• Keine Ergebnisse gefunden

1. EINLEITUNG

2.3 Futteraufnahme

Beim Rind ist die lange und bewegliche Zunge das Hauptorgan für die Futterauf-nahme (KOLB 1989; BEAUCHEMIN 1991). Grasbüschel und längere Pflanzenteile werden durch Herumschlagen der Zunge erfasst, in das Maul hineingezogen und durch Andrücken der Schneidezähne an die Dentalplatte des Zwischenkiefers ab-gebissen, wobei der Vorgang durch ruckartige Bewegungen des Kopfes unterstützt wird. Die rauhe Beschaffenheit der Zungenoberfläche infolge der aboral gerichteten Wärzchen verhindert ein Abgleiten von den Grasbüscheln. Die Lippen sind infolge ihrer begrenzten Beweglichkeit nur von untergeordneter Bedeutung, bei der Auf-nahme von jungem, saftigem Gras auf der Weide und beim Verzehr von Futterparti-keln geringer Größe, wie z. B. Körnern, Schrot und Pellets, sind sie jedoch in stär-kerem Maße beteiligt. Heu wird als Büschel erfasst und mit der Zunge in die Maul-höhle überführt. Silage, gehäckseltes Grobfutter und Körner werden durch Zungen- und Lippenbewegungen aufgenommen, von unzerkleinerten Rüben werden Stücke

abgebissen. Die kleinen Wiederkäuer setzen beim Grasen vorwiegend die Unterkie-ferschneidezähne und die Zunge ein, wobei der letzteren jedoch nicht die Bedeu-tung wie beim Rind zukommt. Kleine Futterpartikel können vom Schaf mit der be-weglichen Oberlippe erfasst werden, die generell eine im Vergleich zum Rind eine stärker selektive Aufnahme des Futters ermöglicht (KOLB 1989).

2.3.1 Kauen bei der Futteraufnahme

Das Kauen bei der Futteraufnahme dient nicht in erster Linie der Partikelzer-kleinerung (ULYATT et al. 1986). Vielmehr soll das aufgenommene Futter durch Kau-en und Einspeicheln zu einem abschluckfähigKau-en Bolus geformt werdKau-en. Dabei wer-den lösliche Bestandteile im Futter teilweise freigesetzt. Die mit dem Kauvorgang verbundene Desintegration des pflanzlichen Zellgewebes ermöglicht den Beginn des mikrobiellen Abbaus im Retikulorumen (POND et al.1982; KOLB 1989; BEAUCHE-MIN 1991).

Schafe scheinen das Futter sorgfältiger zu kauen und somit stärker zerkleinert abzu-schlucken als Rinder. Der Anteil großer Partikel (> 1 mm) im abgeschluckten Bolus ist bei Schafen ca. 50 % niedriger als im Futter (REID et al. 1979); bei Rindern wurde eine Abnahme des Gehalts an großen Partikeln um 30 - 40 % (LEE u. PFEARCE 1984) bzw. 23 - 27 % (CHAI et al. 1984) gemessen. Der Kauvorgang ist individuell außerordentlich unterschiedlich effektiv (RUCKEBUSCH 1970; LEE u. PEARCE 1984). Mit zunehmendem Rohfasergehalt bzw. Reifegrad des Futters sinkt der Zer-kleinerungsgrad des abgeschluckten Bolus (POND et al. 1985).

2.3.2 Charakteristika des Futteraufnahme- und Kauverhalten

Folgende Parameter werden zur Charakterisierung des Futteraufnahme- und Kau-verhaltens von Wiederkäuern herangezogen (KOLB 1989):

Futteraufnahme: gesamte innerhalb von 24 h aufgenommene Futter-menge (Frischmasse oder Trockenmasse, absolut oder relativ zur Körpermasse).

Fressperiode: Zeitraum, in dem ohne Unterbrechung durch größere Kaupausen oder Wiederkauperioden Futter aufge-nommen wird (Anzahl/Tag, min/Fressperiode).

Fresszeit: Summe der Zeiträume aller Fressperioden innerhalb von 24 Stunden (min).

Futteraufnahmegeschwindigkeit: (min /kg TS bzw. g TS/min).

Kauintensität: Anzahl von Kaubewegungen beim Fressen/Tag, Fressperiode, Bissen oder min; Anzahl von Bis-sen/min oder Tag.

Zur Einschätzung der Kauaktivität bei der Verabreichung einer bestimmten Ration ist die Gesamtzahl der pro Tag ausgeführten Kaubewegungen bei der Futteraufnahme und beim Wiederkauen ein aussagekräftiger Parameter (KOLB 1989). Die Gesamt-zahl von Kaubewegungen schwankt beim Rind beim Verzehr von Rationen mit aus-reichendem Gehalt an pansenmotorisch wirksamer Rohfaser (etwa gleicher Auf-wand/kg Frischsubstanz) zwischen 10.000 und 20.000, beim Schaf zwischen 10.000 und 45.000, zu denen noch im Mittel 25.000 bzw. 40.000 Kieferschläge beim Wie-derkauen kommen. Insgesamt ergibt sich dann eine Gesamtzahl von 35.000 – 45.000 Kaubewegungen beim Rind und 35.000 – 85.000 Kieferschläge/Tag beim Schaf.

2.3.3 Einflussfaktoren auf das Futteraufnahme- und Kauverhalten Das Futteraufnahme- bzw. Kauverhalten von Wiederkäuern wird beeinflusst durch

• vom Tier abhängige Faktoren Tierart

Rasse

Körpermasse

Reproduktionsstadium individuelle Besonderheiten Energiebedarf

• vom Futtermittel abhängige Faktoren verfügbare Futtermenge Art der Futtermittel

Gehalt an Gerüstsubstanzen (Lignin, Cellulose u. a.) physikalische Form (Partikelgröße, Dichte, Härte) Wassergehalt (Silage)

„Schmackhaftigkeit"

• von der Fütterungstechnik

Verfügbarkeit des Futters (ad libitum, restriktiv) Stallfütterung oder Weidegang

Frequenz der Futtervorlage Fütterungsdauer

Tier-Fressplatz-Verhältnis

Reihenfolge der Verabreichung einzelner Rationsbestandteile

• von der Umwelt des Tieres

Ort der Fütterung (Stallfütterung, Weidegang) Jahreszeit

Tageszeit

In Tabelle 3 ist der Einfluss einiger ausgewählter Faktoren auf das Fress- und Kau-verhalten von Kühen und Schafen dargestellt.

Mit steigender täglicher TS-Aufnahme wird die TS weniger intensiv gekaut, da die tägliche Gesamtkaudauer bei etwa 1000 min/d limitiert zu sein scheint (MERTENS 1997).

Die für die Futteraufnahme notwendige Kauaktivität ist in erster Linie von der ver-zehrten Futtermenge und von der physikalischen Beschaffenheit der Grob-futtermittel abhängig. Ein Häckseln von Langheu senkt die Anzahl der täglichen Kaubewegun-gen bei der Futteraufnahme, nicht jedoch beim Wiederkauen. Ein Häckseln und Pel-letieren bzw. Mahlen und PelPel-letieren bedingen eine Verminderung der Anzahl dersel-ben sowohl bei der Futteraufnahme (drastisch) als auch beim Wiederkauen. Auch die Form der Partikel beeinflusst die physikalische Effektivität (MERTENS 1997). Legu-minosenpartikel sind eher kubisch, Graspartikel hingegen länglich. (TROELSEN u.

CAMPBELL 1968). MERTENS et al. (1984); MERTENS (1997) beobachteten, dass

das Verhältnis von Länge zu Breite des gesiebten Materials aus Faeces von 3:1 bei leguminosenreicher Fütterung bis zu 10:1 bei Fütterung von Gras variiert .

Die Verzehrsgeschwindigkeit eines bestimmten Futtermittels hängt in erster Linie von dessen Wassergehalt bzw. der physikalischen Struktur ab (Tabelle 2). Wasserreiche Futtermittel erfordern eine kürzere Kauzeit und weniger Kaubewegungen als was-serarme Komponenten oder Rationen.

Tab. 2: Fressgeschwindigkeit und Wiederkauzeit von Kühen beim Verzehr einzelner Futterstoffe oder Rationen (BALCH 1962)

Dauer [ min/kg TS ] Verzehrtes

Futter-mittel oder

Verabreichte Ration Fresszeit Wiederkauzeit gesamte Kauzeit Futtermittel

*obere Werte des Schwankungsbereiches betreffen irreguläres Kauen (Pseudo-Wiederkauen) bei feingemahlenen Futtermitteln.

Tab. 3: Futteraufnahme- und Kauverhalten des Rindes und Schafes beim Weidegang (KOLB 1989)

Parameter Rind Schaf Einflussfaktoren

Fressperioden

• Energiebedarf des Tieres,

• Höhe des Aufwuchses,

• Art des Aufwuchses (Blatt-Stengel-Verhältnis)

• Temperatur, Niederschlag Diurnale

Vertei-lung

bei Rind und Schaf zyklisches Verhalten mit Hauptaktivitäten in den Morgen- (bei Tagesanbruch beginnend) und Nachmit-tags- bis Abendstunden (bis Sonnen-untergang), Aufnahme von im Mittel 25 (Rind) bzw. 20 - 33 % des Tagesverzehrs (Schaf) während der Nacht, insbe-sondere in langen, mondhellen Nächten und bei hohen Tagestemperaturen

Kaufrequenz

Anzahl/min 25 - 80 18 - 73 höhere Frequenz bei jungem Aufwuchs Anzahl/Tag 24000