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Die für die Arbeit wesentlichen abhängigen und unabhängigen Variablen, die auf der Basis des empirischen Forschungsstands identifiziert wurden, lassen sich in Kombination mit den theoretischen Grundlagen in folgendem Forschungsdesign (Abbildung 1) vereinfacht visualisieren.

monozentrisch strukturiertes Umland (Suburbia / Post-Suburbia)

Abb. 1: Forschungsdesign der Arbeit Quelle: eigene Darstellung

Die abhängige Variable Freizeitmobilität soll insbesondere bzgl. der Indikatoren Zielwahl bzw. Wegedauer untersucht werden. Eine analytische Berücksichtigung weiterer Mobilitätsindikatoren erfolgt nur, soweit dies für die Diskussion der konzipierten Fragestellungen und Hypothesen notwendig erscheint. Räumliche, soziodemographische und lebensstilbezogene Faktoren bilden die unabhängigen Variablen, deren Erklärungspotentiale für die Freizeitmobilität im Kontext des Rational Choice-Ansatzes und des Lebensstilansatzes überprüft werden sollen.

Zur Freizeitmobilität in einem monozentrisch strukturierten Umland bestehen bislang erhebliche Kenntnisdefizite. Da in dieser Arbeit für diesen Raumtypus ein großer Einfluss räumlicher Faktoren auf die Freizeitmobilität vermutet wird, muss zuerst die Freizeitinfrastrukturausstattung im Umland analysiert werden. Um das funktionale Ausstattungsniveau im Untersuchungsraum systematisch charakterisieren zu können, müssen adäquate Kriterien verwendet werden. Diese Kriterien werden aus dem Post-Suburbia-Modell abgeleitet. Darüber hinaus lassen sich aufgrund dieser Kriterien mögliche räumliche Ausstattungsunterschiede innerhalb des Umlands identifizieren, die später auf damit korrespondierende Nutzungsunterschiede überprüft werden können. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die erste Fragestellung:

F1: Inwieweit kennzeichnen post-suburbane Merkmale die bestehende Freizeitinfrastruk-tur im Berliner Umland (A)?

Können hierbei räumlich differenzierte Entwicklungen beobachtet werden (B)?

Im monozentrisch strukturierten Umland unterliegt die Realisierung der Freizeitmobilität Restriktionsbedingungen auf der räumlichen und der soziodemographischen Ebene. Bei bestehenden freizeitinfrastrukturellen Ausstattungsunterschieden innerhalb des Berliner Umlands korrespondieren diese vermutlich mit entsprechend unterschiedlichen Freizeitwegedauern: Sofern sich z.B. Konzentrationen von Freizeiteinrichtungen in räumlicher Nähe zum Wohnstandort befinden, kann von deren intensiven Nutzung durch die Bewohner ausgegangen werden. Die einen höheren Zeitaufwand erfordernden Freizeitwege nach Berlin werden hingegen wahrscheinlich deutlich seltener realisiert. Die im Untersuchungsraum voraussichtlich häufigere Konstellation, dass sich in der nahräumlichen Umgebung des Wohnstandorts wenige oder keine Freizeiteinrichtungen befinden, kann v.a.

dann zu überdurchschnittlichen Freizeitnutzungen in Berlin führen, wenn auch die mit weniger Zeitaufwand erreichbaren Orte ein quantitativ oder qualitativ unzureichendes Freizeitangebot aufweisen. Die mit diesen Berlin-Wegen verbundenen hohen zeitlichen Belastungen könnten bei den Suburbaniten alternativ jedoch auch zu einer Einschränkung der Freizeitbedürfnisse und der Freizeitaktivitäten führen.

Die auf der soziodemographische Ebene verorteten Restriktionen betreffen vermutlich Personengruppen, die entweder durch zeitliche Einschränkungen oder durch begrenzte

materielle Ressourcen charakterisiert sind. Die materielle Ressourcenbegrenzung könnte sich z.B. in einem geringen Einkommensniveau oder in einer defizitären Pkw-Ausstattung widerspiegeln. Zu der Personengruppe mit zeitlichen Einschränkungen gehören vermutlich Doppelverdienerhaushalte, Familien sowie in Merkmalskombination doppelverdienende Familienhaushalte, insgesamt also für die Bewohner des suburbanen Raums typische Akteure.

Personen mit begrenzten materiellen Ressourcen dürften für den Untersuchungsraum eine nicht so hohe Repräsentativität aufweisen, da unter den Suburbaniten bspw.

Bevölkerungsgruppen mit einem hohen Einkommen i.d.R. überwiegen. Von einer defizitären Pkw-Ausstattung sind oftmals v.a. ältere Bewohner betroffen, die ebenfalls keine dominante Akteursgruppe der Suburbanisierung darstellen. Wenn diese Merkmale allerdings auf Bewohner im Untersuchungsraum zutreffen, könnten sich dadurch bei ihnen erheblich Einschränkungen für ihre Freizeitmobilität ergeben. Insgesamt ist davon auszugehen, dass diese Einschränkungen bei den Bewohnern ein rationales Mobilitätsverhalten fördern, das sich durch eine vorrangig nahräumliche Freizeitorientierung auszeichnet.

Diese auf der räumlichen und der soziodemographischen Ebene bestehenden Restriktionen müssen auch im Kontext der für verschiedene Aktivitäten geltenden unterschiedlichen Entfernungsempfindlichkeiten betrachtet werden. Die höhere Distanzunempfindlichkeit bei Arbeitswegen führt vor dem Hintergrund der für Suburbaniten ohnehin hohen Mobilitätsanforderungen vermutlich zu einer gesteigerten Distanzempfindlichkeit bei Freizeitwegen. Insbesondere dann, wenn sich die Arbeitsstätten der Bewohner in Berlin befinden, könnten mobilitätskompensatorische Strategien nahräumliche Freizeitorientierungen befördern. Zu solchen Zusammenhängen liegen bislang nur wenige Kenntnisse vor, sodass diese eher explorativ analysiert werden müssen.

Neben den aufgezeigten Restriktionsbedingungen kann auch der von den Suburbaniten bewusst gewählte Wohnstandort Auswirkungen auf ihre räumliche Freizeitorientierung haben.

Da die Umzugsgründe der Bewohner vermutlich auf die Verbesserung ihrer Wohnsituation abzielten und sich dadurch i.d.R. eine Steigerung der Wohnumfeldzufriedenheit eingestellt haben dürfte, kann dies mit einer hohen nahräumlichen Freizeitorientierung korrespondieren.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich die erste Hypothese:

H1: Suburbaniten weisen eine überwiegend nahräumliche Freizeitorientierung auf (A).

Die Ursachen hierfür liegen v.a. in restriktiven räumlichen und soziodemographischen Rahmenbedingungen begründet, die eine rationale Minimierung des Freizeitwegeauf-wands erfordern (B).

Vor dem Hintergrund der für Suburbaniten hohen Mobilitätsanforderungen führen auch unterschiedliche Entfernungsempfindlichkeiten innerhalb der Alltagsaktivitäten zu einer Nahraumorientierung bei infrastrukturorientierten Freizeitaktivitäten (C).

Neben den restriktiven Merkmalen trägt eine hohe Wohnumfeldzufriedenheit der Bewohner ebenfalls zur nahräumlichen Freizeitorientierung bei (D).

Die Argumentation unterstellt somit den Suburbaniten ein überwiegend rationales Mobilitätshandeln. Auch wenn mit dem Umzug ins Umland ein spezifisches Lebenskonzept freiwillig gewählt wird, bedeutet dies auf der Ebene der Freizeitmobilität, dass diese weniger durch Optionen, sondern vielmehr durch Restriktionen determiniert wird.

Neben der Nahraumorientierung stellen Kopplungen der Freizeitwege mit Arbeits-, Einkaufs- bzw. anderen Freizeitwegen eine weitere mögliche Strategie der Suburbaniten dar, auf die Restriktionen zu reagieren. Insbesondere für Bevölkerungsgruppen mit einer hohen Anzahl außerhäuslicher Aktivitäten können freizeitinfrastrukturelle Ausstattungsdefizite im Umland sowie zeitliche Einschränkungen zu einer verstärkten Kopplungsneigung führen. Es liegen bislang aber noch keine Erkenntnisse vor, in welchem Ausmaß Freizeitaktivitäten Bestandteil dieser Wegekopplungen sind. Das Ausmaß hängt wahrscheinlich auch davon ab, welchen Anteil freiraum- gegenüber infrastrukturorientierten Freizeitaktivitäten bei den Suburbaniten einnehmen: Naturaktivitäten, bei denen aufgrund des im Umland ubiquitär vorhandenen Angebots zumindest die räumliche Restriktionskomponente wegfällt, dürften von Kopplungszwängen demnach weniger betroffen sein als infrastrukturorientierte Freizeitaktivitäten. Für infrastrukturorientierte Aktivitäten wird die Kopplungsneigung vermutlich dann besonders hoch sein, wenn insgesamt zwar hohe räumliche Ausstattungsdefizite vorliegen, gleichzeitig jedoch gut erreichbare funktionsgemischte Standorte – entweder in der Kernstadt oder an punktuellen post-suburbanen Standorten – zeiteffiziente Kopplungen ermöglichen.

Neben dem Ausmaß der Freizeitwegekopplungen stellt sich also die Frage, welcher Raum für solche Kopplungen am ehesten prädestiniert ist. Wird Kopplungsverhalten räumlich konzentriert – und wenn ja, geschieht dies vorwiegend im eigenen Wohnort, im Umland oder in Berlin – oder eher räumlich dispers durchgeführt, sodass z.B. auf dem Rückweg von der Arbeitstätte in Berlin eine Freizeitstätte im Umland aufgesucht und anschließend im Wohnort eingekauft wird? Aus diesen Überlegungen ergibt sich die zweite Fragestellung:

F2: Welche Bedeutung haben Freizeitwegekopplungen bei Suburbaniten (A)?

Welche Ursachen können dafür identifiziert werden (B)?

Wo finden diese Kopplungen vorwiegend statt (C)?

Welche Personengruppen beteiligen sich vorrangig daran (D)?

Da die räumlichen Restriktionen alle Suburbaniten gleichermaßen betreffen und von den zeitlichen Einschränkungen voraussichtlich nur wenige Bevölkerungsgruppen unbeeinflusst bleiben, wird einer nach Lebensstiltypen differenzierten Zielwahl in der Freizeitmobilität eine nur geringe Bedeutung beigemessen. Der generelle Trend zur Individualisierung und die gesellschaftliche Modernisierung – die ihren Ausdruck u.a. auch in den Suburbanisierungsprozessen findet – werden grundsätzlich nicht infrage gestellt. Angesichts der vermuteten Restriktionen wird jedoch die These bezweifelt, dass dies zu einer Steigerung

der Wahlfreiheit und der Mobilitätsoptionen bzgl. der Freizeitwege und damit zu einer Ausweitung individueller Aktionsräume in der Freizeitmobilität führt. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen dürften Bewohner mit einem mobilitätsintensiven Freizeitverhalten nur zu einem geringen Anteil im suburbanen Raum vertreten sind. Zwar kann für den Untersuchungsraum eine hohe Pkw-Orientierung für die Alltagsmobilität im Allgemeinen und die Freizeitmobilität im Besonderen vermutet werden. Dies kann allerdings als eine rationale Strategie des Mobilitätsmanagements unter den gegebenen Restriktionen interpretiert werden und weniger als ein Ausdruck eines erlebnismotivierten Lebensstils.

Individualisierungsprozesse können zweifelsohne zu einer Diversifizierung der Freizeitwünsche und der Freizeitansprüche beitragen. Verschiedene empirische Ergebnisse stützen die Vermutung, dass Unterschiede in der Freizeitmobilität durch unterschiedliche Lebensstiltypen erklärt werden können. Diese Zusammenhänge könnten für die Bewohner des suburbanen Raums jedoch nur eingeschränkt gelten. Diese Vermutung basiert neben den genannten Restriktionen auch auf dem im Umland spezifischen Ausdifferenzierungsniveau der Lebensstiltypen: Aufgrund der relativ homogenen soziodemographischen Merkmale der betrachteten Untersuchungsgruppe dürfte eine deutliche lebensstilbezogene Varianz mindestens fraglich sein. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die zweite Hypothese:

H2: Der Lebensstilansatz kann die Zielwahl in der Freizeitmobilität von Suburbaniten aufgrund der restriktiven räumlichen und soziodemographischen Bedingungen nur unzureichend erklären. Demzufolge ist auch der Anteil der Personen mit einem mobilitätsintensiven Freizeitverhalten im suburbanen Raum nur sehr gering (A).

In anderen räumlichen Kontexten können Lebensstile durchaus Erklärungspotentiale für die Alltagsmobilität aufweisen, während dies für Suburbia nur sehr eingeschränkt gilt (B).

Diese Fragestellungen und Hypothesen bilden den Rahmen für die empirischen Analysen. Im folgenden Kapitel werden die spezifischen räumlichen Merkmale des Untersuchungsraums vorgestellt.