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Gemeinsamer Jahrestätigkeitsbericht der Arbeitsschutzbehörden der Länder

3. Überblick zum Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

3.3 Aktivitäten der Arbeitsschutzakteure

3.3.2 Gemeinsamer Jahrestätigkeitsbericht der Arbeitsschutzbehörden der Länder

In Deutschland arbeiten immer mehr Menschen in atypischen Arbeitsverhältnissen (vgl. „Sicherheit und Ge-sundheit bei der Arbeit 2012“, S. 57ff). Häufige Formen dieser Beschäftigungsverhältnisse sind z. B. Tätigkei-ten als Minijobber, Leiharbeitnehmer/-innen oder Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. An diese Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer könArbeitnehmerin-nen ggf. erhöhte Anforderungen hinsichtlich Flexibilität und Belastbarkeit gestellt werden.

Der Arbeitgeber hat nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit nicht nur zu gewährleisten, sondern auch zu verbessern. Hierzu sind die am Arbeitsplatz bestehenden Gesundheitsgefährdungen von ihm zu beurteilen.

Diese Gefährdungsbeurteilung ist daher ein zentrales Element des betrieblichen Arbeitsschutzes und die Grund-voraussetzung, um entsprechende zielgerichtete und wirksame Arbeitsschutzmaßnahmen durchführen zu kön-nen.

Bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sind dabei neben den physischen Belastungen (schwere körperli-che Arbeit, ungünstige Köperhaltungen, physikalisch, körperli-chemisch oder biologisch bedingte Gefährdungen), auch die psychischen Belastungen zu berücksichtigen. Statistische Daten der Krankenkassen und Rentenversiche-rungsträger belegen insoweit zweifelsfrei, dass die psychischen Stressfaktoren in der Arbeitswelt an Bedeutung deutlich zugenommen haben und es häufiger zu psychischen Fehlbelastungen kommt.

Landesprojekt in Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren wiederholt im Rahmen seiner Programmarbeit u. a. Speditionen

und auch Paket- und Kurierdienste überprüft. Die dabei gewonnenen Ergebnisse und Erfahrungen fanden

Be-rücksichtigung bei der Erstellung der Checkliste und der weiteren Vorbereitung für dieses Landesprojekt

Überblick – Aktivitäten der Arbeitsschutzakteure

beitsschutz in neuen Arbeitsformen“. Diese Checkliste wurde allen Bundesländern zur Verfügung gestellt. Die rheinland-pfälzische Gewerbeaufsicht hat im Rahmen dieser Schwerpunktaktion in 2014 für den Bereich des sozialen und technischen Arbeitsschutzes eine Überprüfung von Betrieben, deren Beschäftigte sich in atypi-schen Arbeitsverhältnissen befinden, durchgeführt.

Anhand einer Checkliste überprüfte von April bis November 2014 das Gewerbeaufsichtspersonal der Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd insgesamt 205 Betriebe in Rheinland-Pfalz. Die Checkliste ent-hielt Prüfpunkte zur Arbeitsschutzorganisation, zum Beschäftigungsverhältnis, zur Gefährdungsbeurteilung und zu psychischen Belastungen.

Folgende Beschäftigungsbranchen wurden überprüft:

– Einzel- und Großhandel,

– Restaurants und Gaststätten / Diskotheken und Tanzlokale, – Gebäudereinigung,

– Hotels,

– Krankenhäuser, – Altenheime, – Baunebengewerbe, – Fleischverarbeitung, – Brauereien,

– Weinkellereien/Winzerbetriebe.

In den o. g. Betrieben waren zum Zeitpunkt der Überprüfung 8.239 Arbeitnehmerinnen und 15.144 Arbeitneh-mer beschäftigt.

Unter den Beschäftigten waren 203 Minijobber, 1.761 Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen, 116 Teil-zeitbeschäftigte, 770 Sub-/Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, 96 Zeitarbeitnehmer/-innen, ein Telearbeitnehmer und 20 freie Mitarbeiter/-innen beschäftigt.

In ca. 80 % aller überprüften Betriebe (N=205) wurden Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen des Ar-beitsschutzgesetzes festgestellt. Lediglich in 35 Betrieben lagen keine Beanstandungen vor. Bei vier Betrieben war die Bearbeitung zum Berichtszeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

Einen Schwerpunkt der festgestellten Verstöße gab es hinsichtlich der Arbeitsschutzorganisation bei der nicht angemessenen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (64 Betriebe), in jedem fünften Betrieb (45 Betriebe) fehlte die erforderliche Gefährdungsbeurteilung ganz. In 47 % aller Betriebe wurden bei der Erstellung der Ge-fährdungsbeurteilung psychische Belastungen überhaupt nicht und in 24 % aller Betriebe nicht angemessen berücksichtigt.

In 59 Betrieben, in denen ein Arbeitsschutzausschuss vorgeschrieben war, war dieser nicht vorhanden. In 29 Betrieben war die sicherheitstechnische und in 34 Betrieben die betriebsärztliche Betreuung nicht gewährleistet.

50 Betriebe verfügten über ein Arbeitsschutzmanagementsystem und 72 Betriebe boten Maßnahmen zur be-trieblichen Gesundheitsförderung an. Unterweisungen zum Thema Arbeitsschutz fanden in 182 Betrieben statt und in 183 Betrieben wurde den Beschäftigten die erforderliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt.

Insgesamt waren im Rahmen des Landesprojektes in Rheinland-Pfalz 96 Zeitarbeitnehmer/-innen in 29 Betrie-ben tätig. Hierbei zeigte sich, dass in sieBetrie-ben BetrieBetrie-ben das Anforderungsprofil für den jeweiligen Arbeitsplatz nicht ermittelt wurde und in ebenso vielen Fällen die Anforderungsprofile der Zeitarbeitsfirma nicht zur Verfü-gung gestellt wurden. Zehn Entleihbetriebe wurden vor der Arbeitsaufnahme nicht von der Zeitarbeitsfirma besichtigt. Bei neun Betrieben waren in den Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarungen nicht die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen geregelt und in drei Betrieben wurde die Zeitarbeitsfirma nicht über veränderte Ein-satzbedingungen informiert. In zwei Betrieben wurden die Zeitarbeitnehmer/-innen hinsichtlich des Arbeits-schutzes nicht gegenüber der Stammbelegschaft gleichgestellt und in einem Betrieb war die soziale Integration nicht gewährleistet.

In den besichtigten Betrieben kamen folgende psychische Belastungen besonders häufig vor:

– schwierige und unhöfliche Kunden/-innen (94), – hoher Kundendurchsatz (60),

– ungünstige Arbeitszeiten (78),

Überblick – Aktivitäten der Arbeitsschutzakteure

– befristete Arbeitsverhältnisse (50),

– physische Belastungen (z. B. Heben, Tragen, Ziehen; 105).

Die ergriffenen Maßnahmen zielten auf die Arbeits- und Organisationsgestaltung, das Verhalten, die Vor- und Nachsorge und Sonstiges ab.

Situation in anderen Bundesländern

Im Jahr 2013 wurde in Brandenburg ein Fachprojekt zur Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschrif-ten bei Paket-, Express- und KurierdiensArbeitszeitvorschrif-ten durchgeführt.

In Nordrhein-Westfalen und in Thüringen haben 2014 Schwerpunktaktionen zum Thema „Arbeitszeit bei Paket- und Kurierdiensten“ stattgefunden.

Für diese Überprüfungsaktionen lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass festgestellte Mängel insbesonde-re in den Beinsbesonde-reichen des Arbeitszeitgesetzes sowie des Fahrpersonalinsbesonde-rechts vorzufinden sind. Die Zusteller/-innen können ihre Zeiteinteilung bei der Zustellung von Sendungen nicht in jedem Fall frei gestalten. Sie sind mit abhängig von den Auftraggebern/-innen und der vertraglichen Gestaltung zur Beförderung. Umso wichtiger ist die Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften. Die festgestellten Mängel und die wachsende Bedeu-tung der Branche lassen den Schluss zu, dass die Paket- und Kurierdienste auch weiterhin im Blickfeld der zu-ständigen Behörden bleiben müssen.

Darüber hinaus ist in Thüringen im Jahr 2015 eine Schwerpunktaktion in Unternehmen, die Saisonarbeitskräfte einsetzen (Arbeitszeit und Arbeitsstätten), durchgeführt worden. Außerdem erfolgten dort – ggf. gemeinsam mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit – Überprüfungen in der Fleischindustrie (Einzelkontrollen).

Vor diesem Hintergrund ist auch auf die Ergebnisse der ersten GDA-Periode sowie die Ziele und Handlungsfel-der Handlungsfel-der anstehenden zweiten GDA-Periode zu verweisen, die sich vertieft den zentralen Themen einer angemes-senen Gefährdungsbeurteilung und im Betrieb auftretender psychischen Belastungen widmet.

Fazit

Die Ergebnisse des rheinland-pfälzischen Landesprojektes „Arbeitsschutz in neuen Arbeitsformen“ und die Aktivitäten der anderen Bundesländer in diesem Bereich zeigen, dass weitere Sensibilisierung, Aufklärung und Schulung der Arbeitgeber/-innen hinsichtlich angemessener Gefährdungsbeurteilungen, auch unter Berücksich-tigung der psychischen Belastungen, nötig sind, um den Arbeitsschutz dauerhaft in die Betriebe zu transportie-ren und deshalb derartige Überprüfungsaktionen wichtig sind.

In Zukunft wird an die Überprüfungsmethoden zur Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften vor dem Hintergrund einer sich rasant ändernden Arbeitswelt nicht nur innerhalb der Betriebe ein hoher Anpas-sungsbedarf bestehen. Nur durch einen effektiven Arbeitsschutz können schädigende Einwirkungen verringert und somit auch Unfälle und Gesundheitsbeeinträchtigungen reduziert werden.

3.3.2.2 Risikogesteuerte Aufsichtstätigkeit

Die Prioritätensetzung bei der risikogesteuerten Aufsichtstätigkeit erfolgt nach gemeinsamen länderübergreifen-den Grundsätzen. Bei ihrer Anwendung wird die Überwachungstätigkeit durch die bevorzugte Auswahl von Betrieben mit hohem Gefährdungspotential optimiert und effektiv gestaltet.

Für die allgemeine länderübergreifende Grundeinstufung von Betrieben wird die vierstellige Wirtschaftsklas-sensystematik (NACE) zu Grunde gelegt. Die Betriebe in einer Wirtschaftsklasse werden auf der Grundlage vorhandener Erkenntnisse zur Entwicklung von Unfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankun-gen in Verbindung mit branchenspezifischen ErfahrunErkrankun-gen aus der Überwachungspraxis in vier unterschiedli-chen Gefährdungsklassen

1. mechanische Einwirkungen, 2. stoffliche Einwirkungen, 3. physische Belastung, 4. psychische Belastung,

von den Arbeitsschutzbehörden der Länder bewertet. Zu jeder dieser vier Klassen wird eine Einschätzung der

vorliegenden Gefährdung in vier Stufen von 0 für keine nennenswerte Gefährdung bis 3 für hohe Gefährdung

vorgenommen.

Überblick – Aktivitäten der Arbeitsschutzakteure

Die Zusammenfassung der Bewertungen ermöglicht es den Arbeitsschutzbehörden, Prioritäten zur Auswahl von Betrieben zu setzen. Dabei können sowohl spezifische Risiken in einzelnen Wirtschaftsklassen (z. B. Vorliegen einer hohen Gefährdung durch psychische Belastung) als auch eine hohe Gesamtbelastung durch Mehrfachwir-kungen (z. B. zugleich auftretende mittlere bis hohe Gefährdungen bezüglich mechanischer, stofflicher und physischer Belastungen) berücksichtigt werden.

Die konkrete risikoorientierte Einstufung eines einzelnen Betriebes erfolgt dann unter Berücksichtigung

1. der allgemeinen länderübergreifenden Grundeinstufung, zunächst ohne Kenntnis der individuellen Arbeits-schutzsituation,

2. der Anzahl der Beschäftigten und

3. der der Arbeitsschutzbehörde vorliegenden spezifischen Kenntnisse aufgrund von Besichtigungen, Unfällen oder Beschwerden (individuelle Arbeitsschutzsituation).

Am Beispiel der rechnergestützten Steuerung der Aufsichtstätigkeit im Land Brandenburg soll das risikoge-stützte Vorgehen bei der Überwachung verdeutlicht werden.

Rechnergestützte Steuerung der Aufsichtstätigkeit (RSA) im Landesamt für Arbeitsschutz – Land Bran-denburg

Mit der Rechnergestützten Steuerung der Aufsichtstätigkeit (RSA) werden die vom Aufsichtsdienst zu besichti-genden Betriebe in Abhängigkeit von Gefahrenkategorien (Risiko) und von Größenklassen in eine berechenbare und reproduzierbare Prioritätenreihenfolge gebracht. Das durch das Modul RSA im Informationssystem Ar-beitsschutz (IFAS), einer von 14 der 16 Länder in der Bundesrepublik Deutschland genutzten Software zur Un-terstützung der Aufsichtstätigkeit, standardisierte Verfahren wird in folgenden Schritten umgesetzt:

1. Die Einstufung der Gefahrenkategorie eines Betriebes erfolgt zweistufig. Zunächst wird die länderübergrei-fende Grundeinstufung nach NACE als Basis herangezogen. Diese wird dann im Laufe der Besichtigungs-praxis durch die individuelle Bewertung der Aufsichtsbeamten/-innen sukzessive für jede Betriebsstätte vervollständigt. Die Aufsichtsbeamten/-innen können die länderübergreifende Grundeinstufung nach oben oder unten verschieben (je nach individueller Beurteilung der Arbeitsschutzorganisation in dem besichtigten Betrieb). Aus der Grundeinstufung und der Einstufung aufgrund der festgestellten innerbetrieblichen Ar-beitsschutzsituation (Systemkontrolle) ergibt sich für die nach RSA-Prinzip besichtigten Betriebsstätten die individuelle Gefährdungskategorie (Werte 1 - 5).

2. Ein weiterer Einstellparameter ist die Größe der Betriebe. Dazu werden diese in insgesamt 8 Größenklassen eingeteilt.

3. Das IFAS-Modul Administration ermöglicht es, für jede dieser 8 Größenklassen und für jede mögliche Gefährdungskategorie (1 - 5) die Anzahl der Betriebsstätten im Kataster und deren gefährdungsorientierte Besichtigungsreihenfolge zu berechnen und anzuzeigen.

4. Mit dem Modul RSA werden durch die Eingabe der variablen Parameter

– Anzahl der durchschnittlich benötigten Zeit für eine Gesamtbesichtigung in Abhängigkeit von der Grö-ßenklasse (in Stunden),

– zur Verfügung stehende Gesamtzeit für Besichtigungen pro Jahr (in Stunden), – Gewichtung der Gefährdungskategorien 1 - 5 (Werte 0 - 100),

– Gewichtung der Größenklasse 1.1 - 3.2 (Werte 0 - 100),

die realisierbare Anzahl von Besichtigungen pro Jahr und der Besichtigungsabstand in Abhängigkeit der Auswahl dieser Parameter berechnet und angezeigt.

5. Auf der Grundlage dieser Daten bzw. Systemeinstellungen wird dienststellen-, dezernats- oder mitarbeiter-bezogen eine Aufstellung der für das jeweilige Jahr planmäßig nach Maßgaben der RSA zu besichtigenden Betriebsstätten erstellt. Erklärtes Ziel für die Aufsichtsbeamten/-innen ist die Umsetzung dieser Aufstellung zu mindestens 80 %.

6. Nach Durchführung entscheidet die Aufsichtsbeamtin oder der Aufsichtsbeamte unter Berücksichtigung der während der Besichtigung gewonnenen Erkenntnisse individuell über eine Höherstufung, Beibehaltung oder eine Abstufung der Risikoeinstufung für den Betrieb. Damit wird zugleich entschieden, ob sich das Intervall bis zur nächsten Besichtigung verkürzt (Höherstufung) oder verlängert (Abstufung).

7. Das Verfahren eignet sich sehr gut für eine Steuerung der risikoorientierten Überwachung. So können

Ziel-vereinbarungen zwischen der obersten Arbeitsschutzbehörde mit dem Landesamt für Arbeitsschutz

bezüg-Überblick – Aktivitäten der Arbeitsschutzakteure

lich des Ressourceneinsatzes für aktive Überwachung abgeschlossen werden. Die Umsetzung lässt sich in regelmäßigen Abständen überprüfen – Korrekturen können vorgenommen werden.

3.3.3 Spezifische Präventionsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung