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FUNKTIONEN DES MEDIZINERDENKMALS AM BEISPIEL THEODOR BILLROTHS 1

Im Dokument der Universität Wien (Seite 105-121)

Julia Rüdiger

D

ie sogenannte Denkmalflut des ausgehen-den 19. Jahrhunderts schlug in Wien große Wellen. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen Monumente für Musiker, Literaten und Staats-männer im Stadtraum, sondern auch die Medi-zinerdenkmäler im Umkreis der Universität und des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses.

Dem Chirurgen Theodor Billroth sind neben seinem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof zahlreiche Denkmäler und Büsten vor und in seinen wichtigsten Wirkungsstätten gewidmet.

Drei ganz unterschiedliche Billroth-Porträts bil-den bil-den Ausgangspunkt für die folgende Fall-studie, in der ich untersuche, inwiefern sich die intendierte Denkmalaussage in der Gestaltung niederschlägt. Die Analyse spannt sich zwischen der Büste vor dem Rudolfinerhaus (Abb. 1), dem Denkmal im Arkadenhof der Universität Wien (Abb. 2), die beide kurz nach Billroths Tod von dem Bildhauer Kaspar von Zumbusch gearbei-tet wurden, und der Statue (Abb. 3), die zu Bill-roths 50. Todestag im Februar 1944 im großen Hof des ehemaligen Allgemeinen Krankenhaus errichtet wurde. Bemerkenswert sind hierbei die formalen und ikonografischen Unterschiede in den Ausführungen. Die Varianten weisen darauf

1 Dieser Artikel kombiniert und vertieft zwei unterschiedliche Vorträge der Autorin zum Thema Medizinerdenkmal.

Zum ersten den im Rahmen des Workshops Case Studies of Medical Portraiture im Juli 2013 am King’s College Lon-don gehaltenen Vortrag „Surgeons’ portraiture in historical context: monuments to Theodor Billroth“ und zum zweiten den bei der Wiener Tagung Scholars’ Monuments. Historical meaning and cultural significance im September Abb. 1: Kaspar von Zumbusch, Denkmalbüste für Theodor Billroth, 1895, Rudolfinerhaus, Wien.

hin, dass keine stereotypen Bildnisse gefordert waren, sondern dass vielmehr der jeweilige Kon-text die Gestaltung der Monumente beeinflusste.

Im Vergleich der Denkmäler entstehen daher die folgenden Fragen: Zu welchem Zweck wurden diese Denkmäler aufgestellt? Welche Charakte-ristika erachtet eine Institution zu welchem his-torischen Zeitpunkt als repräsentativ? Und wie werden die institutionellen Vorgaben künstle-risch umgesetzt?

Zum Zeitpunkt der Aufstellung mögen die ursprünglichen Denkmalsintentionen für zeitgenössische Rezipienten eindeutig oder

zu-mindest lesbar gewesen sein. Doch über die Ge-nerationen geht diese Lesbarkeit verloren, sodass sie erst mittels Archivalien und einer genauen Betrachtung der Werke selbst wiederhergestellt werden kann. Gerade im Falle von Gelehrten-denkmälern spielt die Kenntnis der jeweiligen Wissenschaftsgeschichte eine entscheidende Rolle für das Verständnis der gewählten Dar-stellungsform. Dies berücksichtigend verstehe ich meinen wissenschaftlichen Ansatz vorrangig als kulturhistorisch. Der Medizinhistorikerin Mary E. Fissell folgend stelle ich die Frage nach der (sich wandelnden) Bedeutung der

Denk-2014 vorgetragenen Beitrag „Die (zwei) Körper des Arztes. Repräsentationsformen und -funktionen des Mediziner-denkmals“.

Abb. 2: Kaspar von Zumbusch, Denkmal für Theodor Billroth, 1897, Marmor, Arkadenhof der Universität Wien.

mäler. Denn Bedeutung und Zweck eines kul-turellen Erzeugnisses sind weder zwingend in-härent noch andauernd, sondern sie entstehen in stets wiederkehrenden Prozessen des making of meaning.2 Demnach muss für die Erforschung eines Denkmals die ursprünglich intendierte Be-deutung durch Quellenmaterial und durch eine

rezeptionsästhetische Analyse der künstlerischen Form wieder freigelegt werden. Für Mediziner-denkmäler gilt gleichermaßen, was Thomas Nip-perdey für nationale Denkmäler postuliert hat, dass diese „im wesentlichen von etablierten Kräf-ten“ errichtet werden.3 In Nipperdeys Sinne wa-ren diese vor allem politischer Natur. Im aka-demischen Kontext sind die etablierten Kräfte vordergründig jedenfalls die Vorstände, Deka-ne und Rektoren, die sich jeweils für die Vertre-ter bestimmVertre-ter wissenschaftlicher Schulen ein-setzen. Allerdings war die Wiener Medizinische Fakultät in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts in zwei politische Lager gespalten,4 daher können auch politische Beweggründe eine Rolle gespielt haben. Für Denkmalserrichtungen wäh-rend des Zweiten Weltkriegs sind über die reine Memoria hinausgehende propagandistische Zwe-cke kaum auszuschließen. So muss für jedes der Denkmäler hinterfragt werden: Wer sind die eta-blierten Kräfte, die das Denkmal errichten? An welches Publikum wenden sie sich und mit wel-cher Botschaft?

In den Standardwerken der Porträtforschung gelten vor allem die zeitgenössische Porträtpra-xis, der soziale Kontext des dargestellten Wis-senschaftlers und der Aufstellungskontext als grundlegend für die ikonologische oder rezep-tionsästhetische Beurteilung der Denkmäler.5 In der rezeptions- und funktionsorientierten Un-tersuchung der Billroth-Denkmäler spannt sich die Analyse zwischen der Biografie des Darge-stellten, der zeitgenössischen Porträtkultur und der beauftragenden Institution.

2 M. E. Fissell, Making Meaning from the Margins. The New Cultural History of Medicine, in: Locating Medical History. The Stories and Their Meanings (hrsg. von F. Huisman/J. H. Warner), Baltimore/London 2004, S. 365.

3 Th. Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland, in: Historische Zeitschrift, Bd. 206 H. 3 (Juni 1968), S. 531.

4 T. Buklijas, Surgery and national identity in late nineteenth-century Vienna, in: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences, 38 (2007), S. 769.

5 L. Jordanova, Defining Features. Scientific and Medical Portraits 1660–2000, London 2000, S. 25–26; R. Kanz, Dichter und Denker im Porträt. Spurengänge zur deutschen Porträtkultur des 18. Jahrhunderts, München 1993, S. 12.

Abb. 3: Michael Drobil, Denkmalstatue für Theodor Bill-roth, 1944/49, Hof 1 des ehemaligen Allgemeinen Kranken-hauses, heute Campus der Universität Wien.

Die Begründung für eine Ehrung liegt vor al-lem in den medizinischen Leistungen. Diese wis-senschaftshistorischen Zusammenhänge bilden die Grundlage für das Verständnis der bildhaften Hinweise in der Gestaltung des Denkmals. Die zeitgenössische Porträtkultur bedingt, welche künstlerischen Formen hierfür möglich waren.

Schließlich geht die Untersuchung der idealen Rezeption, also der von der stiftenden Instituti-on intendierten AussagefunktiInstituti-on des Denkmals, im Zusammenhang mit seinem Aufstellungsort nach. Dieser Punkt basiert auf der Überzeugung, dass die Funktion von Denkmälern eine zweifa-che ist. Nicht nur sizweifa-chert ein Denkmal dem Dar-gestellten memoria, sondern die Tugenden und Leistungen werden durch das Denkmal auf die stiftende Institution projiziert. Demzufolge, so die These dieses Artikels, werden je nach Auf-traggeber und Institution die jeweilig

passends-ten Tugenden oder Merkmale in der Denkmal-gestaltung wirkungsvoll in Szene gesetzt.

Das Billroth-Denkmal im Ensemble der Pro-fessorendenkmäler im Arkadenhof der Universi-tät zielte von Beginn an auf ein anderes Publi-kum ab als jenes vor dem Spital Rudolfinerhaus.

Wenn auch die Statue im Hof des Allgemeinen Krankenhauses in einem ähnlichen institutionel-len Kontext, nämlich vor einem Krankenhaus, errichtet wurde, lässt der Aufstellungszeitpunkt im Februar 1944 unter der Naziherrschaft erah-nen, dass hier nicht allein Billroths medizinische Leistungen im Vordergrund standen. Anhand dieser drei Denkmäler werde ich aufzeigen, zu welch unterschiedlichen künstlerischen Ergeb-nissen die Ehrungen von Medizinern kommen können und inwieweit medizinhistorische und politische Einflüsse hierbei nachweisbar sind.

d a s w i r k e n t h e o d o r b i l l r o t h s

Theodor Billroth (* 26. April 1829–7. Febru-ar 1894) gilt als Europas führender Chirurg des späten 19. Jahrhunderts und als Protagonist der fortschreitenden Verbesserung der wissen-schaftsbasierten Medizin. Nach seinem Studium in Greifswald, Göttingen und Berlin, wo er von seinen Mentoren nicht nur in Medizin, sondern auch in einer wissenschaftlichen Methodik un-terrichtet wurde, arbeitete er als Assistenzarzt an der Berliner Charité unter seinem Lehrer Bern-hard von Langenbeck. Im Januar 1860 wurde er als Direktor der Chirurgischen Klinik an die Universität Zürich berufen. Im Jahr 1867 folgte Billroth schließlich dem Ruf an die Universität Wien auf die 2. Chirurgische Lehrkanzel.6

Billroths Arbeit zeichnet sich insbesonde-re dadurch aus, dass er systematisch die

chi-rurgische Praxis und Nachsorge in Zusam-menhang mit parallelen wissenschaftsbasierten Forschungen sah. So begann er in Zürich mit der Aufzeichnung von Patientendaten, Krank-heits- und Heilungsverläufen. Die wissenschaft-liche Analyse dieser Aufzeichnungen diente ihm zur Überprüfung und stetigen Verbesserung sei-ner Therapiemethoden. Mit der empirischen Ausrichtung der medizinischen Praxis reihte sich Billroth nahtlos in die Tradition der Ersten und Zweiten Wiener Schule der Medizin ein, die zu-erst unter Gerard van Swieten (1700–1772) und Andreas Josef von Stifft (1760–1836) und spä-ter unspä-ter Carl von Rokitansky (1804–1878) und Joseph Skoda (1805–1881) die Grundlagen für die evidenzbasierte, moderne Medizin legten.7

6 W. Genschorek, Wegbereiter der Chirurgie. Johann Friedrich Dieffenbach/Theodor Billroth, Leipzig 1982, S. 117–

122.

7 E. Kandel, Das Zeitalter der Erkenntnis. Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute, München 2012, S. 44–46; Genschorek, Wegbereiter (zit. Anm. 8), S. 152.

Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 wirkte Billroth freiwillig bei der Errich-tung von Kriegslazaretten auf preußischer Sei-te mit. Seine dortigen Erfahrungen nutzSei-te er, um nach den Ursachen des Wundbrands zu for-schen. Denn Wundinfektionen stellten die größ-te medizinische Problematik sowohl in der Be-handlung verwundeter Soldaten als auch in der postoperativen Nachsorge ziviler PatientInnen dar.

Seit den späten 1860er-Jahren kursierten Theorien über die Ursachen des Wundbrands und dessen Bekämpfung. Basierend auf Louis Pasteurs Keimtheorie empfahl der englische Arzt Lord Joseph Lister die großflächige Behandlung der Räume bzw. der Raumluft mit Karbolsäure.8 Billroth zweifelte jedoch lange an Listers Theo-rie und deren Wirksamkeit. Erst im Jahr 1878 führte Billroth antiseptische Methoden und ins-besondere das Tragen von reinen OP-Kitteln bei seinen Operationen verpflichtend ein.9 Dadurch wurde Billroth zu einem der Pioniere der Anti-sepsis in Wien. Die keimfreie Wundbehandlung hob die Überlebensrate seiner PatientInnen sig-nifikant.10

Insgesamt basierte der Erfolg der medizini-schen und im Speziellen der chirurgimedizini-schen Pra-xis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf

zwei Neuerungen: Zum einen erlaubten über-haupt erst die Fortschritte der Anästhesie ab den 1840er-Jahren größere, schmerzfreie Eingriffe.

Zum anderen brachten die Kenntnis und die Ak-zeptanz antiseptischer Methoden einen Durch-bruch gegen postoperative Wundinfektionen.

Mit seinem Engagement für das Rudolfi-nerhaus, das als Lehrkrankenhaus für die erste Krankenpflegerinnenschule konzipiert war, setz-te Billroth weisetz-tere Akzensetz-te in der medizinischen Nachsorge. Neben seinen chirurgischen Leistun-gen trat er stark für die universitäre Lehre ein und war dadurch bei einem Großteil der Stu-denten sehr beliebt. Im medizinischen und wis-senschaftlichen Kontext gilt Billroth daher als herausragender Forscher und Arzt, dem die mo-derne Medizin enorme Fortschritte verdankt.

Aufgrund seiner antisemitischen Äußerun-gen und Agitation muss er im historischen Dis-kurs als ambivalente Persönlichkeit gesehen werden. In seiner Schrift „Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation“ be-klagte er die Überfüllung der Hörsäle mit jüdi-schen Studierenden, denen er rassisch begrün-det die Voraussetzungen zur wissenschaftlichen Kompetenz absprach.11 Mit dieser Aussage heizte er die seit dem Börsenkrach 1873 bereits höchst

8 Th. Schlich, Asepsis and Bacteriology: A Realignment of Surgery and Laboratory Science, in: Medical History, Vol. 56/3 (2012), S. 309.

9 Genschorek, Wegbereiter (zit. Anm. 8), S. 187. Siehe auch K. Lovecky/B. Panning, … nicht einmal ein Tröpf-chen Blut. Adalbert Seligmanns Gemälde „Der Billroth’sche Hörsaal im Allgemeinen Wiener Krankenhaus“, in:

Wiener Geschichtsblätter, 68. Jg., Heft 3 (2013), S. 229; S. Abend, Götter in Weiß. Arztmythen in der Kunst, Hil-den 2010, S. 130–136.

10 Billroths spektakulärste Operation war die erste erfolgreiche Magenresektion im Jahr 1881, bei der er einer Patien-tin einen 14 cm großen Tumor aus der Magenwand entfernte. Siehe Genschorek, Wegbereiter (zit. Anm. 8), S.

203–204.

11 Th. Billroth, Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation. Eine Culturstudie, Wien 1875, S. 149–153; F. Seebacher, Das Fremde im „deutschen“ Tempel der Wissen-schaften. Brüche in der Wissenschaftskultur der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Wien 2011, S. 101; O.

Rathkolb, Gewalt und Antisemitismus an der Universität Wien und die Badeni-Krise 1897. Davor und danach, in:

Der lange Schatten des Antisemitismus: Kritische Auseinandersetzungen mit der Geschichte der Universität Wien im 19. und 20. Jahrhundert (hrsg. von O. Rathkolb), Göttingen 2013, S. 71–72; F. Seebacher, „Der operierte Chi-rurg“. Theodor Billroths Deutschnationalismus und akademischer Antisemitismus, in: Zeitschrift für Geschichts-wissenschaft 54 (2006), S. 317–338.

angespannte Situation gegenüber den jüdischen Mitbürgern an und traf damit nicht nur bei den deutschnationalen Burschenschaftern auf begeis-terte Anhänger.12 Erst 1891 konnte er den sowohl bei antisemitischen Anhängern als auch bei mi-nisterialen Gegnern erzeugten Aufruhr durch seine Ehrenmitgliedschaft im „Verein zur

Ab-wehr des Antisemitismus“ wieder besänftigen.

Nachweislich blieben seine Äußerungen in anti-semitischen Kreisen in Erinnerung. Diese Schat-tenseite in Billroths Biografie ist entscheidend für das Verständnis des Denkmals, das 1944 zur Aufstellung kam.

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Über Jahrhunderte waren Porträtbüsten und Denkmäler der gesellschaftlichen Elite vorbe-halten und entwickelten sich erst seit dem spä-ten 18. Jahrhundert zum Medium der bürgerli-chen Repräsentation.13 Das Neue Wiener Tagblatt beklagte im Jahr 1867, dass diese Entwicklung in Österreich besonders schleppend vor sich gin-ge, aber dass auch hier die Zeit kommen müsse, wo den bürgerlichen Verdiensten und den gro-ßen Erfindern Monumente gesetzt würden.14 Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war Wien geprägt von der Anlage der Ringstraße, den seit Jahrhun-derten größten Eingriff in die Urbanistik der Stadt. Hier boten sich sowohl an den entstehen-den Plätzen als auch an entstehen-den Fassaentstehen-den der Mo-numentalbauten zahlreiche Möglichkeiten für die Ehrungen von Mitgliedern des Kaiserhau-ses, von verdienstvollen Militärs, aber schließ-lich auch von Komponisten und herausragenden Vertretern des Bürgertums. Diese sprunghafte Entwicklung rief innerhalb kürzester Zeit auch Kritiker auf den Plan, die die „Selbstbedenkma-lungs-Arroganz“ der Wiener Gesellschaft und die darauffolgende „Denkmal-Pest“ beklagten.15

Einer der vielbeschäftigten Bildhauer war Kaspar von Zumbusch (1830–1915), der, nach

seiner Ausbildung an der Polytechnischen Schu-le in München, in Wien zahlreiche DenkmäSchu-ler im öffentlichen Raum geschaffen hat. Beson-ders prestigeträchtige Aufträge waren jene für das Beethoven-Denkmal und das prächtige Ma-ria-Theresien-Denkmal an der Ringstraße. Für die Ehrung der Wiener Gelehrten wurde im Jahr 1885 im Arkadenhof des Universitätsneubaus an der Ringstraße ein Memorialraum eingerichtet.16 Hier sollten die bedeutenden Wissenschaftler der Universität posthum geehrt werden und durch ihre Anwesenheit in effigie den nachkommenden Generationen als Vorbild und Ansporn dienen.

Der gesellschaftliche Bedarf einer solchen bür-gerlichen Ehrenhalle spiegelt sich nicht nur in dem oben zitierten Artikel wider, sondern zeigt sich besonders in der Resonanz. Obwohl der Se-nat als erste Bedingung stellte, dass der Univer-sität aus den Denkmalserrichtungen keine Kos-ten erwachsen sollKos-ten, fanden sich schon bis zur Jahrhundertwende private Stifter, meist die Pro-fessorenwitwen, die Kollegen oder die Schüler-schaft, die für die Aufstellung von ungefähr vier-zig Denkmälern sorgten.

Das Denkmal für Billroth hatte der renom-mierte Bildhauer Zumbusch im Jahr 1897

voll-12 Seebacher, Das Fremde (zit. Anm. 13), S. 84–86.

13 P. Zitzlsperger, Die Büste als Porträt. Historische und theoretische Überlegungen, in: Die obere Hälfte. Die Büste seit Rodin (hrsg. von D. Brunner et al.), Heidelberg 2005, S. 24.

14 Neues Wiener Tagblatt, 20. Oktober 1867, zit. nach W. Telesko, Kulturraum Österreich. Die Identität der Regio-nen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2008, S. 165–166.

15 F. Kürnberger, Ein Aphorismus zur Denkmal-Pest unserer Zeit, in: Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, 10 (30. März 1872), S. 154–156.

16 Th. Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze, Wien 2007, S. 11.

endet. Mediziner und Bildhauer hatten sich spä-testens Mitte der 1880er-Jahre kennengelernt, als Billroth eine Büste des Kronprinzen Rudolf, des kaiserlichen Protektors der Krankenanstalt Ru-dolfinerhaus, bestellt hatte. Noch zu Billroths Lebzeiten erhielt der Künstler den Auftrag, ei-ne Porträtbüste von dem Mediziei-ner zu schaf-fen. Diese überreichten Billroths Schüler im Jahr 1892 der Berliner Charité, wo sie sich noch heute befindet.17 Spätestens nach der Fertigstel-lung dieser ersten Büste machte Billroth sich be-sagter Selbstbedenkmalungs-Arroganz schuldig, indem er an Zumbusch schrieb, dass er damit rechne, dass ihm nach seinem Tod ein Denk-mal im Arkadenhof der Universität Wien, wo seit 1888 eine Ehrenhalle mit den Büsten der he-rausragendsten Professoren eingerichtet worden war, gewidmet würde.18 Aus diesem Grund hät-te er hät-testamentarisch verfügt, dass Zumbusch das Denkmal ausführen solle. Das nötige Ho-norar übersandte er gleichzeitig an den Künstler, damit unter seinen Schülern und Kollegen kei-ne Sammlungen durchgeführt werden mögen.19 Nach Billroths Tod vollendete Zumbusch als ers-tes jenes Bildnis, das am 26. April 1895 feierlich vor dem Rudolfinerhaus enthüllt wurde.20 Die weiße Marmorbüste auf einem hohen Sockel äh-nelt der Berliner Büste von 1892, weist aber den-noch in einigen Details Unterschiede auf. Wie in der ersten Büste nach dem Leben sitzt auch hier der Haaransatz weit hinten und tiefe Falten um-spielen die Augen, dennoch wirken im späteren Porträt die Gesichtszüge noch stärker idealisiert.

Denn die Tränensäcke wirken weniger tief, die Wangen runder und glatter und der Bart noch länger. Statt der weichen Stofflichkeit der Berli-ner Büste gestaltete Zumbusch den drapierten

Stoff hier kräftiger, sodass die Assoziation zur To-ga des antiken Gelehrten deutlicher hervortritt.

Damit stellte Zumbusch den Mediziner in die Tradition des Gelehrtenporträts all’antica, deren Form das Modell durch idealisierte und zeitlo-se Darstellung in die Ewigkeit einschreiben soll-te.21 Auf die Errungenschaften des Dargestellten nimmt diese Art der Gestaltung jedoch keinen Bezug. Lediglich im bronzenen Kapitell des So-ckels verweist ein kleiner Äskulap auf die Profes-sion des Porträtierten.

Einen ikonografischen Kontrast bildet das Denkmal im Arkadenhof der Universität. Im Gegensatz zu seinen früheren Werken nutzte Zumbusch hier die gestalterischen Möglichkei-ten zur Gänze aus. In einer reduzierMöglichkei-ten Ädiku-la steht Billroth hinter einer Lehrkanzel, als wäre er gerade im Begriff zu dozieren. Billroths kräf-tiger, überlebensgroßer Körper füllt den Raum zwischen Wand und Kanzel vollständig aus, die erhöhte Position des Denkmals verleiht dem Ab-bild zusätzliche Autorität als Hochschullehrer.

Während die Geste seiner linken Hand diesen Eindruck des Lehrenden unterstützt, hält seine rechte ein Skalpell, um auf seine Errungenschaf-ten in der Chirurgie aufmerksam zu machen.

Zwischen seinen Händen auf der Lehrkanzel liegt die anatomische Zeichnung des Becken-knochens mit dem oberen Abschnitt des Femurs, die offenkundig auf Billroths Erfolge bei Kno-chenoperationen anspielt, wie er sie in Zürich begonnen und in Wien systematisch verfeinert hatte. Mit diesen Attributen verweist das Denk-mal auf die unterschiedlichen Aufgabenbereiche von Billroths Professur. Die Kanzel und die ana-tomische Zeichnung an sich verweisen auf die theoretische Vermittlung medizinischer

Kennt-17 Siehe A. Keune, Gelehrtenbildnisse der Humboldt-Universität zu Berlin. Denkmäler, Büsten, Reliefs, Gedenkta-feln, Gemälde, Zeichnungen, Graphiken, Medaillen, Berlin 2010, S. 68; siehe auch M. Kolisko, Caspar von Zum-busch, Zürich/Leipzig/Wien 1931, S. 69–70.

18 Archiv der Universität Wien, UAW Senat S 87.1.36.

19 Kolisko, Zumbusch (zit. Anm. 19), S. 79–80.

20 Kolisko, Zumbusch (zit. Anm. 19), S. 86.

21 F. M. Kammel, Charakterköpfe. Die Bildnisbüste in der Epoche der Aufklärung, Nürnberg 2013, S. 103–104.

nisse, wohingegen das Skalpell sowohl für Bill-roths chirurgische Fertigkeit als auch für des-sen praktische Vermittlung an die Studierenden steht.

In Billroths Kleidung spiegelt sich diese Du-alität von theoretischem und praktischem Leh-ren ebenfalls wider. Denn im Gegensatz zu den vorherigen Porträts trägt Billroths Abbild hier den Chirurgenkittel, der ihn eindeutig als prak-tizierenden Mediziner kennzeichnet. Mehr als ein Jahr vor der Enthüllung des Denkmals be-schreibt ein knapper Pressebericht aus dem Ate-lier Zumbuschs das fast vollendete Tonmodell:

„Man wähnt, Billroth lebend vor sich zu sehen.

Die überlebensgroße Statue stellt den berühm-ten Chirurgen auf der Lehrkanzel, im Operati-onskittel stehend derart dar, daß hinter der Ka-thederbrüstung der Oberleib nur bis über die Hüften zu sehen ist. Die auf dem Katheder ru-hende rechte Hand hält ein Operationsmes-ser.“22 Die Beschreibung der Skulptur deutet da-rauf hin, dass die Kombination von Lehrkanzel und Operationskittel nicht selbstverständlich ist.

Neben dem anerkennenden antikisierenden Ty-pus von Gelehrten in Toga waren die Gelehrten in ihren Porträts seit dem Humanismus meist in

Neben dem anerkennenden antikisierenden Ty-pus von Gelehrten in Toga waren die Gelehrten in ihren Porträts seit dem Humanismus meist in

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