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Bisher haben wir uns nur mit der Bedeutung einzelner Sätze beschäftigt und dieses Thema wird auch weiterhin im Vordergrund

Im Dokument Verlag Sprachphilosophie von Kutschera (Seite 178-182)

A. Church hat in [46] vorgeschlagen, diese Paradoxie in Analogie zu der Fregeschen Paradoxie der Identität von Gegenständen

I) F darf auf einen Gegenstand a angewendet werden genau dann, wenn Rp(a). 35

4. Bisher haben wir uns nur mit der Bedeutung einzelner Sätze beschäftigt und dieses Thema wird auch weiterhin im Vordergrund

stehen. Es soll an dieser Stelle aber doch kurz auf das Problem der Textsemantik hingewiesen werden, wobei wir uns allerdings auf

einige flüchtige Andeutungen beschränken müssen.

Ein Text ist zunächst eine Folge von Sprechakten. Dabei kann der Sprecher immer derselbe sein (wie bei einem Bericht) oder es können verschiedene Sprecher auftreten (wie in einem Gespräch). Auch bei Texten unterscheiden wir Äußerungs- und Ausdrucksaspekt (den in einer bestimmten Situation von bestimmten Sprechern gesprochenen Text von der Form dieses Textes), phonetischen Aspekt und Akt- und

Produktaspekt im Sinne von 1.1.

Nach welchem Kriterium sehen wir nun gewisse Satzfolgen als Texte an, andere aber nicht? Man wird hier zunächst auf einen inhalt-lichen Zusammenhang der Sätze hinweisen, aber das ist eine sehr vage Charakterisierung. Entscheidend ist wohl, daß der Satzfolge als gan-zer eine bestimmte, eigenständige illokutionäre Rolle zukommt, oder

in unserer Terminologie: daß es einen performativen Modus gibt, der sie zusammen als Erzählung, Bericht, Diskussion, Begründung etc.

charakterisiert, während kleinere Abschnitte der Folge, speziell die einzelnen Sätze der Folge, sich nicht so charakterisieren lassen. Es gibt nun Texte (z.B. Berichte), in denen man alle Sätze durch „und" zu einem großen Satz verbinden könnte, dessen performativer Modus

dann der Modus des Textes ist. Nicht alle Texte sind aber solche großen Sätze. In manchen Texten (wie z.B. in Diskussionen) sind viel-mehr die einzelnen Sätze — oder aber Teile des Texts — innerhalb des übergreifenden performativen Modus des ganzen Texts noch durch verschiedene eigene performative Modi charakterisiert (These, Gegenthese, Begründung, Rückfrage, Aufforderung, etc.). Hier erst wird das Wittgensteinsche Bild vom Sprachspiel, von den Sprechak-ten, die wie Züge in einem Spiel aufeinander folgen, völlig zutreffend.

Dabei gibt der performative Modus des Texts an, welches Sprachspiel gespielt wird, welche Regeln für die Abfolge der einzelnen Züge gelten, welche Züge möglich sind und damit welche Funktion die einzelnen Züge im Spiel haben.

Wie wir oben von einer Semantik der (beschreibenden) Behaupt-ungssätze ausgegangen sind und Sätze mit anderen performativen Modi auf dem Wege über performative Beschreibungen dieser Sätze als Sprechakte interpretiert haben, können wir nun alle Texte, die nicht den Charakter von Berichten, d.h. von Folgen von zu einem Behauptungssatz konjunktiv verknüpfbaren Sätzen haben, durch per-formative Beschreibungen charakterisieren, die sich wieder als Sätze, bzw. Prädikate darstellen. Die deskriptive Bedeutung solcher Be-schreibungen kann man dann wieder als performative Bedeutung der Texte als Sprechhandlungsfolgen ansehen.

Im Beispiel einer Diskussion sieht das etwa so aus: Eine Diskussion in einem hier ad hoc zugrunde gelegten Sinn soll aus Behauptungen, Aufforderungen zur Begründung einer Behauptung und Begründun-gen bestehen. Eine Begründung eines Satzes A ist dabei selbst ein Text, der aus mehreren Sätzen besteht, deren letzter A ist, und zwar aus Prämissen (die als neue Behauptungen gelten) und logischen Folgerungen aus früheren Sätzen der Begründung. Auch für die Diskussion sollen Regeln gelten, wie z.B. die Regel, daß einer Auffor-derung eines Diskussionspartners zur Begründung immer Folge gelei-stet werden muß, daß man nur die Begründung von voraufgegan-genen Behauptungen anderer Partner verlangen darf und daß man einer Behauptung A eines Partners nur die Behauptung n A entgegen-setzen darf.

Durch solche Regeln werden die folgenden Prädikate

D(x,y,C) — zwischen x und y findet eine Diskussion statt, wie sie C beschreibt

B(x>t,E,C) - x gibt in t eine Begründung dafür an, daß E, wie sie C beschreibt

T(x,t,C) - x behauptet in t, daß C F(x,t,C) - x folgert in t, daß C

A(x,y,t,C) — x fordert y in t auf, seine Behauptung, daß C, zu begründen.

Eine Diskussion der Gestalt:

x behauptet, daß C ; daraufhin fordert y den x auf, diese Behauptung zu begründen; x begründet seine Behauptung so, daß er behauptet, daß E und daraus C folgert; darauf entgegnet y, daß i E

kann also beschrieben werden durch das Prädikat

D(x,y,T(x,t!,C) AA(y,x,t2,C) AB(x,t3,C,T(x,t4,E) AF(x,t5,C)) A T ( y, t6, - i E ) )

mit den Variablen x und y. Dabei geben ti bis t6 im Sinn der relativen Zeitangaben „daraufhin", „ d a n n " etc. im Bericht von der Diskussion die Abfolge der verschiedenen Sprechakte an.7 3 Kürzen wir dies Prädikat durch 0(x,y) ab, so fassen wir die deskrip-tive Bedeutung von 0(x,y) als performadeskrip-tive Bedeutung der Diskussion als Textiorm (Sprechhandlungsform) auf. Bezeichnen die Konstanten a, b zwei Diskussionspartner, so ist entsprechend die deskriptive Bedeutung von 0(a,b) die performative Bedeu-tung der Diskussion dieser beiden Partner als Textäußerung.

Abschließend sei noch einmal betont, daß die Theorie der Sprechakte, für die sich bei Wittgenstein nur vereinzelte Hinweise finden, einen deutlichen Fortschritt gegenüber der Abbildtheorie wie gegenüber der Gebrauchstheorie der Bedeutung in den „Philo-sophischen Untersuchungen" darstellt. Wenn man von den Aus-drücken als (Klassen von) phonetischen oder graphischen Objekten ausgeht, so liegt die Schwierigkeit für eine Erklärung ihrer Bedeu-tung darin, daß sie von sich aus ebensowenig etwas bedeuten wie Steine oder Klassen von Zahlen. Eine Bedeutung muß ihnen dann erst zugeordnet werden, sei es im realistischen Sinn, sei es im pragmatischen Sinn durch Gebrauchsregeln. Aber die

Auffas-73 Solche relativen Zeitangaben lassen sich vermeiden, wenn man anstelle der Argumente der Funktoren D und B n-tupel angibt für die Folge der Sprechhandlungen, aus denen die Diskussion, bzw. die Begründung besteht.

sung der Wörter als Marken für die Dinge ist ebenso schief und unnatürlich wie ihre Auffassung als Spielfiguren. Sprechakte dagegen haben als konventionelle Handlungen Bedeutung in einem sehr natürlichen und nicht nur auf Sprechhandlungen beschränkten Sinn. Wir verstehen Handlungen in einem sehr viel unmittelbareren Sinn als Objekte.74 Und wir „gebrauchen" nicht einen Satz, indem wir auf Regeln für seine Verwendung zurückgehen, die uns sagen, daß er hier angewendet werden darf, sondern wir sprechen den Satz aus, weil wir (aufgrund der sprachlichen Konventionen) damit in der gegebenen Situation das erreichen können, was wir erreichen wollen.

Die performative Bedeutung empfiehlt sich daher als natürlicher Grundbegriff der Semantik, mit dessen Hilfe man dann deskriptive Bedeutungen als theoretische Konstrukte einführen kann.

2.4.6 Privatsprachen

Unter einem privatsprachlichen Ausdruck kann man einmal einen Ausdruck verstehen, den jemand für seinen eigenen privaten Gebrauch eingeführt hat und der nicht der intersubjektiven, von einer Sprachgemeinschaft gesprochenen Sprache angehört. In diesem Fall wollen wir von einem privaten Ausdruck sprechen. Man kann darunter aber auch einen Ausdruck verstehen — sei er privat oder allgemein gebräuchlich — der für ein privates, inneres Erlebnis eines Subjekts steht, für eine Empfindung, ein Gefühl, etwa einen Schmerz, um das von Wittgenstein am häufigsten angeführte Beispiel zu nennen, oder der solche Erlebnisse charakterisiert. In diesem Fall wollen wir von einem Ausdruck für Privates sprechen. Wittgenstein bestreitet in den „Philosophischen Untersuchungen", daß es möglich

74 D. Lewis zeigt in [69], daß sprachliche Konventionen als gemeinsame sprachliche Verhaltensweisen stabilisiert werden durch das allgemeine Interesse am Funktionieren der Kommunikation. Kommunikation gelingt nur dann, wenn die Mitglieder der Sprachgemeinschaft übereinstimmend bestimmte sprachliche Mittel für bestimmte Zwecke einsetzen und wenn auch allgemein bekannt ist, daß diese Mittel von den anderen regelmäßig für diese Zwecke eingesetzt werden. Danach sind Sprechakte in ihrer Intention verständlich aufgrund der Kenntnis der einschlägigen sprach-lichen Konventionen, der Gemeinsamkeit im sprachsprach-lichen Verhalten.

ist, solche privatsprachlichen Ausdrücke einzuführen. Wittgenstein unterscheidet dabei nicht streng zwischen privaten Ausdrücken und Ausdrücken für Privates, seine Argumente treffen aber beide Fälle.

Diese Doktrin Wittgensteins ist, sofern sie sich auf Ausdrücke für Privates bezieht, insbesondere im Zusammenhang mit der Philosophie des Bewußtseins, mit Behaviorismus und Phänomenalismus von Inter-esse; sofern sie sich auf private Ausdrücke bezieht, ist sie aber auch als sprachphilosophische These in unserem Zusammenhang von Bedeu-tung.

Wittgensteins Argumente gegen private Ausdrücke lassen sich so zusammenfassen:

1) Ein Ausdruck hat nur dann eine Bedeutung, wenn es Regeln für

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