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Kapitel 2 Anknüpfungen de lege lata zum Konzerngesellschaftsrecht:

A. Gesellschaftsrechtliche Qualifikation

I. Mitgliedschaftsverhält I. Mitgliedschaftsverhält I. Mitgliedschaftsverhält I. Mitgliedschaftsverhältnisnisnis nis

Vereinzelt wird eine einheitlich gesellschaftsrechtliche Qualifikation aller Regeln des deutschen funktionalen Konzerngesellschaftsrechts zur (Konzern)Abhängigkeit mit der Begründung vertreten, dieses Recht normiere das gesellschaftsrechtliche Mitglied-schaftsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern.

Die Rechtsbeziehungen zwischen herrschendem Unternehmen und abhängigem Unternehmen (verbundsinternes Verhältnis) oder dessen (außenstehenden) Gesell-schaftern seien gegenständlich auf das Mitgliedschaftsverhältnis innerhalb der abhän-gigen Gesellschaft beschränkt. Ein Beteiligungsverhältnis zwischen herrschendem Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft sei zwingende Voraussetzung der (Konzern)Abhängigkeit. Als Beteiligungsverhältnis sei das Rechtsverhältnis zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft sowie das Rechts-verhältnis zwischen dem herrschenden Unternehmen und den sonstigen (außenste-henden) Gesellschaftern als - teilweise sonderrechtliche - Konkretisierung der Pflich-tenstellung eines Gesellschafters innerhalb seiner Gesellschaft normiert. Das Rechts-verhältnis zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft sowie ihren (außenstehenden) Gesellschaftern sei mit dem mitgliedschaftlichen Innen-verhältnis in der abhängigen Gesellschaft identisch und unterfiele - nicht anders als die sonstigen Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern - dem positivrechtlich etablierten Gesellschaftsstatut496 der (abhängigen) Gesellschaft.

Für die Rechtsbeziehungen zwischen herrschendem Unternehmen, abhängiger Ge-sellschaft und deren (außenstehenden) GeGe-sellschaftern stelle sich die Frage einer Auswahl zwischen dem Recht des abhängigen oder dem Recht des herrschenden Unternehmens im internationalen Konzernkonflikt nicht; ein Abstellen auf das Recht der hauptbetroffenen Gesellschaft sei dementsprechend entbehrlich. Diese mitglied-schaftsrechtliche und somit gesellmitglied-schaftsrechtliche Qualifikation des Rechts zum Ver-hältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen sei auch für die GmbH und Personengesellschaften gültig.497

496 Der Begriff des Gesellschaftsstatuts betrifft hier den Anknüpfungsgegenstand (Gesellschaftsrecht).

497 MüKoBGB/EGBGB/Nach Art. 10 - Ebenroth, Rn. 382; Ebenroth, JZ 1988, 75.

Rechtsformübergreifend wird das Konzerngesellschaftsrecht zum Rechtsverhältnis zwischen der abhängigen Gesellschaft, ihren (außenstehenden) Gesellschaftern und dem herrschendem Unternehmen als mitgliedschaftsrechtlich und somit als dem Personalstatut der abhängigen Gesellschaft unterfallend qualifiziert.498

Die gegenständliche Gleichsetzung der Rechtsbeziehungen im verbundsinternen Ver-hältnis mit der Rechtsbeziehung des mitgliedschaftlichen BeteiligungsverVer-hältnisses ist mit dem materiellen deutschen Recht zum Rechtsverhältnis zwischen abhängigem und herrschendem Unternehmen nicht vereinbar. Die normative Verfassung des verbunds-internen Verhältnisses auch als organisationsrechtlicher Beherrschungsvertrag oder als partieller Durchgriff auf mitgliedschaftliche Verpflichtungen zu Lasten des nur mittelbar herrschenden Nichtgesellschafters kann im deutschen Konzerngesellschafts-recht als Konzerngesellschafts-rechtsformübergreifend anerkannt gelten. Die Normierung des verbundsinter-nen Verhältnisses zwischen den Unternehmen im Konzernkonflikt ist insoweit zumin-dest partiell von der Normierung des gesellschaftsinternen Mitgliedschaftsverhältnisses unabhängig.499 Der Ansatz der mitgliedschaftsrechtlichen Qualifikation ist zur vollstän-digen kollisionsrechtlichen Erfassung des deutschen und auch US-amerikanischen funktionalen Konzerngesellschaftsrechts zum verbundsinternen Verhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen nicht geeignet. Die gegenständliche Beschränkung auf Konzerngesellschaftsrecht mit der Tatbestandsvoraussetzung einer Gesellschafterstellung des herrschenden Unternehmens, wird dem auf alle - nicht nur mitgliedschaftliche - Rechtsbeziehungen zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen bezogenen Regelungsanspruch der mitgliedschaftsrechtlichen Qualifika-tion des Konzerngesellschaftsrechts zum verbundsinternen Verhältnis nicht gerecht.500 II. Satzungsändernde Wirkung

II. Satzungsändernde WirkungII. Satzungsändernde Wirkung II. Satzungsändernde Wirkung

Für das Recht der Vertragskonzerne auf der Grundlage von Beherrschungs- und Ge-winnabführungsverträgen wird eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation aufgrund der satzungsändernden Wirkung dieser Verträge für die abhängige Gesellschaft vertreten:

Aus organschaftlichen Beherrschungsverträgen resultiere der Verlust der selbständi-gen Leitungsbefugnis für die Geschäftsführung der abhängiselbständi-gen Gesellschaft.501

498 So auch MüKoBGB/IntGesR - Kindler, Rn. 556; in Anlehnung an Mann, Bemerkungen, S. 223 ff..

499 Vgl. bereits Teil 2 Kapitel 1 B. II. 5. a., Kapitel 3 A. I. 1..

500 Wiedemann, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 205; Luchterhandt, Konzernrecht, S. 59.

501 Bache, Unternehmensvertrag, S. 25 f.; Brauer, Konzerne, S. 37; Ebenroth, Vermögenszuwendungen, S. 382 f.; Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 153 f.; S. 154 Fn. 238 a.

Gewinnabführungsverträge seien gesellschaftsrechtliche Organisationsverträge, wel-che die gesetzlich normierten Konzepte der Gewinnverteilung ausschalteten.502 Eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation des Sachrechts zum Beherrschungs- bzw.

Gewinnabführungsvertrag ergäbe sich aus der unzweifelhaften Zugehörigkeit von Satzungsänderungen zur inneren Verfassung und somit zum Gesellschaftsstatut.

Vereinzelt befürwortet wird eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation auf der Argumen-tationsgrundlage einer satzungsändernden Wirkung für die abhängige Gesellschaft auch im Hinblick auf das materielle Recht zum Schutz schlicht abhängiger oder vertragslos konzernabhängiger Gesellschaften. Die satzungsändernde Wirkung des organisationsrechtlichen Beherrschungsvertrags für die abhängige Gesellschaft sei im Kern bereits in der gesellschaftsrechtlich vermittelten beherrschenden Position, auf welcher der Unternehmensvertrag letztlich basiere, angelegt. Die Regelung der Unternehmensverträge des § 291 AktG und das Recht der Unternehmensabhängigkeit sei ein vielfältig verklammerter und insofern einheitlicher Komplex. Kollisionsrechtliche Konsequenz sei die einheitlich gesellschaftsrechtliche Qualifikation sowohl des materiellen Rechts zum Beherrschungsvertrag (Voraussetzungen und Wirkungen)503 als auch zur Rechtsstellung (konzern)abhängiger Gesellschaften.504

Nachteil dieser Herleitung einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation organisations-rechtlicher Unternehmensverträge und vertragsloser (Konzern)Abhängigkeitsverhält-nisse aus dem Kriterium normativer oder zumindest im Kern angelegter satzungsän-dernder Wirkung für die abhängige Gesellschaft ist der isolierte Bezug dieses Qualifi-kationskriteriums zum Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft. Zwar werden (auch) auf die Obergesellschaft bezogene Regeln zum Beherrschungsvertrag oder zur Abhängigkeitsverbindung - z. B. mit Hinweis auf die satzungsändernde Wirkung des Beherrschungsvertrags für den gesamten Unternehmensverbund505 - ebenso gesell-schaftsrechtlich qualifiziert. Jedoch enthält die gesellgesell-schaftsrechtliche Qualifikation als solche keine Zuweisungsentscheidung zum Gesellschaftsstatut der abhängigen und/oder der herrschenden Gesellschaft. Die Zurechnung auch des Rechts zum ver-bundsinternen Verhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen zum Gesellschaftsstatut legt vielmehr für die Rechte/Pflichten zwischen herrschendem und abhängigen Unternehmen eine Kumulation der Gesellschaftsstatute beider Unterneh-menskorporationen auf kollisionsrechtlicher Ebene nahe.

502 Bache, Unternehmensvertrag, S. 26 f.; Brauer, Konzerne, S. 39 ff..

503 Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 155.

504 Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 169 ff..

505 Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 154 Fn. 238 a., S. 169 ff.; vgl. Teil 3 Kapitel 4 A. I. 1..

Die Kollisionsnorm für das Gesellschaftsrecht – das Gesellschaftsstatut als kollisions-rechtliches Konzept - als solche(s) enthält keine Zuweisungsentscheidung zu einem nationalen Gesellschaftsrecht, soweit Regeln zu einem Rechtsverhältnis, wie beim Beteiligungsverhältnis oder beim Beherrschungsvertrag zwischen zwei Gesellschaften, die Verhältnisse zweier Gesellschaften betreffen.506 Der schutzzweckabhängige sach-rechtliche Geltungsanspruch der Sachregel(n) bestimmt dann letztlich über deren An-wendung im transnationalen verbundsinternen Verhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen. Das Gesellschaftsstatut als kollisionsrechtliches Konzept wurde originär für die wirtschaftlich und rechtlich autonome Gesellschaft mit Gesell-schaftern ausschließlich als natürliche Personen konzipiert. Es dient der kollisions-rechtlichen Zuweisung der gesellschaftskollisions-rechtlichen Rechtsverhältnisse einer allein in ihren Verhältnissen betroffenen Gesellschaft. Die Kollisionsnorm zum Gesellschafts-recht entscheidet ausschließlich über ein adäquates Anknüpfungsmoment hinsichtlich nur einer in ihren Rechtsverhältnissen betroffenen Gesellschaft.507

III. Spezifisch gesellschaftsrechtlicher Normzweck III. Spezifisch gesellschaftsrechtlicher NormzweckIII. Spezifisch gesellschaftsrechtlicher Normzweck III. Spezifisch gesellschaftsrechtlicher Normzweck

Für die zum organisationsrechtlichen Unternehmensvertrag und zur (Konzern)Ab-hängigkeit entwickelten Rechtsinstitute wird deren einheitlich gesellschaftsrechtliche Qualifikation teilweise mit ihrem übereinstimmend spezifisch gesellschaftsrechtlichen Normzweck begründet. Das Recht zur (Konzern)Abhängigkeit verfolge letztlich den Schutz einer interessensmäßig ausgewogenen Organisationsstruktur der Gesellschaf-ten, also einen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Zweck und lasse sich deshalb zwanglos dem Gesellschaftsstatut zurechnen. Konzernkollisionsrecht im Bereich spezifisch gesellschaftsrechtlicher Sachnormzwecke sei herkömmliche Anwendung des Gesellschaftsstatuts.508

506 Nur soweit sich das Einfluss begründende Rechtsverhältnis im grenzüberschreitenden Unternehmens-verbund als Mitgliedschaft (Teil 2 Kapitel 3 B. II. 1.) einer natürlichen Person im abhängigen Unternehmen darstellt, verweist die gesellschaftsrechtliche Qualifikation für Regeln zum verbundsinternen Verhältnis zwanglos auf das Gesellschaftsrecht nur der abhängigen Gesellschaft.

507 Gleicher Ansicht z. B. Luchterhandt, Konzernrecht, S. 60; Kronke, ZGR 1989, 494 ff..

508 Begründet wird dies mit der Ausrichtung von Schutz- und Ordnungsaufgaben auf klassisch gesell-schaftsrechtliche Interessen in der Normierung der Rechtsbeziehungen zwischen den Unternehmen und innerhalb eines Unternehmens im verbundsinternen bzw. im unternehmensinternen Verhältnis in (Kon-zern)Abhängigkeit und mit der - durch diese Ausrichtung auf Gesellschafts-, Gesellschafter- und Gesell-schaftsgläubigerinteressen - großen funktionalen Nähe zum klassischen Gesellschaftsrecht. Der konkrete Umfang der Subsumtion von Regeln zur (Konzern)Abhängigkeit unter die Kollisionsnorm für das Gesell-schaftsrecht sei durch Qualifikation nach der lex fori zu ermitteln.

Vorteil dieser Herleitung einer einheitlich gesellschaftsrechtlichen Qualifikation des Sachrechts zu Unternehmensverträgen und (Konzern)Abhängigkeit aus dem Kriterium ausnahmslos spezifisch gesellschaftsrechtlicher Schutzzwecke ist der neutrale Bezug dieses Qualifikationskriteriums zum Gesellschaftsstatut sowohl der abhängigen als auch der herrschenden Gesellschaft. Jedoch enthält die gesellschaftsrechtliche Quali-fikation als solche keine Zuweisungsentscheidung auf kollisionsrechtlicher Ebene zum Gesellschaftsstatut der abhängigen und/oder der herrschenden Gesellschaft und ver-weist die Entscheidung über die Zuständigkeit des Rechts des abhängigen und/oder des herrschenden Unternehmens zumindest im Bereich der Rechte/Pflichten im ver-bundsinternen Verhältnis auf die Ebene des Sachrechts.509