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Die Actus Silvestri

Im Dokument Caesar, Konstantin, Karl und Friedrich (Seite 117-122)

Kapitel II: Darstellung

2. KONSTANTIN

2.4. Quellen der Konstantingeschichte

2.4.1. Die Actus Silvestri

A. Entstehung

Zwischen 366 und 514 n. Chr. entstand in Rom in lateinischer Sprache die älteste

Ursprungsfassung A 1 der Actus Silvestri. 282 In allen Fassungen überwiegt thematisch die Lebensschilderung des zeitgleich mit Kaiser Konstantin amtierenden Papstes Silvester. Der Inhalt gliedert sich in vier Teile, wovon die ersten beiden die Kindheit des späteren Papstes Silvester bis zur Bischofsweihe, aber auch des späteren Kaiser Konstantins

Aussatzerkrankung, Taufe und Heilung mit dem daraufhin von ihm proklamierten

Toleranzedikt der Religionen beinhalten. 283 Teil drei berichtet vom Briefwechsel zwischen der Kaisermutter Helena und ihrem Sohne Konstantin, außerdem von einem Religionsdisput Silvesters mit zwölf jüdischen Rabbinern, bei dem Helena und Konstantin als Zuhörer anwesend sind, der Philosoph Craton und der heidnische Römer Zenophilus den Vorsitz haben. 284 In den drei Eröffnungsansprachen legen die beiden Vorsitzenden und Konstantin den Verfahrensmodus fest, und beide Streitparteien (Christen versus Juden) benennen ihre

282 Herma Kliege-Biller. .... und ez in tiusch getihte bringe von latîne. Studien zum Silvester Konrads von Würzburg auf der Basis der A c t u s S i l v e s t r i. Münster 2000, 9.

283 Kliege-Biller, 34.

284 Kliege-Biller, 34 f.

Disputanten. 285 Es folgen Silvesters Streitgespräche mit den zwölf Juden. 286 Der vierte Teil handelt von Silvesters Sieg über einen die Stadt Rom bedrohenden Drachen und dem Gesetzestext Konstantins, der den gesamten Erdkreis zur c u l t u r a s u m m a D e i auffordert, jedoch nicht verpflichtet. 287 Mehrere der zahlreich erhaltenen Handschriften geben in einem vorangestellten Prolog Eusebius von Caesarea als Verfasser des Textes an, jedoch sei dieser aus Gründen des Legitimitätsnachweises erst später angefügt. 288

B. Überlieferung

Über 350 Handschriften sind bis heute erhalten, davon 85 Handschriften vom Ursprungstyp A 1. 289 “Die Actus Silvestri gehören zu den ungeschichtlichen, aber auch zu den einflussreichsten Heiligenleben des ausgehenden Altertums. Lateinische, griechische, syrische und armenische Fassungen ... deutsche und französische volkssprachige Bearbeitungen, weit über 300

lateinische Handschriften.” 290 “Hatte Konstantin der Große in Wirklichkeit erst kurz vor seinem Tode in der Nähe von Nikomedien von dem dortigen Bischof Eusebius, einem Arianer, die Taufe empfangen, so läßt das Leben Silvesters dies bekanntlich Jahre vorher in Rom unter ganz anderen Umständen durch die Hand des Papstes geschehen; die echte Überlieferung ist in weitem Umfang von dem Roman in den Hintergrund gedrängt worden,

der unmittelbar oder zum Beispiel auf dem Umweg über den Liber Pontificalis und die Konstantinische Schenkung Jahrhunderte lang das Geschichtsbild des Mittelalters beherrscht hat. Nicht nur vermittelst jener Urkunde hat die Legende seit dem 11. Jahrhundert päpstliche Herrschaftsansprüche unterstützt; auch unmittelbar aus ihr ist die angebliche Verfügung Konstantins zugunsten des römischen Bischofs ... für den päpstlichen Primat geltend gemacht worden.” 291 Für eine rege Verbreitung der Schriften über die Jahrhunderte spricht auch die Tatsache, dass sich Hadrian I., die Libri Carolini und die Pariser Versammlung von 825 im Bilderstreit auf die Actus bezogen, und dass Hadrian ihnen den Hinweis auf die Anwesenheit der Kaiserin Helena bei Silvesters Disputation mit den Juden entnommen hat, um die

285 Kliege-Biller, 35.

286 Kliege-Biller, 35.

287 Kliege-Biller, 36 f.

288 Kliege-Biller, 34.

289 Kliege-Biller, 34.

290 Wilhelm Levison. Konstantinische Schenkung und Silvester-Legende. Roma: Tipografia del Senato.

Biblioteca Vaticana, 1924, 10.

291 Levison, 11.

Teilnahme einer Frau, der Kaiserin Irene, an Konzilsverhandlungen zu rechtfertigen. 292

Unter den Überlieferungsträgern sind besonders die beiden Drucke des 15. Jahrhunderts hervorzuheben: die 1478 von den Brüdern des gemeinsamen Lebens in Brüssel gedruckte LEGENDA SANCTI SILVESTRI und das 1480 in Mailand erschienene SANCTUARIUM des Boninus Mombritius. 293 Es handelt sich dabei um die heute bekannteste Textform der Actus Silvestri, berücksichtigt aber leider nur sehr wenige der 350 überlieferten

Textzeugen. 294

Herma Kliege-Biller unterscheidet zusätzlich zur bereits erwähnten Urform A 1 der Legende die Überlieferungstypen B1, von denen nur 5 Handschriften überdauert haben sollen und B 2, von denen es etliche gäbe. 295 Diese Fassungen würden nur noch zwei Drittel des

Ursprungstyps A1 überliefern, sich durch eine geänderte literarische Konzeption auszeichnen und Kürzungen im ersten Teil aufweisen. 296 Der Religionsdisput umfasse nun 65,3 % des Gesamttextes und rücke somit in den Vordergrund. 297 Obwohl Konstantin jetzt sogar als Schiedsrichter fungiere, erscheine alles stärker auf Person und Wirken Silvesters hin orientiert. 298 So erledige Silvester von jetzt ab den Drachen, ohne dass Konstantin gegenwärtig wäre. 299 In allen bisherigen Handschriften würden die hagiografischen Koordinaten Silvesters wie Tod und Begräbnis fehlen.300 Diese seien dem Gesamttext erst, dem Liber Pontificalis und anderen Quellen entlehnt, seit dem 9. Jahrhundert angefügt worden und würden zusammen mit diesem erst die vollständige Vita bilden. 301

Seit der Jahrtausendwende würden die Gründung Konstantinopels durch Konstantin den Großen und die Auffindung des Heiligen Kreuzes durch Helena nach dem Religionsdisput dem Kerntext lose angehängt. 302 Außerdem gäbe es den Überlieferungstyp C, der

Mischformen aus den Typen A 1 bis B2 darstellt; die beiden Drucke des 15. Jahrhunderts gehörten diesem Typ an. 303

292 Levison,11, bezieht sich hier auf den Briefwechsel zwischen Karl dem Großen und Hadrian. MG. Epist. V, 39.

293 Levison, 13.

294 Kliege-Biller, 44.

295 Kliege-Biller, 38.

296 Kliege Biller, 38 f.

297 Kliege-Biller, 40.

C. Bezug zur Kaiserchronik

“Der Kaiserchronist vernachlässigt den Anfang der Silvester-Legende und setzt erst mit dem unmittelbaren Aufeinandertreffen von Kaiser und Papst bei der Aussatzerkrankung des Kaisers ein. Auch der Religionsdisput enthält eine eigene, der ursprünglichen Vorlage fremde Ausgestaltung; ungleich aggressiver als in der sonstigen Tradition wird er zu einem Kreuzzug ausgestaltet, nach Art der Chanson de geste werden ihm Beratungsszenen, Heerschau und Kampfesvorbereitungen vorangestellt. Von seiner lateinischen Vorlage hat der Chronist wenig mehr als die inhaltliche Grobstruktur übernommen. Es ist unklar, ob ein A 1 – Text oder ein C – Text seiner Bearbeitung zugrundeliegt. Die Zurückhaltung Konstantins im Religionsdisput etwa läßt eher auf einen Text der Fassung A 1 schließen, doch verändert der Bearbeiter willkürlich die Reihenfolge der Disputierenden und die theologischen Inhalte; er führt zudem mit Didascali einen 13. Juden mit einem eigenen Gespräch ein.” 304 Eine weitere Hinzufügung der Kaiserchronik seien die Kirchengesetze nach der Taufe Konstantins. 305

Auch eine Niederschrift der in den Actus Silvestri dargestellten Ereignisse aus der Leistung des Gedächtnisses heraus erscheint nicht ganz abwegig, da wörtliche Entlehnungen fehlen und neue, über den Inhalt der Actus Silvestri hinausgehende Einschübe des Chronisten, gerade die Beratungsszenen und die Formulierung der Gesetze betreffend, häufig begegnen.

Es bleibt außerdem fraglich, woher die beiden anhängenden Erzählungen von der Gründung Konstantinopels und der inventio crucis, der Auffindung des heiligen Kreuzes durch die Kaisermutter, stammen. Levison berichtet von einem Zusatz zur Handschrift A der Actus Silvestri, der von einem Traumgesicht Konstantins in Byzanz erzählen würde; dieses würde von Silvester so gedeutet werden, dass der Kaiser dort die Stadt Konstantinopel gründen solle.

(Levison benennt für diese Tradition die beiden Handschriften BHL 7735 und 4165, nach seiner Klassifizierung).306 Die Kaiserchronik hingegen berichtet von einem Engel, der Konstantin nachts im Traum erscheint, da Silvester ja an einem anderen Ort, in Rom, verweilt

304 Kliege-Biller, 26.

305 Kliege-Biller, 23.

306 Levison, 18.

und nicht um die Deutung des Traums gebeten werden kann. Für die Auftindung des heiligen Kreuzes durch Helena, die auch der Erzählung der Kaiserchronik angehängt ist, gibt Levison an, die Verfasser der wenigen A- Handschriften der Actus Silvestri, die dies berichten,

haben für diesen Part die Kirchengeschichte des Rufinus fast wörtlich übernommen. 307

307 Levison, 18.

Im Dokument Caesar, Konstantin, Karl und Friedrich (Seite 117-122)