharf von den synthetischen abgrenzen, weil sie Sätze sein sollen, die allein aufgrund der Bedeutung ihrer Terme gelten. Die Bedeutung eines Terms ist aber nach Quine nicht unabhängig davon, welche der synthetischen Sätze, die diesen Term enthalten, wir als wahr akzeptieren. Die Bedeutung eines Terms ändert sich mit unseren Annahmen über die Welt; Bedeutungs- und Tatsachenfragen lassen sich deshalb nicht streng trennen.

Wenn ich z.B. allmählich meine Annahmen über die Welt so ändere, daß ich über" Katzen dasselbe glaube, wie heute über Hunde, und über Hunde dasselbe, was ich heute von Katzen glaube — soll ich dann sagen, daß zwar die Bedeutungen der Worte „ H u n d " und

„ K a t z e " für mich konstant geblieben seien, daß sich aber meine Annahmen über die Welt geändert hätten? Das wäre doch offenbar inadäquat, denn die Begriffsmerkmale und -kriterien haben sich gänzlich verändert: ein Hund ist nun ein Tier, das miaut, eine Katze ein Tier, das bellt, etc. Adäquater ist es zu sagen, daß sich zusammen mit den Annahmen auch die Bedeutung der Worte für mich verändert hat: Ein Hund ist eben nun etwas anderes als vorher, und daher hat die Bestimmung eines Tieres als Hund nicht mehr den gleichen Inhalt wie vorher.2 6

Ein weiterer Hinweis in diese Richtung: Wir lernen die sprachli-chen Ausdrücke nicht für sich allein, sondern in einem Satz- und Situationskontext. Das gilt für Prädikate, die wir exemplarisch in singulären Kontexten, wie „Dieser Apfel ist rot", „Diese Zitrone ist nicht rot", erlernen und in generellen Kontexten, wie „Alle Menschen sterben einmal", „ D a s ist kein Vogel, sondern ein Schmetterling;

Vögel haben Federn, Schmetterlinge aber nicht".

Es ist also nicht so, daß wir einerseits Tatsachen konstatieren und als davon gänzlich getrennte Tätigkeit die Bedeutung von Wörtern festlegen, sondern Spracherlernung und Welterfahrung stehen in enger Beziehung: die Tatsachen, die wir akzeptieren, bestimmen die

26 Vgl. dazu auch Harman [67] und Putnam [62b], wo im gleichen Sinne argumentiert wird.

Bedeutungen, die wir mit unseren sprachlichen Ausdrücken verbin-den.2 7

Endlich kann man auch so argumentieren: Gewöhnlich sagt man, daß zunächst den einzelnen Termen, den Eigennamen und Prädi-katen, eine Bedeutung zugeordnet wird und daß die Bedeutung der Sätze dann eine Funktion der Bedeutung ihrer Terme ist und der Art und Weise, wie sie im Satz kombiniert werden. Grundsätzlich ist diese Vorstellung richtig, insbesondere dort, wo es zu erklären gilt, wie sich

mit Sätzen neue Sachverhalte mitteilen lassen; denn das kann nur so gelingen, daß die Bedeutung solcher Sätze sich aus der Bedeutung der Terme bestimmt. Im Kontext der Spracherlernung ist die Situation aber vielfach eher umgekehrt: Die primären sprachlichen Ausdrücke sind Sätze. Diese Sätze analysieren wir in Eigennamen und Prädikate.

Die Interpretation der Terme geschieht dabei, grob gesagt, etwa in der Art und Weise wie bei den sogenannten impliziten Definitionen:

Gewisse Sätze werden als wahr, gewisse als falsch ausgezeichnet und es wird eine Interpretation der Terme gesucht, die allen fraglichen Sätzen ihren ausgezeichneten Wahrheitswert zuordnet. Dabei werden also die Bedeutungen der Terme bestimmt durch eine Analyse der Satzbedeutungen, nicht die Satzbedeutungen durch eine Synthese der Termbedeutungen. Und diese Bestimmung der Termbedeutungen hängt somit entscheidend davon ab, welche Sätze wir als wahr und welche wir als falsch ansehen.

Nun ist es nicht so, daß der Prozeß der Spracherlernung zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhören würde, so daß wir bis dahin den Termen bestimmte Bedeutungen zugeordnet hätten und diese nun unabhängig von unseren Annahmen über die Welt würden. Sondern dieser Prozeß geht selbst nach einer relativen Verselbständigung der Termbedeutungen weiter, so daß die Abhängigkeit der Termbedeu-tungen von diesen Annahmen weiter bestehen bleibt.

Die Abhängigkeit der Termbedeutungen von den Satzkontexten läßt sich für die Umgangssprache daran feststellen, daß die Wörter in gewissen Grenzen ihre Bedeutung je nach dem Kontext, in dem sie vorkommen, verändern können. Für einen Satz der Umgangssprache 27 Gewissermaßen die Umkehrung dieses Gedankens, daß auch unsere

Sprache die Art und Weise mitbestimmt, in der wir die Welt erfahren, werden wir im 4. Kapitel diskutieren.

kann man daher nicht einfach sagen, daß die Termbedeutungen die Satzbedeutung bestimmen, sondern die Satzbedeutung bestimmt auch die Bedeutung der Terme.2 8 Man könnte vielleicht sagen: die Termbe-deutungen determinieren die Satzbedeutung in gewissen Grenzen vor, die genaue Festlegung des Satzsinns — und damit auch die genaue Festlegung der Bedeutung, die die Terme im Satz haben — ergibt sich aber erst durch die Interpretation des ganzen Satzes. Eine solche Kontextabhängigkeit der Bedeutung besteht nicht nur bei mehrdeuti-gen Wörtern.

Bevor wir das zeigen, sollen hier einige Bemerkungen zum Problemkreis der Mehrdeutigkeit und zur einschlägigen Terminologie eingefügt werden. Wir folgen dabei teilweise den Ideen, die K. Heger in [63] entwickelt hat, und verwenden einige seiner Beispiele.29

Wenn gesagt wird, ein Wort sei mehrdeutig oder mehrere Wörter hätten dieselbe Bedeutung, so muß man zunächst nachsehen, wie der Ausdruck „Wort" dabei gebraucht wird: Versteht man unter einem Wort einen bestimmten Ausdruck zusammen mit seiner Bedeutung, so ist unmittelbar klar, daß es keine mehrdeutigen Wörter geben kann;

denn wo immer verschiedene Bedeutungen vorliegen, liegen dann per definitionem auch verschiedene Wörter vor. Wenn man andererseits die Bedeutung nicht als eine integrierende Komponente des Wortes ansieht, so bleiben immer noch verschiedene Möglichkeiten der Wort-bestimmung übrig: (a) Zunächst einmal wird man fordern, daß gleiche Wörter denselben (z.B. phonetischen oder graphischen) Ausdruck darstellen, d.h. daß - je nach der Realisierung der Sprache, auf die man sich bezieht — Homophonie oder Homographie vorliegt. D a ß beide nicht zusammenfallen, haben wir schon früher betont, und von daher ergibt sich eine erste Unsicherheit in der Bestimmung der Wörter, die man aber vermeiden kann, indem man die Realisierungs-form des Wortes spezifiziert. Hinzu kommt jedoch, daß es flektierbare Wörter gibt, deren Formen mit verschiedenen Wortstämmen gebildet werden (z.B. engl, go — went, oder frz. heau — bei). In diesem Fall spricht man von Allomorphie und es ist die Frage, ob man hier von 28 In diesem Sinn sagt J. Stenzel in [34], S. 16: „Jedes Wort erhält erst aus

dem in den konkreten Sprachsituationen immer vorauszusetzenden Sinn-zusammenhang seine Bestimmtheit." Vgl. dazu auch den Abschnitt 2.4.3.

29 Heger hat in [69] später diese Ideen noch einmal modifiziert.

zwei Wörtern oder einem sprechen will. Im letzteren Fall wäre nicht einmal die schwache Bedingung (a) erfüllt, (b) Man kann zusätzlich fordern, daß gleiche Wörter auch gleiche syntaktisch-grammatikali-sche Funktionen (z.B. im Sinn der logisyntaktisch-grammatikali-schen Grammatik) haben.

Danach stellt der Ausdruck engl, murder als Verb und als Substantiv verschiedene Wörter dar, ebenso frz. vers im Sinn von „Vers" und von

„gegen". Das Kriterium der gleichen grammatikalischen Funktion ist natürlich nur dann präzise, wenn auf eine bestimmte Grammatik Bezug genommen wird, (c) Endlich kann man auch fordern, daß gleiche Wörter die gleiche etymologische Wurzel haben sollen. Dann stellt nach Heger z.B. das Wort Kohl in der Bedeutung Kraut von lat.

caulis und in der Bedeutung Unsinn von hebr. gol zwei verschiedene Wörter dar. Dieses Beispiel zeigt aber auch, daß das diachronische, d.h. historische Kriterium des gleichen Etymons im Rahmen einer synchronischen, systematischen Betrachtung der Mehrdeutigkeit frag-würdig ist: Wir empfinden im Sprachgebrauch nicht mehr, daß in

„Kohl" zwei verschiedene Wurzeln stecken, und daher sehen wir hier nicht zwei Wörter, sondern eins.30

Nehmen wir an, der Begriff ,Wort' sei durch solche Bestimmungen ohne Bezugnahme auf Bedeutungen erklärt. Dann kann es mehrdeutige Wörter geben. Zwischen zwei Bedeutungen eines Wortes können mehr oder weniger starke Gemeinsamkeiten oder Verwandtschaften be-stehen: Wenn diese Gemeinschaften ganz fehlen, oder doch unwesent-lich sind, wird man von einem mehrdeutigen Wort sprechen (Beispiele:

„Flügel", „Schloß"). Wenn die Bedeutungen eine gemeinsame Merk-malsgruppe enthalten, aber auch typische verschiedene Merkmale, so sprechen wir von einem mehrwertigen Wort (Beispiele: „schwarz"

als „schwarzfarbig" oder „dunkel", „Farbe" als „Farbmittel" oder

„Farbigkeit").3 1 Dagegen ist „ H u n d " als Oberbegriff von „ R ü d e " , 30 Es gibt in der Erscheinung der Wortverschmelzung auch den Fall, daß

ein Ausdruck, der nur eine Bedeutung hat, zwei etymologische Wurzeln hat (wie z.B. frz. haut aus lat. altus und fränkisch höh), oder in der Er-scheinung der Wortspaltung den Fall, daß zwei Ausdrücke mit verschie-denen Bedeutungen etymologisch dieselbe Wurzel haben, wie z. B. frz.

compter und conter aus lat. computare.

31 In dieser Mehrwertigkeit der Wörter, zu der eine Polyvalenz auch bzgl.

ihrer grammatikalischen Funktionen hinzukommen kann, zeigt sich ihre Plastizität. Vgl. dazu auch 3.1.2.

„Hündin", oder von „Pudel", „ M o p s " , usw. kein mehrwertiges Wort;

denn mit „ H u n d " meinen wir nicht in der Regel entweder einen Pudel oder einen Mops etc., sondern das Wort bedeutet einen Oberbegriff und es gibt viele generelle Aussagen über alle Arten von Hunden, während Aussagen über Farben in der Regel entweder solche über Farbmittel oder solche über Farbigkeiten sind. Endlich kann eine Bedeutung alle Merkmale der anderen enthalten, aber nicht umgekehrt.

Beispiele sind: „ H a l s " (Abschnitt des Wirbeltierkörpers zwischen Rumpf und Kopf - Verengung vor dem Kopfende) und „rot werden"

(die Farbe ins Rot wechseln - erröten). Im ersten Fall liegt eine metaphorische Ausweitung der ursprünglichen Wortbedeutung vor, im zweiten Fall eine Einengung der Wortbedeutung.

Von Homonymie spricht man in der Regel bei Wörtern, die mehrere Bedeutungen und zwei (oder mehr) verschiedene etymolo-gische Wurzeln haben, von Polysemie bei Wörtern mit mehreren Bedeutungen, aber nur einer etymologischen Wurzel.

Wenn man nun von einer Kontextabhängigkeit der Bedeutung spricht, so kann ein sprachlicher Kontext gemeint sein — der Satz oder der Text, in dem ein Wort vorkommt — oder ein außersprachlicher Kontext, d.h. die Situation, in der eine Äußerung getan wird. Auf die Situationsabhängigkeit der Bedeutung von Äußerungen werden wir später zurückkommen, hier geht es uns zunächst um die Abhängigkeit der Bedeutung von Wörtern vom Satzkontext, in dem sie stehen, d.h.

um eine Betrachtung im Rahmen der languey nicht der parole.

Die Kontextabhängigkeit wird durch folgende Sätze belegt:(a)

„Fritz stimmt seinen Flügel". „Flügel" ist hier gleichbedeutend mit

„Klavierinstrument, dessen Saiten in Richtung der Tasten laufen".

Hier wird die Mehrdeutigkeit des Wortes „Flügel" durch den Kontext eliminiert, (b) „Fritz verkauft Farben". Hier ist „Farbe" gleichbedeu-tend mit „Farbmittel", so daß die Mehrwertigkeit von „Farbe" durch den Kontext eliminiert wird, (c) „Bei diesem Lob wurde Fritz rot".

Hier wird „rot werden" im Sinne von „erröten" gebraucht, der Kontext bewirkt also eine Bedeutungseinengung, (d) „Die Flasche hatte am Hals einen Sprung". Hier wird „ H a l s " im übertragenen, erweiterten Sinn gebraucht.

Aber auch bei Wörtern, bei denen man nicht von Mehrdeutigkeit

oder -Wertigkeit sprechen kann, zeigt sich eine Kontextabhängigkeit.

Dazu bringt J. Lyons in [69], S. 452 f. einige Beispiele: (e) " M y dog has just had pupps". Hier wird "dog" im Sinne von "bitch" gebraucht und kann durch dieses Wort ersetzt werden, ohne daß sich dabei der Sinn des Satzes ändert, (f) ' T m going to New York in my own car", hier wird "go" im Sinne von "drive" gebraucht und kann durch dieses Wort ersetzt werden.

Auch grammatikalische Mehrdeutigkeiten können durch den Kon-text aufgehoben werden. Dazu bringen Katz und Fodor in [63] u.a.

das Beispiel der beiden Sätze (g) " O u r störe sells alligator shoes" und (h) " O u r störe sells horse shoes". D a ß (g) gewöhnlich im Sinne von

„Unser Laden verkauft Schuhe aus Krokodilleder", (h) hingegen im Sinn von „Unser Laden verkauft Schuhe (Hufeisen) für Pferde" zu deuten ist, weiß man, wenn man weiß, daß Alligatoren gewöhnlich keine Schuhe tragen und daß man Schuhe üblicherweise nicht aus Pferdeleder macht.

Katz und Fodor heben nun hervor, daß diese Auswahl der Interpre-tationen von (g) und (h) keinen rein sprachlichen Kriterien folgt: die anderen möglichen Deutungen sind nicht nach sprachlichen Regeln ausgeschlossen, sondern aufgrund eines Tatsachenwissens unwahr-scheinlich. Man kann auch nicht sagen, daß „Flügel" in dem Kontext

„den Flügel stimmen" nach rein sprachlichen Regeln immer das so genannte Musikinstrument bedeutet: Käme in einem Märchen ein Vogel vor, der seine Flügel wie Musikinstrumente verwenden kann, so würden wir in diesem Kontext den Ausdruck „den Flügel stimmen"

auch anders verstehen können. An diesen beiden Beispielen zeigt sich also, daß ein allgemeines Tatsachenwissen in die Deutung sprachli-cher Ausdrücke eingeht; daß die Kontextabhängigkeit der Bedeutun-gen nicht nur eine Sache sprachlicher Regelmäßigkeiten ist, sondern daß wir die Sätze auf dem Hintergrund gewisser Kenntnisse und Annahmen über die Welt interpretieren.

Wenn es nun so ist, daß die Bedeutung der sprachlichen Terme von unseren Annahmen über die Welt abhängt, wie Quine das behauptet, so gibt es auch keine scharfe Grenze zwischen analytischen Sätzen, deren Wahrheitswert allein aufgrund der Bedeutungen ihrer Terme festgelegt ist, und synthetischen Sätzen als Sätzen, für die das nicht gilt.

Tatsächlich gibt es diesbezüglich aber doch Unterschiede: So ist der Satz „Alle Junggesellen sind unverheiratet" doch eher als analytisch anzusehen, als „Max ist eine Junggeselle". Gegen einen komparativen Begriff der Analytizität hat Quine auch nichts einzuwenden.32 Er stellt die Situation etwa so dar: Alle unsere Annahmen über die Welt, singulare Sätze wie naturwissenschaftliche Hypothesen und Theorien, analytische Sätze (oder Bedeutungspostulate) wie auch die Theoreme der Logik bilden einen Gesamtkomplex, der nur insgesamt mit der Erfahrung konfrontiert werden kann. Wenn die Erfahrung nun mit dem Komplex unserer Annahmen nicht verträglich ist, so kann die Modifikation prinzipiell überall vorgenommen werden, nicht nur bei den singulären Sätzen und Hypothesen oder Theorien, sondern auch bei den Bedeutungspostulaten, ja sogar bei den logischen Theore-men.3 3 Grundsätzlich ist keine Annahme, kein Satz dieses Komple-xes inkorrigibel, d.h. immun gegen Modifikationen. Die Abänderung des Systems folgt verschiedenen Gesichtspunkten, wie dem der Ein-fachheit und Leistungsfähigkeit des resultierenden neuen Systems, dem Prinzip des Konservativismus, möglichst wenig zu ändern und weniger gesicherte Annahmen eher zu ändern als besser gesicherte, usw. Wenn man die Sätze, zu deren Änderung wir eher bereit sind, als - in diesem Gesamtkomplex — peripher bezeichnet, die Sätze, die wir so leicht nicht aufzugeben gewillt sind, als zentral, so wären die Bedeutungspostulate, neben allgemein akzeptierten fundamentalen Naturgesetzen und logischen Theoremen, zentrale Sätze und die

zen-32 Vgl. Quine [60], S. 203. - Formal könnte man allerdings, wenn man schon einen komparativen Begriff der Analytizität (x ist höchstens so analytisch wie y) zuläßt, einen klassifikatorischen Begriff (x ist analytisch) definieren

zen-32 Vgl. Quine [60], S. 203. - Formal könnte man allerdings, wenn man schon einen komparativen Begriff der Analytizität (x ist höchstens so analytisch wie y) zuläßt, einen klassifikatorischen Begriff (x ist analytisch) definieren

Im Dokument Verlag Sprachphilosophie von Kutschera (Seite 103-119)