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Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Fallzahlen

Abb. 31: Entwicklung der Fallzahlen nicht-letaler Behandlungsfehlervorwürfe;

Gesamtzahl aller analysierten Fälle

Zunehmend wächst offenbar die Bereitschaft von Patienten, im Fall eines Behandlungsfehlerverdachts eine Klärung einzufordern. Dabei sind in dem gegebenen Spannungsfeld zahlreiche Einflussfaktoren wirksam:

- Der Patient ist zunächst primär mit seiner Krankheit und deren Prognose beschäftigt.

- Dem Patienten fehlen im Regelfall eigene medizinische Kenntnisse, um den Behandlungsfehlerverdacht entkräften oder auch zu begründen, es bleibt das diffuse Gefühl, es sei „etwas schiefgelaufen“.

- Hierarchieglauben und der Respekt vor der fachlichen Autorität der Ärztinnen und Ärzte lässt Patienten zögern, Fragen nach einem möglichen Behandlungsfehler aufzuwerfen.

Behandlungsfehlerverdachtsfälle ausgegangen werden müssen

- Eine auch aus Patientensicht akzeptable neutrale Instanz, z.B. einen Patientenombudsmann, die zum Zwecke der Klärung eines Behandlungsfehlerverdachts bereits vor Ort (im Krankenhaus bzw. in der Klinik) konsultiert werden könnte, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht.

- Patientennahe institutionalisierte Gremien als Anlaufstelle für Patienten sind derzeit nicht systematisch aufgebaut, wenngleich mittlerweile Krankenkassen sich als Ansprechpartner anbieten, siehe z.B. die von der BEK eingerichtete „Behandlungsfehler-Hotline“.

- Vorhandene Anlaufstellen werden teilweise mit Misstrauen betrachtet, weil diese Instanzen als Einrichtungen der Ärzteschaft gesehen werden (Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammer) und zugleich Gremien ohne Beteiligung von Patientenvertretern sind.

- Die Patienten, die auf einer Klärung ihres Behandlungsfehlerverdachts bestehen, wählen unter Umständen den Weg zu einem Rechtsanwalt. Dieser wird mangels eigener medizinischer Kenntnisse in einem zivil- oder strafrechtlichen Verfahren die Heranziehung von medizinischen Sachverständigen beantragen, womit bereits frühzeitig eine konfrontative Situation entsteht.

- Selten ist ein Patient bereit, einen Behandlungsfehlerverdacht zunächst ohne formelles Verfahren und auf eigene Kosten gutachterlich klären zu lassen.

In Ergänzung der oben vorgestellten Daten zu Behandlungsfehlervorwürfen mit behauptetem letalen Verlauf sind Behandlungsfehlervorwürfe von Patientinnen und Patienten, die – im Regelfall mit anwaltlicher Unterstützung – einen Behandlungsfehlervorwurf und neben zivilrechtlichen Ansprüchen (Schadensersatz, Schmerzensgeld) auch strafrechtlich relevante Vorwürfe erhoben haben, erfasst worden. Im Rahmen des dann eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wurden rechtsmedizinische Gutachten zur Klärung des Behandlungsfehlervorwurfes von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben. Im Einzelfall musste im rechtsmedizinischen Gutachten bei festgestelltem Behandlungsfehler zusätzlich Stellung genommen werden zur Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und einem angegebenen gesundheitlichen Schaden. Gerade der zuletzt genannte Aspekt findet auf Patientenseite häufig wenig Verständnis, wenn nach der Bejahung eines Behandlungsfehlers die Kausalität zum gesundheitlichen Schaden auch mit Blick auf die strengen Beweisanforderungen im Strafrecht verneint werden musste.

10.2 Datenerhebung, Analyse, Auswertung

Die genannten Unterlagen wurden ausgewertet an Hand des oben vorgestellten speziell konzipierten und standardisierten „Daten-Erhebungsbogens“ (siehe Seiten 18 bis 21). Auch hier wurde die benutzte Datenbank eigens für diese ergänzende Datenerhebung im Programm Microsoft Access entworfen und programmiert. Der Aufbau der Datenbank entspricht dem entworfenen Erhebungsbogen mit Modifikationen.

Wiederum erhielt jedes in die Studie aufgenommene Gutachten eines rechtsmedizinischen Institutes zur Anonymisierung - beginnend mit dem jeweils ältesten Gutachten - eine Identitätsnummer, bestehend aus dem Kfz-Kennzeichen der Stadt des rechtsmedizinischen Institutes und anschließender fortlaufender Nummerierung. Eine Rückverfolgbarkeit anhand der erhobenen Daten ist nur mit erheblichem Aufwand in den Archiven des rechtsmedizinischen Institutes möglich. Die Verwendung der elektronischen Datenbank ermöglicht die computergestützte differenziertere Auswertung der erfassten Daten unter verschiedenen Fragestellungen sowie die graphische Darstellung der Ergebnisse. Im folgenden wurde für die

Darstellung der erhobenen Daten teils eine Graphik erstellt, teils die tabellarische Angabe von Absolutzahlen gewählt, ergänzt durch Prozentangaben.

10.3 Ergebnisse

Insgesamt wurden 434 rechtsmedizinische Gutachten zum Vorwurf eines ärztlichen Behandlungsfehlers aus 8 deutschen Instituten für Rechtsmedizin für diese zweite Studie ausgewertet.

Die im Rahmen dieser Studie teilnehmenden rechtsmedizinischen Institute sind in der nachfolgenden Tabelle 77 genannt.

Tabelle 77: Einbezogene Institute für Rechtsmedizin (n=8) für die Erhebung von Daten zu Behandlungsfehlervorwürfen mit nicht-letalem Verlauf

Institut für Rechtsmedizin Bundesland

Bonn Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf Nordrhein-Westfalen

Erlangen-Nürnberg Bayern

Frankfurt/M. Hessen

Greifswald Mecklenburg-Vorpommern

Hamburg Hamburg

Köln Nordrhein-Westfalen

Würzburg Bayern

Die absoluten Fallzahlen sind für jedes teilnehmende Institut für Rechtsmedizin in Tabelle 78 gesondert aufgeführt.

Tabelle 78: Anzahl der analysierten Behandlungsfehlervorwürfe mit nicht-letalem Verlauf je Institut für Rechtsmedizin (n=8)

Institut Gesamtzahl der erfassten Fälle

Hamburg 129

Erlangen 110

Frankfurt/M. 53

Köln 43

Bonn 35

Greifswald 31

Würzburg 22

Düsseldorf 11

Summe 434

10.4 Anlässe der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

Regelmäßig wurde die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft entweder vom Patienten persönlich (selten), häufiger jedoch von dessen Rechtsanwalt über einen Sachverhalt informiert, der aus Patientensicht den Vorwurf eines Behandlungsfehlers hinreichend begründen sollte. Ein dann eingeleitetes Verfahren wegen des Verdachts auf eine fahrlässige Körperverletzung im Rahmen der ärztlichen Maßnahmen setzte damit zunächst voraus, dass der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft hinreichend substantiiert erschien, um einen entsprechenden Anfangsverdacht begründen zu können (§ 152 StPO). Einerseits sind die Anforderungen an eine Begründung des Behandlungsfehlerverdachts nach rechtsmedizinischer Erfahrung eher niedrig angesetzt und andererseits ist auch die Staatsanwältin bzw. der Staatsanwalt als medizinischer Laie nicht in der Lage, zu entscheiden, ob aus medizinischer Sicht ein Behandlungsfehlerverdacht sicher abwegig ist.

Dabei wird nach rechtsmedizinischer Erfahrung im Hinblick auf die besondere Verantwortung des Arztberufes in Zweifelsfällen wohl regelmäßig ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft bejaht. Allerdings ist zuzugestehen, dass zuverlässige Daten zum Umgang der Staatsanwaltschaften mit Behandlungsfehlervorwürfen nicht vorliegen. Jene Fälle, in denen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die behandelnden Ärzte mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt wurde, sind auch in der vorliegenden Studie nicht erfasst. Ebenso nicht erfasst werden konnten Behandlungsfehlervorwürfe, bei denen der staatsanwaltschaftliche Gutachtensauftrag an einen medizinischen Sachverständigen außerhalb des Faches Rechtsmedizin ging. Dies dürfte durchaus häufiger der Fall sein als bei behauptetem letalen Verlauf eines Behandlungsfehlers, da aus der Art des Behandlungsfehlervorwurfes hier schon ersichtlich sein kann, welche medizinische Fachdisziplin primär betroffen ist und es keiner Obduktion zur Todesursachenklärung bedarf.

Zur Benennung geeigneter klinischer Gutachter können sich die Staatsanwaltschaften insbesondere an die Ärztekammern wenden (Nr. 70 RiStBV). Die Anlässe für ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen eines vom Patienten geäußerten Behandlungsfehlervorwurfes ohne letalen Verlauf sind in Tabelle 79 dargestellt.

Tabelle 79: Nach Auswertung der Unterlagen festgestellte Anlässe für ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren

Anlass des Verfahrens

Anzahl der Fälle (%)

Anzeige der Patienten selbst 220 (50,7)

Anlass der Ermittlung ist nicht zu klären 132 (30,4) Vorwürfe/Strafanzeige durch die Angehörigen (einschl. Freunde,

Betreuer)

74 (17,1)

Sonstiges 2 (0,5)

Anzeige eines mit - oder nachbehandelnden Arztes 3 (0,7)

Selbstanzeige des Arztes/ der Ärzte 1 (0,2)

Anzeige durch nicht-ärztliche Mitarbeiter (insbes. Pflegepersonal) 1 (0,2)

Anonyme Strafanzeige 1 (0,2)

Summe 434

10.4.1 Adressaten des Behandlungsfehlervorwurfes – getrennt nach Tätigkeitsfeldern

Die Adressaten des Behandlungsfehlervorwurfes ließen sich wie in Tabelle 80 angegeben ermitteln. Mit deutlichem Abstand am häufigsten betroffen sind auch bei den nicht-letalen Behandlungsfehlervorwürfen Krankenhausärzte mit 245 von 434 erfassten Fällen (entsprechend 56,5 %). Die nächstfolgende Gruppe sind die niedergelassenen Ärzte mit 118 von 434 erfassten Fällen (entsprechend 27,2 %).

Tabelle 80: Verteilung der nicht-letalen Behandlungsfehlervorwürfe (n=434) auf verschiedene Arztgruppen bzw. Berufsgruppen

Ermittlungsverfahren gegen Fallzahl (Prozent der Gesamtfallzahl)

Krankenhausärzte 245 (56,5 %)

Niedergelassenen Arzt 118 (27,2 %)

Notdienstarzt 18 (4,1 %)

Einen Arzt* 17 (3,9 %)

Pflegepersonal 13 (3,0 %)

Heilpraktiker 6 (1,3 %)

Notarzt 5 (1,1 %)

Mehrere Ärzte* 4 (0,9 %)

AiP'ler/in 2 (0,5 %)

Rettungssanitäter/-assistenten 2 (0,5 %)

Belegarzt 2 (0,5 %)

Sonstige 2 (0,5 %)

Summe 434

* Nähere Angaben nicht erhältlich

10.5 Betroffene Patienten

Männliche wie weibliche Patienten haben zu etwa gleichen Anteilen einen Behandlungsfehlervorwurf erhoben, in einigen Fällen ging das Geschlecht der Patienten aus den ausgewerteten Unterlagen nicht hervor (Abb. 32).

218 198

18 0

50

100

150

200

250