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1. MEDIEN IM FREMDSPRACHENUNTERRICHT

1.2 Gehirngerechtes Lernen mit Medien im Fremdsprachenunterricht

Die in Abb. 1 dargestellten Vorgänge verlaufen im Bewusstsein der Lernenden vernetzt und teils simultan verknüpft, ineinandergreifend. Dabei aktivieren und modifizieren rezeptive und produktive Prozesse subjektiv repräsentiertes faktisches und handlungsbezogenes Sprach-, Welt- und Selbstwissen und verbinden repräsentierte und präsentierte Information, kognitive und affektive Seiten geraten gleichzeitig in Schwingung und kommen zum Klingen. Durch den Einsatz diverser Medien im Fremdsprachenunterricht, die sich am jeweiligen Lernniveau orientieren, kommt es zur Verbindung von Sprache, Welt und Selbst, die „Verschmelzung der Horizonte“ (Gadamer 1965, S. 359) und die Verknüpfung von Sprache, Bild und Ton bei der Darstellung von Sachverhalten und Handlungen wird erleichtert (vgl. Gienow/Hellwig 1997, S.16ff).

Wie wirken aber Medien genau auf unser Gehirn, bzw. können sie, und falls ja, auf welche Art und Weise, unser Lernen beeinflussen? Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Neurobiologie und einige benachbarten Wissenschaften und präsentieren durch ihre Forschungsarbeiten, welche Faktoren positiv auf das Lernen wirken und wie man das Potenzial der Medien nutzen kann, um die Qualität des Lehrens und Lernens zu verbessern.

1.2 Gehirngerechtes Lernen mit Medien im Fremdsprachenunterricht

Das menschliche Gehirn besteht aus rund 100 Milliarden Neuronen, in denen das Geheimnis des Lernens und Erinnerns steckt. Neurone werden in Dendriten (zuständig für Informationsaufnahme), Zellkörper (Soma) (zuständig für Informationsverarbeitung), Axon (zuständig für Informationsweiterleitung) und Synapse (zuständig für Informationsübertragung) eingeteilt. Neurone haben die Aufgabe, Signale zu leiten und zu verarbeiten. Die Dendriten nehmen die Eingangssignale auf und übertragen sie auf den Zellkörper. Wenn die Summe der Eingangssignale einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, sendet die Zelle über das Axon ein (elektrisches) Ausgangssignal, welches in ein chemisches Signal umgewandelt und über die Synapse auf ein anderes Neuron übertragen wird. Je öfter es zu diesem Prozess kommt desto mehr verstärken dich die Synapsen und bilden ein Neuronen-Netzwerk. Auf diese Art und Weise codiert unser Gehirn gelernte Informationen (vgl. Brünner 2009, S. 26ff).

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Lernen ist von daher aus neurobiologischer Sicht die

Veränderung der Plastizität neuronaler Strukturen in unserem Gehirn (...) und wird als ein ganzheitlicher Prozess betrachtet, der sprichwörtlich mit Hand, Herz und Kopf erfolgt (...).

Hierbei ist jedes Neuron in der Lage, alle sensorischen Erfahrungen wie Hören, Fühlen, Riechen, Bewegen etc. zu interpretieren. (...) Beim Lernen sollten deshalb so viele Sinne wie möglich angesprochen werden, um ein ganzheitliches Lernen zu ermöglichen. Die Lernumgebung sollte so gestaltet sein, dass alle Sinne auf natürliche Weise im Lernprozess aktiviert werden. (Brünner 2009, S. 27).

Da der Mensch ein soziales Wesen ist, das den natürlichen Drang verspürt, Kontakt mit anderen Menschen aufzusuchen bzw. von und mit anderen Menschen zu lernen, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Lernenden solch eine Interaktion anbieten. Ebenso wichtig ist auch die Auswahl der Unterrichtsmaterialen und -medien, die vielfältige Lerntypen ansprechen sollten (da unterschiedliche Lerner unterschiedliche Eingangskanäle beim Lernen favorisieren, gibt es diverse Lerntypen wie z.B. der visuelle (durch Sehen Lernende), der Kontakt- und Personenorientierte oder der Haptische (Tastorientierte) u.a.). Eins steht beim Thema Lernen fest und zwar die Tatsache, dass sich unser Gehirn lebenslang entwickelt und dass der Drang zum Lernen genetisch vorprogrammiert ist und uns bis ins hohe Alter erhalten bleibt. Nicht zu widerlegen ist auch die Tatsache, dass es an der Lehrperson liegt, mithilfe animierender Lernumgebung, Interesse und Neugier der Lernenden zu wecken und die motivationalen Faktoren beim Lernen nicht zu vernachlässigen (vgl. eds., S. 27f).

Brünner (2009, S. 37) zufolge spielen im Lernprozess diverse Aspekte eine Rolle, d.h.

diverse innere und äußere Faktoren wie z.B. Emotionen und Motivationen, innere Körperbefindlichkeit, der Aufmerksamkeitsgrad des Lernenden u.ä.. Als Faktoren werden ebenfalls die Genetik und der Umwelteinfluss gesehen sowie eine angstfreie und freudvolle Lernatmosphäre. Die Gefühle stellen allerdings hierbei essentielle Bausteine des Denkens dar. Sie sind nämlich für die Herausbildung charakteristischer kognitiver Stile verantwortlich und beeinflussen somit direkt das Lernen.

Roth (2006, S.56) differenziert folgende Faktoren, die entscheidend beim Lehren und Lernen sind:

1. Motiviertheit und Glaubhaftigkeit des Lehrenden

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2. Individuelle kognitive und emotionale Voraussetzungen der Lernenden 3. Allgemeine Motiviertheit und Lernbereitschaft der Lernenden

4. Spezielle Motiviertheit der Lernenden für bestimmte Stoffe 5. Vorwissen des Lehrenden und der Lernenden

6. Emotionale Zustände

7. Spezifischer Lehr-Lern-Kontext

Wie bereits erwähnt, kann die richtige Auswahl von Unterrichtsmaterialien und -medien das Lernen erleichtern (die Lernenden zum Lernen motivieren). Da unser Gehirn aus zwei Hemisphären besteht, der linken Hemisphäre (Hauptsprachzentrum, Speicherung von Begriffen) und der rechten Hemisphäre (räumliche und bildliche Vorstellung, Speicherung von Bildern), sind z.B. durch den Einsatz von Bildern oder Bildfolgen beide Hemisphären in die Informationsverarbeitung einbezogen. Demgemäß wirkt sich der Einsatz von visuellen und audio-visuellen Medien sehr positiv auf das Verständnis einer Information aus (Hüholdt 2001, S. 262ff).

Boeckmann (2008, S. 7, 10f) erklärt ebenfalls, dass heutige Methoden der Hirnforschung zeigen, dass weit verteilte Bereiche des Gehirns an sprachlichen Leistungen Anteil haben und dass im Fremdsprachenunterricht zu versuchen, beide Hirnhälften „anzusprechen“, sicherlich kein Fehler sei.

Abschließend zum Thema Gehirn und Lernen stellt Brünner (2009, S. 38f) tabellarisch und zusammenfassend die wichtigsten Rahmenbedingungen gehirngerechten Lernens dar:

Neurobiologische Grundlagen Schlussfolgerungen 1. Lernen ist ein psychologischer

Vorgang

→ ganzheitliches Lernen unter Einbeziehung aller Sinne (Medienorientierung) 2. Das Gehirn ist ein Sozialorgan → gute Lernatmosphäre

→ kooperative Arbeitsphasen

→ vielfältiges Feedback bieten 3. Die Suche nach Bedeutung ist

angeboren

→ Interesse und Motivation wecken (Medienorientierung)

→ eigene Lernziele und –inhalte formulieren

15 4. Lernen erfolgt durch die Bildung

neuronaler Muster

5. Emotionen sind wichtig für die Musterbildung

→ positive Lernatmosphäre

→ Beachtung motivationaler Aspekte bei der Planung aller methodisch-didaktischen Aspekte: Ziele, Inhalte, Sozialformen, Lernaktivitäten mit hoher Eigenbeteiligung 6. Das Gehirn verarbeitet in Teilen

und als Gesamtheit gleichzeitig

→ Handlungsorientierung, Projektorientierung

→ Bewusstmachung

→ aufgabenbasiertes Arbeiten in Kontexten 7. Lernen erfolgt sowohl durch

gerichtete Aufmerksamkeit als 8. Lernen geschieht sowohl

bewusst als auch unbewusst

→ Bewusstmachung und Transparenz von Lehr- und Lernprozessen

9. Es gibt mindestens zwei Arten von Gedächtnis

11. Angstfreies Lernen → positive Lernatmosphäre

→ regelmäßiges Feedback

→ kooperative Arbeitsformen 12. Jedes Gehirn ist einzigartig → Lernerorientierung

Abb. 2: Prinzipien gehirngerechten Lernens (Brünner 2009, S.38f)

Dieser Rahmenbedingungen/Prinzipien war man sich allerdings von Anbeginn des Fremdsprachenunterrichts nicht bewusst. Im traditionellen Fremdsprachenunterricht vermittelte die Lehrperson zumeist im Frontalunterricht vorgegebene Lernziele und -inhalte. Es bestand eine ritualisierte Unterrichtsform, bei welcher die Aneignung grammatikalischer Strukturen im Vordergrund stand. Nicht alle Fertigkeiten wurden gleichermaßen gefördert, was letztendlich dazu führte, dass selbst gute Lernende nicht

´gut genug´ waren (bzw. sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlten), um

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außerschulische Gesprächssituationen zu bewältigen. Aus diesem Grund wurden folgende Forderungen für Unterrichtskonzepte eingeführt:

1. Mehr Sprechzeit sowie situationsbezogener Unterricht

2. Ergänzung des Frontalunterrichts durch lernzentrierte Arbeitsformen 3. Authentizität (authentische Sprechhandlungen)

4. Neue Formen der Evaluierung und Bewertung

5. Entwicklung fremdsprachlicher Handlungskompetenz 6. Binnendifferenzierung

7. Berücksichtigung persönlicher Erfahrungen und Interessen

8. Vermittlung von Lernstrategien und -methoden (vgl. Brünner 2009, S. 19f)

Die gesellschaftliche Globalisierung löste dann am Ende des 20. und zu Beginn des 21.

Jahrhunderts unzähligen Veränderungen aus, auch im Bildungswesen. Die Durchdringung der Technologie in alle Lebensbereiche führte zur Integration neuer Medien in den Unterricht, um die Qualität des Lehrens und Lernens zu verbessern.

Wie genau die Integration der damals neuen Medien (wie z.B. Film) erfolgt ist, bzw. wie sich diese weiterentwickelt und den Fremdsprachenunterricht beinflusst haben, wird ausführlicher im Kapitel 2 beschrieben.

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