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Die Gesta Treverorum

Kapitel II: Darstellung

1. CAESAR

1.2. Die Quellen der Caesargeschichte

1.2.2. Die Gesta Treverorum

A. Entstehung

“Die Gesta Treverorum stehen in einer literarischen Tradition, die, von dem Liber

Pontificalis begründet, von Paulus Diaconus nach Metz vermittelt, gerade im lothringischen Raum recht häufig aufgegriffen ist.” 153 Zur Darstellung kommt hier die Geschichte eines Bistums, realisiert durch eine Reihe von Bischofsbiografien; diese seien besonders aus antiken Quellen, zum Beispiel aus Caesars Bellum Gallicum gespeist. 154 Zur Anonymität ihres Verfassers oder ihrer Verfasser bemerkt Heinz Thomas: “Die Gesta Treverorum gelten weniger als das von einem einzelnen Verfasser individuell gestaltete Werk – wiewohl die Redaktion A von einem einzigen Autor stammen mag - , sie wurden vielmehr als

Kodifizierung der trierischen Geschichtstradition verstanden, die jederzeit von einem anderen Redaktor wieder aufgegriffen und weitergeführt werden konnte.” 155

B. Überlieferung

Die Überlieferung der Gesta zur Geschichte Triers von den sagenhaften Anfängen bis in das Jahr 1101 erfolgte in zahlreichen Handschriften, von denen zumindest die Redaktion A als Quelle für das Annolied und die aus diesem schöpfende Kaiserchronik in Frage kommt. 156

“Allem Anschein nach wurde die Redaktion A der Gesta Treverorum wie sie uns in den frühen Handschriften dieser Klasse vorliegt, um das Jahr 1101 abgeschlossen.” 157 Die Redaktion B habe dem Text von A außerdem noch einige Notizen aus Suetons Caesarenleben eingefügt. 158 Dieser Einschub würde dann die Ansicht Thomas´ untermauern, dass keine Fassung der Gesta Treverorum als unumstößliches literarisches Werk gegolten hat, dass ein

153 Heinz Thomas. Studien zur Trierer Geschichtsschreibung des 11. Jahrhunderts insbesondere zu den Gesta Treverorum. Bonn 1968, 6.

154 Thomas,7.

155 Thomas, 7.

156 Vgl. Thomas, 7.

157 Vgl. Thomas, 25 und, erneut diesen Zeitpunkt bekräftigend, 33.

158 Thomas, 25.

Redaktor durch ihm als passend erscheinende antike Quellen die geschriebene Geschichte Triers bereichern durfte. “Klasse C endlich folgt für die Zeit bis 1132 im wesentlichen dem Textbestand von B, doch hat der Redaktor mehrfach Urkunden inseriert, die den Bericht von A oder B bestätigen sollen.” 159

C. Bezug zu Annolied und Kaiserchronik

Heinz Thomas vertritt die Position, dass nicht die volkssprachige Dichtung des Annolieds die lateinische Quelle, die Gesta Treverorum, ausgeschrieben habe, vielmehr sei diese von dem mittelhochdeutschen Lied abhängig. 160 Er weist daraufhin, dass das einzig gewichtige Argument für eine Datierung der Dichtung in die Zeit nach 1105 bisher die Textberührung mit den Gesta Treverorum war, denen man als lateinischer Quelle unbesehen die Priorität zubilligte.161 Thomas hingegen bemerkt, dass dem Redaktor der Gesta bei seiner Gestaltung der Kapitel 13 und 15 (Sage von der Weinleitung und Sage vom Zug der Gallier und

Germanen gegen Rom) das Annolied bekannt gewesen ist, und dass dieses wiederum die Hystoria Treverorum (vgl. mein nächstes Unterkapitel 1.2.3.) ausgeschrieben haben kann.162

Sowohl die Gesta Treverorum als auch das Annolied berichten in einer Weise, die die gegenseitige Beeinflussung wahrscheinlich macht, von Caesars Kampf um die Stadt Trier.

Erst die auf den Sieg Caesars folgenden Zeilen (435ff.) der Kaiserchronik erscheinen weder im Annolied noch in den Gesta Treverorum; sie sind vermutlich als Schöpfung der

Kaiserchronik zu verstehen:

435 Alse Juljus in Triere chom,

sî wânten, si hêten alle den ir lîp verlorn.

Cêsar was edele unt kuone, diu burch dûht in veste unt scône;

159 Thomas, 25.

160 Thomas, 131.

161 Thomas, 131.

162 Thomas, 131.

von diu liez er die herren 440 in den selben êren dâ er sî vor inne vant.

Für den weiteren Verlauf der Caesarepisode der Kaiserchronik ist dieser Einschub von großer Bedeutung, zeigt er doch Caesar als mildtätigen Herrn und schafft die nötigen

erzählerischen Voraussetzungen für den später erfolgenden Zusammenschluß der Streitkräfte Caesars mit denen der Trierer und der anderen deutschen Stämme. Den Gesta Treverorum hingegen liegt eine andere literarische Zielsetzung zu Grunde. Wie der Titel bereits aussagt, wird ausschließlich von Geschehnissen um die Stadt Trier berichtet. Auch hier ficht Caesar im Auftrag der Römer einen langen Kampf gegen die Trierer, 163 wobei sich besagter Auftrag eigentlich gegen Gallien bezog und Trier offensichtlich mit zu Gallien gerechnet wurde, was in seinem Ursprung auch noch in der einige Dekaden jüngeren Kaiserchronik anklingt:

395 Dannoh stuont Triere mit michelen êren.

si stuont an einem ende in Franken lande, in Bellicâ Galliâ.

...

In der Kaiserchronik wirkt diese Textstelle freilich wie ein Fremdkörper, der sie ja auch ist.

Archaisch wirkt diese Beschreibung der Lokalisation Triers als nicht ganz fränkisch, aber auch nicht eindeutig gallisch. Dies entspricht noch ganz dem Denken der antiken Römer, die ebenfalls die gallisch-germanische Grenze nicht genau zu orten wußten. 164 Zwar galt der Rhein gemeinhin als eine greifbare Begrenzung, Übertretungen nach beiden Seiten hin waren aber an der Tagesordnung, so dass sich die Grenzen ständig verschoben und man zu diesem Zeitpunkt der Geschichte kaum von einer festen Grenze sprechen konnte.

Um wieder auf die Gesta Treverorum zurückzukommen, so gibt es in der Behandlung der

163 Thomas, 128.

164 24 Thomas, 128.

Caesar-Episode im Vergleich zum Annolied und zur Kaiserchronik trotz der auffallenden Übereinstimmungen doch einige wesentliche Unterschiede. Erst einmal sind natürlich, wie schon der Titel vermuten läßt, alle Handlungsabläufe auf die Stadt Trier gerichtet. So ist Trier bereits lange vor Rom gegründet; andere Städte werden nicht erwähnt. 165 Auch hier werden thematisch die Auseinandersetzungen Caesars mit Pompeius und dem Senat aufgegriffen.

Jedoch wird der Verlauf des Geschehens anders geschildert: Demnach stellen sowohl Germanen als auch Gallier Heere zur Hilfe Caesars. Jedoch werden die Hilfstruppen nicht ordnungsmäßig belohnt, worauf die gallischen Truppen die vorherige Schmach rächen. 166

Die Frage stellt sich erneut, da die Gesta Treverorum etwa zeitgleich mit dem Annolied entstanden sind, ob nicht eine gemeinsame Quelle anzunehmen ist oder zumindestens von einer gegenseitigen Beeinflussung auszugehen ist. Heinz Thomas führt aus: “ Da eine verlorene Trierer Quelle für die Vermittlung der Sage ebenfalls nicht in Frage kommt, ..., ist die Behauptung nicht zu gewagt, der Redakteur der Gesta habe das Annolied gekannt und ausgeschrieben. ... . Die Erzählungen der Gesta Treverorum über die der Niederlage der Treverer im Kampf gegen Caesar folgenden Ereignisse setzen sich aus 2 Sagenkreisen zusammen, ... der Sage von dem Hilfebegehren Caesars an Gallier und Germanen sowie ...

der Sage von der Drususschlacht bei Bingen. Mit dem Annolied haben die Gesta lediglich die erste Sage gemeinsam, während die Schlacht bei Bingen weder im Annolied noch von der von diesem abhängigen Kaiserchronik berichtet wird.” 167 Die Quellenlage kann in diesem

Rahmen dennoch nicht eindeutig geklärt werden.

In jedem Fall entschied der Verfasser der Kaiserchronik, nachdem er die Ereignisse um die Stadt Trier im Annolied und möglicherweise in den Gesta Treverorum erzählt fand, sie in weiten Teilen für seine Chronik zu verwenden. Die im Vergleich zum Annolied und zu den Gesta Treverorum zugefügte Passage über die Angst der Trierer vor Bestrafung und die tatsächlich eintretende milde Behandlung durch Caesar zeugt vom Geschick des

Kaiserchronisten, die Eignung eines bereits bestehenden Themas in Bezug auf seine eigene Geschichtsdarstellung zu erkennen. So wirken die von ihm vorgenommenen Änderungen äußerst planvoll und sinnstiftend.

Die Triersage wird hier zunächst darauf verwendet, eine noch positivere Charakterschilderung Caesars als im Annolied zu erzielen.

165 vgl. Thomas, 128f.

166 Thomas, 131.

167 Thomas, 129.