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Zur Geschichte der Betriebsakademie des Gummiwerkes Elbe nach 1945

Erinnerungen Lotar Pickel

Nachdem auch im Piesteritzer Gummiwerk Elbe nach den schlimmen Folgen des zweiten Weltkrieges die Produktion wieder aufgenommen worden war, ergab sich die Notwendig-keit, die Werktätigen auf die Bewältigung der Probleme in der Produktion vorzubereiten.

1949 wurden die ersten Lehrlinge zum „Gummifacharbeiter“ ausgebildet. Der erste haupt-amtliche Lehrmeister war Herr Gollmann. Die theoretische Ausbildung fand an der ge-meinsamen Betriebs-Berufsschule (BBS) des Stickstoffwerkes statt.

Zunächst wurde die Ausbildung von Industriearbeitern an den Berufsschulen durchge-führt. Dann bildeten sich Anfang der fünfziger Jahre auch selbständige Bereiche für die Erwachsenenqualifizierung heraus. Es wurden die „Technischen Betriebsschulen“ gegrün-det. In ihnen wurden berufsbegleitend vorwiegend „Gummifacharbeiter“ und bald auch Meister für die Produktion ausgebildet. Der Unterricht wurde jeweils an einem Tag in der Woche durchgeführt. Die Arbeiter oder Angestellten, die zu einer solchen Qualifizierung delegiert waren, durften die Weiterbildungsveranstaltungen auch während der Arbeitszeit besuchen. Besonders galt das für Frauen, für die das im Frauenförderungsplan des Betrie-bes festgeschrieben war. Sie erhielten während dieser Ausbildung ihren vollen Lohn bzw.

ihr Gehalt weiter.

Als Lehrkräfte für die berufsspezifischen Fächer wurden Fachkräfte des Betriebes, für die allgemeinbildenden Fächer wurden Berufsschullehrer eingesetzt. Grundlagen für die Ausbildung waren staatliche Lehrpläne, d.h. diese waren vom Staatssekretariat für Berufs-bildung bestätigt worden und galten einheitlich für die AusBerufs-bildungsbetriebe der gesamten Republik.

Da im Gummiwerk vorwiegend Frauen tätig waren, wurde deren beruflicher Förderung und Entwicklung besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Es gab besondere Gesetze und Verfügungen, die ihnen die Möglichkeit der Teilnahme an den Qualifizierungsmaßnahmen sicherte. So gab es an der TBS Sonderklassen für Frauen zur Facharbeiterausbildung und auch zur Ausbildung als Meister und Ingenieur. Die Frauen wurden für die Zeit der Quali-fizierung von der Arbeit frei gestellt.

Mit dem Beschluss der Volkskammer über die „Grundsätze für die Aus- und Weiter-bildung der Werktätigen“ vom September 1970 wurden die Aufgaben der Aus- und Wei-terbildung Bestandteil der Leitungsarbeit der Betriebe. Das politisch formulierte Ziel war, dass sich alle Werktätigen ständig das für ihre Arbeit – abgeleitet von den betrieblichen Erfordernissen – notwendige Wissen und Können aneignen. Dazu wurde im Betrieb

material erarbeitet, sogenannte Betriebslehrbücher. Diese sollten die Lernarbeit der Werk-tätigen am Arbeitsplatz unterstützen, ihnen das Kennenlernen spezieller Probleme der Ma-schinen und Technologien erleichtern und die ökonomischen Zusammenhänge erläutern.

Unterstützt wurden sie dabei von „Lehrbeauftragten“ in den jeweiligen Produktionsberei-chen. Dies waren Meister, Ingenieure, Diplomingenieure oder entsprechende Ökonomen, die von der Betriebsakademie ausgewählt und angeleitet wurden. Zu ihrer Unterstützung erhielten sie Lehrbriefe, d.h. von einer Fachkommission ausgearbeitete Anleitungen für das jeweilige Thema. Das Lernen im Prozess der Arbeit wurde von den Brigaden jeden zweiten Monat durchgeführt, das vergleichbar den ebenfalls regelmäßigen Arbeitsschutzschulungen ablief.

Ein Schwerpunkt bildete Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre die Ausbildung von Facharbeitern für Elastverarbeitung für den neu entstandenen Zentralen Rohbetrieb. Bis da-hin waren „Gummifacharbeiter“ ausgebildet worden, doch erforderten die technologischen Entwicklungen eine Differenzierung. Seither wurden in der DDR einerseits Facharbeiter für Elastverarbeitung und andererseits solche für Plastverarbeitung ausgebildet. In Pieste-ritz konnte durch innerbetriebliche Qualifizierungsanstrengungen erreicht werden, dass alle Facharbeiterplätze qualifikationsgerecht besetzt wurden.

Zur Weiterbildung der Meister wurde jeden Monat der „Tag des Meisters“ durchge-führt, wo die Fachdirektoren und Leiter spezieller Fachabteilungen wie z.B. der TKO,1 d.h.

der Qualitäts-Kontrolle, die erforderlichen Informationen vermitteln. Er wurde jeden Mo-nat durchgeführt, und zwar aufgrund des Schichtbetriebes zweimal im MoMo-nat. Die Themen wurden von der Betriebsakademie vorgegeben und mit der Betriebsleitung, d.h. mit den Fachdirektoren abgestimmt.

Immer war bei sämtlichen Qualifikationsaktivitäten den beruflichen Umständen Rech-nung zu tragen, unter denen die Werktätigen daran teilnahmen. Eine Variante, Überein-stimmung mit den betrieblichen Erfordernissen herzustellen, war das „organisierte Studi-um“, das als neue Form der Ausbildung im Betrieb ausgearbeitet und eingeführt wurde.

Damit konnten die individuellen Besonderheiten jedes Einzelnen wie auch seine Berufs- und Lebenserfahrungen besser berücksichtigt werden, und es ließ sich eine hohe Effektivi-tät der Ausbildung gewährleisten. Über die Lehrbeauftragten erhielten die Lernenden

„Lehrbriefe“ für das jeweilige Thema. Einmal im Monat konnte der Lernende vor Vertre-tern der Prüfungskommissionen, die für jede Fachrichtung bestanden und vom Rat des Kreises bestätigt wurden, die Prüfungen im jeweiligen Fachgebiet ablegen. Die Ausbil-dungseffektivität wurde unter anderem dadurch erreicht, dass in Lehrgängen für Facharbei-ter und MeisFacharbei-ter auch Angehörige kleinerer Betriebe des Territoriums aufgenommen wur-den, um so eine hohe Klassenfrequenz zu erreichen. Das galt besonders für solche Berufe wie Transport- und Lagerfacharbeiter, Industriekaufmann und Schweißer.

Die „Technischen Betriebsschulen“ wurden dadurch zu wesentlichen Faktoren der be-trieblichen Entwicklung mit staatlichem Schulcharakter, weshalb sie Anfang der 60er Jahre

1 Technische Kontrollorganisation

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zu Betriebsakademien mit erweitertem Spektrum der Aus- und Weiterbildung wurden. In Zusammenarbeit mit Ingenieur-Fachschulen fungierten sie als Außenstellen dieser Schulen, z.B. der Ingenieur-Schule für Plast- und Elastverarbeitung Fürstenwalde. Weil die Anzahl der Studierenden zum Fachschulabschluss Ingenieur, Ing.-Ökonom oder Ökonom sehr groß war, was die bestehenden Schulen nicht mehr allein bewältigen konnten, wurden Möglich-keiten geschaffen, dass fachlich spezifische Fachrichtungen an den Betriebsakademien als Außenstellen der Fachschulen fungierten. Die Direktoren der Betriebsakademien wurden von den Leitungen der Fachschulen angeleitet. An den Fachschulen gab es dann einen Stellvertreter des Direktors, der die Aufgabe hatte, diese extern stattfindende Ausbildung zu kontrollieren und weitere Anleitungen zu geben. Die Abschlussprüfungen in den einzel-nen Fächern lagen dann wieder in den Händen der Fachschulen, die auch das Zeugnis über-reichten.