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2.3 Dynamische Geschäftsprozesse auf Basis von Ereignisverarbeitung

2.3.2 Gegenüberstellung vorhandener Forschungsansätze

Die wesentlichen Aspekte der existierenden Forschungsansätze werden zunächst einzeln betrachtet und anschließend anhand der Kriterien aus dem vorigen Abschnitt gegenübergestellt.

Business Event Modeling Notation (BEMN)128

Ereignisse waren zwar schon seit jeher ein wichtiges Element der Geschäftsprozessmodellierung, al-lerdings lag der Fokus zunächst auf singulären Ereignissen, die als Flussobjekt des Geschäftsprozes-ses produziert oder konsumiert werden, um dessen Ablauf mitzubestimmen. Die Bedeutung vielfälti-ger Beziehungen zwischen mehreren Ereignissen für Geschäftsprozesse wurde mit der betrachteten

128vgl. Decker u. a. 2007

Publikation herausgestellt, indem eine grafische Notation für die Modellierung komplexer Ereignis-se in Geschäftsprozessmodellen, die sogenannte Business Event Modeling Notation (BEMN), vorge-schlagen wurde, welche die Notation der BPMN in der damaligen Version 1.2 erweiterte. Der Ansatz enthält auch eine formale Semantik für die ausdrückbaren Ereignismuster, wie etwa Konjunktion, Disjunktion, Negation, Sequenz, Kardinalität oder Filterung, und wird gegen gebräuchliche Anfor-derungen nach vielfältigen Ereignisszenarien in Geschäftsprozessen validiert.

Es fehlen allerdings Möglichkeiten zur Modellierung wesentlicher Konzepte der Echtzeitverar-beitung von Ereignissen, wie etwa verschiedene Arten von Zeitfenstern für Ereignisregeln oder Ereignisaggregationen. Da die Arbeit zudem nicht auf die automatisierte Ausführung der Geschäfts-prozesse ausgerichtet war und BPMN 1.2 auch kein ausführbares Modell beinhaltete, bleibt es bei der grafischen Notation der komplexen Ereignismuster ohne Ausführungssemantik für die Ereignis-verarbeitung. Des Weiteren wird in diesem Ansatz keine Methode zur Modellierung vorgeschlagen.

Integration von Ereignisverarbeitungstechniken in WS-BPEL129

Dieser Forschungsansatz integriert Techniken des Complex Event Processing (CEP) in Geschäfts-prozessmodelle, um eine dynamische Adaptierbarkeit als Reaktion auf identifizierte Ereignismuster zu unterstützen. Zu diesem Zweck wird WS-BPEL zunächst um Sprachkonstrukte für die Subskrip-tion von Ereignissen und die Ereignisbenachrichtigung erweitert, damit der Geschäftsprozess mit einem externen Ereigniskanal kommunizieren kann. Zudem wird die Integration von Ereignismus-tern innerhalb bestimmter WS-BPEL-Konstrukte mittels einer eingebetteten Ausdruckssprache er-möglicht. Weiterhin wird eine erste Taxonomie für dynamische Adaptionen von dienstbasierten Geschäftsprozessen vorgeschlagen, anhand derer die eingeführten Ereignisverarbeitungstechniken abschließend validiert werden.

Da WS-BPEL als technisches Geschäftsprozessmodell auf XML basiert, werden die in der einge-führten Ausdruckssprache spezifizierten Ereignismuster direkt und ohne grafische Modellierung in das WS-BPEL-Modell auf XML-Basis eingebettet, sodass es sich hierbei um einen eher technischen Ansatz handelt. Dieser beinhaltet zudem keine Entwicklungsmethode.

SOEDA-Methode130

SOEDA bezeichnet eine Methode zur Entwicklung von Anwendungen durch die Verschmelzung aus dienstorientierten (SOA) und ereignisgesteuerten Architekturen (EDA). Geschäftsprozesse werden hier mit EPK modelliert und in WS-BPEL transformiert. Mithilfe einer rudimentären Technik zur Ereignisverknüpfung werden die komplexen Ereignisse aus dem Geschäftsprozessmodell mittels grafischer und nicht-formaler Modellierung auf die zugrunde liegenden singulären Ereignisse her-untergebrochen, sodass anschließend ein Entwickler die Ereignisverarbeitungsregeln von Hand in einer Engine-spezifischen Ereignisverarbeitungssprache implementieren kann. Durch Hinzufügen technischer Details zum WS-BPEL-Modell wird das Geschäftsprozessmodell schließlich ausführbar.

129vgl. von Ammon u. a. 2010 130vgl. Wieland u. a. 2008; Wieland u. a. 2009

Schwächen der SOEDA-Methode liegen in der unzulänglichen Modellierung von Ereignisverar-beitungsregeln und dem Fehlen einer automatischen Transformation in ein ausführbares Ereignis-verarbeitungsmodell. Auch mangelt es an dynamischen Anpassungen des Geschäftsprozesses zur Laufzeit, da Ereignisse lediglich als Bestandteil des regulären Geschäftsprozessablaufs betrachtet werden. Ab Version 2.0 verfügt die BPMN neben einer grafischen Notation nun auch über die tech-nische Ausführungssemantik und ist somit direkt in einer Engine ausführbar. Somit erscheint der Umweg einer Transformation von EPK zu WS-BPEL als nicht mehr erforderlich, zumal eine Konsis-tenz im Geschäftsprozessmodell auf Geschäfts- und technischer Ebene erstrebenswert ist.131

Entwicklung agiler Geschäftsprozesse mit Ereignisverarbeitung132

Dieser Forschungsansatz liefert eine Methode und Modelle zur Entwicklung agiler und zur Lauf-zeit anpassbarer Geschäftsprozesse, die nicht als Gesamtheit modelliert werden, sondern lediglich aus einzelnen Ereignis-Aktivität-Einheiten bestehen. Diese werden zur Laufzeit mithilfe von Er-eignisverarbeitung ausgeführt und fügen den Geschäftsprozess dynamisch zusammen, wobei neue Ereignis-Aktivität-Einheiten agil hinzugefügt werden können. Die fachliche Modellierung von Er-eignisverarbeitungsregeln beinhaltet kausale, logische und temporäre Beziehungen zwischen Ereig-nissen. Auch wird eine konzeptionelle Architektur für eine Ausführungsumgebung vorgeschlagen.

Ein Defizit dieses Forschungsansatzes ist die fehlende Behandlung der Ausführungssemantik und die Missachtung wesentlicher Konzepte der Ereignisverarbeitung, wie beispielsweise verschiedener Fenster und Operatoren. Das interessante Konzept der Ereignis-Aktivität-Einheiten wird auch in dieser Arbeit aufgegriffen, allerdings ausgehend von einem in seiner Gesamtheit modellierten Ge-schäftsprozess, der in diese Einheiten zerlegt wird.

Abbildung der Ereignisverarbeitungssprache von Esper auf Konstrukte der BPMN 2.0133 Esper134 ist eine frei verfügbare und weitverbreitete Ereignisverarbeitungsplattform mit einer spe-zifischen EPL, die als datenstromorientierte Ereignisverarbeitungssprache eine Erweiterung der Datenbankabfragesprache SQL um Echtzeitverarbeitungskonzepte darstellt. Der betrachtete For-schungsansatz zielt darauf ab, ausgewählte Sprachkonstrukte der Esper-EPL auf grafische Konstruk-te der BPMN 2.0 abzubilden, um durch eine solche grafische Repräsentation eine höhere Benutzer-freundlichkeit der EPL herbeizuführen. Dazu wird die charakteristische Struktur von Esper-EPL-Anweisungen auf ein Konstrukt mit einfachen BPMN-Elementen übertragen, denen mittels Kommentaren die dynamischen Inhalte der Ereignisverarbeitungsregel übergeben werden.

Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist zweckmäßig, allerdings wird keine Möglichkeit der vielfäl-tigen und von Esper losgelösten Modellierung von Ereignisverarbeitungsregeln bereitgestellt, son-dern lediglich die Entwicklung für Esper vereinfacht, indem die grundlegenden Sprachkonstrukte in grafischer Form als Schablone vorliegen und nur noch mit dynamischen Inhalte gefüllt werden müssen. Die ausgeprägte Orientierung an Esper führt darüber hinaus dazu, dass der Benutzer die

131vgl. Freund und Rücker 2010, S. 9 f.

132vgl. Alexopoulou u. a. 2008; Alexopoulou u. a. 2010

133vgl. Kunz u. a. 2011

134siehehttp://esper.codehaus.org

komplexe Ereignisverarbeitungssprache von Esper begriffen haben muss, um die grafische Entwick-lung durchführen zu können, sodass der Effekt der Benutzerfreundlichkeit verpufft. Auch die Inte-gration der Ereignisverarbeitung in das Geschäftsprozessmodell erfolgt lediglich rudimentär und es werden keine dynamischen Wirkungen auf den Geschäftsprozess präsentiert.

Gegenüberstellung der Ansätze

Tabelle 2.6 zeigt eine Gegenüberstellung der betrachteten Forschungsansätze, wobei die Integration von Ereignisverarbeitungstechniken in WS-BPEL abgekürzt ist als CEP in WS-BPEL, die Entwick-lung agiler Geschäftsprozesse mit Ereignisverarbeitung als agiles EDBPM und die Abbildung der Ereignisverarbeitungssprache von Esper auf Konstrukte der BPMN 2.0 als EPL-Mapping.

Kriterium Forschungsansatz

BEMN135 CEP in WS-BPEL136

SOEDA-Methode137

Agiles EDBPM138

EPL-Mapping139

Methodisches Vorgehen

Fachliche Orientierung

Charakterisierung von Dynamik

Integration in Geschäftsprozessmodell

Nutzung von Modellierungstechniken

Formalisiertes Ereignisverarbeitungsmodell

Umfassende Ereignisverarbeitungskonzepte

Behandlung des Ereignismodells

Unterstützung von Ausführungssemantik

Werkzeugunterstützung

Legende: zutreffend bedingt zutreffend wenig bis nicht zutreffend Tabelle 2.6:Gegenüberstellung von Forschungsansätzen für dynamische Geschäftsprozesse

Aus Tabelle 2.6 wird ersichtlich, dass die bestehenden Forschungsansätze für die Anreicherung von Geschäftsprozessmodellen mit Konzepten der Ereignisverarbeitung jeweils einen bestimmten Fo-kus besitzen, dessen Herausforderungen im Einzelfall ausreichend erfüllt werden. Dennoch existiert bisher noch keine zufriedenstellende Lösung mit einer ganzheitlichen und durchgängigen Metho-de, die eine fachlich orientierte Modellierung umfassender Ereignisverarbeitungsregeln in einem formal spezifizierten Modell ermöglicht, um das zugrunde liegende Geschäftsprozessmodell mit dy-namischen Eigenschaften auf Basis von Ereignisverarbeitung auszustatten.

Defizite der vorhandenen Ansätze bestehen insbesondere in den unzureichenden Modellierungs-möglichkeiten von Ereignisverarbeitungsregeln, der fehlenden Unterstützung von entsprechender

135vgl. Decker u. a. 2007

136vgl. von Ammon u. a. 2010

137vgl. Wieland u. a. 2008; Wieland u. a. 2009

138vgl. Alexopoulou u. a. 2008; Alexopoulou u. a. 2010

139vgl. Kunz u. a. 2011

Ausführungssemantik, der Vernachlässigung des Ereignismodells bei der Entwicklung sowie der fehlenden Unterstützung durch angemessene Softwarewerkzeuge.