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1. Einleitung

1.7 Glykosphingolipide (GSL)

- die Anzahl, Art und Lokalisation der Sialinsäuren an den Neutralzuckerketten (bei Gangliosiden),

- die Kettenlängen der am Sphingosin gebundenen Fettsäuren (C14– C24), und - die Anzahl und Position der cis-Doppelbindungen innerhalb der Fettsäuren.

Aufgrund der variablen Struktur ihrer Oligosaccharidketten werden die GSL verschiedenen Serien oder Familien nach der Nomenklatur der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) Commission on Biochemical Nomenclature (1997) zugeordnet.

Tabelle 1.4: Häufigste Strukturfamilien der Glykosphingolipide am Beispiel von Tetraosylceramiden.

Strukturfamilie IUPAC Abkürzung Struktur

Ganglio- Gg4Cer Galβ1-3GalNAcβ1-4Galβ1-4Glcβ1-1Cer

Globo- Gb4Cer GalNAcβ1-3Galα1-4Galβ1-4Glcβ1-1Cer

Lacto- Lc4Cer Galβ1-3GlcNAcβ1-3Galβ1-4Glcβ1-1Cer

Neolacto- nLc4Cer Galβ1-4GlcNAcβ1-3Galβ1-4Glcβ1-1Cer

Die GSL mit einem am Ceramid gebundenen Mono- bzw. Disaccharid werden nach dem Trivialnamen dieser Zucker mit der Endung Cer benannt (z.B. Galβ1-4Glcβ1-1Cer = Lac-tosylceramid). Bei längeren Kohlenhydratketten wird die jeweilige Bezeichnung der in Tabelle 1.4 dargestellten Serien verwendet. Die Abkürzung der Strukturfamilie wird mit der Zahl der Zuckerreste und der Endung Cer versehen (z.B. Gg4Cer = Gangliotetraosyl-ceramid). Die Position der Sialinsäure der Ganglioside wird anhand von römischen Ziffern angegeben. Dabei werden die Zuckerketten vom Ceramid ausgehend durchnumeriert und die Bindung der Sialinsäure (Neu5Ac, Neu5Gc) mit dem hochgestellten Index 3 oder 6 charakterisiert, je nachdem ob eineα2-3- oderα2-6- Konfiguration vorliegt. Ein Ganglio-sid aus Lactose und einer in α2-3-Konfiguration an die Galactose gebundenen Sialinsäure (Neu5Acα2-3Galβ1-4Glcβ1-1Cer) wird also mit II3Neu5Ac-LacCer bezeichnet. Die Ganglioserie ist mengenmäßig besonders im Gehirn vertreten, die Globoserie tritt bei den Blutgruppenantigenen in Erscheinung und die Neolactoserie wird stark in humanen Gra-nulocyten exprimiert. Ganglioside der Neolactoserie sind generell terminal sialyliert, wo-bei dann z.B. im Falle von nLc4Cer die Position IV sialyliert ist.

1.7.1 Biosynthese der GSL

Glykosphingolipide sind sekundäre Genprodukte, die durch die Enzymmaschinerie der Zelle generiert werden. Ausgehend von Palmityl-CoA und Serin, die zu Dehydrosphinga-nin kondensieren, das anschließend in Sphingosin umgewandelt wird, entsteht schließlich Ceramid über eine Reaktion mit Acyl-CoA. Die Synthese des Ceramids geschieht im Endoplasmatischen Reticulum (ER). Die Glucosylceramidsynthase katalysiert den ersten Schritt des Kohlenhydrattransfers an das Ceramid. Folgend wird der Kohlenhydratanteil schrittweise durch membranständige Glykosyltransferasen, von denen die

Reaktionspro-dukte der Ganglioserie in Abbildung 1.11 dargestellt sind, verlängert. Die jeweiligen En-zyme verwenden aktivierte Nukleotidphosphatzucker wie z.B. Gal oder UDP-GlcNAc. Die Synthese komplexer Ganglioside erfolgt im Golgi-Apparat (Schwarzmann and Sandhoff, 1990), wobei verschiedene Sialyltransferasen die Anbindung der Sialinsäu-ren katalysieSialinsäu-ren (van Echten and Sandhoff, 1993). Zusätzlich ist z.B. bei Gangliosiden der Neolactoserie eine Fucosylierung durch Fucosyltransferasen möglich. Dabei ist die Fuco-syltransferase VII - eine von fünf bekanntenα1-3Fucosyltransferasen – verantwortlich für die Generierung von E-Selektin bindenden Kohlenhydratepitopen (vgl. Tabelle 1.3) wie die sLex-Struktur (Lowe et al., 1990; Chandrasekaran et al., 1996; Zöllner and Vestweber, 1996; Stroud and Holmes, 1997; Handa et al., 1998; Weninger et al., 2000). Die Fucosyl-transferase IV ist ebenfalls eine α1-3Fucosyltransferase und führt die Synthese von Lex -(CD15) und VIM2- (CD65w) Epitopen durch (Wagers et al., 1997; Huang et al., 2000).

Abbildung 1.11: Schema der Biosynthesewege einiger Ganglioside der Ganglioserie (Maccioni et al., 1999).

Die Abfolge der Kohlenhydratkette wird von mehreren Faktoren wie z.B. der Spezifität und dem Expressionsniveau der Glykosyltransferasen, der Lokalisation und Organisation der Enzyme im ER, Golgi-Apparat und trans-Golgi-Netzwerk und anderen Faktoren wie z.B. dem intrazellulären pH-Wert beeinflußt (Lloyd and Furukawa, 1998).

1.7.2 Vorkommen und Bedeutung von GSL

GSL kommen bei Säugetierzellen ubiquitär als Membranbestandteile vor (Ledeen et al., 1982), sind aber auch intrazelluläre Bestandteile der Membranen von Organellen oder Granula (Hakomori, 1990; Gillard et al., 1993). Sie unterliegen einem ständigen Umsatz durch Anabolismus und Katabolismus (Sandhoff and Klein, 1994; Sandhoff and Kolter, 1998; Sandhoff et al., 1998; Kolter et al., 1999; Möbius et al., 1999). Ist der Abbau durch Enzymdefekte gestört, kommt es zu Speicherkrankheiten wie z.B. Morbus Gaucher, Tay-Sachs oder der Jatzkewitz-Sandhoffschen Erkrankung (Schuette et al., 1999).

In tierischem Gewebe kennzeichnen die GSL die Organzugehörigkeit und variieren je nach Spezies, Zustand und Alter des Gewebes. Speziell das Lex-Antigen ist im 8-32 Zellstadium der embryonalen Frühentwicklung den GSL inhärent (Hakomori, 1986). Die topologische Präsentation der GSL auf der äußeren Hälfte der Plasmamembran ist bedeutsam für ihre Funktion bei Zell-Zell-Erkennungsprozessen. Sie wird allerdings von krankheitserregenden Bakterien wie z.B. E. coli und V. cholerae bzw. deren Toxine ausgenutzt, die die GSL als Rezeptoren verwenden. Ebenfalls folgenschwer ist die Präsentation von veränderten GSL-Strukturen bei entarteten Zellen. Diese Krebszellen synthetisieren besonders häufig Lea -Epitope, die eine Wechselwirkung mit E-Selektin eingehen können und bei Invasion des vasculären Systems zu einer besonders raschen Metastasierung führen (Fukushima et al., 1984; Narita et al., 1996; Renkonen et al., 1997; Taki et al., 1997; Kannagi, 1997; Renko-nen et al., 1999; Tomlinson et al., 2000; Kitayama et al., 2000). Die eigentliche Funktion der meisten der ca. 400 bekannten GSL ist allerdings unbekannt (Ichikawa and Hiraba-yashi, 1998). Bisher sind dem Gangliosid GM3 inhibitorische Eigenschaften bezüglich der EGF- und bFGF- (engl.: bFGF = basic fibroblast growth factor; basischer Fibroblasten-wachstumsfaktor) Rezeptoren zugeschrieben worden (Hakomori, 1993). Das Gangliosid GM1verstärkt die NGF-induzierte (engl.: NGF = nerve growth factor; Nervenwachstums-faktor) Aktivierung der Tyrosinkinase A. Ganglioside können somit durch Modulierung der Tyrosinkinaseaktivität in die Signaltransduktionskaskade eukaryotischer Zellen ein-greifen (Yates and Rampersaud, 1998; Rampersaud et al., 1999; Liu and Hebert, 1999) und auch immunmodulatorische Wirkung ausüben (Marcus, 1984).

Die Bedeutung der potentiellen Gangliosidbeteiligung an der Ausbildung von Kohlenhy-drat-E-Selektin-Wechselwirkungen im Falle einer Entzündung in vivo ist noch ungeklärt.

Zwar konnte bereits eine Bindung von HL-60-Gangliosiden an E-Selektin in vitro nachge-wiesen werden; diese beruhte jedoch auf Experimenten, bei denen die GSL in Polystyrolka-vitäten von Mikrotiterplatten oder auf Polystyrolbeads immobilisiert wurden, worauf E-Selektin-transfizierte CHO Zellen adhärierten (Stroud et al., 1996 b; Handa et al., 1997).

Ebenfalls wurde eine Interaktion von E-Selektin-transfizierten CHO-Zellen mit chemisch synthetisierten sLex-tragenden Neoglykolipiden nach Adsorption der Glykolipide an Po-lystyrol (Alon et al., 1995) oder an silanisierten Glasobjektträgern (Vogel et al. 1998; Gege et al., 2000) nachgewiesen. Diese Experimente spiegeln die in vivo-Verhältnisse, bei denen

die GSL-tragenden Neutrophilen über statische E-Selektin-exprimierende Endothelzellen rollen, nur ungenügend wieder.

In dieser Arbeit wurde eine andere Strategie verfolgt, bei der E-Selektin exprimierende-CHO-Zellen oder humane Endothelzellen kompetitiv mit humanen Granulocytenganglio-siden und HL-60 Zellen inkubiert wurden. Die exogene Zugabe von freien GanglioGranulocytenganglio-siden, die im wässrigen Milieu als Monomere und/oder Micellen vorliegen, führt bei Monolayern zu einer zeit- und temperaturabhängigen Adsorption eines Teils der Ganglioside an die Zellmembran (Saqr et al., 1993).

Abbildung 1.12: Schematische Darstellung der Gangliosidadsorption, –insertion und –bindung einer intak-ten E-Selektin-exprimierenden Zelle bei exogener Zugabe von Gangliosiden. In dieser Arbeit wurden drei grundlegende Darreichungsformen von Gangliosiden angewendet: 1. Die Darreichung in freier Form als Mo-nomere und Micellen, 2. die Darreichung von Liposomen-inserierten Gangliosiden und 3. die Darreichung von Protein- und Lipoprotein-adsorbierten Gangliosiden. Prinzipiell werden die angebotenen Ganglioside entweder an Rezeptoren wie das E-Selektin gebunden, auf der extrazellulären Membranseite adsorbiert oder in die Zellmembran inseriert.

Bei einstündiger Inkubation adsorbieren bereits nach 5 Minuten 30% der Menge an Gang-liosiden bezüglich des absoluten Maximalwertes. Mit sinkender Temperatur wird auch die Menge der angelagerten Ganglioside geringer. Bei 2-4°C sind es 30-60% des Vergleichs-wertes bei 37°C. Es sind drei Arten der Adsorption unterscheidbar: die Serum-stabile Ad-sorption, die Trypsin-stabile Adsorption und die Serum- und Trypsin-stabile Adsorption.

Bei Inkubationszeiten der Zellen unter einer Stunde werden über 90% der adsorbierten Ganglioside nach anschließender Inkubation mit 10% (v/v) FCS (engl.: fetal calf serum;

fötales Kälberserum) abgelöst. Vorherige Inkubation eukaryotischer Zellen mit Trypsin senkt die GSL-Adsorption um 75% (Radsak et al., 1982). Bei längeren Inkubationszeiten von 1-96 Stunden binden 10-35% der GSL serumstabil, 10-40% adsorbieren Trypsin-stabil

Monomer-adsorption

Monomer-insertion

Monomere Micelle

Liposom

Micellen-adsorption

E-Selektin-Bindung

Protein

Phosphatidylcholin Phosphatidylethanolamin Phosphatidylserin Sphingomyelin Cholesterol Gangliosid

Plasmamembran -außenseite

Plasmamembran -innenseite

und 5-25% verbleiben nach FCS- und Trypsin-Inkubation an den Zellen. Von dem serum-stabilen Anteil werden 25-50% durch Trypsin abgelöst (Saqr et al., 1993). Der überwie-gende Großteil der Ganglioside adsorbiert demnach an Membranproteine und die Plasma-membran. Der verbleibende geringe Restanteil inseriert wahrscheinlich in die Membran.

Für die in dieser Arbeit durchgeführten Experimente wurden die Ganglioside in freier Form als Monomere und/oder Micellen, inseriert in Liposomen und gebunden an BSA (engl.: bovine serum albumin; Rinderserumalbumin) bzw. HDL (engl.: high density lipo-protein; Lipoprotein hoher Dichte) den Endothelzellen zugegeben.

Die Inkubationsdauer betrug maximal 20 Minuten, um den in die Plasmamembran-inserierenden GSL-Anteil relativ zum absolut bindenden Teil deutlich unter 10% zu halten.

Dabei wurde ein Vergleich der Effekte bezüglich der Zell-Zell-Adhäsion zwischen den drei Inkubationsformen durchgeführt. Die Liposomen sollten eine Zellmembran nachbil-den und die Ausbildung von „rafts“, die für die inflammatorische zelluläre Wechselwir-kung von Bedeutung sein könnten, ermöglichen. Der Einfluß der beiden Blutproteine BSA und HDL für eine eventuelle Rolle als Trägerprotein wurde ebenfalls untersucht (siehe Abbildung 1.12).