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Auch das Fürstentum Liechtenstein war vom Nazi-Terror bedroht, die nationalsozialistische Bewegung im Lande selbst war ebenfalls nicht unbedeutend." Franz Josef von Liechtenstein unternahm es am 1. März 1939 und noch vor seiner Erbhuldigung, zusammen mit einer liech­

tensteinischen Gesandtschaft, dem "Führer" und Reichskanzler Adolf Hitler in Berlin einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, um einen in Analogie zu Österreich drohenden "Anschluss an das Reich" abzuwehren. Uber den genauen Inhalt der Gespräche, die vorgeblich den Grundbesitz des Fürsten in der Tschechoslowakei und die Rückführung der fürstlichen Kunstschätze betrafen, ist wenig bekannt. Der Fürst selbst hielt in einer Rückschau fest:

"Nachdem ich Fürst geworden bin, habe ich zunächst einmal dem Bundesrat in Bern eine Staatsvisite abgestattet. Dann habe ich mir gesagt: Der Hitler ist ja nun dein Nachbar gewor­

den, eitel ist er kolossal - das habe ich von mehreren Seiten gehört -, also kann es nicht scha­

den, wenn ich ihn besuchen wurde. Das würde seiner Eitelkeit gut tun. Es wurde dann ein Staatsbesuch ausgemacht, nur ein kleiner, ein Tag nur, aber immerhin ein offizieller Staatsbe­

such. Zuerst wollte er mich auf dem Obersalzberg sehen; das habe ich abgelehnt, und so hat er mich nach Berlin eingeladen. So ging ich im März 1939 zu ihm. Er war sehr verlegen. Ganz ein winziges Männchen, so wie der Dollfuss in der Grösse, er hat mir nur bis zur Brust gereicht und hat mich sehr freundlich begrüsst. Beim ersten Gespräch war nur noch mein Regierungschef Dr. Hoop dabei... Ich habe mich zuvor noch erkundigt, wer das Gespräch eröffnen werde, denn ich kannte seine Eitelkeit. Es hiess, er wurde beginnen. Da habe ich also gewartet. Ich merkte dann: er fängt nicht an, er ist verlegen - da habe ich ihm gedankt, dass die liechtensteinischen Arbeiter, die drüben arbeiten, ihr Geld mitnehmen dürften, dass man da eine Regelung gefunden habe. Da haben wir wenigstens etwas zum Reden gehabt. Dann war wieder Stille. ... Und so ging das weiter. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass er sich langweile: es war reine Verlegenheit. Und wenn er etwas sagte, dann ist der Mund wie von selber gegangen, als ob er nicht zur Person gehören würde. Hitler hat auf mich überhaupt keinen Eindruck gemacht. Ich verstehe nicht, wie seine Besucher von ihm beeindruckt sein

? Press 1987, S. 72 f.

8 Ebd., S. 73.

i Jansen 1978, S. 49.

io Press 1987, S. 74

Ji Vgl. u.a. Carl 1987, Geiger 1990, S. 75 ff-, Krebs 1988, Walk 1986.

Franz Josef II. von und zu Liechtenstein

konnten. Er war so wenig. Während des Gesprächs sass mein Regierungschef links von Hit­

ler; dieser hat ab und zu das Wort an ihn gerichtet. Da hat ihn Dr. Hoop durch seine dicken Brillengläser von der Seite angestarrt und nur: 'Ja - was!' gesagt. Dabei hat er ihn angeschaut, als laure Dr. Hoop auf den Augenblick, wo Hitler einen Teppich auffrisst oder sonst etwas Absonderliches mache. Ich habe meinen Regierungschef nicht mehr anschauen können, so habe ich mit dem Lachen kämpfen müssen, da ich bemerkte, dass auch Dr. Hoop Hitler nicht für voll nahm.... Zum Abschied hat er mir dann kolossal die Hand gedrückt und sie immer wieder geschüttelt. - Ich war dann auch noch kurz bei Göring. Er hat vor allem von den gigantischen Ausbauplänen für Berlin, die von Speer stammten, gesprochen. Zum Beispiel war die Rede von einer Ruhmeshalle, die so gigantisch sein werde, dass allein ein von der Decke herabhängender Lüster grösser sein werde als der ganze Petersdom."i:

Der Fürst bejaht auch die Frage, ob er nach diesem Besuch mit Zuversicht in die Zukunft habe blicken können:

"Ja, so war es. Als ich ihn besuchen ging, war ich überzeugt, dass er mir nichts Unange­

nehmes sagen würde. Ich glaube, ihn von Anfang an richtig beurteilt zu haben. Er war ein kleiner Mann, ein kleines Format. ... Angst hatte man im Lande (Liechtenstein) nicht, aber man war doch nicht ganz sicher. Nach dem Besuch bei Hitler war ich persönlich überzeugt, dass er nichts gegen Liechtenstein unternehmen werde."13

Die hier zweifelsohne zum Ausdruck kommende aristokratische Sorglosigkeit, wenn nicht gar Überheblichkeit, ist offensichtlich eine, die wohl erst post festum erfolgt ist bzw.

eingenommen wurde.14 Die Situation war wesentlich ernster, als es hier den Anschein hat. In der Nacht vom 24./25. März 1939 kam es in Liechtenstein zu einem Putschversuch von rechts, der niedergeschlagen werden konnte. Von der Neuen Zürcher Zeitung wurde dieser Vorgang mit grosser Anerkennung als ein Lehrstück kommentiert: "Wir dürfen stolz sein, einen Nachbarn zu haben, der trotz seiner Kleinheit bereit ist, - ohne Armee - für sein Höchstes den letzten Blutstropfen zu opfern, getreu dem Wahlspruch: Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott."15

Erstmals in der Geschichte des Fürstentums eröffnete - nach Einsetzung einer bis 1993 andauernden "AllparteienregierungV der Einführung des Proporzwahl rechts und einer Bestellung des Landtages über eine "stille" Wahl vermittels einer Einheitsliste, um das begon­

nene "Befriedungswerk* abzusichern - im April 1939 ein regierender Fürst persönlich den Landtag.17 Die Erbhuldigung des neuen Fürsten Franz Josef II. erfolgte am 29. Mai 1939 (Pfingstmontag) unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung."

Franz Josef II. von Liechtenstein, das Patenkind des letzten Österreichischen Kaisers, sollte der erste in Liechtenstein residierende Landesfürst werden. Er studierte an der Wiener Hochschule für Bodenkultur, die er 1929 als Diplom-Forstingenieur verliess. In der Folge widmete er sich der Verwaltung der fürstlichen Güter in der Tschechoslowakei. Als junger Prinz war er nicht nur bereits in Liechtenstein, sondern auf Reisen in Europa und auch in

Zii. nach Mann 1976, S. 34 f.

u Ebd., S. 35.

m Djs interview von Golo Mann 1976 hai Nikiaus Meienberg in seinem Artikel "Einen schönen durchlauchten Geburtstag für S. Durchlaucht!" glossiert, zuerst in: Tages-Anzeiger vom 7. August 1978, siehe Meienberg 1983, S.

90-93. - Der Autor ist aufgrund dieser Glosse vom Tages-Anzeiger entlassen worden und hat seinen Beitrag in einem Postskriptum apres coup Maximilien Robespierre gewidmet (ebd., S. 94).

" Neue Zürcher Zeitung vom 27. März 1939, zii. nach Carl 1987, S. 441.

'«• Franz Josef 1!. stellte dazu in einer Rückschau (Mann 1976, S. 34) fest: "Es gab hier (innenpolitisch) doch eine gewisse Unsicherheit, bedingt durch leidenschaftliche Parteienstreitigkeiten. Es waren zwei Parteien, die eine, die Fortschritdiche Bürgerpann, war an der Regierung, die andere, die heutige Vaterländische Union, in der Opposi­

tion. Und da habe ich dann sofort darauf gehalten, dass sie eine Koalition bilden müssen."

» Carl 1987, S. 458.

19 Vgl. Dokumente I, S. 32 ff.

Übersee. Seit dem 17. April 1930 mit der fall weisen Vertretung nach aussen und der Aus­

übung von Hoheitsrechten betraut, war seine erste offizielle Mission im Lande die Eröffnung der 2. Liechtensteinischen Landes-Ausstellung im Jahre 1934.19

Fürst und Land rückten zusammen, um die Unabhängigkeit des Fürstentums zu wahren.

Der neue regierende Fürst "setzte wiederholt markante Zeichen, um Moral und Einheit der Bevölkerung zu stärken, und machte damit weit mehr als seine Vorgänger Gebrauch von den Möglichkeiten, die die monarchische Stellung verlieh und die auch von den Nationalsozia­

listen nicht offen kritisiert werden konnten. Beraten von Dr. Hoop knüpfte er in Grundsatz­

reden und öffentlichkeitswirksamen Grossveranstaltungen die Bande zwischen Volk und Dynastie so eng wie nie zuvor."20

Ein Jahr nach dem gescheiterten Putschversuch, am Ostersonntag des Jahres 1940, wurde die Weihe des Landes unter den Schutz der Gottesmutter vor der alten Wallfahrtskapelle auf Dux durch den Fürsten zelebriert - ein symbolträchtiger Akt mit solidarisierender Wirkung.

Einen "Höhepunkt in dieser Hinsicht" stellte dann "die am 7. M ärz 1943 vor den Augen der Bevölkerung und in Anwesenheit zahlreicher ausländischer Gäste begangene prächtige Hochzeit des Fürsten mit Gräfin Gina von Wilczek dar ... (und) das Land gewann in der neuen Fürstin eine weitere Integrationsfigur: die der sozial engagierten und überaus volks­

tümlichen Landesmutter. *21

Ferner hatte der Fürst zur Befestigung des inneren Friedens am 18. Februar 1943 gemäss Art. 10 der Verfassung die Mandatsdauer des Landtages per Notverordnung auf unbestimmte Zeit verlängert und damit Neuwahlen ausgesetzt." Der nächste Wahlgang erfolgte erst am 29. April 1945, im übrigen einen Tag vor dem Selbstmord Adolf Hitlers. In Liechtenstein wurden zahlreiche zivile Flüchtlinge aufgenommen und versorgt. Den Restbeständen der I. russischen Nationalarmee unter General Holmston, die auf der Seite der deutschen Wehr­

macht gekämpft hatte, wurde politisches Asyl gewährt, wodurch ihnen "das Schicksal der Wlassowsoldaten, zu denen sie übrigens nicht gehörten, als einzigen erspart blieb: Ausliefe­

rung an die Sowjetunion und Exekution oder langjährige Lagerhaft."23 Vor allem auf Initia­

tive der Fürstin wurde in diesem Zusammenhang im April 1945 das Liechtensteinische Rote Kreuz gegründet, wie sich die Fürstin überhaupt sehr stark eingesetzt hat für humanitäre und karitative Belange. Sie war u.a. Präsidentin des von ihr initiierten Roten Kreuzes und des Heilpädagogischen Zentrums in Schaan, in diesen Ehrenämtern sollte ihr 1985 die Erbprin­

zessin Marie Aglae nachfolgen. Die Landesfürstin hat, um eine Würdigung des früheren Regierungschefs Hans Brunhart aufzugreifen, "diesem Land mehr Sonne gebracht, Sonne, die vor allem Benachteiligte unserer Gesellschaft wärmt und pflegt, sei dies in Liechtenstein oder in anderen Gebieten dieser Welt."24

Das Fürstenpaar brachte fünf Kinder zur Welt, die sämtlich in Zürich geboren wurden:

Hans Adam Pius (sein Taufpate war Papst Pius XII.), geb. 14. Februar 1945, Prinz Philipp Erasmus (1946), Prinz Nikolaus Ferdinand (1947) Prinzessin Nora (1950), Prinz Josef Wen­

zel (1962-1991). Auf den jetzigen Landesfürsten Hans Adam und seine Ausrichtungen kom­

men wir weiter unten noch zu sprechen. Der nach ihm zweitgeborene Prinz Philipp Erasmus ist ein internationaler Bankfachmann und Vizepräsident der fürsteneigenen Bank in Liech­

tenstein. Prinz Nikolaus Ferdinand, Dr. iur., vertrat Liechtenstein beim Europarat in Strass-burg und ist Botschafter seines Landes in Bern sowie beim Vatikan. Er war Leiter der

liech-'•» Ja nsen 1978, S. 59 ff., Kranz 1982, S. 33 ff.

» Carl 1987, S. 458.

Ebd., siehe auch Dokumente 1, S. 48, 83 ff.

22 Siehe Carl 1987, S. 459: "Diese Massnahme sollte jegliche Spannungen eines Wahlkampfes verhindern und war oben­

drein eine Reaktion darauf, dass bei den Gemeindewahlen vom März 1942 wegen des hohen Anteils von Leerstim­

men Grund zur Besorgnis gegeben war - die Volksdeutsche Bewegung hatte ihren Anhängern diese An des Wahl­

boykottes nahegelegt."

23 Ebd., S. 461, Siehe ferner Grimm 1971, Vogelsang 1985.

2« Landesfürst 1984, S. 57.

Franz Josef II. von und zu Liechtenstein

tensteinischen EWR-Verhandlungsdelegation, und ist ferner Präsident des Stiftungsrates der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein mit Sitz in Schaan.

Prinzessin Nora Elisabeth hat in Genf Politische Wissenschaften Studien. Sie war Präsiden­

tin des Nationalen und Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees sowie Geschäftsführerin des Vaduzer "Instituts für Erwachsenenbildung in Ibero-Amerika", das u.a. ein Radiobildungsprogramm in Costa Rica betreut. Prinz Josef Wenzel hat die Militär­

akademie in Sandhurst in Grossbritannien absolviert und Medizin in der Schweiz studiert.

Nach dem Staatsexamen im November 1989 war er bis zu seinem frühen Tod im Februar 1991 als Assistenzarzt tätig, zuletzt am Spital in Rorschach. Auch der präsumtive Thronfol­

ger Prinz Alois (geb. 11. Juni 1968) hat eine Offiziersausbildung an der Militärakademie in Sandhurst abgeschlossen, was in Liechtenstein auf einige Kritik gestossen ist.

Dem 1989 verstorbenen Landesfürsten Franz Josef II. werden für seine über fünfzig­

jährige Regierungszeit im monarchischen Amt von allen liechtensteinischen Kommenta­

toren eine lautere Gesinnung, ein grosses staatspolitisches Verantwortungsbewusstsein und ein hohes Mass an politischer Klugheit bescheinigt. Er habe trotz äusserer Bedrohung und innerer Probleme die Entwicklung des Landes zum modernen Staat befördert, der partei­

politischen Verständigung und der demokratischen Zusammenarbeit zum Durchbruch verholfen sowie Fürst und Volk zu einer echten Lebensgemeinschaft zusammengeführt.

Die staatserhaltende Rolle des monarchischen Elements wird von Alt-Regierungschef Gerard Batliner so gewürdigt:

"Die erbliche Thronfolge enthebt den Fürsten der Wahl auf Zeit und bildet so ein Element der Kontinuität. Der Fürst, der die wechselnden Partei- und Wahlerfolge überdauert, ist ein Faktor politischer Stabilität. Und weil die Monarchie die kluge und deswegen nicht weniger anteilnehmende Distanz hält und nicht gezwungen ist, in die Geschäfte der Alltagspolitik hinabzusteigen, steht sie über der Parteiung und dem demokratischen 'Verschleiss' und ist so eine Kraft des Ausgleichs und des Zusammenhalts.""

Diese Prinzipien wurden vom Fürsten Franz Josef II. von und zu Liechtenstein und der Fürstin Gina in der Tat mit Leben erfüllt. Vor allem die "Thronreden" durchzieht es "wie ein roter Faden ...: die Sorge um die sozial oder aus anderen Gründen Benachteiligten, die Stel­

lung der Frau und das Frauenstimmrecht, die Ausländer und deren Familiennachzug, die Einbürgerung, andere Konfessionen. So (ist der Landesfürst), sich der Schwächeren und der Minderheiten annehmend, zugleich auch Kraft der Integration geworden. In diesem Zusam­

menhang (ist auch) die Fürstin zu nennen, die, seit sie bei uns ist, in ihrer fraulichen und müt­

terlichen Art zum Wohle vieler tätig wurde. Das Gemeinwohl ist kein Abstraktum."a

Der Landesfürst Franz Josef II. verstand sich offenkundig als "erster Diener des Staates"

und explizit auch als "Hüter der Verfassung". Es gehört überdies zu den vornehmsten Aufgaben eines Monarchen, "zu ermutigen, zu raten und zu warnen" (Walter Bagehot).

Öffentlichkeitswirksam geschieht dies in Liechtenstein jährlich bei der Landtagseröffnung sowie bei anderen feierlichen Anlässen, zu denen der Fürst spricht. Diese Thronreden "ent­

halten Grundsätze und Hinweise sowohl zur Tagespolitik wie auch als längerfristige Ziel­

setzung zur Zukunftsgestaltung" des Landes; sie geben Rechenschaft "über die vergangene Zeit, um daraus Schlüsse zu ziehen für die beginnende neue Periode".27 Sie sind gleichzeitig öffentliche Dokumente für das Politikverständnis oder die politische Philosophie des Fürsten. Die Thronreden widerspiegeln die persönliche Autorität des Monarchen, umreissen den gegebenen Entscheidungsspielraum und sind ein wichtiges Stück politischer "Selbst­

beschreibung" des Landes, seiner "Konstanz und Moral".28

w Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstenrum Liechtenstein 78 (1978), S. XEV/XV.

i» Ebd.. S. XV.

17 Brunhin, Vorwort zu: Thronreden, S. 7 sowie Thronrede vom 3. März 1949, hier S. 30.

n Brunhin, Vorwort, ebd., S. 7 f.