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ARK ADENHOF DER UNIVERSITÄT WIEN WÄHREND DER NS-HERRSCHAFT

Im Dokument der Universität Wien (Seite 121-131)

Thomas Maisel

I

m November 1938, ziemlich genau acht Mona-te nach dem sogenannMona-ten „Anschluss“ und der nationalsozialistischen Machtergreifung in Ös-terreich, begann man an der Universität Wien, Denkmäler jener Professoren, die als Juden oder

„jüdische Mischlinge“ betrachtet wurden, aus dem Arkadenhof zu entfernen. Insgesamt wur-den siebzehn Büsten und Reliefs abmontiert und im Hauptgebäude der Universität eingela-gert. Zu diesem Zeitpunkt waren das ca. sech-zehn Prozent aller im Arkadenhof vorhandenen Denkmäler.

In seinem Bericht an das Ministerium für in-nere und kulturelle Angelegenheiten bezeichnete der damalige Rektor Fritz Knoll diesen Vorgang als Ausmerzung von Denkmälern.1 Die martiali-sche Diktion, die hier zum Ausdruck kommt, war nicht unbedingt typisch für jenen Mann, der seit 1937 NSDAP-Mitglied war2, am 15.

März 1938 vom späteren Gauleiter Odilo Glo-bocnik zum kommissarischen Rektor der Uni-versität Wien bestellt wurde3 und unter dessen tatkräftiger Führung die Selbstgleichschaltung der Wiener Universität und die „Säuberung“

des Lehr körpers erstaunlich effektiv und rasch durchgeführt wurden. Sein offizieller, im Druck erschienener Bericht über diese Ereignisse, vor-getragen anlässlich der Amtsübergabe an den neuen Rektor Eduard Pernkopf 1943, ist zwar voll von zeittypischem deutschnationalen An-schlusspathos und Worten von der großen Auf-gabe, mit der sich Knoll konfrontiert sah, die massenhafte Vertreibung von aus rassistischen und politischen Motiven unliebsamen Professo-ren und Dozenten erwähnte er jedoch fast nur beiläufig: Der Lehrkörper der Wiener Universi-tät wurde entsprechend der Verordnung über das Berufsbeamtentum weiter von ungeeigneten Per-sonen befreit.4 Die Entfernung von Denk mälern erwähnte er mit keinem Wort, was auffällig er-scheint, da der Arkadenhof mit seinen dort jeweils ergänzten Denkmälern in den Jahrzehn-ten zuvor immer in den BerichJahrzehn-ten scheidender Rektoren genannt wird.

In der Geschichte des Arkadenhofes als zent-raler Ort der Gelehrtenmemoria an der Universi-tät Wien stellt die Entfernung von Denkmälern einen singulären Fall dar. Es gab dafür, anders als

1 Archiv der Universität Wien (UAW), Schreiben des Rektors Fritz Knoll an das Ministerium für innere und kultu-relle Angelegenheiten vom 7. November 1938, Akademischer Senat der Universität Wien (Senat), G.Z. 184 aus 1938/39, ONr. 2.

2 M. Grüttner, Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004, S. 93.

3 UAW, Senat G.Z. 669 aus 1937/38.

4 Die feierliche Rektorsinauguration der Universität Wien 1943 (Wiener wissenschaftliche Vorträge und Reden, hrsg.

von der Universität Wien), Brünn/München/Wien 1944, S. 14.

bei der Entlassung von Mitgliedern des Lehrkör-pers, keine Präzedenz und auch keine rechtliche oder statutarische Grundlage. Anders verhielt es sich bei der Aufstellung von Denkmälern: Dazu waren bereits kurz nach Eröffnung des neuen Hauptgebäudes 1885 vom Akademischen Senat Regelungen beschlossen worden. Bevor es zu ei-ner Ehrung für einen Professor in Form eines Denkmals kam, sollte eine Frist von fünf Jah-ren nach dessen Tod verstrichen sein. Diese Frist wurde 1926 auf zehn Jahre verlängert, es waren jedoch Ausnahmen davon möglich.5 Die Anträ-ge für eine Denkmalaufstellung mussten von der zuständigen Fakultät nach fachlichen Krite-rien darauf geprüft werden, ob eine solche Wür-digung angemessen wäre. Nach einer positiven Beurteilung war es dann die Aufgabe des Aka-demischen Senats, für oder gegen den Antrag zu stimmen. Die Kunstkommission des Senats– zu dieser Zeit als Artistische Kommission bezeich-net – sollte über die künstlerische Eignung des Denkmals befinden und auch den geeigneten Platz im Arkadenhof festlegen. Für die Entfer-nung eines bereits bestehenden Denkmals exis-tierten hingegen keine Regelungen.

Die Vorgänge bei der Entfernung von Denk-mälern aus dem Arkadenhof weisen in ihrem Ablauf Analogien zur unmittelbar nach dem

„Anschluss“ einsetzenden sogenannten „Säube-rung“ des Lehrkörpers auf. Dabei folgte auf ei-ne relativ kurze Phase spontaei-nen Terrors – etwa durch Verhaftungen und Hausdurchsuchungen6 – und spontaner Vertreibungen von jüdischen oder den Nazigegnern zuzurechnenden Univer-sitätsmitgliedern die „geordneten“ und den

An-schein der Legalität erweckenden Enthebungen und Entlassungen, welche vom neuen Unter-richtsminister Menghin und den neu ernannten Universitätsfunktionären gesteuert wurden.7 Der erste Schritt erfolgte durch die Vereidigung der dazu berechtigten Universitätsprofessoren als Be-amte am 22. März 1938. Zugelassen war nur, wer nicht als Jude galt. Dem folgte am 6. April der Widerruf der Lehrbefugnis der jüdischen Privat-dozenten durch Erlass des Unterrichtsministeri-ums. Einen vorläufigen Abschluss vor der feier-lichen Wiederaufnahme des Vorlesungsbetriebes am 25. April bildeten für jede Fakultät eigens for-mulierte Erlässe des Unterrichtsministers, in dem all jene Universitätslehrer aufgeführt wurden, die zu beurlauben, zu entlassen oder auf andere Wei-se von ihrer Lehrverpflichtung zu entbinden Wei- sei-en.8 Die Abgrenzung des von diesen Maßnahmen betroffenen Personenkreises erforderte jedoch zu-vor die Mitwirkung aller Instanzen der Universi-tät, insbesondere auch der Dekanate, die mit der Erstellung von Namenslisten und den damit ver-bundenen Erhebungen beauftragt waren. Auch das ganze restliche Jahr war man mit ungeklärten Fällen befasst, ehe 1939 im Zusammenhang mit der Implementierung der „Dozenten neuer Ord-nung“ eine weitere Vertreibungswelle einsetzte.

Rektor Fritz Knoll war von der Wichtigkeit dieser Aufgabe überzeugt, hat jedoch die Schwie-rigkeiten und die Arbeitsbelastungen, welche der gleichzeitige organisatorische und personelle Umbau der Universität nach dem „Führerprin-zip“ mit sich brachten, bei passender Gelegen-heit gerne betont. „Wir leben hier immer noch in einem Wirbel“ und „Wir haben eine

unge-5 T. Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze. Die Denkmäler im Arkadenhof der Universität Wien, Wien/Köln/

Weimar 2007, S. 11.

6 A. Massiczek, Die Situation an der Universität Wien März/April 1938, in: Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 2, 1978, S. 222.

7 Siehe dazu etwa K. Mühlberger, Dokumentation Vertriebene Intelligenz 1938. Der Verlust geistiger und menschli-cher Potenz an der Universität Wien von 1938 bis 1945, Wien, 2. Aufl. 1993, S. 7–9; A. Müller, Dynamische Adap-tierung und „Selbstbehauptung“. Die Universität Wien in der NS-Zeit, in: Geschichte und Gesellschaft, 23/4, 1997, S. 595–607.

8 Müller, Dynamische Adaptierung (zit. Anm. 7), S. 602.

heure Arbeit zu leisten, was vor allem mit dem riesigen Personalstand der Universität zusam-menhängt“, formulierte er im April 1938 in ei-nem Schreiben an seinen Grazer Rektorenkolle-gen.9 Auch noch Jahre danach, als er 1943 über seine Amtszeit Rechenschaft ablegte, erwähnte er die beträchtlichen Schwierigkeiten, welche bei der Umstellung unserer Universität auf die neuen Verhältnisse zu bewältigen waren.10

Diese Zitate stehen auch in Bezug zu den Vorgängen im Zusammenhang mit der Ent-fernung von Denkmälern aus dem Arkaden-hof. Der von Knoll konstatierte „Wirbel“ in der Universität hat sich teilweise auch in der Ak-tenführung des Rektorats niedergeschlagen. Im konkreten Fall hatte dies zur Folge, dass nicht al-le Vorgänge zur Entfernung der Denkmäal-ler voll-ständig dokumentiert sind. Der zweite Aspekt, die Schwierigkeiten aufgrund hoher Arbeitsbe-lastung, wird von Knoll auch im eingangs zitier-ten Bericht an das Ministerium besonders her-vorgehoben. Dieser Bericht ist eine wesentliche Quelle für die hier geschilderten Ereignisse. Er war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und sein Verfasser war bemüht, sich in der Frage der Denkmäler von Juden und „jüdischen Mischlin-gen“ gegen den offensichtlich befürchteten Vor-wurf zu wappnen, er könnte dabei säumig oder nachlässig gewesen sein. Knolls Rechtfertigung diente die anfangs zitierte martialische Diktion, welche Tatkraft suggerieren sollte und die Be-tonung der äusserst starken Beanspruchung der Dekanate durch die verschiedensten dringenden Arbeiten.11 Knoll fürchtete, wie er selbst einlei-tend formulierte, dass über die Entfernung der Denkmäler im Ministerium unrichtige Vorstel-lungen12 entstehen könnten.

Laut diesem Bericht, der am 7. November 1938 verfasst wurde, ist die Initiative zur

Ent-fernung der Denkmäler vom Nationalsozialisti-schen Studentenbund an der Universität Wien ausgegangen. Zu einem nicht näher bestimm-ten Zeitpunkt – Knoll schreibt: schon vor länge-rer Zeit – wäre der Studentenfühlänge-rer an der Uni-versität Wien, Robert Müller, bei ihm vorstellig geworden und hätte das Ersuchen vorgebracht, so bald wie möglich die Denkmäler jüdischer Pro-fessoren in den Arkadengängen entfernen zu las-sen. Knoll erklärte dazu, dass er selbst schon die-se Absicht gehabt hätte, dass jedoch dringendere Angelegenheiten Vorrang haben müssten. Auf das Insistieren des Studentenführers antworte-te Knoll, dass vor irgendwelchen Maßnahmen die einwandfreie Feststellung, wer von den betref-fenden Professoren jüdischer Abstammung gewesen ist, erforderlich wäre, was vielfach mit Schwierig-keiten verbunden sei. Er schlug daher vor, die nö-tigen verlässlichen Daten mit Hilfe des Sippenam-tes [Gau-Amt für Sippenforschung der NSDAP]

einzuholen. Die Vorarbeiten dazu wären von den Dekanaten vorzunehmen. Die Vorgangsweise bei den Denkmälern wäre demnach der „Säu-berung“ des Lehrkörpers recht ähnlich gewe-sen, und auch die zuvor praktizierte Regelung bei der Aufstellung von Denkmälern mag hier Berücksichtigung gefunden haben, nur dass die Fakultäten in diesem Fall nicht die Würdigkeit, sondern die Unwürdigkeit eines Denkmals fest-zustellen hätten.

Tatsächlich hat der Rektor am 5. September 1938 ein Rundschreiben an die fünf Dekane ver-schickt, in dem er darum ersuchte, Denkmäler jener Professoren im Arkadenhof, aber auch in anderen Universitätsräumlichkeiten, namhaft zu machen, die Juden oder jüdische Mischlinge wa-ren.13 Aus dem Bericht vom 7. November wird klar, dass dies erst nach dem Gespräch mit dem Studentenführer geschehen sein kann. Die

ers-9 Zitiert nach Müller, Dynamische Adaptierung (zit. Anm. 7), S. 5ers-9ers-9.

10 Feierliche Rektorsinauguration 1943 (wie Anm. 4), S. 14.

11 UAW (zit. Anm. 1).

12 UAW (zit. Anm. 1).

13 UAW, Senat G.Z. 1250 aus 1937/38, ONr. 1.

ten Rückmeldungen trafen schon nach wenigen Tagen von den beiden theologischen Fakultäten ein: Es waren „Fehlmeldungen“ – keines „ihrer“

Denkmäler wäre davon betroffen. Erst mehr als ein Monat später, am 17. Oktober 1938, antwor-tete der Dekan der Philosophischen Fakultät, Viktor Christian, und berichtete nach eingehol-ten Informationen, dass folgende Denkmäler im Arkadenhof und in Institutsräumlichkeiten sei-ner Fakultät von Juden oder jüdischen Mischlin-gen vorhanden wären: Im Arkadenhof die Che-miker Adolf Lieben und Guido Goldschmiedt, der Romanist Adolf Mussafia, der Botaniker Ju-lius Wiesner und der Musikwissenschaftler Edu-ard Hanslick; in Institutsräumlichkeiten der Geologe Eduard Suess und der Pharmazeut Josef Herzig.14 Von den beiden restlichen Fakultäten, der Medizinischen und der Rechtswissenschaftli-chen, gab es vorerst keine Rückmeldungen.

Auch im Aktenbestand der Philosophischen Fakultät haben diese Vorgänge ihren schriftli-chen Niederschlag gefunden. Es ist daraus je-doch nicht ersichtlich, auf welche Weise die ge-wünschten Informationen beschafft worden waren.15 Eine Befassung des Sippenamtes ist nicht belegt. Dafür, dass es trotz hoher Arbeits-belastung schon so bald eine detaillierte Rück-meldung des philosophischen Dekans gegeben hat, kann es m. E. nur eine Erklärung geben:

Nicht penible Recherchen zur „arischen“ oder

„nicht-arischen“ Abstammung der durch Denk-mäler geehrten Professoren, sondern das in der Professoren- und Studentenschaft kommuni-zierte Wissen über tatsächliche oder vermute-te jüdische Abstammung lebender oder verstor-bener Kollegen bildete die Grundlage für die Erstellung der Namensliste. Dieses tatsächliche oder vermutete Wissen entstammte den antijü-dischen und antiliberalen Traditionen, welche an der Universität Wien seit dem 19. Jahrhun-dert deutlich feststellbar sind und sich spätes-tens in den Anfangsjahren der Ersten Republik radikalisierten und zu einer Bewegung des uni-versitären Antisemitismus formierten.16 In kaum einem anderen Bereich des gesellschaftlichen Le-bens hatten antisemitische und deutschnationa-le Tendenzen schon viedeutschnationa-le Jahre vor 1938 so starke Resonanz und – vor allem in der Studenten-schaft – so radikale Anhänger wie auf akademi-schem Boden.17 Informelle antisemitische Netz-werke Wiener Professoren und Dozenten hatten zum Ziel, akademische Karrieren von Wissen-schaftlern, denen jüdische Abstammung und/

oder Sympathien für den Sozialismus unter-stellt wurden, zu verhindern.18 Lobbys dieser Art konnten schon lange vor dem „Anschluss“ rassis-tische und konservative Kriterien bei Lehrstuhl-besetzungen durchsetzen.19 Ihnen war es ein An-liegen, den postulierten „deutschen Charakter“

der Wiener Universität durchzusetzen. Schon

14 UAW (zit. Anm. 13), ONr. 7.

15 UAW, Dekanat der phil. Fakultät, D.-Zl. 1278 aus 1937/38.

16 Müller, Dynamische Adaptierung (zit. Anm. 7), S. 605.

17 Vgl. dazu zuletzt: Der lange Schatten des Antisemitismus. Kritische Auseinandersetzungen mit der Geschichte der Universität Wien im 19. und 20. Jahrhundert (hrsg. von Oliver Rathkolb), Zeitgeschichte im Kontext, 8, Göttin-gen 2013.

18 Vgl. dazu T. Olechowski/T. Ehs/K. Staudigl-Ciechowicz, Die Wiener Rechts- und staatswissenschaftliche Fa-kultät 1918–1938 (Schriften des Archivs der Universität Wien 20), Göttingen 2014, S. 67–72. Demnächst auch K.

Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie ein antisemitisches Professorenkartell der Universität Wien nach 1918 jüdische und linke Forscherinnen und Forscher vertrieb, in: Alma mater antisemitica. Akademisches Milieu, Ju-den und Antisemitismus an Ju-den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939, Wien 2015. Der Beitrag ist in einer Langversion online verfügbar: http://www.academia.edu/4258095/Geheimsache_B%C3%A4renh%C3%B6hl e._Wie_ein_antisemitisches_Professorenkartell_der_Universit%C3%A4t_Wien_nach_1918_j%C3%BCdische_und_

linke_Forscherinnen_und_Forscher_vertrieb._2013_, abgerufen am 1. Dezember 2014).

19 O. Rathkolb, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien zwischen Antisemitismus,

im späten 19. Jahrhundert war die von Antise-miten behauptete „Verjudung der Universität“

Thema von Reichstagsreden.20 Dazu war es un-ter den Prämissen des völkischen Antisemitismus notwendig zu wissen, wer als Jude gelten sollte und wer nicht. Diese Fragen wurden auch in der Tagespresse offen artikuliert. Im Zweifel konn-ten mithilfe von antisemitischen biografischen Nachschlagewerken, wie dem in mehreren Auf-lagen erschienenen „Semi-Kürschner“ oder dem

„Semi-Gotha“, gesuchte und gewünschte Ant-worten gefunden werden.21

Der NS-Studentenschaft waren die Maß-nahmen des Rektors jedenfalls zu zeitraubend und langwierig. Noch bevor alle Dekanate die gewünschten Informationen liefern konnten, er-schien am 4. November 1938 ein Vertreter des Studentenführers bei Rektor Knoll und urgier-te, dass endlich etwas in dieser Angelegenheit ge-schehen müsse. Als Begründung gab er an, dass am 11. November in der Säulenhalle (Aula) der Universität die Langemarck-Feier stattfinden würde, dass in diesem Rahmen auch eine Rund-funkübertragung in den Arkadenhof geplant sei und dass dort deshalb unbedingt mindestens vor-läufige Maßnahmen getroffen werden müssten.

Der Vertreter der Studentenführung erwähnte ausdrücklich die Untragbarkeit des Standbildes von Emil Zuckerkandl, weil es durch seine jüdi-schen Handbewegungen die Studierenden gerade-zu herausfordere. 22

Für die deutschvölkischen und die natio-nalsozialistischen Studenten spielte der politi-sche Langemarck-Mythos vom an der Westfront

kämpfenden und den Heldentod sterbenden Studenten eine herausragende Rolle. An der Uni-versität Wien wurde nach deutschem Vorbild ein

„Langemarckstudium“ eingerichtet: ein Vorbe-reitungsstudium, das parteitreue Nationalsozia-listen aus der Unterschicht förderte. In der Säu-lenhalle (Aula) der Universität befand sich der

„Siegfriedskopf“, das sogenannte Heldendenk-mal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, welches 1923 unter maßgeblicher Mitwirkung der Deutschen Studentenschaft errichtet wor-den war. Es verweist auf die Siegfriedmythologie der Nibelungensage und die „Dolchstoßlegen-de“ des Ersten Weltkriegs. Für die deutschvölki-schen Studenten, welche von der Deutdeutschvölki-schen Stu-dentenschaft, in der die nationalsozialistischen Studierenden seit 1931 die Mehrheit stellten, re-präsentiert wurden, war dieses Denkmal Kristal-lisationspunkt ihrer universitätspolitischen Prä-senz.23 Ziel war es, in der Auseinandersetzung um ein Studentenrecht in der Ersten Republik einen Numerus clausus für jüdische Studierende durchzusetzen. Insbesondere Anfang der Drei-ßigerjahre waren Veranstaltungen und Demons-trationen um den Siegfriedskopf Ausgangspunkt für gewalttätige Zusammenstöße, in deren Ver-lauf regelrecht Jagd auf jüdische und sozialde-mokratische Studierende gemacht wurde. Zu solchen Ausschreitungen kam es auch regel-mäßig im Zusammenhang mit dem samstägi-gen Bummel von schlasamstägi-genden Burschenschaften im Arkadenhof.24

Für die Langemarck-Feier 1938 waren beide symbolträchtigen Orte, die Aula mit dem

Sieg-Deutschnationalismus 1938, davor und danach, in: Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945 (hrsg.

von G. Heiss/S. Mattl/S. Meissl/E. Saurer/K. Stuhlpfarrer), Wien 1989, S. 197–200.

20 J. S. Bloch, Erinnerungen aus meinem Leben, Wien/Leipzig 1922, S. 261–262.

21 G. Hufenreuter, Völkischer Antisemitismus, in: Handbuch des Antisemitismus (hrsg. von W. Benz), Bd. 3, Ber-lin/New York 2010, S. 342.

22 Alle Zitate aus: UAW (zit. Anm. 1).

23 Zu Langemarck-Mythos und Siegfriedskopf vgl. die Website des Forum Zeitgeschichte: http://www.univie.ac.at/de/

universitaet/forum-zeitgeschichte/gedenkkultur/siegfriedskopf/#c1201, abgerufen am 1. September 2014.

24 M. Grandner/G. Heiss/E. Klamper, Im Kampf um das Haupt des deutschen Helden Siegfried, in: FORUM, 37/444, 15. Dez. 1990, S. 62.

friedskopf und der Arkadenhof, von Bedeu-tung. Das Zentrum der Feier bildete der Sieg-friedskopf, wo das Rednerpult aufgestellt war.

An der Feier sollten Studierende aller Wie-ner Hochschulen teilnehmen, darüber hinaus Abordnungen der Wehrmacht und verschiede-ner NS-Teilorganisationen sowie hohe Reprä-sentanten der NS- Hierarchie in Österreich.25 Einen Höhepunkt stellte die Liveübertragung der Rundfunkansprache des Reichsstudenten-führers Scheel vom Friedhof im belgischen Lan-gemarck dar, die, so wie wohl auch die vor Ort gehaltenen Reden, in den Arkadenhof mit Laut-sprechern übertragen wurde.26 Die Feier war zur Gänze eine Veranstaltung der Reichsstudenten-führung, an welcher der Rektor der Universität Wien selbst nur als Gast teilgenommen hat. Die NS-Studentenführung agierte hier so, als ob sie über das Hausrecht an der Universität Wien ver-fügen würde. Es gab kein formales Ansuchen an den Rektor zur Abhaltung der Feier, er wurde lediglich darüber informiert, dass sie stattfinden würde.27

Das Drängen der Studentenführung auf die Entfernung von Denkmälern noch vor Abhaltung der unmittelbar bevorstehenden Langemarck-Feier zwang den Rektor Fritz Knoll zur Zusage, dass dies umgehend von ihm ver-anlasst und noch vor Abschluss der von ihm beauftragten Recherchen durch die Dekanate erfolgen werde. Doch schon am folgenden Tag, am Samstag, den 5. November 1938, wurde die-se Absprache von den Studenten durch einen Gewaltakt torpediert. Sie beschädigten und be-schmierten mehrere Denkmäler vermeintlich jü-discher Professoren im Arkadenhof:

- Das Denkmal von Emil Zuckerkandl, wel-ches nach Ansicht der Nazi-Studenten durch

seine „jüdischen Handbewegungen“ provo-zierte, wurde umgestürzt und beschädigt;

- die Denkmäler von Joseph von Sonnenfels, Julius Wiesner, Heinrich Bamberger, Mo-riz Kaposi und Guido Goldschmiedt wurden zum Teil schwer beschädigt;

- und alle diese sowie die Denkmäler von Adolf Mussafia, Julius Glaser, Ernst (von) Fleischl-Marxow und Gustav Bickell mit Eisenlack be-schmiert.28

An diesem Vorkommnis lassen sich die Span-nungen und die Rivalitäten unter den Reprä-sentanten der NS-Hierarchie an der Universität deutlich ablesen. Als jemand, der von der Grö-ße und Wichtigkeit der Aufgabe, die „Gleich-schaltung“ der Universität Wien unter dem An-schein geordneter Verhältnisse durchzuführen, überzeugt war, fühlte sich Rektor Knoll vom Ge-waltakt der Studenten brüskiert. In seinem Be-richt warf er ihnen vor, nicht nur einige jüdi-sche Denkmäler übersehen zu haben, sondern auch, dass sie das Denkmal eines „Ariers“ be-schädigt hatten, nämlich jenes des Orientalisten Gustav Bickell. Wie Knoll vermutete, war es ent-weder die Aufschrift „Professor der Semitologie“

oder die Verwechslung des Namens Bickell mit dem jüdisch klingenden Namen Pick, die dazu den Anlass gegeben hätte.29 Ob die Studenten in diesem Fall tatsächlich so ahnungslos waren, wie Knoll unterstellte, kann jedoch auch in Frage ge-stellt werden. Bickells Name stand nämlich in Verbindung mit dem katholischen Antijudaisten August Rohling, dessen Werk „Der Talmudjude“

im Nationalsozialismus als Standardwerk des An-tisemitismus anerkannt war. Bickell hatte Roh-lings jüdische Ritualmordthese als „reinste[n], auf grober Unwissenheit beruhende[n] Schwin-del“ bezeichnet, was als einer der Nachweise gilt,

25 Vgl. etwa den Bericht in der Neuen Freien Presse, Nr. 26644 W, 12. 11. 1938, S. 7.

26 UAW, Senat G.Z. 1336 aus 1937/38.

27 UAW (zit. Anm. 26).

28 UAW, Bericht der Universitäts-Gebäude-Inspektion vom 7. 11. 1938, Senat G.Z. 184 aus 1938/39, ONr. 1.

29 UAW (zit. Anm. 1).

die Rohlings Fälschungen und Entstellungen vor Gericht entlarvt hatten.30 Im Aktenbestand der Universität Wien gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass dieser Sachverhalt den

die Rohlings Fälschungen und Entstellungen vor Gericht entlarvt hatten.30 Im Aktenbestand der Universität Wien gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass dieser Sachverhalt den

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